Bundessozialgericht, Urteil vom 23.03.2011, Az. B 6 KA 8/10 R

6. Senat | REWIS RS 2011, 8356

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Gegenstand

Vertragsärztliche Versorgung - keine "Verlegung" einer Anstellung eines Arztes von einem Medizinischen Versorgungszentrum auf ein anderes - Unterbleiben - einfache Beiladung - Verfassungsmäßigkeit des eingeschränkten Umfangs an (Neu)-Anstellungen von Ärzten


Leitsatz

Medizinischen Versorgungszentren in einem wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich kann nicht genehmigt werden, dass ein Medizinisches Versorgungszentrum auf die Anstellung eines Arztes verzichtet und dieser in einem anderen angestellt wird. Die "Verlegung" einer Anstellung ist nicht vorgesehen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 10. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten auch des Revisionsverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 8.

Tatbestand

1

Die klagende Trägerin von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) begehrt die Genehmigung, eine angestellte Ärztin, die bisher in einem ihrer MVZ tätig ist, in einem anderen MVZ tätig werden zu lassen.

2

Die Klägerin betreibt seit vielen Jahren in M. ein MVZ. Dort ist seit 2006 die Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Frau Dr. A., tätig. In der Folgezeit gründete die Klägerin ein zweites MVZ, das den Namen [X.] (im Folgenden: [X.]) führt, während das erste, ältere MVZ als Universitätsklinikum M. (im Folgenden: [X.]) bezeichnet ist. Beide MVZ haben dieselbe Anschrift.

3

Die Klägerin strebt seit einigen Jahren - wohl seit ca 2007 - eine Umstrukturierung zwischen den beiden MVZ mit dem Ziel an, die weniger sprechstundenintensiven Bereiche dem [X.] (Labor, Nuklearmedizin) und die patientennäheren und sprechstundenintensiveren Bereiche dem [X.] (Pädiatrie, Chirurgie, Neurologie) zuzuordnen. Dafür soll Frau Dr. A. mit ihrem vollen Stundenkontingent von 40 Wochenstunden die Leitung des Bereichs Pädiatrie im [X.] erhalten. Die Klägerin beruft sich für den Wechsel der Frau Dr. A. vom [X.] zum [X.] auf § 103 Abs 4a Satz 1 iVm § 72 Abs 1 Satz 2 [X.]; sie erklärt, auf die Anstellung von Frau Dr. A im [X.] zugunsten von deren Anstellung im [X.] verzichten zu wollen.

4

Den entsprechenden Antrag vom Oktober 2007 lehnte der Zulassungsausschuss ab (Beschluss/Bescheid vom 29.1./15.4.2008). Den Widerspruch der Klägerin wies der beklagte Berufungsausschuss zurück (Beschluss/Bescheid vom 6.8./29.8.2008). Zulassungs- und Berufungsausschuss führten in ihren Bescheiden aus, ein Anstellungswechsel, wie die Klägerin ihn begehre, sei in § 103 Abs 4 bis 4b [X.] nicht vorgesehen. Gemäß § 103 Abs 4a Satz 1 [X.] könne ein Vertragsarzt auf seine Zulassung verzichten und dafür eine Anstellung bei einem MVZ erhalten. Dem Verzicht eines Vertragsarztes auf seine Zulassung zugunsten seiner Anstellung in einem MVZ könne es nicht gleich gestellt werden, dass ein MVZ auf die Anstellung eines Arztes zugunsten von dessen Anstellung in einem anderen MVZ verzichte. Dies zu genehmigen, sei auch nicht im Wege analoger Anwendung möglich.

