Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.10.2021, Az. 5 AZR 291/20

5. Senat | REWIS RS 2021, 1916

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Gegenstand

Auslegung TV-L (Vergütung von Umkleide- und Rüstzeiten, Zeitgutschrift für arbeitsfreie gesetzliche Feiertage)


Tenor

I. Auf die Revision des beklagten [X.] wird festgestellt, dass das Urteil des [X.]arbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Mai 2020 - 10 Sa 1571/19 - insoweit gegenstandslos ist, als es auf die Berufung des [X.] das Urteil des [X.] vom 27. März 2019 - 60 Ca 14876/17 - teilweise abgeändert und festgestellt hat, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die vom Kläger jeweils im betrieblichen Bereich erbrachte zusätzliche Arbeitszeit für das Entnehmen, Laden und Anlegen der Dienstwaffe im Umfang von insgesamt vier Minuten für die Tage, an denen er tatsächlich in der [X.] vom 1. April 2017 bis zum 30. September 2019 gearbeitet hat, zu vergüten.

II. Im Übrigen wird die Revision des beklagten [X.] gegen das Urteil des [X.]arbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Mai 2020 - 10 Sa 1571/19 - zurückgewiesen und das Urteil zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 27. März 2019 - 60 Ca 14876/17 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

a) Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die vom Kläger seit dem 1. April 2017 jeweils für das beklagte Land im betrieblichen Bereich erbrachte zusätzliche Arbeitszeit für das An- und Ablegen der Dienstuniform (Umkleiden) und das Auf- und Abrüsten mit den dem Kläger persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenständen (Rüsten) im Umfang von insgesamt zehn Minuten (bestehend aus fünf Minuten vor dem offiziellen Dienstbeginn und fünf Minuten nach dem offiziellen Dienstende) für die Tage, an denen der Kläger tatsächlich gearbeitet hat, zu vergüten.

b) [X.] wird verurteilt, dem für den Kläger geführten [X.] in der Spalte „[X.]konto“ 7,07 Stunden gutzuschreiben.

2. Die weiter gehende Berufung des [X.] wird zurückgewiesen.

III. [X.] hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revision über die Verpflichtung des beklagten [X.], Umkleide- und Rüstzeiten zu vergüten und eine [X.]gutschrift für einen arbeitsfreien gesetzlichen Feiertag zu gewähren.

2

Der Kläger ist beim beklagten Land als Wachpolizist im Zentralen Objektschutz tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet [X.] der TV-L Anwendung. Der Kläger ist als Stammkraft an der N in der [X.], [X.] eingesetzt.

3

Die Arbeitszeit des [X.] richtet sich seit dem 25. Juni 2015 ua. nach der „Geschäftsanweisung Dir ZA Nr. 3/2015 über die Einführung neuer Arbeitszeitregelungen in der Direktion [X.] ([X.])“ vom 5. Juni 2015. [X.] im [X.] arbeiten danach im Dreischichtsystem von 06:30 Uhr bis 14:45 Uhr (Frühdienst), 14:30 Uhr bis 22:45 Uhr (Spätdienst) und 22:30 Uhr bis 06:45 Uhr (Nachtdienst). Das System sieht eine feste Schichtfolge mit zwei Früh-, zwei Spät- sowie zwei Nachtschichten und anschließend eine Ruhezeit von ungefähr 72 Stunden vor, dh. 42 Schichten in neun Wochen. Jede Schicht dauert acht Stunden 15 Minuten, wobei sich die Nachtschicht auf 1,5 Stunden zum Ende des einen und 6,75 Stunden zu [X.]eginn des neuen Tages erstreckt. In einem Siebentageszeitraum fallen Schichtzeiten im Umfang von 49,5 Stunden an.

