Bundessozialgericht, Urteil vom 03.09.2020, Az. B 14 AS 41/19 R

14. Senat | REWIS RS 2020, 2595

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss bei längerer stationärer Unterbringung - Aufenthalt zur Entwöhnungsbehandlung in einem Adaptionshaus - Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung - Einflussnahme des Einrichtungsträgers nach dem Therapiekonzept


Leitsatz

Eine Leistungen nach dem SGB II ausschließende Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und Integration einer hilfebedürftigen Person hat der Träger einer Einrichtung, wenn ihm nach dem der Maßnahme zu deren Beginn zugrunde gelegten Therapiekonzept bis zu deren Abschluss ein bestimmender Einfluss auf die alltägliche Lebensführung der hilfebedürftigen Person zukommt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2019 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] steht die Gewährung existenzsichernder Leistungen nach dem [X.] während einer Adaptionsmaßnahme bei Suchterkrankung von November 2015 bis März 2016.

2

Die 1994 geborene Klägerin befand sich im [X.] an eine halbjährige stationäre Suchtbehandlung von September 2015 bis März 2016 in einem [X.], um die neu erlernten [X.] unter alltagsrealistischen Bedingungen zu erproben. Sie bewohnte ein Apartment mit gesondertem Eingang und war für tägliche Aufgaben selbst zuständig. Die Teilnahme an Arbeitstrainings und Therapien war verpflichtend. Bei fehlender Motivation und Mitarbeit, unentschuldigten Fehlzeiten im Praktikum sowie nach [X.] war eine vorzeitige Entlassung möglich. Von einem für Therapien reservierten Werktag und einer Stunde Gruppengespräche wöchentlich abgesehen stand die [X.] von 6 bis 18 Uhr nach dem für alle Patienten einheitlichen Therapieplan zur Arbeitserprobung zur Verfügung. Bis 22 Uhr hatte eine Rückkehr ins Haus zu erfolgen. Ausgänge waren im [X.] zu dokumentieren. Heimfahrten oder Ausgänge konnten untersagt oder verkürzt werden. Alkohol- und Urinuntersuchungen durften jederzeit durchgeführt und auswärtige Termine mussten mit den Betreuern abgestimmt werden.

3

Der Klägerin wurde Eingliederungshilfe für den Aufenthalt im [X.] und ein monatlicher Barbetrag nach § 27b Abs 2 [X.] gewährt. Den Antrag auf existenzsichernde Leistungen nach dem [X.] lehnte das beklagte Jobcenter unter Verweis auf die stationäre Unterbringung im [X.] ab (Bescheid vom 2.12.2015; Widerspruchsbescheid vom 4.2.2016).

4

Das [X.] hat den Beklagten verpflichtet, der Klägerin für November 2015 bis März 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem [X.] in Höhe von etwa 150 Euro monatlich zu gewähren; die Klägerin sei im [X.] nicht leistungsausschließend untergebracht gewesen, weil dessen Hilfekonzept mit einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens drei Stunden täglich vereinbar gewesen sei (Gerichtsbescheid vom 28.10.2016). Das L[X.] hat den Gerichtsbescheid auf die Berufung des Beklagten aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.2.2019): Die Klägerin sei von Leistungen ausgeschlossen, da das [X.] die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Klägerin gehabt und damit eine Unterbringung vorgelegen habe. Die Rückausnahme nach § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 2 [X.] greife mangels Erwerbstätigkeit im Umfang von mindestens drei Stunden täglich nicht.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin als Verfahrensfehler eine unzureichende Sachaufklärung und einen Verstoß gegen Hinweispflichten. Materiell sei § 7 Abs 4 [X.] verletzt. Eine Unterbringung liege nicht vor. Das Therapiekonzept der Einrichtung stelle auf Eigenverantwortung ab und die Bewohner seien Selbstversorger, die ihre Tagesgestaltung weitgehend selbst beeinflussten. Die Hausordnung trage die Schlüsse des L[X.] nicht, weil die dort geforderte Abstinenz die Voraussetzung der Entwöhnungsbehandlung sei und das [X.] keine Gewähr für die Einhaltung der Regeln übernehme. Die Mitarbeiter könnten Ausgänge aufgrund ihrer Arbeits- und Anwesenheitszeiten nicht kontrollieren.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2019 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des [X.] vom 28. Oktober 2016 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Zutreffend hat das [X.] entschieden, dass die Klägerin in einer stationären Einrichtung untergebracht und deswegen von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen war.

