WAHLEN EUROPA- UND VÖLKERRECHT GERICHTE VERFAHRENSGRUNDSÄTZE Hinzufügen
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Beibehaltung der 5 v.H.-Sperrklausel im Kommunalwahlrecht von Schleswig-Holstein; hier: Frist für die Erhebung einer Organklage innerhalb eines Landes bei Untätigkeit des Gesetzgebers
[X.]
- 2 BvK 1/02 -
dass der Antragsgegner die Rechte der Antragstellerin auf Gleichheit der Wahl aus Artikel 38 Absatz 1, Artikel 28 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes, Artikel 3 Absatz 1 Verfassung des [X.] und auf Chancengleichheit als politische Partei aus Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes verletzt hat, indem er am 28. Septem[X.] 2001 mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung des Gemeinde- und [X.] beschlossen hat, die 5 vom [X.] in § 10 Absatz 1 des Gemeinde- und [X.] beizubehalten,
hilfsweise, dass der Antragsgegner die Rechte der Antragstellerin auf Gleichheit der Wahl aus Artikel 38 Absatz 1, Artikel 28 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes, Artikel 3 Absatz 1 Verfassung des [X.] und auf Chancengleichheit als politische Partei aus Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes verletzt hat, indem er es unterlassen hat, bei der Änderung des Gemeinde- und [X.] durch das Gesetz vom 10. Okto[X.] 2001 (GVOBl [X.]) die 5 vom [X.] in § 10 Absatz 1 des Gemeinde- und [X.] aufzuheben,
hilfsweise, dass der Antragsgegner die Rechte der Antragstellerin auf Gleichheit der Wahl aus Artikel 38 Absatz 1, Artikel 28 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes, Artikel 3 Absatz 1 Verfassung des [X.] und auf Chancengleichheit als politische Partei aus Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes verletzt hat, indem er es unterlassen hat, bei der Änderung des Gemeinde- und [X.] durch Gesetz vom 10. Okto[X.] 2001 (GVOBl [X.]) die 5 vom [X.] in § 10 Absatz 1 des Gemeinde- und [X.] abzumildern,
hilfsweise, dass der Antragsgegner die Rechte der Antragstellerin auf Gleichheit der Wahl aus Artikel 38 Absatz 1, Artikel 28 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes, Artikel 3 Absatz 1 Verfassung des [X.] und auf Chancengleichheit als politische Partei aus Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes verletzt hat, indem er es unterlassen hat, bei der Änderung des Gemeinde- und [X.] durch Gesetz vom 10. Okto[X.] 2001 die 5 vom [X.] in § 10 Absatz 1 des Gemeinde- und [X.] zu ü[X.]prüfen,
Antragstellerin: | Partei des Demokratischen Sozialismus
([X.]), Landesverband [X.], vertreten durch den Landesvorstand, Kirchweg 53, 24143 [X.] |
Antragsgegner: | [X.] von [X.], vertreten
durch den Präsidenten, Landeshaus, Düsternbrooker Weg 70, 24105 [X.] |
beigetreten auf Seiten des Antragsgegners: | Landesregierung von [X.],
vertreten durch die Ministerpräsidentin, Staatskanzlei, Düsternbrooker Weg 70, 24105 [X.] |
hat das [X.] - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der [X.]innen und [X.]
Vizepräsident [X.],
[X.],
Jentsch,
Broß,
Osterloh,
[X.],
Mellinghoff,
Lübbe-Wolff
am 11. März 2003 gemäß § 24 [X.] einstimmig beschlossen:
Die Anträge werden verworfen.
Das Landesorganstreitverfahren (Art. 99 GG, § 13 Nr. 10 [X.]) betrifft die Frage, ob der Antragsgegner dadurch die Rechte der Antragstellerin verletzt hat, dass er anlässlich der Änderung des Gesetzes ü[X.] die Wahlen in den Gemeinden und Kreisen in [X.] (Gemeinde- und Kreiswahlgesetz in der Fassung vom 19. März 1997, GVOBl S. 152 - [X.] -) durch Gesetz vom 10. Okto[X.] 2001 (GVOBl [X.]) die 5 v.H.-Sperrklausel bei Kommunalwahlen beibehalten hat.