5

Die Klägerin ist mit Klage und Berufung ohne Erfolg geblieben (Urteil des [X.] vom 14.1.2009 und Urteil des L[X.] vom 10.2.2010 = [X.] 2010, 257 = [X.], 177). In den Urteilen ist ausgeführt: Soweit Fachgebiete in einem Planungsbereich überversorgt und für Neuzulassungen gesperrt seien, seien gemäß § 95 Abs 2 Satz 9 [X.] Anstellungen grundsätzlich abzulehnen. Ausnahmen seien nur nach Maßgabe von § 103 Abs 4a und 4b [X.] zulässig. Für MVZ seien der Verzicht eines Vertragsarztes auf seine Zulassung iVm seinem Tätigwerden in einem MVZ (Abs 4a Satz 1) und die Möglichkeit vorgesehen, dass ein MVZ im Wege eines Nachbesetzungsverfahrens mit Ausschreibung und Bewerberauswahl einen Vertragsarztsitz übernehme und durch einen im MVZ angestellten Arzt weiterführe (Abs 4a Satz 2). Mit diesen Regelungen sollten Gründung und Betrieb der MVZ gefördert werden. Weder mit dem Wortlaut der Bestimmungen noch mit deren Sinn und Zweck sei das Begehren der Klägerin vereinbar, dass ihr ohne ein Nachbesetzungsverfahren mit Ausschreibung und Bewerberauswahl die Genehmigung erteilt werde, unter Verzicht auf die Anstellung der Frau Dr. A. in ihrem [X.] diese in ihrem [X.] anzustellen. Eine analoge Anwendung der angeführten Vorschriften scheide aus.

6

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, ihrem Antrag auf Genehmigung des vollständigen Wechsels der Frau Dr. A. vom [X.] in das [X.] sei auf der Grundlage von § 103 Abs 4a [X.] iVm § 72 Abs 1 Satz 2 [X.] stattzugeben. Die für Ärzte geltenden Bestimmungen der §§ 69 ff [X.] seien auf MVZ entsprechend anzuwenden. Wenn gemäß § 103 Abs 4a Satz 1 [X.] der Verzicht eines Vertragsarztes auf seine Zulassung iVm seiner Anstellung bei einem MVZ sowie gemäß § 103 Abs 4b Satz 1 [X.] der Verzicht eines Vertragsarztes auf seine Zulassung iVm seiner Anstellung bei einem anderen Vertragsarzt und gemäß § 103 Abs 4b [X.] die Aufgabe einer Anstellung und die Neuanstellung bei einem Vertragsarzt möglich seien, so müsse es im Wege einer entsprechenden Anwendung möglich sein, dass ein MVZ - ohne ein Nachbesetzungsverfahren mit Ausschreibung und Bewerberauswahl - auf die Anstellung eines bei ihm tätigen Arztes verzichte und diesen in einem anderen MVZ anstelle. Wollte man den Träger zweier MVZ zur Umsetzung dieses Begehrens darauf verweisen, den Weg der [X.] gemäß § 103 Abs 4 [X.] mit dem dabei erforderlichen Ausschreibungs- und Neubesetzungsverfahren zu beschreiten, so wäre dies systemwidrig. Ein Ausschreibungs- und Neubesetzungsverfahren sei nur vorgesehen, wenn der Arzt oder ein MVZ eine Zulassung erlangen wolle. Die Möglichkeit der Übertragung von Anstellungsgenehmigungen sei auch mit Blick auf den Eigentumsschutz durch Art 14 GG und aus Gründen der Gleichbehandlung von MVZ und Vertragsarzt geboten. Der Gesetzgeber habe dadurch, dass er in § 103 [X.] nach dem seit dem 1.1.2004 geltenden Abs 4a zum 1.1.2007 den Abs 4b hinzugefügt habe, das Bestreben nach Gleichstellung von Vertragsärzten und MVZ gezeigt. Gegenüber der Furcht vor einer "McDonaldisierung" der MVZ durch zu weitgehende Erleichterung der Weitergabe von Vertragsarztsitzen sei herauszustellen, dass schon aus wirtschaftlichen Gründen kein Träger eines [X.]nteresse daran habe, ohne Rücksicht auf Bedarfsplanung und Versorgungsbedarf einen Angestelltensitz zu verlegen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des [X.] vom 10. Februar 2010 und des [X.] vom 14. Januar 2009 aufzuheben sowie den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 29. August 2008 zu verpflichten, über ihren Widerspruch gegen den Bescheid des [X.] unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

