Bundessozialgericht, Urteil vom 02.12.2014, Az. B 14 AS 35/13 R

14. Senat | REWIS RS 2014, 817

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Geltendmachung von Leistungen für Unterkunft und Heizung für einen Hilfebedürftigen durch den Sozialhilfeträger im Wege der Prozessstandschaft - notwendige Beiladung des Hilfebedürftigen - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss - Unterbringung in einer stationären Einrichtung - Einrichtungsbegriff


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 20. März 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist ein durch den Kläger als überörtlicher Träger der Sozialhilfe nach dem [X.] ([X.]) im Wege der Prozessstandschaft geltend gemachter Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem [X.] ([X.]) für den Zeitraum eines geschützten stationären Wohnens des [X.] (im Folgenden: [X.]) in [X.] Umgebung vom [X.] bis 28.2.2010.

2

[X.] lebte in diesem Zeitraum im [X.], welches suchtmittelabhängigen Menschen ein Angebot für den Bedarf eines geschützten Wohnens in suchmittelabstinenter Umgebung bietet. Trägerin ist die [X.] in [X.] Zwischen ihr und [X.] wurde kein schriftlicher Heimvertrag abgeschlossen.

3

Der Kläger erklärte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe die Kostenübernahme für die Betreuung von [X.] unter anderem für Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen sowie für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Dritten und Sechsten Kapitel [X.] (Bescheid vom 13.7.2009). Ferner bewilligte die Rechtsvorgängerin des beklagten [X.] (im Folgenden: Beklagter) dem [X.] mit Bescheid vom [X.] Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] vom [X.] bis 28.2.2010 ohne Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.1.2010 zurückgewiesen.

4

Das Sozialgericht ([X.]) hat sodann den Beklagten zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung vom [X.] bis 28.2.2010 in Höhe von monatlich 317,42 [X.] an den [X.] verurteilt (Urteil vom 5.4.2011). Das [X.] (L[X.]) hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des [X.] aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger sei zwar grundsätzlich zur Geltendmachung von Ansprüchen des [X.] im Wege der Prozessstandschaft nach § 95 [X.] befugt. Dieser sei dem Grunde nach leistungsberechtigt, insbesondere sei er nicht nach § 7 Abs 4 [X.] von Leistungen ausgeschlossen. Ihm stehe jedoch der geltend gemachte Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung mangels Bedarfs nicht zu. Der Grundsicherungsträger habe nur solche Kosten zu übernehmen, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden seien und für deren Deckung ein Bedarf bestehe. Insoweit müsse der Heimträger dem Betroffenen die Unterkunft zumindest "in Rechnung stellen". Daran fehle es, denn bei dem im Leistungsbescheid festgesetzten Betrag von 317,42 [X.] handele es sich um einen Berechnungsposten im Rahmen der auf § 35 [X.] aF entfallenden Leistungen, die der Kläger dem [X.] gewähre. Es handele sich um Sozialleistungen, nicht aber um Kosten, die unmittelbar ihren Rechtsgrund im Zurverfügungstellen einer Unterkunft hätten.

5

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision macht der Kläger insbesondere eine Verletzung des § 22 [X.] geltend. [X.] sei auf der Grundlage des Kostenbeitragsbescheides und des sozialhilferechtlichen Leistungsdreiecks zur Zahlung der Unterkunftskosten im bezifferten Umfang von monatlich 317,42 [X.] verpflichtet. Ein direkter Mietvertrag zwischen Leistungsberechtigtem und Einrichtung sei nicht erforderlich. Die Festsetzung des Umfangs der Unterkunftskosten stünde dem Kläger gemäß §§ 35, 42 [X.] aF zu. Sie seien angemessen iS von § 22 [X.].

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen [X.]s vom 20. März 2013 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des [X.] vom 5. April 2011 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Der Grundsicherungsträger habe nur solche Kosten zu übernehmen, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden seien. Es könne sich dabei allein um das Verhältnis zwischen dem Betroffenen und der Einrichtung handeln, innerhalb dessen der Betroffene zur Zahlung von Kosten für Unterkunft und Heizung verpflichtet sein müsse. Die im [X.] bezifferten Kosten in Höhe von monatlich 317,42 [X.] beträfen dagegen das Verhältnis zwischen dem Kläger und der Einrichtung. Der Kläger sei zwar gegenüber dem Träger der Einrichtung möglicherweise berechtigt, die Wohnkosten nach § 42 Satz 1 Nr 2 Halbsatz 2 [X.] aF in Höhe eines Durchschnittssatzes abzurechnen. Durch eine solche Festsetzung im [X.] entstehe jedoch kein konkreter Bedarf iS von § 22 [X.] im [X.] zwischen dem [X.] und dem Betroffenen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des [X.] ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ). Der [X.] konnte nicht abschließend darüber entscheiden, ob dem möglichen Anspruchsinhaber [X.] der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung gegenüber dem Beklagten zusteht. Das Verfahren leidet bereits an einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensmangel. Ferner lassen die tatsächlichen Feststellungen des [X.] keine Entscheidung darüber zu, ob [X.] im streitgegenständlichen Zeitraum grundsätzlich leistungsberechtigt nach § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] war und ob der Leistungsanspruch wegen des Aufenthalts in einer stationären Einrichtung iS des § 7 Abs 4 [X.] ausgeschlossen war.

