Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.05.2019, Az. V ZR 295/16

5. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 7205

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Unterbrechung des Prozesses bei Unterlassungsansprüchen gegen den Insolvenzschuldner


Tenor

Das Verfahren ist nach § 240 ZPO unterbrochen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin ist Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Ihre Wohnung liegt über der von dem Beklagten gemieteten Einheit, die in der Teilungserklärung als Wohnung/Wohnraum ausgewiesen ist.

2

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Unterlassung von Geruchs- und Lärmemissionen sowie auf Unterlassung der Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb in Anspruch. Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin nicht prozessführungsbefugt sei. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das [X.] durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Unterlassungsansprüche weiter.

3

Über das Vermögen des Beklagten ist mit Beschluss vom 7. Mai 2018 das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Insolvenzverwalterin bestellt worden; der von dem Senat bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung ist daraufhin aufgehoben worden. Die Klägerin meint, das Verfahren sei infolge der Insolvenz des Beklagten nicht unterbrochen. Sie beantragt, einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

II.

4

Der Antrag der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Das Verfahren ist nach § 240 ZPO unterbrochen.

5

1. Nach dieser Vorschrift wird im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer [X.] das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Ein mittelbarer Bezug zur Insolvenzmasse genügt (vgl. [X.], Teilurteil vom 1. Oktober 2009 - [X.], NJW 2010, 2213 Rn. 17 mwN).

6

2. Hier ist die Insolvenzmasse mittelbar betroffen, soweit die Klägerin von dem Beklagten die Unterlassung der Nutzung der von ihm gemieteten Wohnung als Pensionsbetrieb verlangt.

7

a) Die Klägerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass Verfahren, in denen Unterlassungsansprüche den Streitgegenstand bilden, durch die Insolvenz des Schuldners nicht zwingend unterbrochen werden. So wird es insbesondere liegen, wenn der Unterlassungsanspruch höchstpersönlicher Natur (vgl. [X.], [X.], 2682 Rn. 12; NJW 2010, 955 Rn. 10) oder nicht vermögensrechtlicher Art ist (vgl. MüKoZPO/[X.], 5. Aufl., § 240 Rn. 21; [X.]/[X.]/ [X.], ZPO, 16. Aufl., § 240 Rn. 5; [X.]-ZPO/[X.], 8. Aufl., Rn. 8; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 240 Rn. 8a). Unterlassungsansprüche wegen einer Schutzrechtsverletzung zählen demgegenüber zu den die Insolvenzmasse betreffenden Ansprüchen ([X.], Urteil vom 21. Oktober 1965 - [X.], NJW 1966, 51; Urteil vom 10. Juli 2003 - [X.], [X.]Z 155, 371, 380; Teilurteil vom 1. Oktober 2009 - [X.], NJW 2010, 2213 Rn. 17 jeweils mwN). Maßgeblich hierfür ist die Erwägung, dass die Frage, ob der Verletzer die vom Verletzten beanstandete Handlung vornehmen darf, für den Gewerbebetrieb des Verletzers ein Vermögensinteresse darstellt ([X.], Urteil vom 21. Oktober 1965 - [X.], aaO). Eine ähnliche Lage ist bei einer auf die Störung des Eigentums gestützten Unterlassungsklage gegeben, wenn diese zu Nachteilen für die Insolvenzmasse führen würde (vgl. [X.], [X.], 15. Aufl., § 85 Rn. 34 f.). So liegt der Fall hier.