9

1. Streitgegenstand ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 2.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], durch den der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem [X.] abgelehnt hat; entsprechend der mit der Revision erstrebten Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung beschränkt auf den [X.]raum von November 2015 bis März 2016 und auf [X.] zur Deckung des Regelbedarfs.

2. Prozess[X.]le Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Insbesondere ist der Sozialhilfeträger nicht nach § 75 Abs 2 Alt 1 [X.]G notwendig beizuladen, weil er bereits Leistungen erbracht hat (B[X.] vom 12.11.2015 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] Rd[X.]1).

3. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 19 iVm §§ 7 ff und § 20 [X.] in der Fassung, die das [X.] für die streitbefangenen Monate zuletzt durch das Gesetz vom 24.6.2015 ([X.]) erhalten hat (Geltungszeitraumprinzip, vgl B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]4 f). Danach war die 1994 geborene und zu Beginn des [X.] Jahre alte Klägerin nach den Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) zwar leistungsberechtigt nach § 7 Abs 1 Satz 1 [X.], insbesondere erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 Satz 1 [X.], § 8 [X.]) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 Satz 1 [X.], § 9 Abs 1 [X.]). Jedoch war sie im [X.] nach § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen. Leistungen nach dem [X.] erhält hiernach nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Ausgenommen hiervon ist abgesehen von Krankenhausaufenthalten von voraussichtlich weniger als sechs Monaten (§ 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.]) nur, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist (§ 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.]). Hiernach ist eine stationär versorgte erwerbsfähige hilfebedürftige Person dem Existenzsicherungssystem des [X.] nicht schon dann zugeordnet, wenn das Therapiekonzept der Einrichtung die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich erlaubt, wie vom [X.] angenommen. Ist die Zuordnung nach § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] nicht durch eine tatsächliche Erwerbstätigkeit in zumindest diesem Umfang widerlegt, ist die hilfebedürftige Person von Leistungen nach dem [X.] vielmehr ausgeschlossen, solange dem Träger der Einrichtung nach Maßgabe seines Konzeptes die Gesamtverantwortung für ihre tägliche Lebensführung und Integration zukommt (dazu 4. und 5.). Das hat das [X.] hier zutreffend angenommen (dazu 6.).

4. Übernimmt der Träger einer Einrichtung nach § 7 Abs 4 [X.] die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und die Integration einer hilfebedürftigen Person, eröffnet die in seinem Therapiekonzept angelegte Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich den Zugang zu existenzsichernden Leistungen nach dem [X.] nur, wenn eine Erwerbstätigkeit mindestens in diesem Umfang tatsächlich ausgeübt wird.

a) Bis zur aktuellen, durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.] ([X.] 1706; im Folgenden GSiFoG) begründeten Fassung von § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] erhielt Leistungen nach dem [X.] nicht, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht war oder Rente wegen Alters bezog (§ 7 Abs 4 [X.] idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.] 2954). Der erkennende Senat hatte in Bezug darauf einen eigenständigen Einrichtungsbegriff für das [X.] entwickelt. Danach kam es für die Einordnung einer Einrichtung als stationär darauf an, ob der in der Einrichtung Untergebrachte aufgrund der objektiven Struktur der Einrichtung in der Lage war, wöchentlich 15 Stunden (bzw täglich drei Stunden) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein (vgl nur B[X.] vom [X.] - [X.]/7b [X.] - B[X.]E 99, 88 = [X.] 4-4200 § 7 [X.], Rd[X.]6). Dadurch sollte die Funktion, die dem Einrichtungsbegriff im [X.] zukommt, besonders berücksichtigt und von einer erwerbszentrierten Definition des Einrichtungsbegriffs ausgegangen werden (vgl nur B[X.] vom [X.] - [X.]/7b [X.] - B[X.]E 99, 88 = [X.] 4-4200 § 7 [X.], Rd[X.]5, 20-21).

b) Dieser funktionale Einrichtungsbegriff kann, wie die beiden für Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des B[X.] bereits entschieden haben, seit der Änderung des § 7 Abs 4 [X.] durch das GSiFoG keine Anwendung mehr finden (B[X.] vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - B[X.]E 116, 112 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]6, Rd[X.]6; B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - Rd[X.]0). Nach der ausdrücklichen Konzeption der Regelung in dieser Fassung ist die Möglichkeit von Erwerbstätigkeit nur leistungsrelevant, wenn sie im Umfang von 15 Wochenstunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tatsächlich ausgeübt wird.

