Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 16.02.2012, Az. 1 BvR 1118/10

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2012, 9083

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Abweisung von Amtshaftungsansprüchen nach Enteignungsverfahren - Verfassungsbeschwerde mangels Selbstbetroffenheit teilweise bereits unzulässig - im Übrigen keine Grundrechtsverletzungen ersichtlich - Eingriff in Eigentumsgarantie nicht dargelegt - Verletzung des Willkürverbots oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht erkennbar bzw nicht hinreichend substantiiert


Gründe

1

1. Die [X.]beschwerde betrifft eine zivilrechtliche Auseinandersetzung über Amtshaftungsansprüche im Zusammenhang mit einem Enteignungsverfahren. In erster Linie rügen die Beschwerdeführer, die Klageabweisung verletze sie in ihren verfassungsmäßigen Rechten aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1, Abs. 3 [X.]. Zudem verstießen die angegriffenen Entscheidungen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4, Art. 34 und Art. 103 Abs. 1 [X.].

2

2. Die [X.]beschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 93a Abs. 2 [X.]). Der [X.]beschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte der Beschwerdeführer angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]).

3

a) Hinsichtlich des Beschwerdeführers zu 2), der am zivilrechtlichen Ausgangsverfahren nicht beteiligt war, ist die [X.]beschwerde bereits unzulässig, da er durch die angegriffenen Entscheidungen nicht selbst betroffen ist (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a [X.], § 90 Abs. 1 [X.]).

4

b) Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffenen Entscheidungen gegen die als verletzt gerügten verfassungsmäßigen Rechte der Beschwerdeführerin zu 1) verstoßen, sind auf Grundlage des Vorbringens der [X.]beschwerde nicht ersichtlich.

5

aa) Die [X.]beschwerde legt keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 [X.] dar. Die Abweisung der Schadensersatzklage betrifft allein die vermögensrechtlichen Interessen der Beschwerdeführerin zu 1). Entgegen ihrer Einschätzung hat das Berufungsgericht ihr nicht auferlegt, das Grundstückseigentum durch Antrag auf Übernahme gemäß § 168 BauGB aufzugeben. Es hat lediglich aus der insoweit bestehenden Möglichkeit geschlossen, dass der Beschwerdeführerin zu 1) ein Rechtsbehelf zugestanden hätte, um das von ihr im zivilrechtlichen Schadensersatzprozess selbst erstrebte Ziel durchzusetzen.

6

bb) Die Abweisung der auf Ersatz eines "angemessenen Kaufpreises" gerichteten Amtshaftungsklage verletzt auch nicht das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 [X.]. Die Beschwerdeführerin zu 1) könnte allenfalls verlangen, so gestellt zu werden, als sei das rechtswidrige Enteignungsverfahren niemals betrieben worden (Ersatz des negativen Interesses, vgl. [X.], in: [X.], [X.], 71. Aufl. 2012, § 839 Rn. 77). Für den eingetretenen Wertverlust des Grundstücks wurde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits bei Aufhebung der Besitzeinweisung durch die Enteignungsbehörde eine Entschädigung gemäß § 116 Abs. 6 Satz 2 BauGB festgesetzt, die mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 217 BauGB überprüfbar ist. Dass das Berufungsgericht im Hinblick darauf das Rechtsschutzinteresse für die erneute Geltendmachung dieser Schäden im Amtshaftungsprozess verneint hat, ist jedenfalls von [X.] wegen nicht zu beanstanden.

7

cc) Soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, die Beschwerdeführerin zu 1) habe einen über den Wertverlust des Grundstücks hinausgehenden Schaden durch entgangenen Gewinn (§ 252 [X.]) nicht hinreichend dargelegt, ist eine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte ebenfalls nicht ersichtlich.

8

Die [X.]beschwerde zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht insoweit die Darlegungsanforderungen unter Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 [X.]) überspannt hätte. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen, dass für den Gewinneintritt hinreichend konkrete Anknüpfungstatsachen vorgetragen werden müssen, um eine ausreichende Grundlage für eine Wahrscheinlichkeitsprognose nach § 252 Satz 2 [X.] und darauf aufbauend eine gerichtliche Schadensschätzung nach § 287 ZPO zu schaffen (vgl. [X.], Urteil vom 23. Februar 2010 - [X.]/08 -, NJW 2010, S. 1532 <1533> Rn. 13; [X.], in: [X.], [X.], 71. Aufl. 2012, § 252 Rn. 4). Gegen die weitere Feststellung, die Beschwerdeführerin zu 1) habe nicht vorgetragen, wie sie die Gebäude - über die bereits erfolgte Vermietung hinaus - habe gewinnbringend nutzen wollen, bringt die [X.]beschwerde nichts Erhebliches vor.

9

Die Rüge, das Berufungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 [X.]) verletzt, weil es entgegen § 139 ZPO nicht auf die unzureichende Darlegung des Schadens hingewiesen habe, genügt nicht den Begründungsanforderungen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 [X.]). Die Beschwerdeführerin zu 1) zeigt nicht auf, was sie auf einen entsprechenden richterlichen Hinweis weiter vorgetragen hätte (vgl. [X.] 89, 291 <305>; 91, 1 <25 f.>).

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1118/10

16.02.2012

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 25. März 2010, Az: III ZR 103/09, Beschluss

Art 3 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 116 Abs 6 S 2 BauGB, § 217 BauGB, § 252 BGB, § 839 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 16.02.2012, Az. 1 BvR 1118/10 (REWIS RS 2012, 9083)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9083

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