1. Das Gemeinde- und Kreiswahlgesetz sah [X.]eits in der ursprünglichen Fassung vom 25. März 1959 (GVOBl S. 13) in § 11 Abs. 1 die 5 v.H.-Sperrklausel vor. In seiner nunmehr geltenden Fassung vom 19. März 1997 (GVOBl S. 152) ist sie in § 10 Abs. 1 Satz 1 enthalten; es heißt dort:
An dem Verhältnisausgleich nimmt jede politische Partei oder Wählergruppe teil, für die ein Listenwahlvorschlag aufgestellt und zugelassen worden ist, sofern für sie mindestens eine unmittelbare Vertreterin oder ein unmittelbarer Vertreter gewählt worden ist oder sofern sie insgesamt mindestens 5 v.H. der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen erzielt hat.
2. Die 5 v.H.-Sperrklausel war Gegenstand der Beratungen der vom [X.] in der 13. Legislaturperiode eingesetzten "Enquetekommission Kommunalverfassungsreform". Diese empfahl in ihrem Schluss[X.]icht vom 9. Juni 1993, die Sperrklausel aufrechtzuerhalten ([X.] 13/1111, [X.]). Sämtliche im [X.] daran in der 13. und 14. Legislaturperiode (1992-2000) verabschiedeten Änderungen der Kommunalverfassung und des [X.] ließen die 5 v.H.-Sperrklausel un[X.]ührt; es sind dies:
das Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung vom 21. Juni 1994 (GVOBl S. 304); es änderte die Bestimmungen ü[X.] das Verfahren zur Prüfung des [X.];
das Gesetz zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften vom 8. Dezem[X.] 1995 (GVOBl S. 480); es führte unter anderem das Kommunalwahlrecht für Unionsbürger ein;
das Gesetz zur Änderung des kommunalen Verfassungsrechts 1995 vom 22. Dezem[X.] 1995 (GVOBl 1996, [X.]); es führte neben anderem die Direktwahl der hauptamtlichen Bürgermeister und der Landräte ein;
das Gesetz zur Änderung des Gemeinde- und [X.] vom 27. Februar 1997 (GVOBl [X.]. [X.]); es setzte das Wahlalter von 18 auf 16 Jahre herab;
das Gesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 18. März 1997 (GVOBl S. 147); es verlängerte unter anderem die Frist für die Stichwahl der hauptamtlichen Bürgermeister;
das Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung vom 16. Dezem[X.] 1997 (GVOBl S. 474); es änderte die Bestimmung ü[X.] die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat.
3. Am 17. Mai 2001 beantragte die [X.], der [X.] möge die Landesregierung auffordern, den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gemeinde- und [X.] vorzulegen, das die Verhältniswahl mit freier Liste einführt, das Kumulieren und Panaschieren ermöglicht, die Sitze nach dem System Hare-Niemeyer verteilt und die 5 v.H.-Sperrklausel abschafft (Drucks 15/966). Der [X.] ü[X.]wies diesen Antrag in der 34. Sitzung am 1. Juni 2001 zur weiteren Beratung in seinen Sonderausschuss "Fortschreibung des kommunalen Verfassungsrechts" ([X.]). Dieser empfahl dem [X.] am 3. Juni 2002 (Drucks 15/1909), den Antrag abzulehnen. In seiner 63. Sitzung am 19. Juni 2002 folgte der [X.] dieser Empfehlung ([X.]).
4. Zuvor hatten am 28. Juni 2001 die Fraktionen der [X.] ([X.]) und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gemeinde- und [X.] eingebracht (Drucks 15/1070). Er sah vor, die am 1. April 2003 beginnende Wahlzeit der Gemeinde- und [X.] einmalig um zwei Monate bis zum 31. Mai 2008 zu verlängern, künftig die Gemeinde- und Kreiswahlen am Ende der Wahlperiode jeweils im Mai abzuhalten und die Wahlzeit jeweils am 1. Juni beginnen zu lassen. Dieser Gesetzentwurf wurde in der 40. Sitzung des [X.]s am 28. Septem[X.] 2001 verabschiedet ([X.]), das Änderungsgesetz wurde am 10. Okto[X.] 2001 ausgefertigt und am 29. Novem[X.] 2001 im Gesetz- und Verordnungsblatt für [X.] (GVOBl [X.]) verkündet. Die 5 v.H.-Sperrklausel blieb un[X.]ührt.