8

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie halten die Auffassung des L[X.] für zutreffend, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Genehmigung habe. Weder seien die Regelungen des § 103 Abs 4, 4a und 4b [X.] unmittelbar anwendbar, noch komme ihre analoge Anwendung - auch nicht auf dem Weg über § 72 Abs 1 Satz 2 [X.] - in Betracht. Für das Begehren der Klägerin lasse sich auch nichts aus Art 14 oder Art 3 GG herleiten.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Die Zulassungsgremien sowie das [X.] und das L[X.] haben zu Recht das Begehren der Klägerin abgelehnt, ihr zu genehmigen, auf die Anstellung einer Ärztin in einem MVZ zugunsten derer Anstellung in einem anderen MVZ, das ebenfalls in ihrer Trägerschaft steht, zu verzichten.

Einer Sachentscheidung steht nicht entgegen, dass die Ärztin, auf deren Anstellung im [X.] verzichtet werden soll zugunsten ihrer Anstellung im [X.]I, nicht zum Rechtsstreit beigeladen worden ist. Zwar ist es im Regelfall sachgerecht, in Rechtsstreitigkeiten um die Anstellung von Ärzten diese beizuladen (vgl zB B[X.] [X.] 3-5525 § 32b [X.]; B[X.] [X.] 3-5520 § 32b [X.]). [X.] handelt es sich dabei lediglich um eine sog einfache Beiladung (B[X.] aaO [X.] und aaO [X.]). Eine fehlende einfache Beiladung kann weder vom Revisionsgericht nachgeholt werden (anders als eine sog notwendige, siehe § 168 Satz 2 [X.]G), noch begründet dies einen sachentscheidungshindernden Verfahrensmangel (vgl B[X.] [X.] 3-5525 § 32b [X.]; B[X.] [X.] 3-5520 § 32b [X.]; fortgeführt von B[X.]E 95, 141 RdNr 6 = [X.]-2500 § 83 [X.] Rd[X.]4; B[X.] [X.]-2500 § 85 [X.] Rd[X.]8).

Das Begehren der Klägerin ist in der Sache ohne Erfolg. Sie hat keinen Anspruch darauf, dass ihr genehmigt werde, unter Verzicht auf die Anstellung der Frau Dr. A. in ihrem [X.] diese ohne ein Nachbesetzungsverfahren mit Ausschreibung und Bewerberauswahl in ihrem [X.]I anzustellen.

Die Klägerin ist für dieses Begehren zwar klagebefugt und aktivlegitimiert. Entscheidungen über Anstellungsgenehmigungen werden dem Anstellenden und nicht dem [X.] erteilt (siehe § 32b [X.] 1 Satz 1 iVm [X.] 2 Satz 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte <Ärzte-ZV> und vgl dazu B[X.]E 78, 291, 292 f = [X.] 3-5520 § 32b [X.] S 2 f mwN; vgl ebenso B[X.] [X.] 3-5520 § 32b [X.]). Der Beklagte lehnte ihr Begehren aber zu Recht ab. Gemäß § 95 [X.] 2 Satz 9 [X.]B V sind Anträge auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes in einem MVZ abzulehnen, wenn für das betroffene [X.] Zulassungsbeschränkungen nach § 103 [X.] 1 Satz 2 [X.]B V angeordnet sind (unten A.) und keine Ausnahmebestimmung eingreift (unten B.).

A. In dem Planungsbereich, für den die Klägerin die Anstellungsgenehmigung begehrt, bestanden und bestehen für die Arztgruppe der Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung. Diese sind - wie vorinstanzlich festgestellt (siehe L[X.], Urteil vom [X.] [X.] 33/09 - [X.] 2010, 257 = [X.], 177, Rd[X.]6) vom Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 103 [X.] 1 und 2 [X.]B V angeordnet worden (siehe Beschlüsse des [X.], [X.] 6/2007 [X.]99 f; 12/2007 [X.] f; 6/2008 S 410 f; 2/2009 [X.] f; 10/2009 S 683 f; 6/2010 [X.]94 f). Die dem zugrunde liegenden Berechnungen der Überversorgung und das dafür in §§ 9 ff [X.] festgelegte Verfahren sind rechtlich nicht zu beanstanden, wie das B[X.] mehrfach entschieden hat (vgl zB - betr Psychotherapeuten - B[X.] [X.]-2500 § 101 [X.] Rd[X.]0 ff , Beschluss vom 4.5.2004 - 1 BvR 749/04 ->; B[X.] [X.]-2500 § 101 [X.] Rd[X.]1; B[X.] vom 8.12.2010 - B 6 [X.] 36/09 R - [X.]-2500 § 101 [X.] Rd[X.]3, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen).

