Bundessozialgericht, Urteil vom 05.06.2014, Az. B 4 AS 32/13 R

4. Senat | REWIS RS 2014, 4996

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Geltendmachung von Leistungen für Unterkunft und Heizung für einen Hilfebedürftigen durch den Sozialhilfeträger gegenüber dem Grundsicherungsträger im Wege der Prozessstandschaft - notwendige Beiladung des Leistungsberechtigten Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 SGB 2 - Unterbringung in einer stationären Einrichtung - Einrichtungsbegriff)


Leitsatz

Der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung schließt seit dem 1.8.2006 Leistungen nach dem SGB 2 aus, wenn der Träger der Einrichtung nach Maßgabe seines Konzepts die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und die Integration des Hilfebedürftigen übernimmt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 20. März 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist ein durch den [X.]läger als überörtlichem Träger der Sozialhilfe im Wege der Prozessstandschaft geltend gemachter Anspruch auf [X.]osten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum eines geschützten stationären Wohnens von E. in [X.] Umgebung vom [X.] bis 30.11.2009.

2

E. lebte bis zum 30.11.2009 im [X.] in [X.], welches suchtmittelabhängigen Menschen ein Angebot für den [X.]edarf eines geschützten Wohnens in suchmittelabstinenter Umgebung bietet. Träger ist das [X.] gemeinnützige GmbH in [X.] Zwischen ihr und E. wurde kein Heimvertrag abgeschlossen.

3

Der [X.]läger ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe. Er erklärte die [X.]ostenübernahme für die [X.]etreuung von E. unter anderem für Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt ([X.]) in Einrichtungen sowie für Leistungen zum [X.]esuch der Einrichtung nach dem [X.] bzw Sechsten [X.]apitel [X.][X.] XII ([X.]escheid vom 1.12.2008).

4

Ferner bewilligte der [X.]eklagte E. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.][X.] II ohne [X.]erücksichtigung von [X.]osten für Unterkunft und Heizung ([X.]escheid vom [X.], Änderungsbescheid vom [X.] und Widerspruchsbescheid vom 4.11.2009).

5

Das [X.] hat den [X.]eklagten zur Leistungsgewährung an E. für [X.]osten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 317,42 [X.] verurteilt (Urteil vom 5.4.2011). Das L[X.] hat auf die [X.]erufung des [X.]eklagten das Urteil aufgehoben und die [X.]lage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Zur [X.]egründung hat es ausgeführt, dass der [X.]läger zwar grundsätzlich im Wege der Prozessstandschaft nach § 95 [X.][X.] XII zur Geltendmachung von Ansprüchen des E. befugt sei. Dieser sei dem Grunde nach leistungsberechtigt, insbesondere sei er nicht nach § 7 Abs 4 [X.][X.] II von Leistungen ausgeschlossen. Ihm stehe jedoch der geltend gemachte Anspruch auf [X.]osten für Unterkunft und Heizung mangels [X.]edarf nicht zu. Der Grundsicherungsträger habe nur solche [X.]osten zu übernehmen, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden seien und für deren Deckung ein [X.]edarf bestehe. Insoweit müsste im Dreiecksverhältnis zwischen dem Eingliederungsleistungen gewährenden Sozialhilfeträger, dem Heimträger und dem [X.]etroffenen der Heimträger dem [X.]etroffenen die Unterkunft zumindest "in Rechnung stellen". Daran fehle es. [X.]ei dem im Leistungsbescheid festgesetzten [X.]etrag von 317,42 [X.] handele es sich um einen [X.]erechnungsposten im Rahmen der auf § 35 [X.][X.] XII aF entfallenden Leistungen, die der [X.]läger an E. gewähre. Es handele sich um Sozialleistungen, nicht aber um [X.]osten, die unmittelbar ihren Rechtsgrund im Zurverfügungstellen einer Unterkunft hätten.