Entgegen früherer Skepsis (vgl B[X.] vom [X.] - [X.]/7b [X.] - B[X.]E 99, 88 = [X.] 4-4200 § 7 [X.], Rd[X.]6) haben die Grundsicherungssenate die Zuordnung zum [X.] oder dem [X.]B XII demzufolge daran ausgerichtet, ob die hilfebedürftige Person in einer Einrichtung im Sinne des sozialhilferechtlichen Einrichtungsbegriffs nach § 13 [X.]B XII aufgenommen ist (B[X.] vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - B[X.]E 116, 112 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]6, Rd[X.]3 ff; B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - Rd[X.]1). Als wesentliches und die drei in Satz 1 angeführten Voraussetzungen - "Einrichtung", "stationär" und "Unterbringung" - im [X.] verbindendes Merkmal des [X.] nach § 7 Abs 4 [X.] haben sie es in Anlehnung an die Konturierung des sozialhilferechtlichen Einrichtungsbegriffs zunächst durch das [X.] und sodann das B[X.] danach angesehen, ob der Träger der Einrichtung nach Maßgabe seines Konzepts die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und die Integration des Hilfebedürftigen übernimmt (B[X.] vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - B[X.]E 116, 112 = [X.] 4-4200 § 7 [X.]6, Rd[X.]8; B[X.] vom 2.12.2014 - [X.] [X.]/13 R - Rd[X.]1).

c) Dieses Verständnis der Gesamtverantwortung des [X.] für die tägliche Lebensführung als hervorgehobenes Kriterium der Zuordnung von in Einrichtungen lebenden hilfebedürftigen Personen entweder zum [X.]B XII oder zum [X.] hat sich der Gesetzgeber letztens im Gesetzgebungsverfahren aus Anlass der Anpassung [X.] des [X.] an das [X.] vom 23.12.2016 ([X.] 3234) ausdrücklich zu eigen gemacht und damit dessen Bedeutung auch für die Rechtslage zuvor mittelbar bestätigt. In Reaktion auf die inzwischen weggefallene Unterscheidung zwischen ambulanten, teilstationären und stationären Leistungen der Eingliederungshilfe hat er zwar das Merkmal der stationären Einrichtung in § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] unverändert gelassen, weil der Begriff etwa bei Krankenhausaufenthalten iS des § 107 [X.]B V oder der Inanspruchnahme von Pflegeleistungen weiter verwandt werde (vgl BT-Drucks 19/11006 [X.]). Jedoch ist § 7 Abs 4 [X.] mit Wirkung vom 1.1.2020 wie folgt ergänzt worden: "Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des [X.] entsprechend" (§ 7 Abs 4 Satz 4 [X.] idF des Gesetzes zur Änderung des [X.] und des [X.] Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften vom 30.11.2019, [X.] 1948). Das zielt nach den Gesetzesmaterialien darauf ab, die in der Rechtsprechung zu § 7 Abs 4 [X.] entwickelten Kriterien angesichts des Verzichts auf den Begriff der stationären Einrichtung im neuen Eingliederungsrecht auf die an seine Stelle getretene sogenannte besondere Wohnform iS des § 42a Abs 2 Satz 1 [X.] und Satz 3 [X.]B XII entsprechend zu übertragen. Das gelte insbesondere für das vom B[X.] aus dem Merkmal der "Unterbringung" abgeleitete Erfordernis, wonach der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] nur greife, wenn der Träger (der stationären Einrichtung beziehungsweise künftig auch der besonderen Wohnform) nach Maßgabe seines Konzepts die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und die Integration der Betroffenen übernimmt (BT-Drucks 19/11006 [X.]).

5. Eine Leistungen nach dem [X.] ausschließende Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und Integration einer hilfebedürftigen Person hat der Träger einer Einrichtung, wenn ihm nach dem der Maßnahme zu deren Beginn zugrunde gelegten Therapiekonzept bis zu deren Abschluss bestimmender Einfluss auf die alltägliche Lebensführung der hilfebedürftigen Person zukommt.