Die Antragstellerin hat am 25. März 2002 Organklage erhoben. Sie macht geltend, der Antragsgegner habe ihr Recht auf Wahlgleichheit und auf [X.]verletzt, indem er die 5 v.H.-Sperrklausel bei der Änderung des Gemeinde- und [X.] durch das Gesetz vom 10. Okto[X.] 2001 nicht aufgehoben, abgemildert oder ü[X.]prüft, sondern ohne hinreichende Begründung beibehalten habe.
1. Die Antragstellerin ist der Auffassung, der Beschluss des Antragsgegners vom 28. Septem[X.] 2001 ([X.]) ü[X.] den Gesetzentwurf der Fraktionen von [X.] und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Verlängerung der kommenden Wahlperiode und zur Verschiebung des [X.] in den Mai (Drucks 15/1070) sei ein zulässiger [X.], weil er eine rechtserhebliche Maßnahme im Sinne von § 64 Abs. 1 [X.] darstelle.
Er beschäftige sich zwar - wie auch das [X.]vom 10. Okto[X.] 2001 - nicht mit der Sperrklausel des § 10 Abs. 1 [X.]. Der Beschluss dürfe jedoch nicht für sich allein gewürdigt werden. Vielmehr seien der Entschließungsantrag der [X.] zur Abschaffung der 5 v.H.-Sperrklausel vom 17. Mai 2001 und die am 1. Juni 2001 hierü[X.] geführte Plenardebatte ([X.]) in die Betrachtung einzubeziehen. Ergebnis dieser Aussprache sei gewesen, dass ein Festhalten an der Fünf-Prozent-Hürde nicht zwingend erforderlich sei. Weil a[X.] zum damaligen [X.]punkt noch ein gegen die 5 v.H.-Sperrklausel gerichtetes Organstreitverfahren der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) - 2 BvK 1/97 - beim [X.] anhängig gewesen sei, sei das Plenum ü[X.]eingekommen, die Beratung ü[X.] die Sperrklausel nach der Entscheidung des [X.]s fortzusetzen. Die Entscheidung des [X.]s vom 8. März 2001 ([X.] 103, 164) sei dem Antragsgegner am 21. Juni 2001 bekannt gegeben worden. Gleichwohl habe weder der Gesetzentwurf vom 28. Juni 2001 noch der Gesetzesbeschluss vom 28. Septem[X.] 2001 ([X.]) irgendeine Stellungnahme zur Sperrklausel enthalten. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Gesetzesbeschluss den parlamentarischen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bilde, habe der Antragsgegner mit der Beschlussfassung vom 28. Septem[X.] 2001 zum Ausdruck gebracht, dass die Sperrklausel beibehalten werde.
Sollte der Schwerpunkt des angegriffenen Verhaltens ein Unterlassen darstellen, läge ebenfalls ein zulässiger [X.] vor. Ein gesetzge[X.]isches Unterlassen sei - wie in der Rechtsprechung einiger Landesverfassungsgerichte [X.]eits anerkannt - im Wege des [X.] angreifbar.
2. Die Anträge seien auch begründet. Die Frage, ob eine Sperrklausel erforderlich sei, um die Funktionsfähigkeit der Volksvertretungen zu wahren, könne nicht ein für [X.] abstrakt beurteilt werden. Der Gesetzge[X.] müsse die Sperrklausel vielmehr ständig kontrollieren, weil sich die Umstände, die ihr zu Grunde lägen, ändern könnten. Er müsse die jeweiligen Rahmenbedingungen ü[X.]wachen und eine Prognoseentscheidung darü[X.] treffen, ob es hinreichend wahrscheinlich sei, dass den [X.]en tatsächlich eine Funktionsstörung oder gar eine Funktionsunfähigkeit drohe.