6

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision macht der [X.]läger eine Verletzung des § 22 [X.][X.] II geltend. E. sei auf Grundlage des [X.]ostenbeitragsbescheides und des sozialhilferechtlichen Leistungsdreiecks zur Zahlung der Unterkunftskosten im bezifferten Umfang von monatlich 317,42 [X.] verpflichtet. Ein direkter Mietvertrag zwischen Leistungsberechtigtem und Einrichtung sei nicht erforderlich. Die Festsetzung des Umfangs der Unterkunftskosten stünde dem [X.]läger gemäß §§ 35, 42 [X.][X.] XII zu. Sie seien angemessen iS von § 22 [X.][X.] II.

7

Der [X.]läger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 20. März 2013 aufzuheben und die [X.]erufung gegen das Urteil des Sozialgerichts [X.]assel vom 5. April 2011 zurückzuweisen.

8

Der [X.]eklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Der Grundsicherungsträger habe nur solche [X.]osten zu übernehmen, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden seien. Es könne sich dabei allein um das Verhältnis zwischen dem [X.]etroffenen und der Einrichtung handeln, innerhalb dessen der [X.]etroffene zur Zahlung von [X.]osten für Unterkunft und Heizung verpflichtet sein müsse. Die im [X.] bezifferten [X.]osten in Höhe von monatlich 317,42 [X.] würden das Verhältnis zwischen dem [X.]läger und der Einrichtung betreffen. Der [X.]läger sei zwar gegenüber dem Träger der Einrichtung möglicherweise berechtigt, die Wohnkosten nach § 42 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 [X.][X.] XII in Höhe eines Durchschnittssatzes abzurechnen. Durch eine solche Festsetzung im [X.] würde jedoch kein konkreter [X.]edarf iS von § 22 [X.][X.] II im [X.] zwischen dem [X.] und dem [X.]etroffenen entstehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 [X.] SGG). Der [X.] konnte nicht abschließend darüber entscheiden, ob dem möglichen Anspruchsinhaber E. der vom [X.]läger geltend gemachte Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung gegenüber dem Beklagten zusteht. Das Verfahren leidet bereits an einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensmangel. Ferner lassen die Feststellungen keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob E. im streitgegenständlichen Zeitraum grundsätzlich leistungsberechtigt nach § 7 Abs 1 [X.] war und ob der Leistungsanspruch wegen des Aufenthalts in einer stationären Einrichtung iS des § 7 Abs 4 [X.] ausgeschlossen war.

1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom [X.] und [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.11.2009. Im Streit stehen die darin abgelehnten Leistungen für Unterkunft und Heizung, soweit sie den Zeitraum vom [X.] bis 30.11.2009 betreffen. Der [X.]läger hat die [X.]lage entsprechend zeitlich eingegrenzt.

Leistungen für Unterkunft und Heizung bilden abtrennbare Verfügungen des [X.], ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur [X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - [X.], 217 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]8 f). An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 [X.] durch das Gesetz zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] ([X.]) nichts geändert. Das BSG hat dies für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte bereits entschieden (vgl [X.] vom 13.4.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]1) und seine Rechtsprechung auf nachträgliche Zeiträume erstreckt (vgl [X.] vom [X.] - [X.] [X.]/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).

2. Das Verfahren leidet an einem von Amts wegen zu beachtenden wesentlichen Verfahrensmangel.

Der mögliche Anspruchsinhaber E. hätte gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 SGG notwendig beigeladen werden müssen. Nach dieser Vorschrift sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung). Dies ist in der Person des E. gegeben, denn die Entscheidung darüber, ob der [X.]läger im Wege der Prozessstandschaft nach § 95 [X.] die Gewährung von Leistungen an E. begehren kann, greift unmittelbar in dessen Rechtsposition ein, weil dessen Leistungsanspruch betroffen ist (vgl [X.] vom [X.] - 5a/5 [X.] 6/80 - Juris Rd[X.]2). Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG ist bei einer zulässigen Revision von Amts wegen als wesentlicher Verfahrensfehler zu beachten (vgl nur [X.] vom 28.10.2008 - [X.] [X.] 22/07 R - [X.], 1 = [X.]-1500 § 75 [X.], Rd[X.]8 mwN).