a) Gesamtverantwortung in einer für die stationäre Aufnahme eines Leistungsberechtigten kennzeichnenden Weise hat der Träger einer Einrichtung nach der vom B[X.] fortgeführten Rechtsprechung des [X.] zum Einrichtungsbegriff nach dem [X.], wenn er nicht nur einzelne Therapiemaßnahmen erbringt, sondern auch die Verantwortung für die gesamte Betreuung des Leistungsberechtigten trägt, solange dieser sich innerhalb der Einrichtung befindet ([X.] vom [X.] - [X.] 19.74 - [X.]E 48, 228, 231 = [X.] 436.0 § 40 [X.] [X.]; zu § 13 Abs 2 [X.]B XII vgl letztens B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 32/16 R - B[X.]E 126, 174 = [X.] 4-3500 § 98 [X.], Rd[X.]6). Für eine als (teil-)stationär anzusehende Leistung nach § 72 [X.] (Hilfe zur Überwindung besonderer [X.] Schwierigkeiten) hat das [X.] dafür verlangt, dass der [X.] von der Aufnahme des Leistungsberechtigten bis zu dessen Entlassung nach Maßgabe des angewandten Konzepts die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Leistungsberechtigten übernimmt und sie auch dann wahrgenommen wird, wenn nach dem Therapiekonzept aktive, direkte Behandlungsmaßnahmen entsprechend dem erreichten Grad an Selbstständigkeit des Leistungsberechtigten zurücktreten und andere, stärker auf Abruf angelegte Hilfen in den Vordergrund rücken ([X.] vom [X.] - 5 C 24.92 - [X.]E 95, 149, 153 f = [X.] 436.0 § 100 [X.] [X.]).

Voraussetzung für eine Gesamtverantwortung in diesem Sinne sind danach auf Seiten der Einrichtung ein bestimmender Einfluss auf den Alltag (B[X.] vom 26.10.2017 - [X.] [X.] 12/16 R - [X.] 4-1750 § 524 [X.] Rd[X.]1) sowie Elemente der begleitenden Kontrolle und Beobachtung (vgl [X.] vom [X.] - 5 C 24.92 - [X.]E 95, 149, 153 f = [X.] 436.0 § 100 [X.] [X.]) mitsamt der dazu erforderlichen Ausstattung (B[X.] vom 26.10.2017 - [X.] [X.] 12/16 R - [X.] 4-1750 § 524 [X.] Rd[X.]1) und auf Seiten der leistungsberechtigten Person ein entsprechend eingeschränktes Maß an autonomer Entscheidungsmöglichkeit, sich den Vorgaben der Einrichtung zu entziehen, ohne dass freilich ein zunehmendes Maß an Selbstständigkeit die Verantwortlichkeit des [X.] entfallen lässt ([X.] vom [X.] - 5 C 24.92 - [X.]E 95, 149, 153 f = [X.] 436.0 § 100 [X.] [X.]; B[X.] vom 23.7.2015 - [X.] [X.] 7/14 R - [X.] 4-3500 § 98 [X.] Rd[X.]9; B[X.] vom 26.10.2017 - [X.] [X.] 12/16 R - [X.] 4-1750 § 524 [X.] Rd[X.]1).

b) Ob nach diesem Maßstab - unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (vgl [X.], [X.]b 2015, 512, 515 ) - von einer Leistungen nach dem [X.] ausschließenden Gesamtverantwortung eines [X.] auszugehen ist, beurteilt sich nach dem der Maßnahme bei deren Beginn zugrunde gelegten Therapiekonzept und nicht nach der Ausgestaltung und Entwicklung der einzelnen therapeutischen Angebote im weiteren Verlauf. Das ist in dem Merkmal der Gesamtverantwortung schon insofern angelegt, als nach der Rechtsprechung des [X.] und der des B[X.] von einer solchen Verantwortlichkeit nur ausgegangen werden kann, wenn sie sich - wenn auch uU mit abnehmender Intensität - von der Aufnahme bis zur Entlassung des Leistungsberechtigten erstreckt ([X.] vom [X.] - 5 C 24.92 - [X.]E 95, 149, 153 = [X.] 436.0 § 100 [X.] [X.]; zu § 13 Abs 2 [X.]B XII vgl letztens B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 32/16 R - B[X.]E 126, 174 = [X.] 4-3500 § 98 [X.], Rd[X.]6); eine besondere Verantwortlichkeit nur für den Beginn der Maßnahme reicht hingegen nicht (B[X.] vom 26.10.2017 - [X.] [X.] 12/16 R - [X.] 4-1750 § 524 [X.] Rd[X.]1). Das entspricht auch dem von den Regelungen zur Abgrenzung von [X.]B XII und [X.] bei stationären Aufenthalten [X.] verfolgten Zweck, kurzzeitige Wechsel zwischen den beiden Existenzsicherungssystemen zu vermeiden und zu einer klaren Abgrenzung der Systeme beizutragen (vgl nur B[X.] vom 12.11.2015 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] Rd[X.]1 mwN; zur Notwendigkeit objektiver, eindeutiger Kriterien bei der Abgrenzung vgl auch B[X.] vom 14.12.2017 - [X.] [X.] 16/16 R - [X.] 4-3500 § 27b [X.] Rd[X.]0). Demgemäß ist nach der Rechtsprechung des Senats zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.] die [X.] einer vorherigen stationären Unterbringung in die Abschätzung der Dauer eines Krankenhausaufenthalts einzubeziehen, wenn die hilfebedürftige Person währenddessen keine Leistungen nach dem [X.] bezogen hat (vgl nur B[X.] vom 12.11.2015 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] Rd[X.]2). Vergleichbar muss beim Aufenthalt in anderen Einrichtungen für Träger wie für Leistungsberechtigte zu [X.] feststehen, ob eine Leistungszuständigkeit nach dem [X.] oder dem [X.]B XII begründet ist.