4

Die [X.] müssen den Dienst in angelegter Uniform nebst persönlicher Schutzausrüstung ([X.]) und [X.] Dienstwaffe antreten. Auf der dunklen Oberbekleidung der Uniform ist in weißer Schrift der Schriftzug „[X.]“ aufgebracht. Es ist den [X.] freigestellt, ob sie den Weg zum und vom Dienst in Uniform zurücklegen. Dem Kläger steht an seinem Einsatzort eine Umkleidemöglichkeit nebst Spind zur Verfügung, die er zum An- und Ablegen der Uniform und der [X.] nutzt. Die Dienstwaffe ist nach einer Geschäftsanweisung des beklagten [X.] über den Umgang mit Faustfeuerwaffen im streifenfertigen Zustand zu führen. [X.] ist es gestattet, die Dienstwaffe mit nach Hause zu nehmen, sofern dort eine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit besteht. Auf dem Weg zum und vom Dienst ist es den [X.] freigestellt, die Dienstwaffe mit oder ohne Dienstkleidung zu tragen. Ein [X.] ist am Einsatzort für den Kläger nicht vorhanden. Ein solches wird ihm vom beklagten Land in der [X.], [X.] zur Verfügung gestellt. In der [X.] von April 2017 bis einschließlich September 2019 nutzte der Kläger das dienstliche [X.]. Seit dem 1. Oktober 2019 bewahrt er seine Dienstwaffe in aller Regel zu Hause auf und legt sie dort auch an und ab.

5

An dem gesetzlichen Feiertag 2. April 2018 ([X.]) hatte der Kläger dienstplanmäßig frei. Das beklagte Land hat dem Kläger für diesen Tag keine Gutschrift auf dem für ihn geführten Arbeitszeitkonto, dem sog. [X.], in der Spalte „[X.]konto“ eingetragen.

6

Mit seiner Klage hat der Kläger - soweit diese in die Revision gelangt ist - die Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der [X.] seit dem 1. April 2017 und für die von ihm aufgewandte [X.] zum Entnehmen, Laden und Entladen und An- und Ablegen sowie Wegschließen der Dienstwaffe seit dem 1. Oktober 2019, jeweils im betrieblichen [X.]ereich, verlangt. Er hat gemeint, das An- und Ablegen der Uniform sowie das Rüsten mit der [X.] und Dienstwaffe nehme er nur im Interesse des beklagten [X.] vor, weshalb die dafür erforderlichen [X.]en zu vergütende Arbeitszeit seien. Das beklagte Land habe zudem seinem Arbeitszeitkonto eine [X.]gutschrift für den arbeitsfreien gesetzlichen Feiertag im Umfang von 7,07 Stunden gutzuschreiben.

7

Der Kläger hat - soweit für die Revision von [X.]edeutung - zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die vom Kläger seit dem 1. April 2017 zusätzlich im betrieblichen [X.]ereich erbrachte Arbeitszeit für das An- und Ablegen der Dienstuniform (Umkleiden) und das Auf- und Abrüsten mit den dem Kläger persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenständen (Rüsten) sowie seit dem 1. Oktober 2019 zusätzlich im betrieblichen [X.]ereich erbrachte Arbeitszeit für das Entnehmen, Laden und Anlegen sowie das Ablegen, Entladen und Wegschließen der Dienstwaffe im Umfang von insgesamt 14 Minuten (bestehend aus sieben Minuten vor dem offiziellen Dienstbeginn und sieben Minuten nach dem offiziellen Dienstende) für die Tage, an denen der Kläger tatsächlich gearbeitet hat, zu vergüten,

        

2.    

das beklagte Land zu verurteilen, dem für den Kläger geführten [X.] in der Spalte „[X.]konto“ 7,07 Stunden gutzuschreiben.

8

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.

9

Das Arbeitsgericht hat das beklagte Land zu einer [X.]gutschrift auf dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto im Umfang von einer Stunde und 31 Minuten für den 2. April 2018 verurteilt, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das erstinstanzliche Urteil vom 27. März 2019 wurde vom Vorsitzenden der Kammer am 6. September 2019 der Geschäftsstelle übergeben. Dem Prozessbevollmächtigten des [X.] wurde das Urteil am 25. September 2019 zugestellt.