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.1.2010. Im Streit stehen die darin abgelehnten Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom [X.] bis 28.2.2010.

Leistungen für Unterkunft und Heizung bilden eine abtrennbare Verfügung des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung dieser Leistungen rechtlich möglich ist (vgl nur [X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - [X.], 217 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]8 f). An der Zulässigkeit derart beschränkter Rechtsmittel hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 [X.] durch das Gesetz zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] ([X.]) nichts geändert (vgl [X.] vom [X.] - [X.] [X.]/13 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

2. Das Verfahren leidet an einem von Amts wegen zu beachtenden wesentlichen Verfahrensmangel. Der mögliche Anspruchsinhaber [X.] hätte gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 SGG notwendig beigeladen werden müssen. Nach dieser Vorschrift sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung). Diese Voraussetzung ist in der Person des [X.] gegeben, denn die Entscheidung darüber, ob der Kläger im Wege der Prozessstandschaft nach § 95 [X.] die Gewährung von Leistungen an [X.] begehren kann, greift unmittelbar in dessen Rechtsposition ein, weil dessen Leistungsanspruch betroffen ist (vgl [X.] vom [X.] - 5a/5 [X.] 6/80 - juris Rd[X.]2). Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG ist bei einer zulässigen Revision von Amts wegen als wesentlicher Verfahrensfehler zu beachten (vgl nur [X.] vom 28.10.2008 - [X.] [X.] 22/07 R - [X.], 1 = [X.]-1500 § 75 [X.], Rd[X.]8 mwN).

Von der nach § 168 Satz 2 SGG eröffneten Möglichkeit, [X.] mit seiner Zustimmung noch im Revisionsverfahren beizuladen, hat der [X.] keinen Gebrauch gemacht, weil die tatsächlichen Feststellungen des [X.] keine abschließende Entscheidung zulassen und daher aus anderen Gründen ohnedies zurückverwiesen werden muss.

Die unterbliebene Beiladung der Trägerin des H.-Hauses, der [X.], begründet dagegen keinen Verfahrensmangel. Eine notwendige Beiladung gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 SGG war nicht erforderlich, denn der [X.] erlangt im Falle einer Leistungsverpflichtung des beklagten Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Grundlage des § 22 [X.] im Gegensatz zu den Fallkonstellationen innerhalb des sozialhilferechtlichen [X.] keinen eigenständigen Leistungsanspruch diesem gegenüber. Die Entscheidung darüber greift damit nicht unmittelbar in seine Rechtsposition ein (vgl zum Schuldbeitritt im Rahmen des sozialhilferechtlichen [X.] etwa [X.] vom 28.10.2008 - [X.] [X.] 22/07 R - [X.], 1 = [X.]-1500 § 75 [X.], Rd[X.]3, 25; [X.] vom 23.8.2013 - [X.] [X.] 10/12 R - [X.]-1500 § 130 [X.] vorgesehen). Sofern eine einfache Beiladung nach § 75 Abs 1 Satz 1 SGG möglich wäre, stellt deren Unterbleiben keinen Verfahrensfehler dar (vgl nur [X.] vom [X.] KA 71/04 R - [X.], 141, 143 = [X.]-2500 § 83 [X.], Rd[X.]4).

3. Ob der Kläger erfolgreich die Feststellung der fraglichen Leistung als erstattungsberechtigter Träger nach § 95 [X.] iVm § 104 [X.] ([X.]) betreiben kann, konnte der [X.] nicht abschließend entscheiden. Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 [X.] vorliegen, ist gemäß § 104 Abs 1 Satz 1 [X.] der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Gemäß § 104 Abs 1 Satz 2 [X.] ist nachrangig verpflichtet ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Da es im Verhältnis der [X.] und der [X.]-Träger zueinander kein Vorrang-Nachrang-Verhältnis in diesem Sinne gibt, bestimmt § 104 Abs 1 Satz 4 Halbsatz 1 [X.], dass Satz 1 entsprechend gilt, wenn von den Trägern der Sozialhilfe, der [X.] und der Jugendhilfe Aufwendungsersatz geltend gemacht oder ein Kostenbeitrag erhoben werden kann.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Aufwendungsersatz des [X.] in Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung des [X.] ist ein entsprechender Anspruch des [X.] auf Grundlage von §§ 7 ff, 19, 22 [X.] Dazu, ob die Voraussetzungen einer grundsätzlichen [X.] nach § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] (idF des [X.] vom 20.4.2007, [X.], der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.1.2008 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist) hinsichtlich des Alters, der Erwerbsfähigkeit, der Hilfebedürftigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts in der [X.] erfüllt sind, hat das [X.] keine Feststellungen getroffen. Dies wird im wiedereröffneten Verfahren nachzuholen sein.