Von der nach § 168 [X.] SGG eröffneten Möglichkeit, E. mit seiner Zustimmung noch im Revisionsverfahren beizuladen, hat der [X.] keinen Gebrauch gemacht, weil die tatsächlichen Feststellungen des [X.] keine abschließende Entscheidung zulassen und daher aus anderen Gründen ohnedies zurückverwiesen werden muss.

Die unterbliebene Beiladung des Trägers des [X.], der gemeinnützige GmbH, begründet dagegen keinen Verfahrensmangel. Eine notwendige Beiladung gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 SGG war nicht erforderlich, denn der [X.] erlangt im Falle einer Leistungsverpflichtung des beklagten Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Grundlage des § 22 [X.] im Gegensatz zu den Fallkonstellationen innerhalb des sozialhilferechtlichen [X.] keinen eigenständigen Leistungsanspruch diesem gegenüber. Die Entscheidung darüber greift damit nicht unmittelbar in seine Rechtsposition ein (vgl zum Schuldbeitritt im Rahmen des sozialhilferechtlichen [X.] etwa [X.] vom 28.10.2008 - [X.] [X.] 22/07 R - [X.], 1 = [X.]-1500 § 75 [X.], Rd[X.]3, 25; [X.] vom 23.8.2013 - [X.] [X.] 10/12 R - zur Veröffentlichung in [X.]-1500 § 130 [X.] vorgesehen). Sofern eine einfache Beiladung nach § 75 Abs 1 [X.] SGG möglich wäre, stellt deren Unterbleiben keinen Verfahrensfehler dar (vgl nur [X.] vom [X.] [X.]A 71/04 R - [X.], 141, 143 = [X.]-2500 § 83 [X.] Rd[X.]4).

3. Ob der [X.]läger erfolgreich die Feststellung der fraglichen Leistung als erstattungsberechtigter Träger nach § 95 [X.] iVm § 104 [X.] betreiben kann, konnte der [X.] nicht abschließend entscheiden. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 [X.] vorliegen, ist gemäß § 104 Abs 1 [X.] [X.] der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers [X.]enntnis erlangt hat. Gemäß § 104 Abs 1 [X.] [X.] ist nachrangig verpflichtet ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Da es im Verhältnis der [X.] und der [X.]-Träger zueinander kein Vorrang-Nachrang-Verhältnis in diesem Sinne gibt, bestimmt § 104 Abs 1 S 4 Halbs 1 [X.], dass [X.] entsprechend gilt, wenn von den Trägern der Sozialhilfe, der [X.] und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein [X.]ostenbeitrag erhoben werden kann.

Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz des [X.] in Höhe der [X.]osten für Unterkunft und Heizung des E. würde einen entsprechenden Anspruch des E. auf Grundlage von § 22 [X.] voraussetzen. Das Urteil des [X.] lässt allerdings keine ausreichenden Feststellungen dazu erkennen, ob E. die hierfür erforderlichen Voraussetzungen einer grundsätzlichen [X.] erfüllt. Nach § 7 Abs 1 [X.] [X.] (idF des [X.] an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007, [X.], der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2008 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist) erhalten Leistungen nach dem [X.] Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (1.), erwerbsfähig (2.) und hilfebedürftig (3.) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.] haben (4.).

Das [X.] hat zu keiner dieser vier Voraussetzungen Feststellungen getroffen. Das Vorliegen der Voraussetzungen des Leistungsanspruchs des [X.] wird das [X.] im wiedereröffneten Verfahren festzustellen haben.

4. Der [X.] konnte ferner nicht abschließend darüber befinden, ob E. im streitgegenständlichen Zeitraum von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen war.