Soweit für die Revision von [X.]edeutung, hat das [X.]arbeitsgericht auf die [X.]erufung des [X.] - unter Zurückweisung der [X.]erufung im Übrigen - eine Vergütungspflicht des beklagten [X.] für das Umkleiden und Rüsten mit der [X.] im Umfang von insgesamt zehn Minuten sowie für das Entnehmen, Laden und Anlegen der Dienstwaffe im Umfang von insgesamt vier Minuten, jeweils im betrieblichen [X.]ereich, seit dem 1. April 2017 für die Tage, an denen er tatsächlich gearbeitet hat, festgestellt und das beklagte Land verurteilt, 7,07 Stunden dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto für den 2. April 2018 gutzuschreiben. Das beklagte Land begehrt mit seiner Revision die Abweisung der Klage auch in [X.]ezug auf die Feststellung der [X.] und die Verurteilung zur [X.]gutschrift.

Entscheidungsgründe

Das Berufungsurteil ist von Amts wegen zu korrigieren, soweit eine Vergütungspflicht für das Rüsten mit der Dienstwaffe in der [X.] vom 1. April 2017 bis zum 30. September 2019 festgestellt wurde, denn das [X.] hat insoweit gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstoßen. Im Übrigen ist die Revision des beklagten [X.] unbegründet. Das [X.] hat zu Recht die Vergütungspflicht der Umkleide- und Rüstzeiten mit der [X.] und Dienstwaffe im betrieblichen Bereich festgestellt und das beklagte Land zur [X.]gutschrift verurteilt.

I. Das [X.] hat gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen, soweit es eine Vergütungspflicht der [X.] zum Entnehmen, Laden und Anlegen sowie zum Ablegen, Entladen und Wegschließen der Dienstwaffe, jeweils im betrieblichen Bereich, in der [X.] vom 1. April 2017 bis zum 30. September 2019 festgestellt hat. Das Berufungsurteil ist insoweit von Amts wegen zu korrigieren.

1. Eine Verletzung des Antragsgrundsatzes nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt ua. dann vor, wenn einer Partei etwas zugesprochen wird, ohne dies beantragt zu haben. Ein Verstoß der Vorinstanzen gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten ([X.] 25. März 2021 - 6 [X.] - Rn. 15; 18. September 2019 - 5 [X.] - Rn. 11 mwN, [X.]E 168, 25).

2. Danach hat das [X.] in Bezug auf den [X.]raum vom 1. April 2017 bis zum 30. September 2019 gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz zuletzt ua. beantragt, eine Vergütungspflicht für die im betrieblichen Bereich seit dem 1. Oktober 2019 zusätzlich erbrachte Arbeitszeit durch Auf- und Abrüsten mit der Dienstwaffe festzustellen. Das [X.] hat der Klage gleichwohl - teilweise im Umfang beschränkt - bereits seit dem 1. April 2017 stattgegeben. Damit hat das [X.] über einen Streitgegenstand entschieden, der nicht Gegenstand des Antrags des [X.] gewesen ist. Das Urteil ist daher zu berichtigen. Die Entscheidung des [X.]s ist damit insoweit gegenstandslos, als der Feststellungsklage in Bezug auf das Rüsten mit der Dienstwaffe für die [X.] vom 1. April 2017 bis zum 30. September 2019 stattgegeben wurde (vgl. [X.] 25. März 2021 - 6 [X.] - Rn. 20 mwN).

II. Die Revision des beklagten [X.] ist nicht deshalb begründet, weil die Berufung des [X.] unzulässig gewesen wäre. Das [X.] ist zu Recht von der Zulässigkeit der Berufung des [X.] ausgegangen. Zwar ist die Berufungsschrift bereits vor Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils des Arbeitsgerichts eingelegt und begründet worden. Dennoch entspricht die Berufungsbegründung den gesetzlichen Anforderungen iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.

1. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach der Berufungseinlegung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Das gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat (st. Rspr., vgl. [X.] 20. März 2018 - 3 [X.] - Rn. 37 mwN).

2. Die Berufungsbegründung des [X.], die bereits vor Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils des Arbeitsgerichts eingereicht wurde, genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO (vgl. hierzu [X.] 20. März 2018 - 3 [X.] - Rn. 38). Ausreichend ist die vom Kläger erhobene Rüge der Verletzung der Fünfmonatsfrist, denn das mit Gründen versehene erstinstanzliche Urteil ist erst nach Ablauf von fünf Monaten vom Vorsitzenden der Kammer der Geschäftsstelle übergeben worden (vgl. [X.] 31. März 2021 - 5 [X.] - Rn. 16).