Diesen Anforderungen sei der Antragsgegner nicht gerecht geworden. Weder in dem Gesetzentwurf vom 28. Juni 2001 noch im nachfolgenden Gesetzgebungsverfahren habe er sich mit der Zulässigkeit der Sperrklausel auseinander gesetzt, obwohl dies auf Grund der Plenardebatte ü[X.] den Entschließungsantrag der [X.] am 1. Juni 2001 geboten gewesen wäre. Hätte er seiner Prüfungspflicht genügt, wäre er möglicherweise zu dem Ergebnis gekommen, dass die Sperrklausel aufzuheben sei, zumal in der Debatte ü[X.] den Entschließungsantrag der [X.] von verschiedenen Parteien geäußert worden sei, sie hielten die Sperrklausel für verfassungswidrig.
[X.] und die ihm beigetretene [X.]ische Landesregierung halten die Anträge für unzulässig.
Der Antragstellerin gehe es allein um die Feststellung, dass sie in ihrem Recht auf [X.]verletzt worden sei, indem die Sperrklausel bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung des Gemeinde- und [X.] am 28. Septem[X.] 2001 oder bei seiner Ausfertigung am 10. Okto[X.] 2001 ungeprüft und pflichtwidrig aufrechterhalten worden sei. Sie rüge somit nicht ein Unterlassen, sondern ein Handeln des Gesetzge[X.]s. So verstanden seien die Anträge offenkundig unzulässig. Es fehle [X.]eits an einem zulässigen Streitgegenstand, weil die Antragstellerin durch die angegriffene Maßnahme nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt sein könne und daher kein beide Parteien umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis bestehe. Das Änderungsgesetz vom 10. Okto[X.] 2001 und der ihm zu Grunde liegende Gesetzesbeschluss vom 28. Septem[X.] 2001 stünden in keinem Zusammenhang mit der 5 v.H.-Sperrklausel des § 10 Abs. 1 [X.]. Fehle es a[X.] an einem Sachzusammenhang zwischen der in einem Gesetzgebungsverfahren geregelten Materie und der Sperrklausel, so sei der Gesetzge[X.] verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, in diesem Verfahren die Sperrklausel zu ü[X.]prüfen. Ein Sachzusammenhang bestehe auch nicht, wenn der Entschließungsantrag der [X.] und die hierü[X.] in der 34. Sitzung des [X.]ischen [X.]es am 1. Juni 2001 geführte Debatte [X.]ücksichtigt würden.
Die Anträge seien selbst dann unzulässig, wenn sie dahin auszulegen wären, dass ein gesetzge[X.]isches Unterlassen gerügt werde. Ihre Zulässigkeit scheitere in diesem Fall schon daran, dass ein Unterlassen des Gesetzge[X.]s nur Gegenstand eines Organstreits sein könne, wenn gegen gesetzge[X.]ische [X.] verstoßen worden sei, die in der Verfassung ausdrücklich normiert seien. Die Verletzung von ungeschriebenen, sich aus der Verfassung indirekt ergebenden Beobachtungs-, Prüfungs-, Nachbesserungs-, Korrektur- oder sonstigen [X.] des Gesetzge[X.]s sei kein zulässiger [X.] einer Organklage; andernfalls wäre eine uferlose, von den zuständigen gesetzgebenden Körperschaften nicht mehr vorhersehbare und beherrschbare Ausdehnung der Prüfungsgegenstände im Organstreit zu befürchten.
[X.] ist jedenfalls wegen Fristversäumung unzulässig (§ 73 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 64 Abs. 3 [X.]).
1. Die Antragstellerin wendet sich nach dem Wortlaut ihres [X.] dagegen, dass der Antragsgegner bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung des Gemeinde- und [X.] vom 10. Okto[X.] 2001 beschlossen habe, die 5 v.H.-Sperrklausel in § 10 Abs. 1 [X.] beizubehalten. Ihre Hilfsanträge richten sich dagegen, dass der Antragsgegner es unterlassen habe, bei der Änderung des Gemeinde- und [X.] durch das Gesetz vom 10. Okto[X.] 2001 die 5 v.H.-Sperrklausel des § 10 Abs. 1 [X.] aufzuheben, abzumildern oder zu ü[X.]prüfen.