4. Ebenso fehlen ausreichende Feststellungen dazu, ob [X.] im streitgegenständlichen Zeitraum von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen war.

Gemäß § 7 Abs 4 [X.] (idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeit-suchende vom [X.], [X.] 1706, der insofern seit dem Inkrafttreten am 1.8.2006 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist) erhält Leistungen nach dem [X.] nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht (Satz 1). Nach Satz 2 ist dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. In Ausnahme von dem grundsätzlichen Leistungsausschluss des § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] erhält Leistungen nach dem [X.], wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 [X.]) untergebracht ist (Satz 3 [X.]) oder wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist (Satz 3 [X.]). Zur Bestimmung, ob [X.] in einer stationären Einrichtung untergebracht war, ist das [X.] von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Es hat dabei auf Kriterien abgestellt, die die Rechtsprechung zur Vorgängerregelung des § 7 Abs 4 [X.] entwickelt hatte (dazu unter a). Diese sind seit der Neufassung des § 7 Abs 4 [X.] zum 1.8.2006 nicht mehr heranzuziehen (dazu unter b). Die nunmehr ausschlaggebenden Kriterien (dazu unter c) werden für den hiesigen Einzelfall festzustellen sein (dazu unter 5.).

a) Gemäß § 7 Abs 4 [X.] in der vorangehenden Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 ([X.] 2954) erhielt Leistungen nach dem [X.] nicht, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht war oder Rente wegen Alters bezog. Der erkennende [X.] hatte in Bezug auf diese Rechtslage einen vom [X.] getrennten eigenständigen funktional ausgerichteten Einrichtungsbegriff für das [X.] entwickelt. Danach kam es für die Einordnung einer Einrichtung als stationär darauf an, ob der in der Einrichtung Untergebrachte aufgrund der objektiven Struktur der Einrichtung in der Lage war, wöchentlich 15 Stunden (bzw täglich drei Stunden) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein (vgl nur [X.] vom [X.] - [X.]/7b [X.] - [X.], 88 = [X.]-4200 § 7 [X.], Rd[X.]6). Dadurch sollte die Funktion, die dem Einrichtungsbegriff im [X.] zukommt, besonders berücksichtigt und von einer erwerbszentrierten Definition des Einrichtungsbegriffs ausgegangen werden (vgl nur [X.] vom [X.] - [X.]/7b [X.] - [X.], 88 = [X.]-4200 § 7 [X.], Rd[X.]5, 20 f). Auf Grundlage dieses funktionalen Einrichtungsbegriffs hat das [X.] gefolgert, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 [X.] vorliegend aufgrund der Konzeption des H.-Hauses nicht zum Tragen komme. Die zugrundeliegenden Feststellungen lassen indes die Bewertung, ob ein Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs 4 [X.] nF vorliegt, nicht zu.

b) Der ebenso wie der 14. [X.] für die Grundsicherung nach dem [X.] zuständige 4. [X.] des [X.] hat bereits entschieden, dass der funktionale Einrichtungsbegriff in Bezug auf die seit dem 1.8.2006 geänderte Rechtslage keine Anwendung mehr findet ([X.] vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - zur Veröffentlichung in [X.] und [X.] vorgesehen, Rd[X.]3 ff): Aus einer Auslegung von § 7 Abs 4 [X.] in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende ergibt sich, dass an den bisherigen Kriterien nicht mehr festzuhalten ist. Nach der Rechtsprechung zum funktionalen Einrichtungsbegriff kam es darauf an, ob die objektive Struktur der Einrichtung eine Erwerbstätigkeit im genannten Umfang ermöglichte. § 7 Abs 4 Satz 3 [X.] [X.] sieht dagegen lediglich für den Fall einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit eine ausdrückliche Rückausnahme vom Leistungsausschluss vor. Zentrales Kriterium wird damit eine tatsächliche Erwerbstätigkeit im Umfang von 15 Wochenstunden unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Diese Rückausnahme gibt Anlass zu einer Modifizierung des bisherigen Einrichtungsbegriffs in Zusammenschau mit dem sozialhilferechtlichen Begriffsverständnis aus § 13 [X.].