III. Die Revision des beklagten [X.] ist im Übrigen unbegründet. Das [X.] hat zu Recht eine Vergütungspflicht der Umkleide- und Rüstzeiten mit der [X.] seit dem 1. April 2017, der Rüstzeiten mit der Dienstwaffe seit dem 1. Oktober 2019, jeweils im betrieblichen Bereich, festgestellt und das beklagte Land zur [X.]gutschrift verurteilt.

1. Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der [X.] seit dem 1. April 2017, die der Kläger im betrieblichen Bereich am Einsatzort vornimmt, ist zulässig und begründet. Diese [X.]en sind entgegen der Auffassung des beklagten [X.] vergütungspflichtige Arbeitszeiten nach § 611a Abs. 2 BGB.

a) Der Antrag auf Feststellung einer Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der [X.] im betrieblichen Bereich ist in der zuletzt gestellten Fassung nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren entschieden, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird ([X.] 13. Oktober 2021 - 5 [X.] - Rn. 12, 17). Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit demjenigen des vorgenannten Verfahrens.

b) Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von Umkleide- und Rüstzeiten mit der [X.] seit dem 1. April 2017 ist begründet. Diese [X.]en sind als Arbeitszeit nach § 611a Abs. 2 BGB vergütungspflichtig (zu den Grundsätzen der Vergütungspflicht beim An- und Ablegen auffälliger Dienstkleidung im Betrieb vgl. [X.] 13. Oktober 2021 - 5 [X.] - Rn. 19). Der Kläger ist nach den Feststellungen des [X.]s zum Tragen der Uniform und der [X.] aufgrund Weisung des beklagten [X.] verpflichtet und kleidet sich am Einsatzort um (vgl. dazu [X.] 6. September 2017 - 5 [X.] - Rn. 13, [X.]E 160, 167).

c) Das [X.] hat den zeitlichen Umfang der vergütungspflichtigen Umkleide- und Rüstzeiten zutreffend unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO ermittelt. Die Angriffe der Revision des beklagten [X.] veranlassen keine andere Bewertung.

aa) Vergütungspflichtig ist die [X.], die für das Umkleiden und Rüsten erforderlich ist. Zur Ermittlung der [X.]spanne ist ein modifizierter subjektiver Maßstab anzulegen (hierzu im Einzelnen [X.] 13. Oktober 2021 - 5 [X.] - Rn. 22).

bb) Steht fest (§ 286 ZPO), dass Umkleide- und Rüstzeiten auf Veranlassung des Arbeitgebers entstanden sind, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, darf das Gericht die erforderlichen Umkleide- und Rüstzeiten nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO schätzen (dazu im Einzelnen [X.] 13. Oktober 2021 - 5 [X.] - Rn. 23 f.).

cc) Danach ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Schätzung der Umkleide- und Rüstzeiten auf jeweils fünf Minuten vor Dienstantritt und nach Dienstende ausgehend von den Uniform- und Ausrüstungsbestandteilen frei von [X.]. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren entschieden, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird ([X.] 13. Oktober 2021 - 5 [X.] - Rn. 25 ff.). Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit demjenigen des vorgenannten Verfahrens.

d) Der Kläger hat die Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 TV-L für die erhobenen Ansprüche auf Vergütung der Umkleide- und Rüstzeiten ab dem 1. April 2017 gewahrt.

aa) Die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TV-L ist aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis des [X.] anwendbar. Die Klausel ist wirksam einbezogen (vgl. [X.] 13. Oktober 2021 - 5 [X.] - Rn. 29).

bb) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Nach Satz 2 der Regelung reicht für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus. Der Anspruch auf weitere Vergütung ist ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis.

cc) Zutreffend hat das [X.] angenommen, dass nach dem 1. April 2017 entstandene Ansprüche des [X.] auf Vergütung der Umkleide- und Rüstzeiten nicht verfallen sind. Diese hat der Kläger mit der am 11. Dezember 2017 zugestellten Klageschrift geltend gemacht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidung des Senats in einem Parallelverfahren Bezug genommen ([X.] 13. Oktober 2021 - 5 [X.] - Rn. 33 ff.). Der vorliegende Sachverhalt entspricht insoweit im Grundsatz demjenigen des vorgenannten Verfahrens.

