Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.10.2012, Az. X B 130/12

10. Senat | REWIS RS 2012, 1889

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Gegenstand

Antrag auf Terminsänderung/Protokoll über die mündliche Verhandlung


Leitsatz

1. NV: Ein kurz vor dem Sitzungstag eingereichtes ärztliches Attest, in dem das Gericht erstmals über eine Erkrankung informiert wird, reicht zur Glaubhaftmachung des Vorliegens einer die Terminsänderung rechtfertigenden Erkrankung nur aus, wenn in dem ärztlichen Attest auch bescheinigt wird, um welches Krankheitsbild es sich handelt (Abgrenzung zum BFH-Beschluss vom 10. August 2011 IX B 175/10, BFH/NV 2011, 1912) . 

2. NV: Im Protokoll über die mündliche Verhandlung muss in Bezug auf ein verkündetes Urteil lediglich der Tag der Verkündung, nicht aber die genaue Uhrzeit wiedergegeben werden .

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) liegen jedenfalls nicht vor.

2

1. Das angefochtene Urteil beruht nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--).

3

a) Der Kläger macht geltend, er habe dem Finanzgericht ([X.]) ein ärztliches Attest übersandt, wonach er nicht an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen könne. Damit habe er konkludent eine Terminsverlegung beantragt. Gleichwohl habe das [X.] die auf den 14. März 2012 anberaumte mündliche Verhandlung in Abwesenheit des [X.] durchgeführt.

4

b) Bei dieser Sachlage kann ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG gegeben sein, wenn das [X.] einen Antrag auf Terminsverlegung (§ 155 [X.]O i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung --ZPO--) zu Unrecht ablehnt. Entgegen der Auffassung des [X.] liegt bei verständiger Würdigung in der Übersendung des Attests an das [X.] durch den zum damaligen Zeitpunkt nicht vertretenen Kläger keine bloße Unterrichtung des Gerichts von seiner Erkrankung. Vielmehr musste das [X.] die übersandte ärztliche Bescheinigung zugleich als einen konkludent gestellten Antrag des [X.] auf Terminsverlegung verstehen. Denn das [X.] hatte nicht das persönliche Erscheinen des [X.] angeordnet und diesen in der Ladung auch darüber belehrt, dass im Falle seines Ausbleibens ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 91 Abs. 2 [X.]O). Der Übersendung der ärztlichen Bescheinigung durch den Kläger bedurfte es daher nur, wenn dieser hierdurch über die bloße Information des Gerichts hinausgehend das Ziel der Terminsverlegung erstrebte.

5

c) Der Kläger hat jedoch das Vorliegen eines erheblichen Grunds i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO nicht glaubhaft gemacht. Wird wie im Streitfall erst kurz vor dem Sitzungstag ein Antrag auf Terminsänderung wegen des Vorliegens einer Erkrankung gestellt, dann sind die Gründe für die Verhinderung so darzulegen und zu untermauern, dass das Gericht die Frage, ob der betroffene Beteiligte verhandlungs- und/oder reisefähig ist oder nicht, selbst beurteilen kann (ständige Rechtsprechung des [X.] --BFH--; vgl. z.B. Beschluss vom 19. November 2009 IX B 160/09, [X.], 454). Hierzu ist regelmäßig die Vorlage eines privatärztlichen Attests erforderlich und auch ausreichend. Dieses Attest muss aber in der Regel hinreichend substantiiert sein. Weil die Reise- und/oder Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar in dem Attest wiedergegeben sein muss, muss im Normalfall auch bescheinigt werden, um welches Krankheitsbild es sich im Einzelnen handelt ([X.] vom 17. Mai 2000 IV B 86/99, [X.], 1353; vom 21. April 2008 XI B 206/07, [X.], [X.], 1191, und vom 10. August 2011 IX B 175/10, [X.] 2011, 1912). Anders kann der Fall liegen, wenn das Gericht bereits vor Eingang eines ärztlichen Attests, welches zur Glaubhaftmachung eines [X.] eingereicht wurde, über eine schwerwiegende Erkrankung des Beteiligten informiert wurde. In einem solchen Sonderfall muss das Gericht ein Attest, in dem lediglich bescheinigt wird, der Beteiligte sei nicht in der Lage, einen Gerichtstermin wahrzunehmen, als hinreichende Begründung des [X.] anerkennen ([X.] in [X.] 2011, 1912).