Gemäß § 7 Abs 4 [X.] (idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom [X.] <[X.]>, [X.] 1706, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.8.2006 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist) erhält Leistungen nach dem [X.] nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder [X.]nappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht ([X.]). Nach [X.] ist dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. In Ausnahme von dem grundsätzlichen Leistungsausschluss des § 7 Abs 4 [X.] [X.] erhält Leistungen nach dem [X.], wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem [X.]rankenhaus (§ 107 des [X.]) untergebracht ist ([X.] [X.]) oder wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist ([X.] [X.]). Zur Bestimmung, ob E. in einer stationären Einrichtung untergebracht war, ist das [X.] von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Es hat dabei auf [X.]riterien abgestellt, die die Rechtsprechung zur Vorgängerregelung des § 7 Abs 4 [X.] entwickelt hatte. Diese sind seit Neufassung des § 7 Abs 4 [X.] zum 1.8.2006 nicht mehr heranzuziehen.

Gemäß § 7 Abs 4 [X.] in der vorangehenden Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 ([X.] 2954) (aF) erhielt Leistungen nach dem [X.] nicht, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht. Der 14. [X.] des BSG hatte in Bezug auf diese Rechtslage einen vom [X.] getrennten eigenständigen funktional ausgerichteten Einrichtungsbegriff für das [X.] entwickelt. Danach kam es für die Einordnung einer Einrichtung als stationär darauf an, ob der in der Einrichtung Untergebrachte aufgrund der objektiven Struktur der Einrichtung in der Lage war, wöchentlich 15 Stunden (bzw täglich drei Stunden) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein ([X.] vom [X.] - [X.]/7b A[X.]6/07 R - [X.], 88 = [X.]-4200 § 7 [X.], Rd[X.]6; [X.] vom [X.] - [X.]/7b [X.]/06 R - [X.]-4200 § 7 [X.] Rd[X.]6; [X.] vom [X.] - [X.] A[X.]6/08 R - FEVS 61, 241). Dadurch sollte die Funktion, die dem Einrichtungsbegriff im [X.] zukommt, besonders berücksichtigt und von einer erwerbszentrierten Definition des Einrichtungsbegriffs ausgegangen werden (vgl [X.] vom [X.] - [X.]/7b A[X.]6/07 R - [X.], 88 = [X.]-4200 § 7 [X.], Rd[X.]5, 20; Spellbrink/[X.] in [X.], [X.], 3. Aufl 2013, § 7 Rd[X.]22 ff). Auf Grundlage dieses funktionalen Einrichtungsbegriffs hat das [X.] gefolgert, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 [X.] vorliegend aufgrund der [X.]onzeption des [X.] nicht zum Tragen komme. Die zugrundeliegenden Feststellungen tragen die Bewertung, ob ein Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs 4 [X.] vorliegt, jedoch nicht.

Bislang hatte keiner der für die Grundsicherung zuständigen [X.]e darüber zu entscheiden, ob der funktionale Einrichtungsbegriff in Bezug auf die Rechtslage nach dem [X.] weiterhin Anwendung findet oder weiterer Modifizierungen bedarf (ausdrücklich offen gelassen in [X.] vom [X.] - [X.] AS 81/09 R - [X.]-4200 § 7 [X.]4 Rd[X.]5). Aus einer Auslegung von § 7 Abs 4 [X.] in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung ergibt sich, dass an den bisherigen [X.]riterien nicht mehr festzuhalten ist. Nach der Rechtsprechung zum funktionalen Einrichtungsbegriff kam es darauf an, ob die objektive Struktur der Einrichtung eine Erwerbstätigkeit im genannten Umfang ermöglichte. § 7 Abs 4 [X.] [X.] [X.] sieht dagegen lediglich für den Fall einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit eine ausdrückliche Rückausnahme vom Leistungsausschluss vor. Zentrales [X.]riterium wird damit eine tatsächliche Erwerbstätigkeit im Umfang von 15 Wochenstunden unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Diese Rückausnahme gibt Anlass zu einer Modifizierung des bisherigen Einrichtungsbegriffs in Zusammenschau mit dem sozialhilferechtlichen [X.] aus § 13 [X.].

a) Im Einzelnen ergibt eine vom Wortlaut des § 7 Abs 4 [X.] [X.] ausgehende Auslegung, dass für das Eingreifen eines [X.] drei Voraussetzungen vorliegen müssen.