2. Die Revision ist auch unbegründet, soweit das [X.] eine Vergütungspflicht der [X.] zum Entnehmen, Laden und Anlegen sowie zum Ablegen, Entladen und Wegschließen der Dienstwaffe, jeweils im betrieblichen Bereich, in der [X.] seit dem 1. Oktober 2019 festgestellt hat. Diese [X.]en sind als Arbeitszeit nach § 611a Abs. 2 BGB vergütungspflichtig.

a) Der Feststellungsantrag ist in der zuletzt gestellten Fassung nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig (vgl. Rn. 20).

b) Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht von Rüstzeiten mit der Dienstwaffe ist begründet. Die dafür vom Kläger seit dem 1. Oktober 2019 im betrieblichen Bereich aufgewendeten [X.]en sind vergütungspflichtige Arbeitszeiten iSv. § 611a Abs. 2 BGB.

aa) Zur Arbeit eines Wachpolizisten gehört auch das An- und Ablegen sowie das Laden und Entladen der Dienstwaffe, wenn diese Handlungen auf der Weisung des Arbeitgebers beruhen, den Dienst mit [X.] Dienstwaffe anzutreten (vgl. [X.] 31. März 2021 - 5 [X.] - Rn. 45). Nutzt der Arbeitnehmer zur Aufbewahrung der Dienstwaffe die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Möglichkeit eines dienstlichen [X.]s, zählen zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit auch das innerbetriebliche An- und Ablegen der Dienstwaffe sowie weitere damit verbundene Tätigkeiten, die dadurch veranlasst sind, dass der Arbeitgeber das Aufnehmen bzw. Ablegen der Dienstwaffe zu Dienstbeginn und -ende nicht am Schutzobjekt ermöglicht, sondern dafür ein von diesem Arbeitsplatz getrenntes [X.] bereitstellt.

bb) Danach handelt es sich bei der vom Kläger aufgewandten [X.] zum Auf- und Abrüsten mit der Dienstwaffe im betrieblichen Bereich um vergütungspflichtige Arbeitszeit.

(1) [X.] hat den Kläger angewiesen, den Dienst am Schutzobjekt ua. mit angelegter Dienstwaffe im streifenfertigen Zustand anzutreten. Die damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten in den vom Kläger genutzten betrieblichen Räumen sind [X.]. Die [X.] entfällt nicht deshalb, weil das beklagte Land es dem Kläger freigestellt hat, ein dienstliches oder privates [X.] zu nutzen. Denn der Arbeitnehmer ist - vorbehaltlich einer gesonderten Vereinbarung - nicht verpflichtet, die ihm zugeteilte Dienstwaffe zu Hause zu verwahren. Nutzt der Arbeitnehmer die Option, die Waffe zu Hause anzulegen, nicht, bleibt das Auf- und Abrüsten mit der Dienstwaffe am dienstlichen [X.] eine allein [X.]e und damit zu vergütende Zusammenhangstätigkeit (vgl. [X.] 31. März 2021 - 5 [X.] - Rn. 27).

(2) Der Senat kann seiner Entscheidung zugrunde legen, dass der Kläger auch in der [X.] seit dem 1. Oktober 2019 nicht ausschließlich von der privaten Möglichkeit der Aufbewahrung der Dienstwaffe Gebrauch gemacht hat. Denn nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s bewahrt der Kläger die Waffe „in aller Regel“ zu Hause auf. Sein Antrag bezieht sich nur auf das Auf- und Abrüsten im betrieblichen Bereich. Er umfasst die Fälle der Nutzung des dienstlichen [X.]s an den Tagen seit dem 1. Oktober 2019, auch wenn dies nicht an jedem Arbeitstag der Fall gewesen ist.

c) Die vom [X.] vorgenommene Schätzung des zeitlichen Umfangs der vergütungspflichtigen [X.]en zum Auf- und Abrüsten mit der Dienstwaffe unter Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Prüfung noch stand.