Aus dem Sinn des prozessualen Begehrens und der Begründung der Anträge (vgl. [X.] 1, 14 <39>; 68, 1 <68>) ergibt sich, dass die Antragstellerin auch mit dem Hauptantrag ein gesetzge[X.]isches Unterlassen, nicht a[X.] eine Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.] 4, 144 <147 f.>; 60, 53 <63>) angreift. Damit wird der Verfahrensgegenstand nicht ausgetauscht, sondern der Sinn des Begehrens der Antragstellerin klargestellt (vgl. [X.] 68, 1 <69>).
a) Der Erlass des Änderungsgesetzes vom 10. Okto[X.] 2001 kommt als Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 [X.] nicht in Betracht. In dem Erlass des Gesetzes unter Beibehaltung der Sperrklausel liegt kein unvollständiges Handeln des Gesetzge[X.]s (vgl. [X.] 92, 80 <87>; 103, 164 <169>), denn es fehlt an einem sachlichen Zusammenhang zwischen dem Änderungsgesetz vom 10. Okto[X.] 2001 und der Sperrklausel, auf Grund dessen der Gesetzge[X.] verpflichtet gewesen sein könnte, bei der Änderung des Gemeinde- und [X.] zugleich auch die Regelung ü[X.] die Sperrklausel zu novellieren. Mit der Gesetzesänderung ist keine Veränderung der normativen Grundlagen der Sperrklausel, die der Begründung ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit dienten, einhergegangen.
Das Änderungsgesetz vom 10. Okto[X.] 2001 regelt ausschließlich die einmalige Verlängerung der Wahlperiode und die Verschiebung des [X.] auf den Monat Mai. Die Sperrklausel wird von diesen Änderungen nicht [X.]ührt. Dementsprechend wurde auch weder im Gesetzentwurf vom 28. Juni 2001 noch im anschließenden Gesetzgebungsverfahren die Ü[X.]prüfung oder Änderung der Sperrklausel erwogen. Die Sperrklausel war allein Gegenstand des mit diesem Gesetzgebungsvorhaben in keinem Zusammenhang stehenden Entschließungsantrags der [X.], der sich während der Dauer des Gesetzgebungsverfahrens im Sonderausschuss "Fortschreibung des kommunalen Verfassungsrechts" zur weiteren Beratung befand. Es kann deshalb auch nicht angenommen werden, der Antragsgegner habe mit der Beschlussfassung am 28. Septem[X.] 2001 konkludent zum Ausdruck gebracht, die Sperrklausel aufrechterhalten zu wollen. Die Ablehnung des Antrags der [X.] durch Beschluss des [X.]s vom 19. Juni 2002 hat die Antragstellerin nicht mit der Organklage angegriffen.
b) [X.] des auf Nachbesserung und Ü[X.]prüfung gerichteten Klagebegehrens der Antragstellerin kann auch nicht die angeblich nachbesserungsbedürftige Norm (§ 10 Abs. 1 Satz 1 [X.]) selbst sein. Als Gegenstand eines [X.] kommt allenfalls der Erlass der Norm in Betracht (vgl. [X.] 2, 143 <177>; 20, 119 <129>; 20, 134 <141>; 99, 332 <337>). Der Erlass der Norm wird indes nicht angegriffen, wenn die Antragstellerin rügt, der Antragsgegner habe es versäumt, die Sperrklausel des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] den sich im [X.]e der [X.] gewandelten Umständen anzupassen oder sie zumindest zu ü[X.]prüfen. Damit macht sie vielmehr geltend, der Gesetzge[X.] habe eine Pflicht nicht befolgt, die nach Erlass der Norm neu entstanden sei. Sie rügt mithin ein erst nach Erlass der Norm zu Tage getretenes gesetzge[X.]isches Unterlassen.