(aa) In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob es sich um eine Leistungserbringung in einer Einrichtung handelt. Hierbei ist vom sozialhilferechtlichen Begriffsverständnis des § 13 Abs 2 [X.] (idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.], [X.] 3022) auszugehen, wonach Einrichtungen alle Einrichtungen sind, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem [X.] zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen. Nach der hierzu und zur Vorgängerregelung des § 97 Abs 4 [X.] ergangenen Rechtsprechung ist eine Einrichtung daher bei einer auf Dauer angelegten [X.]ombination von sächlichen und personellen Mitteln anzunehmen, die zu einem besonderen Zweck und unter der Verantwortung eines Trägers zusammengefasst wird und die für einen größeren wechselnden Personenkreis bestimmt ist (BVerwG Urteil vom [X.] - 5 C 24/92 - BVerwGE 95, 149, 152; [X.] vom 13.7.2010 - [X.] [X.] 13/09 R - [X.], 264 = [X.]-3500 § 19 [X.], Rd[X.]3), wobei die Bindung an ein Gebäude gegeben sein muss (vgl BSG aaO, Rd[X.]3).

([X.]) In einem zweiten Schritt kommt es darauf an, ob Leistungen stationär erbracht werden. Auch hierfür ist zur näheren Bestimmung auf § 13 Abs 1 [X.] Bezug zu nehmen. Dessen [X.] lautete bis zum 6.12.2006 (in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.], [X.] 3022): "Stationäre Einrichtungen sind Einrichtungen, in denen Leistungsberechtigte leben und die erforderlichen Hilfen erhalten." Hieraus folgt, von einer "stationären Leistungserbringung" ist auszugehen, wenn der Leistungsempfänger nach formeller Aufnahme in der Institution lebt und daher die Unterbringung Teil der Leistungserbringung ist. Die Streichung dieser Vorschrift mit Wirkung zum [X.] (durch das Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 2.12.2006, [X.] 2670) hat an dem Begriffsverständnis von einer "stationären Leistungserbringung" nichts geändert. Der Gesetzgeber wollte damit lediglich klarstellen, dass [X.] des § 13 [X.] nicht den Begriff der "Einrichtung" definiert. Auch im [X.] sollte weiterhin von dem Einrichtungsbegriff ausgegangen werden, der der gefestigten Rechtsprechung entspricht (BT-Drucks 16/2711 [X.]0; vgl [X.] vom 23.8.2013 - [X.] [X.] 14/12 R - zur Veröffentlichung in [X.]-5910 § 97 [X.] vorgesehen, Rd[X.]9).

Eine Unterbringung in einer stationären Einrichtung ist ausgeschlossen, wenn keine formelle Aufnahme des Leistungsempfängers in die Institution erfolgt, sodass die Unterbringung grundsätzlich nicht Teil der Leistungserbringung ist (vgl [X.] in jurisP[X.] [X.], 2. Aufl 2014, § 13 Rd[X.]5; so auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 13 Rd[X.]0, [X.]/13).