aa) Bei der Schätzung der [X.]dauer für das Auf- und Abrüsten mit der Dienstwaffe berücksichtigt das [X.] zutreffend, dass diese aus dem [X.] zu entnehmen ist sowie geladen und angelegt werden muss. Dies entspricht den Vorgaben der Geschäftsanweisung des beklagten [X.], Waffe und Munition getrennt voneinander aufzubewahren und beim Laden und Entladen besondere Sicherheitsvorschriften zu beachten. [X.] rügt, der Kläger habe die Arbeitsschritte zum Laden und Entladen der Dienstwaffe nicht dargelegt, zeigt jedoch nicht auf, dass die der Schätzung des Tatsachengerichts zugrunde gelegten Anhaltspunkte unzutreffend sind, mithin die Schätzung willkürlich gegriffen wäre. Soweit das beklagte Land nunmehr im Rahmen seiner Revision eine deutlich kürzere [X.]dauer des Vorgangs als in der Tatsacheninstanz vorträgt - nur zwischen 20 und 40 Sekunden statt der zunächst behaupteten ein bis zwei Minuten -, handelt es sich um widersprüchlichen und überdies neuen Vortrag, der im Rahmen des Revisionsverfahrens nicht berücksichtigt werden kann, § 559 ZPO (vgl. [X.] 31. März 2021 - 5 [X.] - Rn. 50).

bb) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Schätzung zum Entnehmen und Wegschließen, An- und Ablegen sowie Laden und Entladen der Dienstwaffe von jeweils zwei Minuten vor Dienstantritt sowie nach Dienstende ist daher im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. hierzu bereits [X.] 31. März 2021 - 5 [X.] - Rn. 51).

d) Zutreffend hat das [X.] angenommen, dass die vom Kläger erhobenen Vergütungsansprüche für das Auf- und Abrüsten mit der Dienstwaffe für die [X.] ab dem 1. Oktober 2019 nicht nach § 37 Abs. 1 TV-L verfallen sind. Der Kläger hat diese mit einer am 4. Februar 2020 zugestellten [X.] geltend gemacht. Er hat den [X.]aufwand für das Entnehmen und Wegschließen, das An- und Ablegen sowie das Laden und Entladen der Dienstwaffe mit zehn Minuten angegeben. Einer weiteren Spezifikation bedurfte es für die Geltendmachung iSd. Ausschlussfrist nicht (vgl. [X.] 31. März 2021 - 5 [X.] - Rn. 52).

3. Die Revision des beklagten [X.] ist schließlich auch unbegründet, soweit das [X.] es verurteilt hat, dem für den Kläger geführten [X.] in der Spalte „[X.]konto“ 7,07 Stunden für den 2. April 2018 gutzuschreiben.

a) Der Antrag, auf dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto eine [X.]gutschrift vorzunehmen, ist in der zuletzt gestellten Fassung zulässig (näher [X.] 13. Oktober 2021 - 5 [X.] - Rn. 37).

b) Die Klage auf [X.]gutschrift im Umfang von 7,07 Stunden ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die Gutschrift nach § 6 Abs. 3 Satz 3 [X.] Das [X.] legt seiner Berechnung zutreffend zugrunde, dass für jeden dienstplanmäßig freien Arbeitstag 7,07 Stunden gutzuschreiben sind. Der 2. April 2018 ([X.]) war ein gesetzlicher Feiertag. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen hatte der Kläger an diesem Tag dienstplanmäßig frei (näher [X.] 13. Oktober 2021 - 5 [X.] - Rn. 40 ff.).

c) Der Kläger hat die Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 TV-L für den in der Revision noch streitigen Anspruch gewahrt. Diesen hat der Kläger mit einem dem beklagten Land am 25. September 2018 zugegangenen Schriftsatz geltend gemacht.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    Bubach    

        

    Volk    

        

        

        

    Jungbluth    

        

    Zorn    

                 

Meta

5 AZR 291/20

13.10.2021

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 27. März 2019, Az: 60 Ca 14876/17, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 611a Abs 2 BGB, § 287 Abs 2 ZPO, § 286 ZPO, § 37 Abs 1 TV-L, § 6 Abs 3 S 3 TV-L

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.10.2021, Az. 5 AZR 291/20 (REWIS RS 2021, 1916)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1916

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