B. In [X.], in denen die Zulassung und Anstellung von Ärzten wegen Überversorgung beschränkt ist, können Ärzte aus den davon betroffenen Arztgruppen ausnahmsweise zugelassen bzw angestellt werden, soweit einer der Tatbestände des § 101 [X.] 1 Satz 1 [X.], [X.], [X.] oder des § 103 [X.] 4, [X.] 4a, [X.] 4b und [X.] 7 [X.]B V erfüllt ist. Durch diese Ausnahmeregelungen wird gewährleistet, dass angeordnete Zulassungssperren nicht unverhältnismäßig die Berufsausübung beschränken oder die Verwertung der Arztpraxen hindern und dass die Versorgung der Versicherten sichergestellt bleibt. Auf der Grundlage dieser Regelungen sind dem Interessenten verschiedene Möglichkeiten eröffnet, trotz festgestellter Überversorgung eine Zulassung oder Anstellung zu erlangen (zu [X.] vgl zuletzt B[X.] vom 8.12.2010 - B 6 [X.] 36/09 R - [X.]-2500 § 101 [X.] Rd[X.]4, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen).

Da es der Klägerin darauf ankommt, dass ihr ohne ein Nachbesetzungsverfahren mit Ausschreibung und Bewerberauswahl die Genehmigung erteilt werde, Frau Dr. A. unter Verzicht auf deren Anstellung im [X.] diese im [X.]I anzustellen, sind vorliegend diejenigen Tatbestände in den Blick zu nehmen, in denen ohne ein solches Nachbesetzungsverfahren eine Zulassung oder die Genehmigung einer Anstellung in einem wegen Überversorgung für Neuzulassungen beschränkten Planungsbereich erlangt werden kann. Dies ist in folgenden Konstellationen der Fall:   

(a)  

Ein Vertragsarzt verzichtet auf seine Kassenzulassung und lässt sich in einem MVZ anstellen (§ 103 [X.] 4a Satz 1 [X.]B V);

(b)   

ein Arzt scheidet nach fünfjähriger Tätigkeit in einem MVZ aus und erhält wieder eine Kassenzulassung (§ 103 [X.] 4a Satz 4 [X.]B V);

(c)   

ein Arzt, der in einem MVZ angestellt ist, scheidet aus und das MVZ besetzt diese Stelle nach (§ 103 [X.] 4a Satz 5 [X.]B V);

(d)   

ein Vertragsarzt verzichtet auf seine Kassenzulassung und lässt sich bei einem anderen Vertragsarzt anstellen (§ 103 [X.] 4b Satz 1 [X.]B V);

(e)   

nach dem Ausscheiden eines Arztes, der bei einem Arzt angestellt ist, kann diese Stelle nachbesetzt werden (§ 103 [X.] 4b Satz 2 [X.]B V);

(f)   

ein Vertragsarzt kann einen Arzt anstellen, wenn er sich zum sog [X.] mit diesem Arzt und entsprechender Leistungsbegrenzung verpflichtet (§ 95 [X.] 9 Satz 2 iVm § 101 [X.] 1 Satz 1 [X.] [X.]B V).

Von diesen Tatbeständen kommen als Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin von vornherein nur die Regelungen des § 103 [X.] 4a Satz 1 [X.]B V - ein Vertragsarzt verzichtet auf seine Kassenzulassung und lässt sich in einem MVZ anstellen - und des § 103 [X.] 4b Satz 1 [X.]B V - ein Vertragsarzt verzichtet auf seine Kassenzulassung und lässt sich bei einem anderen Vertragsarzt anstellen - in Betracht. Beide Tatbestände sind indessen weder von ihrem Wortlaut her unmittelbar (unten 1.), noch analog anwendbar (unten 2.); schließlich kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf Grundrechte berufen (unten 3.).

