Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.06.2014, Az. 4 BN 8/14

4. Senat | REWIS RS 2014, 5019

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Gegenstand

Ausschluss von Bordellen in festgesetztem Gewerbegebiet


Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 12. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die [X.]eschwerde hat keinen Erfolg. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Rüge des Antragstellers, der Verwaltungsgerichtshof sei von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen und habe dadurch gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt.

3

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Fehler in der Sachverhalts- oder [X.]eweiswürdigung sind revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht und nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen (vgl. nur [X.]eschluss vom 14. Juli 2010 - [X.]VerwG 10 [X.] 7.10 - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO [X.]6 Rn. 4). Die Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung mit der Folge des Vorliegens eines Verfahrensfehlers ist erst dann überschritten, wenn das Gericht seiner Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen oder sonst von objektiver Willkür geprägt sind; diese Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz können als Verfahrensmängel gerügt werden (vgl. [X.]eschlüsse vom 28. März 2012 - [X.]VerwG 8 [X.] - [X.] 428 § 6 VermG Nr. 76 Rn. 8, vom 13. Februar 2012 - [X.]VerwG 9 [X.] - NJW 2012, 1672 Rn. 7, vom 17. Mai 2011 - [X.]VerwG 8 [X.] - juris Rn. 8 und vom 25. Juni 2012 - [X.]VerwG 7 [X.] 6.11 - juris Rn. 13, jeweils m.w.N.). Der Antragsteller wirft dem Verwaltungsgerichtshof vor, von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen zu sein und dadurch gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßen zu haben. Das Normenkontrollgericht habe dem Vortrag der Antragsgegnerin, vor dem [X.]eschluss über die Veränderungssperre und auch im Zusammenhang mit der Erweiterung des Geltungsbereichs des [X.]ebauungsplans und der Veränderungssperre sei eine städtebauliche [X.]estandsaufnahme und [X.]ewertung erfolgt, ein [X.]illigungs- und Auslegungsbeschluss sei zudem in Vorbereitung, Glauben geschenkt, obwohl die Antragsgegnerin hierfür keine konkreten Nachweise beigebracht habe. Nur aufgrund dieses unzutreffenden Sachverhalts, der bestritten werde, habe der Verwaltungsgerichtshof die Schlussfolgerung ziehen können, dass eine unzulässige Negativplanung, die zur Ungültigkeit der Veränderungssperre führen würde, nicht vorgelegen habe. Dieses Vorbringen genügt den genannten Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensfehlers in der Form des Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz nicht. Es erschöpft sich vielmehr in der Kritik an der [X.]eweiswürdigung des [X.].

4

2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher [X.]edeutung zuzulassen.

5

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der [X.]eschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des [X.]undesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, so bereits [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - [X.]VerwG 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91>; siehe auch [X.]eschluss vom 1. Februar 2011 - [X.]VerwG 7 [X.] - juris Rn. 15). Daran fehlt es hier.

6

Die [X.]eschwerde hält zunächst die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob im Falle einer planerischen Untätigkeit (einer Gemeinde) während der Geltungsdauer einer Veränderungssperre (§ 17 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.]) von einer unzulässigen Negativplanung auszugehen ist und in diesem Fall die Planung schon zu diesem frühen Zeitpunkt des Verfahrens an einem erkennbaren, nicht behebbaren Mangel leidet, der zur Ungültigkeit der Veränderungssperre führt.

7

Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, denn sie geht von einem Sachverhalt aus, den der Verwaltungsgerichtshof so nicht festgestellt hat. Danach könne nicht von einer (planerischen) Untätigkeit der Antragsgegnerin seit dem Erlass der Veränderungssperre ausgegangen werden. Vielmehr seien inzwischen die städtebauliche [X.]estandsaufnahme und deren [X.]ewertung erfolgt; nach der informellen [X.]eteiligung sei nunmehr der [X.]illigungs- und Auslegungsbeschluss in Vorbereitung. Die Eintragung, wonach „gegenwärtig keine" Gesamtkosten der Planung entstünden, sei nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Antragsgegnerin auf die Tatsache zurückzuführen, dass das [X.]ebauungsplanverfahren im Stadtplanungsamt ohne [X.]eauftragung eines externen [X.]üros durchgeführt werde und deshalb derzeit keine für den städtischen Haushalt konkret anzusetzenden Planungskosten zu erwarten seien ([X.]). An diese mit Verfahrensrügen nicht erfolgreich angegriffenen Feststellungen des [X.] ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.

8

Weiter hält die [X.]eschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob es sich bei einem [X.]ordell und einem bordellartigen [X.]etrieb um bestimmte Unterarten der in einem Gewerbegebiet allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen und sonstigen Anlagen im Sinne von § 1 Abs. 9 [X.] handelt.