([X.]) Als dritte Voraussetzung kommt es auf eine Unterbringung in der stationären Einrichtung an. § 7 Abs 4 [X.] erhebt das Erfordernis der Unterbringung ausdrücklich zum Tatbestandsmerkmal; dem ist im Rahmen der Auslegung Rechnung zu tragen. Die dritte Voraussetzung bewirkt eine Einschränkung des im zweiten Schritt eröffneten weiten Anwendungsbereichs. Es kommt daher nicht allein darauf an, dass die Einrichtung (auch) stationäre Leistungen erbringt; ferner genügt nicht bereits ein geringes Maß an Unterbringung im Sinne einer formellen Aufnahme. Von einer Unterbringung ist nur auszugehen, wenn der Träger der Einrichtung nach Maßgabe seines [X.]onzeptes die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und die Integration des Hilfebedürftigen übernimmt.

b) Diese aus dem Wortlaut entwickelte Begriffsbildung wird durch die Gesetzesbegründung, Systematik und Sinn und Zweck der Regelung bestätigt.

aa) Der Gesetzgeber hielt durch die Neufassung des § 7 Abs 4 [X.] zwar an dem [X.]onzept einer Vermutung der Erwerbsunfähigkeit trotz Erwerbsfähigkeit des Betroffenen fest. Allerdings soll durch § 7 Abs 4 [X.] [X.] [X.] der Gegenbeweis durch eine tatsächliche Erwerbstätigkeit im Umfang von 15 Wochenstunden unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes geführt werden können. Im Gesetzestext wird darauf hingewiesen, dass bei einer Person, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig ist, zwingend davon auszugehen sei, sie sei erwerbsfähig und damit in der Lage, drei Stunden zu arbeiten (BT-Drucks 16/1410 [X.]0). Zentrales [X.]riterium für einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 [X.] wird damit eine tatsächliche Erwerbstätigkeit. Die objektive Möglichkeit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit findet weder im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien eine Stütze und tritt daher gegenüber dem [X.]riterium der tatsächlichen Erwerbstätigkeit aus § 7 Abs 4 [X.] [X.] [X.] zurück. Für eine sog erwerbszentrierte Definition des Begriffs der Einrichtung im Rahmen des § 7 Abs 4 [X.] [X.] bleibt damit kein Raum mehr (hierzu [X.] in LP[X.]-[X.], 5. Aufl 2013, § 7 Rd[X.]1).

[X.]) Auch aus systematischen Gründen ergibt sich die vorgenommene Auslegung. Das [X.]riterium der tatsächlichen Erwerbstätigkeit wird ausdrücklich in § 7 Abs 4 [X.] [X.] [X.] zu einem dem Willen des Gesetzgebers maßgeblichen Abgrenzungskriterium bestimmt. Es besteht bereits kein Bedürfnis dafür, die Frage nach einer objektiven Erwerbsmöglichkeit zusätzlich im Rahmen von § 7 Abs 4 [X.] [X.] mit der Folge entsprechender Ermittlungspflichten für die betroffenen Behörden und Gerichte zu prüfen. Würde im Rahmen von § 7 Abs 4 [X.] [X.] die objektive Erwerbsmöglichkeit bejaht, käme es nach bisheriger Auslegung auf eine tatsächliche Erwerbstätigkeit nicht mehr an. § 7 Abs 4 [X.] [X.] [X.] würde in diesen Fällen ins Leere gehen (ausgehend vom funktionalen Einrichtungsbegriff hält [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 7 Rd[X.]51, Stand [X.], die Ausnahmeregelung "an sich für überflüssig").

Sofern der 14. [X.] des BSG im Urteil vom [X.] ([X.]/7b A[X.]6/07 R - [X.], 88 = [X.]-4200 § 7 [X.], Rd[X.]7) ausgeführt hatte, die funktionale Definition des Begriffs der Einrichtung sei mit der Neufassung des § 7 Abs 4 [X.] [X.] [X.] durch das [X.] vereinbar, steht dies der hier vertretenen Fortentwicklung des Begriffs der Einrichtung nicht entgegen. Der 14. [X.] hat bereits in seinem Urteil vom [X.] ([X.] AS 81/09 R - [X.]-4200 § 7 [X.]4 Rd[X.]4) klarstellend darauf hingewiesen, dass er in seiner Entscheidung vom [X.] nur eine mögliche Auslegung des § 7 Abs 4 in der Fassung des [X.] angedeutet und offen gelassen habe, ob der entwickelte funktionale Einrichtungsbegriff in Bezug auf die neue Rechtslage weiterer Modifizierungen bedürfe.