2. Die damit aufgeworfene, bislang vom [X.] noch nicht entschiedene Frage, unter welchen Voraussetzungen eine bloße Untätigkeit des Gesetzge[X.]s im Wege des [X.] angreifbar ist (vgl. [X.] 92, 80 <87>; 103, 164 <168 f.>; zustimmend VerfGH [X.], DVBl 1972, S. 783 <784 f.>; VerfGH [X.], DVBl 1999, S. 1271; [X.], NordÖR 2001, S. 64 <65>), bedarf auch hier keiner abschließenden Antwort. [X.] bliebe in jedem Fall unzulässig, weil die Antragstellerin zwar antragsbefugt wäre (a), sie a[X.] jedenfalls die Frist des § 73 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 64 Abs. 3 [X.] nicht eingehalten hat (b).
a) Die Antragsbefugnis ist entsprechend § 64 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.] 27, 44 <51>; 60, 53 <63>) gegeben, wenn nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsgegner Rechte der Antragstellerin, die aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, durch das beanstandete gesetzge[X.]ische Unterlassen verletzt oder unmittelbar gefährdet hat (vgl. [X.] 94, 351 <362 f.>; 99, 19 <28>). Dies setzt voraus, dass sich die Antragstellerin auf eine Verfassungsnorm [X.]ufen kann, aus der sich eine Pflicht zum Tätigwerden des Gesetzge[X.]s und damit korrespondierend ein ihr zustehendes Recht ergeben kann.
aa) Aus dem in Art. 21 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und 2 der Verfassung des Landes [X.] gewährleisteten Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien kann sich eine Pflicht des Gesetzge[X.]s und ein entsprechender Anspruch der politischen Parteien ergeben, eine die Chancengleichheit [X.]ührende Norm des Wahlrechts zu ü[X.]prüfen und gegebenenfalls zu ändern, wenn die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Norm durch eine Entwicklung in Frage gestellt wird, die bei ihrem Erlass nicht abzusehen war. Es kann sich die vom Wahlgesetzge[X.] vorausgesetzte tatsächliche oder normative Grundlage geändert oder die bei Erlass der Bestimmung getroffene Prognose als irrig erwiesen haben (vgl. [X.] 73, 40 <94>; 82, 322 <338 f.>).
bb) Die Antragstellerin hat solche Umstände, die im [X.]punkt der Novellierung des Gemeinde- und [X.] durch das Gesetz vom 10. Okto[X.] 2001 eine Rechtspflicht des Antragsgegners zur Aufhebung, Änderung oder Ü[X.]prüfung der Sperrklauselregelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] hätten begründen können, nicht dargelegt (§§ 75, 23 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Ihrem Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, inwiefern sich die für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Sperrklausel maßgeblichen Grundlagen verändert haben sollen.
Die Antragstellerin trägt nur vor, der Antragsgegner sei auf Grund des Entschließungsantrags der [X.] und der hierü[X.] geführten Plenardebatte am [X.] verpflichtet gewesen, die Sperrklausel in § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] aufzuheben, abzumildern oder zumindest zu ü[X.]prüfen. Es sei Grundtenor der Debatte gewesen, an der Sperrklausel müsse nicht zwingend festgehalten werden; einige Fraktionen hätten sogar die Ansicht vertreten, die Sperrklausel sei verfassungswidrig. Damit [X.]uft sich die Antragstellerin lediglich auf allgemein-politische Anliegen einzelner Fraktionen, die eine möglicherweise aus veränderten tatsächlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen folgende Ü[X.]prüfungs- und Nachbesserungspflicht jedoch nicht zum Gegenstand hatten.
Soweit in der Plenardebatte pauschal darauf hingewiesen wurde, die Erfahrungen anderer Länder, z.B. Baden-Württem[X.]gs, machten deutlich, dass die für die Sperrklausel angeführte Begründung - Sicherung der Funktionsfähigkeit der [X.]en - nicht oder nicht mehr trage, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Allein damit wird ein für den Norm[X.]eich des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] bedeutsamer tatsächlicher Umstand, der zu einer neuen verfassungsrechtlichen Bewertung führen könnte, nicht aufgezeigt. Denn für die Einschätzung des Antragsgegners, ob die Sperrklausel aufrechtzuerhalten sei, ist grundsätzlich nicht von Bedeutung, wie andere Länder die Funktionsfähigkeit ihrer [X.]en beurteilen und welche rechtlichen Vorkehrungen sie diesbezüglich für erforderlich halten.
