Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.07.2017, Az. VIII ZR 127/17

8. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 8633

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Gegenstand

Wohnraummiete: Erfüllungswirkung der Hinterlegung der Miete wegen angeblicher Unsicherheit über die Person des Vermieters


Tenor

Die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des [X.] vom 14. Dezember 2016 - 452 C 23314/15 - und aus dem Beschluss des [X.] vom 4. Mai 2017 - 14 S 22108/16 - über den 4. Juli 2017 hinaus wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

1. Der Kläger hat von der [X.] zu 1 laut Mietvertrag vom 24. Dezember 2005 unter Vereinbarung einer monatlichen Miete in Höhe von 2.500 € eine Doppelhaushälfte in U.       gemietet, die er mit seiner Ehefrau bewohnt. Diese (Hausnummer 5) und die zweite Doppelhaushälfte (Hausnummer 7) gehörten damals einer ungeteilten [X.], die aus der [X.] zu 1 sowie den [X.] zu 4 und 5 bestand. Während des laufenden Mietverhältnisses veräußerte die [X.] die Doppelhaushälfte [X.] an die [X.] zu 3 und 4. Der Kläger vertrat in der Folgezeit die Auffassung, Vermieter seien neben der [X.] zu 1 auch die [X.] zu 4 und 5 als Mitglieder der [X.]. Außerdem seien durch die Veräußerung der Doppelhaushälfte [X.] an die [X.] zu 2 und 3 auch diese in analoger Anwendung des § 566 BGB in das Mietverhältnis eingetreten, denn ein mitvermietetes Nebengebäude und die Zuwegung befänden sich auf dem an die [X.] zu 2 und 3 veräußerten Grundstücksteil.

2

In einem der zwischen den Parteien geführten [X.] nahm der Kläger die Beklagte zu 1 sowie die [X.] zu 2 und 3 (unter anderem) auf Beseitigung behaupteter Mängel des Mietobjekts in Anspruch. Die Beklagte zu 1 wurde in jenem Prozess als Vermieterin zur Beseitigung bestimmter Mängel verurteilt. Die gegen die [X.] zu 2 und 3 (Erwerber der Doppelhaushälfte [X.]) gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das insoweit befasste Amtsgericht wie auch das [X.] als Berufungsinstanz teilten die Auffassung des [X.] nicht, dass die [X.] zu 2 und 3 in analoger Anwendung des § 566 BGB in den Mietvertrag eingetreten seien. Die gegen das damalige Berufungsurteil gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 17. November 2015 ([X.]) zurückgewiesen.

3

Seit Oktober 2013 zahlte der Kläger keine Miete mehr an die Beklagte zu 1, sondern hinterlegte mit Rücksicht auf die von ihm geltend gemachte Unsicherheit über die Person des Gläubigers lediglich bestimmte Beträge beim Amtsgericht. Die Beklagte zu 1 ist der Auffassung, dass sie alleinige Vermieterin sei und der Kläger auch nicht zur Hinterlegung berechtigt gewesen sei, so dass diese auch nicht zur Erfüllung ihrer Mietforderungen geführt habe. Wegen der hierdurch aufgelaufenen Rückstände erklärte die Beklagte zu 1 mit Anwaltsschreiben vom 31. August 2015 die fristlose Kündigung des [X.].

4

Gegen die Ehefrau des [X.] erhoben die hiesigen [X.] zu 1, 4 und 5 - parallel zum vorliegenden Rechtsstreit - beim [X.] München eine auf § 985 BGB gestützte Klage auf Herausgabe der streitigen Doppelhaushälfte und machten geltend, ein vom Kläger als Mieter abgeleitetes Besitzrecht sei wegen der Beendigung des Mietverhältnisses durch wirksame fristlose Kündigung (u.a. vom 31. August 2015) entfallen. In jenem Prozess wandte die beklagte Ehefrau unter anderem ein, die Kündigung sei unwirksam, weil sie nicht gleichzeitig von den Erwerbern der Doppelhaushälfte [X.] und somit nicht von allen Vermietern ausgesprochen worden sei. Das [X.] hat der Klage stattgegeben, das [X.] hat die Berufung der Ehefrau des hiesigen [X.] zurückgewiesen. Ihre hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage zurückgewiesen ([X.]/16).

5

Im vorliegenden Rechtsstreit hat zunächst der Kläger gegen die Beklagte zu 1 Feststellungsklage dahin erhoben, dass das Mietverhältnis nicht durch die Kündigung vom 31. August 2015 beendet worden sei. Später hat er die Klage auf die [X.] zu 2 bis 5 erweitert und außerdem die Verurteilung sämtlicher [X.] zur Beseitigung bestimmter Mängel sowie die Feststellung der Berechtigung einer Minderung in Höhe von 20 % und eine Verurteilung der [X.] zur Zahlung weiterer Beträge begehrt. Bei Zahlungsforderungen handelt es sich im Wesentlichen um vom Kläger errechnete "Mietminderungen", die sich nach seiner Auffassung daraus ergeben, dass er ungeminderte Mieten mit Erfüllungswirkung hinterlegt habe und dadurch eine Bereicherung auf Vermieterseite in Höhe der jeweiligen [X.] eingetreten sei.