c) Danach müssen für das Eingreifen eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] drei Voraussetzungen vorliegen (vgl im Einzelnen [X.] vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - zur Veröffentlichung in [X.] und [X.] vorgesehen, Rd[X.]4 ff): In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob es sich, ausgehend vom sozialhilferechtlichen Begriffsverständnis des § 13 Abs 2 [X.], um eine Leistungserbringung in einer Einrichtung handelt. In einem zweiten Schritt kommt es darauf an, ob Leistungen stationär erbracht werden; hierfür ist zur näheren Bestimmung auf § 13 Abs 1 [X.] Bezug zu nehmen. Dritte Voraussetzung ist die Unterbringung in der stationären Einrichtung. Es reicht nicht aus, dass die Einrichtung (auch) stationäre Leistungen erbringt, ferner genügt nicht bereits ein geringes Maß an Unterbringung im Sinne einer formellen Aufnahme. Von einer Unterbringung ist nur auszugehen, wenn der Träger der Einrichtung nach Maßgabe seines Konzeptes die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung und die Integration des Hilfebedürftigen übernimmt. Für eine so genannte erwerbszentrierte Definition des Begriffs der Einrichtung im Rahmen des § 7 Abs 4 Satz 1 [X.] bleibt daneben kein Raum mehr. Sind die drei Voraussetzungen erfüllt, steht der Untergebrachte aufgrund der Gesamtverantwortung des Trägers der Einrichtung für dessen tägliche Lebensführung einer Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung und ist deshalb dem Regelungsbereich des [X.] zuzuordnen. Besteht keine derart umfassende Verantwortung des [X.]s mit der Folge, dass der Leistungsberechtigte in den Arbeitsmarkt integriert werden kann, ist er - vorbehaltlich einer [X.] nach § 7 Abs 1 [X.] - entsprechend dem mit dem [X.] verfolgten Leitbild einer auf dem Grundsatz der Eigenverantwortung beruhenden Eingliederung in den Arbeitsmarkt diesem Leistungssystem zuzuordnen.

Dieser Rechtsprechung des 4. [X.]s schließt sich der erkennende [X.] an, nachdem er in einer früheren Entscheidung die Notwendigkeit einer Modifizierung des Einrichtungsbegriffs noch offen gelassen hatte ([X.] vom 24.2.2011 - [X.] AS 81/09 R - [X.]-4200 § 7 [X.]4 Rd[X.]4 f).

5. Ob nach diesen Grundsätzen [X.] in einer stationären Einrichtung untergebracht war, lässt sich nicht abschließend beurteilen. Dem [X.] war es unabhängig von den ersten zwei Voraussetzungen nicht möglich, anhand der Feststellungen des [X.] das Vorliegen einer Unterbringung zu bewerten. Hierzu bedarf es über die Auslegung des [X.] hinaus weiterer Feststellungen bezüglich der konkret auf [X.] angewandten Maßnahmen und des Maßes an Verantwortung, das der Träger der Einrichtung für [X.] übernommen hat. Das [X.] wird dies in dem wiedereröffneten Verfahren nachzuholen haben.

Sollte das [X.] eine [X.] des [X.] bejahen, wird es im Rahmen der Prüfung von § 22 [X.] weitere Ermittlungen dahingehend vorzunehmen haben, ob [X.] einem ernsthaften Zahlungsbegehren ausgesetzt war. Die Feststellungen hierzu im Urteil vom [X.] genügen den Anforderungen des § 103 SGG nicht, weil das [X.] neben dem Fehlen einer Verpflichtung aus einem Heimvertrag allein darauf abgestellt hat, dass der Kläger als Träger der Sozialhilfe kein anderes Zahlungsbegehren vorgetragen habe.

6. Das [X.] wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 35/13 R

02.12.2014

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Kassel, 5. April 2011, Az: S 1 AS 200/10, Urteil

§ 75 Abs 2 Alt 1 SGG, § 95 S 1 SGB 12, § 104 Abs 1 S 1 SGB 10, § 104 Abs 1 S 2 SGB 10, § 104 Abs 1 S 4 SGB 10, § 22 Abs 1 S 1 SGB 2, § 7 Abs 4 S 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 7 Abs 4 S 3 Nr 2 SGB 2 vom 20.07.2006, § 7 Abs 4 S 1 SGB 2 vom 24.12.2003, § 13 Abs 1 SGB 12, § 13 Abs 2 SGB 12

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 02.12.2014, Az. B 14 AS 35/13 R (REWIS RS 2014, 817)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 817

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