[X.] ist nicht schon deshalb verpflichtet, die Einführung einer Sperrklausel zu unterlassen oder diese aufzuheben, weil andere Länder ohne sie auskommen (vgl. [X.] 1, 208 <259>; 6, 104 <119 f.>; 12, 139 <143>; 82, 322 <338>); bei der Beurteilung der Sperrklausel sind die Verhältnisse im Lande [X.] maßgebend (vgl. [X.] 1, 208 <259>; 82, 322 <338>). Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn mit einem anderen Land, dessen Kommunalwahlrecht keine Sperrklausel kennt, wesentliche Ü[X.]einstimmungen in den Kommunalverfassungen (Aufgabenverteilung zwischen der [X.], dem Hauptverwaltungsbeamten und den Ausschüssen), in den Kommunalwahlgesetzen, in der Struktur der Kommunen, in der Parteienlandschaft und im bürgerschaftlichen Engagement in Wählergruppen oder als Einzelbewer[X.] bestünden. Derartige Umstände sind jedoch von der Antragstellerin weder dargelegt worden noch sind solche ersichtlich.
Gleichwohl ist die Antragstellerin antragsbefugt, weil sich der normative Rahmen der Sperrklausel offenkundig durch das Gesetz zur Änderung des kommunalen Verfassungsrechts 1995 vom 22. Dezem[X.] 1995 (GVOBl 1996, [X.]) verändert hat, mit dem die Direktwahl der hauptamtlichen Bürgermeister und der Landräte eingeführt wurde. Durch diese Veränderung könnte der Sperrklausel die verfassungsrechtliche Rechtfertigung entzogen und eine Ü[X.]prüfungs- und Nachbesserungspflicht des Antragsgegners begründet worden sein, die im [X.]punkt der Novellierung des Gemeinde- und [X.] durch das Gesetz vom 10. Okto[X.] 2001 fortbestand.
b) aa) Der Geltendmachung einer derartigen Rechtsverletzung im vorliegenden Organstreitverfahren steht jedoch der Fristablauf entgegen (§ 73 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 64 Abs. 3 [X.]). Die Ausschlussfrist des § 64 Abs. 3 [X.] gilt auch dann, wenn der Gesetzge[X.] die angeblich unerfüllte gesetzge[X.]ische Handlungspflicht nicht nur zu einem bestimmten [X.]punkt, sondern fortdauernd nicht befolgt hat (fortdauerndes Unterlassen, vgl. [X.] 92, 80 <89>; 103, 164 <170>). Sie bezweckt, im Organstreitverfahren angreifbare Rechtsverletzungen im Interesse der Rechtssicherheit nach einer bestimmten [X.]spanne außer Streit zu stellen (vgl. [X.] 80, 188 <210>). Dieses Interesse besteht auch bei fortdauerndem gesetzge[X.]ischen Unterlassen. Wann in einem solchen Fall die Antragsfrist zu laufen beginnt, lässt sich nicht generell und für alle Fallgestaltungen festlegen. Die Frist wird allerdings spätestens dadurch in [X.] gesetzt, dass sich der Gesetzge[X.] erkennbar und eindeutig weigert, in der Weise tätig zu werden, die der Antragsteller zur Wahrung der Rechte aus seinem verfassungsrechtlichen Status für erforderlich hält (vgl. [X.] 92, 80 <89> m.w.N.; 103, 164 <171>; stRspr).