6

Die Beklagte zu 1 hat Widerklage auf Räumung und Herausgabe der vom Kläger gemieteten Doppelhaushälfte erhoben.

7

Das Amtsgericht hat dem [X.] der [X.] zu 1 durch Teilurteil entsprochen. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Berufung des [X.] mit Beschluss vom 4. Mai 2017 zurückgewiesen. Mit der hiergegen am 8. Juni 2017 eingelegten, noch nicht begründeten Nichtzulassungsbeschwerde erstrebt der Kläger die Zulassung der Revision.

II.

8

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

9

Die Berufung des [X.] sei unbegründet. Das Teilurteil des Amtsgerichts sei zulässig gewesen, weil eine Gefahr widersprechender Entscheidungen nicht bestanden habe. Denn bei [X.] aller vorgetragenen Mängel könne das Gericht sowohl die Minderungsquote als auch ein Zurückbehaltungsrecht berücksichtigen; wenn auf diese Weise ein Fehlbetrag verbleibe, der die fristlose Kündigung auf jeden Fall rechtfertige, könne durch Teilurteil entschieden werden.

Einen solchen Mietrückstand habe der Kläger hier auflaufen lassen, indem er - seit Oktober 2013 - 23 Monatsmieten nicht gezahlt habe. Die Hinterlegung habe keine schuldbefreiende Wirkung gehabt, weil der Kläger nicht zur Hinterlegung berechtigt gewesen sei; er habe bereits durch das Urteil des Amtsgerichts vom 14. November 2013 im Vorprozess erfahren, dass die [X.] zu 2 und 3 nicht gemäß § 566 BGB in das Mietverhältnis eingetreten seien. Auch sei ausweislich des [X.] nur die Beklagte zu 1 und nicht die [X.] Vermieter geworden. Unter Berücksichtigung der vereinbarten Miete und einer im ersten Prozess ausgeurteilten Minderung von 9 % sei in der [X.] von Oktober 2013 bis August 2015 ein Rückstand von 52.325 € entstanden. Selbst wenn zugunsten des Kläger die jetzt geltend gemachten Mängel als wahr unterstellt und die von ihm selbst angegebene Minderungsquote von 20 % zugrunde gelegt würde, beliefe sich der Rückstand immer noch auf 40.825 €. Wenn dann noch zusätzlich zugunsten des [X.] mit Rücksicht auf die behaupteten Mängel ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 10.000 € sowie die erklärten Aufrechnungen berücksichtigt würden, verbliebe immer noch ein Rückstand von mehr als zwei Monatsmieten.

Die durch Rechtsanwalt v.  S.     erklärte Kündigung der [X.] zu 1 sei auch nicht deshalb gemäß § 174 BGB unwirksam, weil ihr eine Originalvollmacht nicht beigelegen habe und die Kündigung aus diesem Grund zurückgewiesen worden sei. Denn der Kläger sei auf andere Weise als durch die Vollmachtsurkunde von der Bevollmächtigung des Generalbevollmächtigten der in [X.] lebenden [X.] zu 1 in Kenntnis gesetzt worden (§ 174 Satz 2 BGB). Ausweislich des Auftretens des die Kündigung aussprechenden Rechtsanwaltes im vorangegangenen Verfahren habe an dessen Bevollmächtigung kein Zweifel bestanden.

III.

Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2016 hat der Kläger - im Hinblick auf den für den 21. Juni 2016 angekündigten Termin für die Zwangsräumung - die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem amtsgerichtlichen Urteil in Verbindung mit dem Zurückweisungsbeschluss des [X.]s begehrt.

Mit Beschluss vom 14. Juni 2017 hat der Senat die Zwangsvollstreckung aus den vorgenannten Titeln vorläufig bis zum Ablauf des heutigen Tages eingestellt, um nach Beiziehung der [X.] die Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde zu prüfen. Nach Beratung auf dieser Grundlage und des Vorbringens des [X.] im [X.] verneint der Senat die für eine Einstellung nach § 719 Abs. 2 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht und lehnt deshalb eine Verlängerung der zunächst verfügten einstweiligen Einstellung über den heutigen Tag hinaus ab.

1. Nach § 719 Abs. 2 ZPO, der gemäß § 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO in dem hier gegebenen Fall der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechende Anwendung findet, kann das Revisionsgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärtem Urteil anordnen, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat (st. Rspr.; zuletzt Senatsbeschluss vom 7. März 2017 - [X.], [X.], 293 Rn. 2 mwN).