8

b) Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume bestehen gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 [X.] mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Das Mietverhältnis wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens folglich nicht beendet. § 108 Abs. 1 [X.] verdrängt insoweit § 103 Abs. 1 [X.]. Die Regelung des § 108 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist unabhängig davon anwendbar, ob der Schuldner als Vermieter/Verpächter oder als Mieter/Pächter an dem Rechtsverhältnis beteiligt ist ([X.], Urteil vom 29. Januar 2015 - [X.], [X.]Z 204, 83 Rn. 28 mwN). Dem Insolvenzverwalter ist es daher möglich, die Mietsache nach der Insolvenzeröffnung weiter zu nutzen, indem er etwa weiterhin als Zwischenvermieter Untervermietungen vornimmt und die Mietzahlungen des Untermieters einzieht (vgl. [X.]/[X.]/[X.], 9. Aufl. 2018, § 55 Rn. 22). Der auf § 1004 Abs. 1 BGB gestützte Klageantrag, die Nutzung der von dem Schuldner gemieteten Wohnung als Pensionsbetrieb zu unterlassen, betrifft somit die Insolvenzmasse; bei einem Erfolg der Klage wäre der Insolvenzverwalterin die gewerbsmäßige Untervermietung und die Einziehung entsprechender Mieten zur Masse nicht mehr möglich.

9

3. Die Unterbrechung des Verfahrens ist auch hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung von Geruchs- und Lärmemissionen eingetreten. Ob dies schon daraus folgt, dass sich die Unterlassungsansprüche auch auf das Verhalten der Untermieter beziehen, es dem Beklagten seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Verfügungsbefugnis aber nicht möglich ist, ihnen gegenüber von seinen Rechten als (Unter-)Vermieter Gebrauch zu machen, kann dahinstehen. Jedenfalls kommt der Grundsatz zum Tragen, dass das Verfahren insgesamt unterbrochen wird, wenn mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, von denen nur ein Teil die Insolvenzmasse betrifft (vgl. [X.], Urteil vom 21. Oktober 1965 - [X.], NJW 1966, 51; Teilurteil vom 1. Oktober 2009 - [X.], NJW 2010, 2213 Rn. 20; Beschluss vom 10. Dezember 2014 - [X.], [X.], 254 Rn. 15). Für eine Ausnahme von diesem Grundsatz, wie sie für den Anspruch auf Drittauskunft angenommen wird ([X.], Teilurteil vom 1. Oktober 2009 - [X.], NJW 2010, 2213 Rn. 20), ist hier kein Raum. Eine Drittauskunft dient dazu, Rechte gegenüber [X.] vorzubereiten; sind diese am Insolvenzverfahren nicht beteiligt, liegt es auf der Hand, dass der Schutzzweck des § 240 ZPO eine Verfahrensunterbrechung nicht rechtfertigt. Die hier geltend gemachten Ansprüche betreffen dagegen sämtlich die Nutzung der von dem Insolvenzschuldner gemieteten Wohnung, deren Erträge die Insolvenzverwalterin zur Masse ziehen kann.

Stresemann     

        

Brückner     

        

Weinland

        

Kazele     

        

[X.]     

        

Meta

V ZR 295/16

16.05.2019

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 18. November 2016, Az: 8 U 3112/16

§ 1004 Abs 1 BGB, § 108 Abs 1 InsO, § 15 Abs 3 WoEigG, § 240 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.05.2019, Az. V ZR 295/16 (REWIS RS 2019, 7205)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 784-785 REWIS RS 2019, 7205


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. V ZR 295/16

Bundesgerichtshof, V ZR 295/16, 24.01.2020.

Bundesgerichtshof, V ZR 295/16, 16.05.2019.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 285/17 (Bundesgerichtshof)

Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels: Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde; Erfordernis der Begründung der Beschwerde; Unterbrechung …


I ZR 94/07 (Bundesgerichtshof)


V ZR 295/16 (Bundesgerichtshof)

Prozessführungsbefugnis hinsichtlich Sondereigentum bei Vergemeinschaftung vom Unterlassungsanspruch


I ZB 114/17 (Bundesgerichtshof)

Markenrechtliches Löschungsverfahren: Unterbrechung des Verfahrens wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Löschungsantragstellers - …


XII ZR 136/12 (Bundesgerichtshof)

Räumungs- und Herausgabeanspruch gegen den Gewerberaummieter: Umfang einer Unterbrechung des Rechtsstreits wegen Insolvenzverfahrenseröffnung


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.