1. Der Wortlaut der genannten Ausnahmeregelungen stützt das Begehren der Klägerin nicht. Hinsichtlich des § 103 [X.] 4a Satz 1 [X.]B V fehlt es an mehreren Voraussetzungen: Erstens handelt es sich bei dem [X.] nicht um einen "Vertragsarzt", sondern um ein MVZ; zweitens betrifft der Verzicht nicht eine "Zulassung", sondern eine Anstellung; und drittens verzichtet das MVZ nicht auf seinen eigenen Status, sondern es verzichtet für eine bei ihm angestellte Ärztin auf "deren" Anstellung. Nichts anderes gilt für § 103 [X.] 4b Satz 1 [X.]B V: Hier fehlt es an den Voraussetzungen, dass ein "Vertragsarzt" auf "seine" Zulassung verzichtet und er selbst bei einem anderen "Vertragsarzt" als angestellter Arzt tätig werden will.

2. Fehlt es mithin sowohl bei § 103 [X.] 4a Satz 1 als auch bei § 103 [X.] 4b Satz 1 [X.]B V an einer Vielzahl tatbestandlicher Voraussetzungen, so ist nicht nur die unmittelbare Anwendung der Regelungen auf das Begehren der Klägerin ausgeschlossen, sondern ist auch die Möglichkeit einer "analogen Anwendung" fraglich. Diese wäre von vornherein verwehrt, wenn eine sog abschließende Regelung vorläge (unten a). Sofern Raum für eine Analogie ist, müssen dann aber auch deren Einzelvoraussetzungen erfüllt sein, dh es müssen eine unbewusste planwidrige Regelungslücke und eine Gleichartigkeit der zu regelnden Sachverhalte vorliegen (vgl dazu zB [X.] 116, 69, 83, 84 und B[X.] vom 9.2.2011 - B 6 [X.] 12/10 R - Rd[X.]8 mwN, zur Veröffentlichung in [X.]-5520 § 24 vorgesehen). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt:

a) In der Tat erscheint fraglich, ob überhaupt Raum ist für eine Analogie, denn die oben dargestellte, sehr detaillierte Ausdifferenzierung der einzelnen Tatbestände in § 103 [X.] 4, [X.] 4a und [X.] 4b [X.]B V (vgl oben Rd[X.]6) legt die Annahme nahe, dass der Gesetzgeber einen abschließenden Katalog der [X.] hat schaffen wollen (davon ausgehend auch [X.], [X.] 2006, 151 ff; ebenso wohl auch Konerding, [X.] im [X.], 2009, [X.] ff; [X.] zB [X.] in [X.]/[X.]/[X.], MVZ Beratungshandbuch, 2004, [X.]). In diese Richtung weist auch der Umstand, dass die genannten Einzeltatbestände Ausnahmen von der Strenge der versorgungsgradabhängigen Bedarfsplanung mit Zulassungssperren in überversorgten Gebieten darstellen (vgl oben Rd[X.]5) und dass solche Ausnahmen eng zu halten sind, um die Bedarfsplanung nicht übermäßig auszuhöhlen. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, das von vornherein kein Raum ist, eine Erweiterung der Regelungen des § 103 [X.] 4, [X.] 4a und [X.] 4b [X.]B V im Wege einer "entsprechenden" Anwendung zu erwägen.

b) Aber selbst wenn davon ausgegangen wird, die genannten Konstellationen stellten keinen abgeschlossenen - nicht-analogiefähigen - Katalog dar, sodass die Möglichkeit entsprechender Anwendung nicht von vornherein verwehrt ist, so fehlt es aber jedenfalls an den für eine Analogie notwendigen Einzelvoraussetzungen. Eine Gleichartigkeit der zu regelnden Sachverhalte besteht nicht.