2. So verhält es sich hier. Der Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] fehlt es an der für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung erforderlichen Erfolgsaussicht. Denn der vorliegenden, durch besondere Umstände des Einzelfalls geprägten Sache kommt weder eine grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine Zulassung der Revision. Schließlich ist dem Berufungsgericht bei seiner Entscheidung, dass der [X.] zu 1 der geltend gemachte [X.] und Herausgabeanspruch (§ 546 BGB) gegen den Kläger zusteht, weil das Mietverhältnis durch die wirksame Kündigung vom 31. August 2015 beendet worden ist, auch kein Rechtsfehler unterlaufen, der eine Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gebieten würde.

a) Es bedarf keiner Entscheidung, ob § 301 ZPO in der vorliegenden Prozesssituation einer Entscheidung des Amtsgerichts durch Teilurteil entgegenstand; jedenfalls wäre ein dem Berufungsgericht insoweit etwa unterlaufener Verfahrensfehler kein Revisionszulassungsgrund (vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. März 2006 - [X.], juris Rn. 2; vom 28. Juni 2007 - [X.], juris), insbesondere kommt insoweit - entgegen der Auffassung des [X.] - eine Gehörsverletzung oder ein Verstoß gegen das Willkürverbot oder den Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz nicht in Betracht.

b) Soweit das Berufungsgericht entschieden hat, dass nur die Beklagte zu 1 Vermieterin des [X.] war und diese daher das Mietverhältnis allein kündigen konnte, ist diese Beurteilung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass der Kläger über die Bevollmächtigung des für die Beklagte zu 1 aufgetretenen Rechtsanwalts (Generalbevollmächtigten) aufgrund der vorangegangenen Streitigkeiten beziehungsweise [X.] informiert war und deshalb die von diesem erklärte Kündigung nicht mangels Beifügung einer Originalvollmacht nach § 174 BGB wirksam zurückweisen konnte, lässt keinen Rechtsfehler erkennen, dem Bedeutung für eine Zulassung der Revision zukommen könnte.

c) Das Berufungsgericht hat ferner rechtsfehlerfrei einen kündigungsrelevanten Rückstand von mindestens zwei Monatsmieten bejaht. In der Berufungsbegründung hatte der Kläger zwar einen Rückstand in dieser Höhe unter Hinweis auf erfolgte Hinterlegungen der Mieten für die [X.] von Oktober 2013 bis August 2015 bestritten sowie sich auf eine mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2015 erklärte [X.] mit behaupteten Gegenforderungen in Höhe eines Gesamtbetrages von 19.234,58 € berufen.

Den Hinterlegungen des [X.] hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei eine Erfüllungswirkung bezüglich der geschuldeten Mieten abgesprochen. Nach Berücksichtigung eines zugunsten des [X.] unterstellten Zurückbehaltungsrechtes von 10.000 € sowie der behaupteten Mietminderungen ist das Berufungsgericht von einem im [X.]punkt der Kündigung jedenfalls bestehenden Mietrückstand von 30.825 € ausgegangen, der die fristlose Kündigung der [X.] zu 1 rechtfertigte (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. [X.]). Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung der [X.] zu 1 vom 31. August 2015 nicht durch die vom Kläger erklärten (Hilfs-)Aufrechnungen berührt wurde. Denn damit konnten nicht die gesamten zum Gegenstand der fristlosen Kündigung gemachten Rückstände beglichen werden; zudem dürfte es auch an einer unverzüglichen Aufrechnungserklärung gefehlt haben (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB). Davon abgesehen dürfte in die Berechnung der angeblichen Gegenforderung auch ein hinterlegter Betrag von 9.600 € eingeflossen sein, dem keine Erfüllungswirkung zukam.

Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab.

Dr. Milger   

        

Dr. [X.]   

        

Ri[X.] Dr. Schneider ist
wegen Urlaubs an der
Unterschrift verhindert.
[X.], 11.07.2017

                                   

Dr. Milger

        

Dr. Fetzer   

        

Dr. Bünger   

        

Meta

VIII ZR 127/17

04.07.2017

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG München I, 4. Mai 2017, Az: 14 S 22108/16

§ 372 S 2 BGB, § 535 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.07.2017, Az. VIII ZR 127/17 (REWIS RS 2017, 8633)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8633


Verfahrensgang

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Az. VIII ZR 127/17

Bundesgerichtshof, VIII ZR 127/17, 13.06.2023.

Bundesgerichtshof, VIII ZR 127/17, 25.04.2023.

Bundesgerichtshof, VIII ZR 127/17, 10.04.2018.

Bundesgerichtshof, VIII ZR 127/17, 04.07.2017.


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