[X.]) Schließlich entspricht die vorgenommene Auslegung dem Sinn und Zweck von § 7 Abs 4 [X.], Leistungsberechtigte aufgrund objektiver eindeutiger [X.]riterien entweder dem Leistungsspektrum des [X.] oder dem des [X.] zuzuweisen. Diese bezweckte Harmonisierung gelingt zum einen durch das neue mit § 13 [X.] abgestimmte Begriffsverständnis einer "stationären Einrichtung". Als weiteres [X.]riterium kommt es zum anderen auf die Unterbringung an. Steht der Untergebrachte aufgrund einer Gesamtverantwortung des Trägers der Einrichtung für dessen tägliche Lebensführung und seiner Integration dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, ist er dem Regelungsbereich des [X.] zuzuordnen. Besteht keine derart umfassende Verantwortung mit der Folge, dass der Leistungsberechtigte in den Arbeitsmarkt integriert werden kann, ist er - vorbehaltlich einer [X.] nach § 7 Abs 1 [X.] - entsprechend dem mit dem [X.] verfolgten Leitbild einer auf dem Grundsatz der Eigenverantwortung beruhenden Eingliederung in den Arbeitsmarkt diesem Leistungssystem zuzuordnen (vgl zur Eigenverantwortung des Erwerbstätigen [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl 2013, § 1 Rd[X.]7 ff; Voelzke in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 1 Rd[X.]6 ff , [X.]/12).

c) Die Auslegung des erkennenden [X.]s führt schließlich nicht zu einer evtl Schlechterstellung der Leistungsberechtigten bezogen auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit, denn die Eingliederungshilfe nach den §§ 53 ff [X.] umfasst über die Verweisung in § 54 Abs 1 [X.] [X.] auf § 33 [X.] das gesamte Leistungsspektrum der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (vgl im Einzelnen Voelzke in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 54 Rd[X.]6 ff, Stand V/13).

5. Ob nach diesen Grundsätzen E. in einer stationären Einrichtung untergebracht war, lässt sich anhand der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Dem [X.] war es unabhängig von den ersten zwei Voraussetzungen nicht möglich, anhand der Feststellungen des [X.] das Vorliegen einer Unterbringung zu bewerten. Hierzu bedarf es über die Auslegung des [X.] hinaus weiterer Feststellungen bezüglich der konkret auf E. angewandten Maßnahme und dem Maß an Verantwortung, die der Träger der Einrichtung für E. übernommen hat. Das [X.] wird dies in dem wiedereröffneten Verfahren nachzuholen haben.

Sollte das [X.] eine mögliche [X.] des E. bejahen, wird es im Rahmen der Prüfung von § 22 [X.] weitere Ermittlungen vorzunehmen haben, ob E. einem ernsthaften Zahlungsbegehren ausgesetzt war. Die Feststellungen hierzu im Urteil vom [X.] genügen den Anforderungen des § 103 SGG nicht, weil das [X.] hierzu allein darauf abgestellt hat, dass der [X.]läger als Träger der Sozialhilfe kein weiteres Zahlungsbegehren vorgetragen habe.

6. Das [X.] wird ggf auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 4 AS 32/13 R

05.06.2014

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Kassel, 5. April 2011, Az: S 1 AS 1280/09, Urteil

§ 95 S 1 SGB 12, § 22 Abs 1 S 1 SGB 2, § 7 Abs 4 S 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 7 Abs 4 S 1 SGB 2 vom 24.12.2003, § 7 Abs 4 S 3 Nr 2 SGB 2, § 13 Abs 1 S 2 SGB 12 vom 27.12.2003, § 13 Abs 2 SGB 12, § 75 Abs 2 Alt 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 05.06.2014, Az. B 4 AS 32/13 R (REWIS RS 2014, 4996)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4996

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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