bb) [X.] hat das Gesetz zur Änderung des kommunalen Verfassungsrechts 1995 vom 22. Dezem[X.] 1995 am 11. Januar 1996 verkündet. Dadurch hat er es für die Antragstellerin, die sich zu diesem [X.]punkt als politische Partei am Verfassungsleben in [X.] beteiligt hatte, erkennbar abgelehnt, die Regelung ü[X.] die 5 v.H.-Sperrklausel aufzuheben, abzumildern oder zu ü[X.]prüfen (vgl. [X.] 103, 164 <171>). Ändert der Gesetzge[X.] Vorschriften, die bisher zur Begründung der Sperrklausel dienten, so bringt er damit zum Ausdruck, dass er die Rechtslage, die er durch die Rechtsänderung herbeiführt, nicht für verfassungswidrig hält und sich zu weiteren Rechtsänderungen nicht veranlasst sieht. Dies macht er mit der Verkündung des Änderungsgesetzes deutlich (vgl. [X.] 103, 164 <171>); zu diesem [X.]punkt gilt das [X.]als allgemein bekannt geworden (vgl. [X.] 16, 6 <18 f.>; 24, 252 <258>; 103, 164 <171 f.>). Die demnach mit Verkündung des [X.]vom 22. Dezem[X.] 1995 in [X.] gesetzte Frist des § 64 Abs. 3 [X.] war bei Eingang des Antrags im vorliegenden Verfahren am 25. März 2002 verstrichen.
cc) Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus der Entscheidung des Senats vom 13. Juni 1989 ([X.] 80, 188 <210 ff.>). Danach ist eine Vorschrift der Geschäftsordnung des [X.] erst von dem [X.]punkt an als Maßnahme im Sinne von § 64 Abs. 3 [X.] zu beurteilen, zu dem sie beim Antragsteller eine aktuelle rechtliche Betroffenheit auslöst. Wahlgesetze und wahlrechtlich bedeutsame Maßnahmen oder Unterlassungen führen unmittelbar zur rechtlichen Betroffenheit einer politischen Partei, ohne Rücksicht auf ihren Willen zur Beteiligung an der nächsten Wahl (vgl. [X.] 92, 80 <91>; 103, 164 <170 ff.>). Zum Begriff der politischen Partei im Sinne des Art. 21 Abs. 1 GG gehört ihr grundsätzlicher Wille, an Wahlen im [X.] oder in den Ländern teilzunehmen (vgl. [X.] 6, 367 <372 f.>; 24, 260 <263 f.>; 79, 379 <384>; 92, 80 <88, 91>; 103, 164 <170>). Wahlgesetze und [X.]bedeutsame Maßnahmen oder Unterlassungen des Gesetzge[X.]s betreffen daher unmittelbar den verfassungsrechtlichen Status der Parteien (vgl. [X.] 92, 80 <88, 91>; 103, 164 <170>).
3. Sämtliche anderen zwischen dem Erlass des Gesetzes zur Änderung des kommunalen Verfassungsrechts 1995 vom 22. Dezem[X.] 1995 und dem Erlass des Gesetzes zur Änderung des Gemeinde- und [X.] vom 10. Okto[X.] 2001 verabschiedeten Änderungen des [X.] und der Kommunalverfassung hatten - wie das Gesetz zur Änderung des Gemeinde- und [X.] vom 10. Okto[X.] 2001 selbst - keine Auswirkungen auf die Sperrklauselregelung. Sowohl das Änderungsgesetz vom 27. Februar 1997 (Herabsetzung des aktiven Wahlalters) als auch das Änderungsgesetz vom 18. März 1997 (Verlängerung der Frist für die Stichwahl der hauptamtlichen Bürgermeister - vgl. [X.] 103, 164 <170>) sowie das Änderungsgesetz vom 16. Dezem[X.] 1997 (Unvereinbarkeit von Amt und Mandat) stehen mit der Sperrklauselregelung in keinem Zusammenhang. Ob das Gleiche für nach dem 10. Okto[X.] 2001 vorgenommene Änderungen des [X.] und der Kommunalverfassung gilt, bedarf keiner Erörterung. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, ob es der Antragsgegner im [X.]punkt des Erlasses des Änderungsgesetzes vom 10. Okto[X.] 2001 pflichtwidrig unterlassen hat, die Sperrklausel in § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu korrigieren oder zumindest zu ü[X.]prüfen (vgl. [X.] 68, 1 <63, 68 f.>; 73, 1 <28>).
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11.03.2003
Sachgebiet: BvK
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 11.03.2003, Az. 2 BvK 1/02 (REWIS RS 2003, 4048)
Papierfundstellen: REWIS RS 2003, 4048 BVerfGE 107, 286-298 REWIS RS 2003, 4048
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