Der vorliegende Sachverhalt, in dem die Trägerin zweier MVZ auf die Anstellung einer Ärztin in ihrem einen MVZ verzichten und die Genehmigung zu deren Anstellung im anderen MVZ erhalten möchte, ist mit den zitierten gesetzlichen Tatbeständen des § 103 [X.] 4a Satz 1 und des § 103 [X.] 4b Satz 1 [X.]B V nicht gleichartig. Diese Tatbestände sind zum einen darauf ausgerichtet, die Bildung von MVZ zu erleichtern (so [X.] 4a Satz 1 und 2 aaO, vgl BT-Drucks 15/1525 [X.]), und sollen zum anderen einem Vertragsarzt - etwa dann, wenn er die mit dem [X.] verbundenen Lasten und Risiken der Selbstständigkeit nicht mehr tragen möchte - den Wechsel in den [X.] ermöglichen, indem er sich bei einem MVZ (§ 103 [X.] 4a Satz 1 [X.]B V) oder bei einem anderen Vertragsarzt (§ 103 [X.] 4b Satz 1 [X.]B V) anstellen lässt (vgl dazu BT-Drucks 15/1525 [X.] und BT-Drucks 16/2474 [X.]). Diese Regelungsziele sind in dem Fall, dass eine [X.], die über mehrere MVZ verfügt, die Zuordnung der Ärzte ändern und einen Arzt, der bisher in einem MVZ tätig ist, unter Verzicht auf diese Anstellung in einem anderen MVZ anstellen möchte, nicht einschlägig. In § 103 [X.] 4a Satz 5 [X.]B V ist ausdrücklich nur vorgesehen, dass bei Ausscheiden eines Arztes aus einem MVZ die Stelle in diesem MVZ nachbesetzt werden kann. Die Möglichkeit, einen angestellten Arzt in ein anderes MVZ "zu verschieben" - sei es auch nur innerhalb desselben [X.] -, läge außerhalb der Ausrichtung der gesetzlichen Tatbestände und kann daher nicht als gleichartig im Sinne der Voraussetzungen für eine analoge Anwendung angesehen werden.

Anderes ergibt sich auch nicht aus § 72 [X.] 1 Satz 2 [X.]B V, der ausdrücklich eine "entsprechende" Anwendung der für Vertragsärzte geltenden §§ 69 ff [X.]B V auf MVZ anordnet. Nach § 72 [X.] 1 Satz 2 [X.]B V gelten die Vorschriften des Vierten Kapitels, "soweit (sie) sich … auf Ärzte beziehen, … entsprechend für Zahnärzte, Psychotherapeuten und medizinische Versorgungszentren, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist." Diese "entsprechende Anwendung" bedeutet aber keine Freistellung von der Prüfung, ob eine auf Vertragsärzte ausgerichtete Bestimmung von ihrem Sinngehalt her auch auf Zahnärzte, Psychotherapeuten und/oder Medizinischen Versorgungszentren "passt"; dies folgt zumal aus dem ausdrücklichen Zusatz "sofern nichts Abweichendes bestimmt ist" (vgl B[X.]E 100, 144 = [X.]-2500 § 85 [X.]1, Rd[X.]7 iVm 18). So gibt es im Rahmen der §§ 69 ff [X.]B V Vorschriften, die nach ihrem Sinngehalt gerade nur entweder für Ärzte oder nur für Zahnärzte gelten sollen, wie der [X.] klargestellt hat (siehe B[X.] aaO Rd[X.]8 mit Hinweis auf zB § 85 [X.] 2b, [X.] 3a Satz 6 und 7, [X.] 3e, [X.] 4b bis 4f). Ebenso gibt es Vorschriften, die gerade nur auf Vertrags(zahn)ärzte und nicht auch auf MVZ passen. Ein solcher Fall liegt bei den zum Teil auf Vertragsärzte und anderenteils auf MVZ zugeschnittenen Regelungen des § 103 [X.] 4a Satz 1 und [X.] 4b Satz 1 [X.]B V vor: Die oben angeführten - gegen eine Analogie sprechenden - Gründe gelten ebenso im Rahmen der Prüfung einer entsprechenden Anwendung gemäß § 72 [X.] 1 Satz 2 [X.]B V.

3. Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf § 24 [X.] 7 Ärzte-ZV stützen. Zwar ist die dort vorgesehene Verlegung einer Arztpraxis am ehesten mit dem Begehren der Klägerin strukturell vergleichbar. Eine Verlegung der Praxis ist sowohl für den Vertragsarzt als auch für ein MVZ möglich und nur davon abhängig, dass er/es seine Zulassung künftig an einem anderen Ort im selben Planungsbereich ausüben möchte und dem keine Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen (vgl hierzu zB B[X.] [X.] 3-5520 § 24 [X.] S 19; B[X.] [X.]-5520 § 24 [X.] Rd[X.]5; B[X.]E 99, 218 = [X.]-2500 § 103 [X.], Rd[X.]7). Die Möglichkeit der Verlegung besteht nach den geltenden Regelungen aber nur für den Vertragsarztsitz als solchen, also insoweit, als ein MVZ betroffen ist, für dessen Sitz. Sie kann nicht in der Weise praktiziert werden, dass "einzelne Ärzte verlegt" werden: Die Möglichkeit, in einem überversorgten und zulassungsgesperrten Planungsbereich einen Angestelltensitz in der Weise zu verlegen, dass eine in einem MVZ angestellte Ärztin einem anderen MVZ zugeordnet wird, ist vom Gesetzgeber bisher weder geschaffen noch auch nur erwogen worden.

4. Die dargestellte Auslegung der Regelungen des § 103 [X.] 4a und [X.] 4b [X.]B V und des § 24 [X.] 7 Ärzte-ZV verstößt auch nicht gegen Grundrechte der Klägerin (vgl Art 19 [X.] 3 GG zur Grundrechtsträgerschaft einer GmbH als Trägerin von MVZ). Eine Verfassungsverletzung ergibt sich weder im Hinblick auf das Eigentumsgrundrecht des Art 14 GG noch im Hinblick auf die Berufsfreiheit des Art 12 GG noch im Hinblick auf Art 3 [X.] 1 GG.

a) Die Möglichkeit für MVZ bzw für deren Träger, Vertragsärzte und angestellte Ärzte bei sich tätig werden zu lassen, ist ihnen von vornherein nur in dem in § 103 [X.] 4 ff [X.]B V geregelten Umfang eröffnet worden. Im Zeitpunkt der normativen Schaffung der Zulassungsmöglichkeit für MVZ (zum 1.1.2004 - durch das [X.] vom 14.11.2003, [X.] 2190) ist diesen das Recht, Vertragsärzte und angestellte Ärzte einzuwerben, nur nach Maßgabe der genannten Regelungen ermöglicht worden. Damit kann "Eigentum" von vornherein nur in diesem eingeschränkten Umfang entstanden sein (in diesem selben Sinne [X.] 126, 233, 256 = [X.]-8570 § 6 [X.] RdNr 63 mwN; ebenso B[X.] vom 23.3.2011 - B 6 [X.] 11/10 R - RdNr 71, zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.]-2500 § 115b vorgesehen). Ein Anspruch darauf, mehr Optionen für die Heranziehung von Vertragsärzten und angestellten Ärzten zu haben, als ihnen durch § 103 [X.] 4 ff [X.]B V eröffnet sind, kann nicht aus Art 14 [X.] 1 GG hergeleitet werden; denn diesem lässt sich nur ein Schutz für bereits erlangte Rechtspositionen entnehmen.

b) Die Annahme, diese Regelungen ergäben kein ausreichendes Aktionsfeld für MVZ bzw deren Träger oder sie seien nicht angemessen ausgestaltet worden, kann allenfalls auf Art 12 [X.] 1 GG gestützt werden (zu dieser Abgrenzung zwischen Art 14 und Art 12 GG vgl zuletzt [X.] 126, 112, 135 f = [X.]-1100 Art 12 [X.]1 Rd[X.]4; ebenso zB B[X.]E 100, 43 = [X.]-2500 § 95 [X.]4, Rd[X.]3; B[X.] [X.]-2500 § 73 [X.] Rd[X.]1; B[X.] vom 23.3.2011 - B 6 [X.] 11/10 R - RdNr 72, zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.]-2500 § 115b vorgesehen). [X.] steht das Grundrecht des Art 12 GG unter dem Vorbehalt, dass die Berufsausübung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt - auch beschränkt - werden kann (Art 12 [X.] 1 Satz 2 GG). Beschränkungen dürfen sich allerdings nicht als unverhältnismäßig darstellen. Dafür ist hier aber auch nichts ersichtlich.