9

Auch diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, denn auf sie lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung antworten, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf (z.[X.]. [X.]eschlüsse vom 13. März 1992 - [X.]VerwG 4 [X.] 39.92 - NVwZ 1993, 268 = juris Rn. 11 und vom 12. Juli 2012 - [X.]VerwG 4 [X.] 13.12 - NVwZ 2012, 1565 = juris Rn. 3).

In der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass § 1 Abs. 9 [X.] - über § 1 Abs. 5 [X.] hinausgehend - gestattet, einzelne Unterarten von Nutzungen, welche die [X.]aunutzungsverordnung selbst nicht angeführt hat, mit planerischen Festsetzungen zu erfassen (vgl. Urteil vom 22. Mai 1987 - [X.]VerwG 4 C 77.84 - [X.]VerwGE 77, 317 = [X.] 406.12 § 1 [X.] Nr. 5). Während bereits nach § 1 Abs. 5 [X.] einzelne der unter einer Nummer einer [X.]augebietsvorschrift der [X.]aunutzungsverordnung zusammengefassten Nutzungen im [X.]ebauungsplan ausgeschlossen werden können (vgl. [X.]eschluss vom 22. Mai 1987 - [X.]VerwG 4 N 4.86 - [X.]VerwGE 77, 308 = [X.] 406.12 § 1 [X.] Nr. 4 und Urteil vom 26. März 2009 - [X.]VerwG 4 C 21.07 - [X.]VerwGE 133, 310 Rn. 12 f.), können nach § 1 Abs. 9 [X.] weitergehende Differenzierungen vorgenommen werden. Ziel des § 1 Abs. 9 [X.] ist es mithin, die allgemeinen Differenzierungsmöglichkeiten der [X.]augebietstypen nochmals einer „Feingliederung" unterwerfen zu können, falls sich hierfür besondere städtebauliche Gründe ergeben, um die Vielfalt der Nutzungsarten im Plangebiet zu mindern. Die Planungsfreiheit der Gemeinden ist lediglich dadurch begrenzt, dass sich die Differenzierungen auf bestimmte Anlagentypen beziehen müssen, die es in der [X.] und ökonomischen Realität bereits gibt (vgl. z.[X.]. [X.]eschluss vom 27. Juli 1998 - [X.]VerwG 4 [X.] 31.98 - [X.] 406.12 § 1 [X.] Nr. 25 = juris Rn. 7). Vor diesem Hintergrund kann nicht zweifelhaft sein, dass [X.]ordelle oder bordellähnliche [X.]etriebe - als in der [X.] und ökonomischen Realität vorkommende Nutzungen - eine Unterart eines Gewerbebetriebes i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] darstellen (vgl. Urteil vom 25. November 1983 - [X.]VerwG 4 C 21.83 - [X.]VerwGE 68, 213 = [X.] 406.12 § 8 [X.] Nr. 2 = juris Rn. 9, für den Fall, dass die Dirnen in dem [X.]ordell nicht wohnen). Sie können folglich in einem durch [X.]ebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiet über § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.]auG[X.] [X.]. § 1 Abs. 9 [X.] ausgeschlossen werden.

3. Die Revision ist schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Der Antragsteller legt nicht dar, dass das angefochtene Urteil von Entscheidungen des [X.]undesverwaltungsgerichts abweicht.

Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich, dass die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.]undes oder des [X.]undesverfassungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat ([X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 und vom 13. Juli 1999 - [X.]VerwG 8 [X.] 166.99 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 9).

Es ist bereits zweifelhaft, ob die [X.]eschwerde die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erfüllt. Das kann jedoch offenbleiben, weil der Verwaltungsgerichtshof mit seinen Ausführungen zu § 1 Abs. 9 [X.] nicht von dem Urteil vom 22. Mai 1987 - [X.]VerwG 4 C 77.84 - (a.a.[X.]) und dem [X.]eschluss des Senats vom 6. Mai 1993 - [X.]VerwG 4 N[X.] 32.92 - ([X.] 406.12 § 9 [X.] [X.]) abgewichen ist. Seine Annahme, bei [X.]ordellen und bordellartigen [X.]etrieben sowie bei der [X.] handele es sich um bestimmte Unterarten einer gewerblichen Nutzung i.S.v. § 1 Abs. 9 [X.], steht - wie dargestellt - mit der Senatsrechtsprechung im Einklang.

4. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 8/14

05.06.2014

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 12. Dezember 2013, Az: 15 N 12.1020, Urteil

§ 17 Abs 1 S 1 BauGB, § 9 Abs 1 Nr 1 BauGB, § 1 Abs 5 BauNVO, § 1 Abs 9 BauNVO, § 8 Abs 2 Nr 1 BauNVO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.06.2014, Az. 4 BN 8/14 (REWIS RS 2014, 5019)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5019

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