6. Zutreffend hat das [X.] hiernach angenommen, dass die Klägerin während ihres Aufenthalts im [X.] von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen war.

a) [X.] ist es zunächst davon ausgegangen, dass das [X.] ein hinreichendes Maß an personellen und sächlichen Mitteln vorhält, auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem [X.]B XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dient, also stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe - vor deren Überführung in das [X.]B IX - iS von § 13 Abs 2 [X.]B XII und damit auch von § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] war (zum Einrichtungsbegriff nach § 13 Abs 2 [X.]B XII vgl letztens nur B[X.] vom 1.3.2018 - [X.] [X.] 22/16 R - [X.] 4-3250 § 14 [X.]8 Rd[X.]3 mwN). Nicht ausschlaggebend dafür ist, wie sehr das von der Klägerin bewohnte Apartment mit gesondertem Eingang räumlich von der übrigen Einrichtung separiert war; beachtlich könnte das nur sein, wenn das Apartment nicht zu dessen Räumlichkeiten gehörte (vgl B[X.] vom 1.3.2018 - [X.] [X.] 22/16 R - [X.] 4-3250 § 14 [X.]8 Rd[X.]3), wofür nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] nichts spricht.

b) Die mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffenen (§ 163 [X.]G; dazu c) Feststellungen tragen weiter die Einschätzung des [X.], dass dem [X.] nach dem der Maßnahme bei deren Beginn zugrunde gelegten Therapieplan bis zu deren Abschluss die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und Integration der Klägerin zukam.

Darauf verweisen nach dem therapeutischen Ansatz schon die umfassenden Therapieziele von Sozialbetreuung über Soziotherapie und Psychotherapie bis zu Arbeitstherapie und beruflicher Orientierung. Dem entsprach auch das breite Angebot intensiver Unterstützung bei der Bewältigung von Defiziten auf Seiten der Einrichtung einerseits und die Erwartung, dass sich die dort aufgenommenen Personen jedenfalls wöchentlich dem Gespräch über den Therapiefortschritt und Ursachen von Schwierigkeiten stellen andererseits, was ohne eingehende Beobachtungen des [X.] nicht möglich ist. Schließlich war das nach den Feststellungen flankiert von Kontrollvorbehalten im Hinblick insbesondere auf die für die Therapie vorausgesetzte Abstinenz sowie der Möglichkeit vorzeitiger Entlassungen aus der Adaption [X.] bei fehlender Mitarbeit und Motivation.

Dass die Maßnahme in dem [X.] auf die Wiedererlangung der Selbstständigkeit der Klägerin gerichtet war und sie sich im Rahmen der Vorgaben ihre [X.] frei einteilen und ihren Lebensalltag frei gestalten konnte, steht dem nicht entgegen. Das wäre nach den in der Rechtsprechung zum sozialhilferechtlichen Einrichtungsbegriff entwickelten Kriterien nur beachtlich, wenn die Klägerin - uU von einer anfänglichen unterstützenden Orientierung durch die Einrichtung abgesehen - Unterstützungsangebote der Einrichtung jeweils nur auf eigene Entscheidung und eigenen Abruf erhalten sollte. Dafür spricht nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] indes nichts. Soweit die Klägerin im Verlauf der Maßnahme an Selbstständigkeit gewonnen hat, war sie nach dem therapeutischen Konzept der Einrichtung dennoch eingebunden in eine engmaschige Beobachtung und bestand die Möglichkeit jederzeitiger Intervention als Ausdruck der fortdauernden (Gesamt-)Verantwortung des [X.] für den Therapieerfolg.