c) Eine Verletzung des Art 3 [X.] 1 GG ist ebenso wenig ersichtlich. Die Konzeption, für Vertragsärzte und MVZ nur in eingeschränktem Umfang die (Neu-)Anstellung von Ärzten zu ermöglichen, kann nicht beanstandet werden. Das Ziel, Ausnahmen von der Bedarfsplanung bzw von den damit verbundenen Zulassungssperren eng zu halten, ist nicht sachwidrig (vgl hierzu oben Rd[X.]5 iVm 20).

5. Im Übrigen bietet das Vertragsarztrecht insgesamt vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, die in Situationen wie hier unter Umständen von den Beteiligten nutzbar gemacht werden könnten. Für eine Interessenlage der vorliegenden Art könnte möglicherweise in Betracht kommen, dass der Träger des MVZ die bei ihr angestellte Ärztin dafür gewinnt, dass diese die ihr gesetzlich eingeräumte Möglichkeit nutzt, nach ihrer bereits mehr als fünfjährigen Tätigkeit als Angestellte in dem MVZ auszuscheiden und sich gemäß § 103 [X.] 4a Satz 4 [X.]B V eine Zulassung erteilen zu lassen und sich dann gemäß § 103 [X.] 4a Satz 1 [X.]B V im [X.]I anstellen zu lassen. In ähnlichen Konstellationen, jedenfalls wenn die "Verschiebung" von Angestellten zu einem anderen MVZ erreicht werden soll, könnte möglicherweise auch erwogen werden, dass die beiden MVZ - jedenfalls wenn sie unter verschiedenen Anschriften ansässig sind - sich zu einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft zusammenschließen und in diesem Rahmen eine Angestellte wahlweise in dem einen oder anderen MVZ tätig wird. In ähnlicher Weise könnte möglicherweise erwogen werden, dass das MVZ eine Zweigpraxis gründet und bei ihr tätige Angestellte dann dort tätig werden lässt.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a [X.] 1 Satz 1 Halbsatz 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 [X.] 2 iVm §162 [X.] 3 VwGO. Die Klägerin ist als unterlegener Rechtsmittelführer zur Kostentragung verpflichtet (§ 154 [X.] 2 VwGO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten von Beigeladenen ist nur hinsichtlich der Beigeladenen zu 1. veranlasst, weil nur diese Beigeladene im Revisionsverfahren einen Antrag gestellt hat (§ 162 [X.] 3 VwGO, vgl dazu B[X.]E 96, 257 = [X.]-1300 § 63 [X.], Rd[X.]6).

Meta

B 6 KA 8/10 R

23.03.2011

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Marburg, 14. Januar 2009, Az: S 12 KA 575/08, Urteil

§ 72 Abs 1 S 2 SGB 5, § 95 Abs 2 S 9 SGB 5, § 95 Abs 9 S 2 SGB 5, § 98 Abs 2 Nr 13 SGB 5, § 101 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 5, § 101 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 5, § 101 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 5, § 103 Abs 1 S 2 SGB 5, § 103 Abs 2 SGB 5, § 103 Abs 4 SGB 5, § 103 Abs 4a S 1 SGB 5, § 103 Abs 4b S 1 SGB 5, § 24 Abs 7 Ärzte-ZV, Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, § 75 Abs 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.03.2011, Az. B 6 KA 8/10 R (REWIS RS 2011, 8356)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8356

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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B 6 KA 18/19 R (Bundessozialgericht)

(Vertragsärztliche Versorgung - Verlegung einer genehmigten Arztanstellung zwischen zwei Medizinischen Versorgungszentren - notwendige Beiladung - …


B 6 KA 21/15 R (Bundessozialgericht)

Vertragsarzt - Zulassungsverzicht zwecks Anstellungsgenehmigung in Medizinischem Versorgungszentrum (MVZ) - Nachbesetzungsrecht des MVZ - Beschränkung …


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