6

Ein solcher Sonderfall war im vorliegend zu beurteilenden Streitfall nicht gegeben. Denn bis zur (kurz vor der mündlichen Verhandlung erfolgten) Einreichung des ärztlichen Attests vom 13. März 2012 lagen dem [X.] keine Informationen über eine etwaige Erkrankung des [X.] vor. Bei dieser Sachlage bedurfte es daher eines privatärztlichen Attests, in dem auch das Krankheitsbild des [X.] geschildert wird. Diesem Erfordernis genügt das eingereichte Attest nicht. Denn in ihm wird lediglich bescheinigt, dass der Kläger wegen Krankheit vom 13. März bis 16. März 2012 nicht an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen könne.

7

2. Auch aus dem klägerischen Vortrag, das angefochtene Urteil selbst lasse zwar erkennen, wann die mündliche Verhandlung stattgefunden habe, nicht jedoch, wann das Urteil gefällt worden sei, ergibt sich kein Revisionszulassungsgrund.

8

a) Soweit das klägerische Vorbringen dahingehend zu verstehen ist, die dem Kläger erteilte [X.] trage keinen Verkündungsvermerk, ergibt sich hieraus kein Gesetzesverstoß. Zwar muss nach § 105 Abs. 6 [X.]O bei verkündeten Urteilen (§ 104 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) der [X.] der Geschäftsstelle auf dem Urteil den [X.] vermerken. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf die bei den Akten befindliche Urschrift des Urteils und nicht auf [X.]en ([X.] vom 26. September 2008 VIII B 23/08, nicht veröffentlicht, juris; ebenso Lange in [X.]/[X.]/ [X.], § 105 [X.]O Rz 71).

9

b) Sofern der Kläger zum Ausdruck bringen wollte, die [X.] sei nicht mit dem Verkündungsvermerk versehen, trifft dieser Vortrag nicht zu. Denn auf der Urschrift ist vermerkt, dass das Urteil am 14. März 2012 verkündet worden ist. Auch ist dieser Verkündungsvermerk mit der Unterschrift des [X.]n der Geschäftsstelle versehen.

c) Dass das Urteil tatsächlich wie vermerkt verkündet worden ist, steht aufgrund der Beweiskraft des Protokolls (§ 94 [X.]O i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 7 und § 165 Satz 2 ZPO) fest. Das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 14. März 2012 weist aus, dass der Beschluss verkündet wurde, dass die Entscheidung im Lauf des [X.] verkündet werde (zur Vereinbarkeit dieser Vorgehensweise mit § 104 Abs. 1 [X.]O vgl. [X.] vom 18. Dezember 2007 XI B 178/06, [X.], 562). Auch ist in diesem Protokoll unter schriftlicher Wiedergabe der Urteilsformel festgehalten, dass nach Beratung das Urteil verkündet worden sei. Damit steht die ordnungsgemäße Verkündung des Urteils fest (vgl. auch Urteil des [X.] vom 16. Oktober 1984 VI ZR 205/83, Neue Juristische Wochenschrift 1985, 1782). Dass in dem Protokoll zwar der [X.], nicht aber die genaue Uhrzeit wiedergeben ist, ist unerheblich. Letzteres ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Dies zeigt auch die Vorschrift des § 105 Abs. 6 Satz 1 [X.]O, wonach auf der [X.] (lediglich) der Tag der Verkündung zu vermerken ist.

Meta

X B 130/12

25.10.2012

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 14. März 2012, Az: 1 K 1296/11, Urteil

§ 94 FGO, § 104 Abs 1 FGO, § 105 Abs 1 FGO, § 155 FGO, § 160 Abs 3 Nr 7 ZPO, § 165 S 2 ZPO, § 227 Abs 1 ZPO, § 105 Abs 6 S 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.10.2012, Az. X B 130/12 (REWIS RS 2012, 1889)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1889

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Referenzen
Wird zitiert von

11 ZB 17.30559

L 15 VK 7/11

L 15 SB 97/15

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