Angesichts dessen sprechen schließlich auch die von der Revision angeführte Möglichkeit der freien [X.]einteilung an den nicht durch den Therapieplan vorgegebenen festen Gesprächsterminen und die Abwesenheit der Mitarbeiter am Abend und in der Nacht nicht gegen einen bestimmenden Einfluss der Einrichtung für den Tagesablauf der Klägerin. Wie das [X.] festgestellt hat, war auch die Nutzung der für Arbeitstherapie und Berufspraktika vorgesehenen (freien) Tage in der Einrichtung zu besprechen und folglich von den therapeutischen Vorgaben der Einrichtung bestimmt; entsprechend konnten unentschuldigte Fehlzeiten im Praktikum zu einer vorzeitigen Entlassung führen. Demgegenüber sind Anhaltspunkte dafür, dass der Träger bei Auffälligkeiten ggf - auch wegen der Abwesenheitszeiten der Mitarbeiter - nicht in der Lage gewesen wäre, die Einhaltung der Vorgaben engmaschig zu kontrollieren und auf anhaltende Verstöße mit der Beendigung der Maßnahme zu reagieren, nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] nicht ersichtlich und werden von der Klägerin ebenfalls nicht geltend gemacht.

c) An die Feststellungen des [X.] zu dem Therapiekonzept ist der Senat gebunden, denn die Klägerin hat diesbezüglich keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgebracht (§ 163 [X.]G). Voraussetzung für den Erfolg einer solchen Rüge im Revisionsverfahren ist die Bezeichnung von Tatsachen, aus denen sich ein Aufklärungsmangel hinsichtlich der entsprechenden Feststellung des [X.] schlüssig ergibt (vgl § 164 Abs 2 Satz 3 [X.]G). Notwendig für eine durchgreifende Verfahrensrüge sind Darlegungen, die das Revisionsgericht in die Lage versetzen, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl B[X.] vom 10.3.2015 - [X.] [X.]/13 R - B[X.]E 118, 137 = [X.] 4-2400 § 90 [X.], Rd[X.]0). Soweit die Klägerin mit ihrer Revision rügt, dass es an Feststellungen zu den konkreten mit ihr durchgeführten Maßnahmen fehlt, ist dies nach den aufgezeigten Maßstäben ohne Bedeutung.

d) Zutreffend ist das [X.] zuletzt davon ausgegangen, dass die Rückausnahme nach § 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.] nicht aufgrund der zwei von ihr absolvierten Praktika greift. Diese entsprechen nach der Ausgestaltung hinsichtlich Entgelt, Arbeitszeit und Arbeitsort nicht einer Erwerbstätigkeit zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes (zu den Kriterien vgl nur [X.] in Eicher/[X.], [X.], 4. Aufl 2017, § 7 Rd[X.]54; [X.]/[X.]/[X.] in [X.], [X.], 6. Aufl 2017, § 7 Rd[X.]11).

7. Keiner Entscheidung bedarf danach, ob der Beklagte der für die streitbefangene Leistung örtlich und sachlich zuständige Träger ist, weil die Klägerin in seinem Zuständigkeitsbereich ihren gewöhnlichen Aufenthalt iS von § 30 Abs 3 Satz 2 [X.]B I hatte, was nicht festgestellt ist (§ 44b Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 36 Abs 1 Satz 1, Satz 2 [X.] jeweils idF der Bekanntmachung vom 31.5.2011, [X.] 850).

8. Zuletzt ist das Urteil des [X.] nicht auf Verfahrensrüge der Klägerin wegen Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 [X.]G) aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen, da nicht dargetan ist, dass sie vor dem [X.] erfolglos alle prozess[X.]len Möglichkeiten ausgeschöpft hätte, sich Gehör zu verschaffen (vgl nur B[X.] vom 30.10.2013 - [X.] V 6/13 B - RdNr 8).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 41/19 R

03.09.2020

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Schwerin, 28. Oktober 2016, Az: S 13 AS 214/16, Gerichtsbescheid

§ 7 Abs 4 S 1 Alt 1 SGB 2, § 7 Abs 4 S 3 Nr 2 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 03.09.2020, Az. B 14 AS 41/19 R (REWIS RS 2020, 2595)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2595

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