Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.03.2012, Az. 29 W (pat) 3/06

29. Senat | REWIS RS 2012, 8474

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "FREIZEIT Rätsel Woche (Wort-Bild-Marke)" – kein Freihaltungsbedürfnis – Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 304 23 903.8

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 7. März 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] sowie der Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Der Beschluss des [X.] vom 16. November 2005 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Beim [X.] ist am 27. April 2004 die farbige Wort-/Bildmarke (weiß, blau, rot)

Abbildung

2

für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 41 angemeldet.

3

Mit Beschluss vom 16. November 2005 hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1 und 5, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft für folgende Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen:

4

Klasse 16:

5

Druckereierzeugnisse, Druckschriften, Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Poster, Kalender;

6

Klasse 41:

7

Veröffentlichung und Herausgabe von [X.], insbesondere von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, sowie von Lehr- und Informationsmaterial, jeweils einschließlich gespeicherter Ton- und Bildinformationen, auch in elektronischer Form und auch im [X.]; Online-Publikationen, insbesondere von elektronischen Büchern und Zeitschriften (nicht herunterladbar); Dienstleistungen eines Ton- und Fernsehstudios, nämlich Produktion von Ton- und Bildaufzeichnungen auf Ton- und Bildträgern; Vorführung und Vermietung von Ton- und Bildaufzeichnungen; Produktion von Fernseh- und Rundfunksendungen; Zusammenstellen von Fernseh- und Rundfunkprogrammen; Unterhaltung, insbesondere Rundfunk- und Fernsehunterhaltung; Durchführung von Unterhaltungsveranstaltungen, kulturellen und sportlichen Live-Events sowie kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, soweit in Klasse 41 enthalten.

8

Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, in Verbindung mit den vorgenannten Waren und Dienstleistungen werde der aus verständlichen Worten der [X.] Alltagssprache zusammengesetzte Begriff "[X.] Rätsel Woche" dahingehend verstanden, dass diese einmal wöchentlich der Gestaltung der Freizeit durch Rätsel dienten. Das Zeichen benenne folglich deren Art, Thema und Gegenstand. Im [X.] würden bereits vergleichbare Wortfolgen in beschreibendem Sinne verwendet. Der graphischen Ausgestaltung komme nicht der notwendige phantasievolle Überschuss zu. Es sei üblich, einen Begriff farbig zu unterlegen und in verschiedenen Farben darzustellen. Die von der Beschwerdeführerin genannten Voreintragungen seien mit dem angemeldeten Zeichen nicht vergleichbar. Selbst fehlerhafte Voreintragungen führten nicht zu einer Selbstbindung und zu einem Anspruch auf Eintragung. Auch gebe es bereits Zurückweisungen entsprechender Anmeldungen.

9

Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt, mit der sie sinngemäß beantragt,

den Beschluss vom 16. November 2005 aufzuheben.

Sie hat die Ansicht vertreten, dass bereits die graphische Gestaltung durch unterschiedliche Buchstabengrößen und Farben sowie den Wechsel der Hintergrundfarbe dem Zeichen die notwendige Unterscheidungskraft verleihe und ein etwaiges Freihaltungsbedürfnis beseitige. Im Gegensatz zu anderen Gestaltungen setze sich das angemeldete Zeichen nicht nur aus zwei, sondern aus vier Farben zusammen und hebe sich auch durch die Anordnung der einzelnen Wortbestandteile, den kastenförmigen Aufbau des Hintergrunds und die teilweise verdeckten Bereiche des Wortes "[X.]" von anderen Gestaltungen ab. Ferner hat die Beschwerdeführerin auf eine Vielzahl ihrer Ansicht nach vergleichbare nationale Wort-/Bildmarken im Zeitschriftenbereich hingewiesen.

Mit Beschluss vom 10. Juni 2009 hat der Senat den Beschluss des [X.] vom 16. November 2005 aufgehoben und das Verfahren an das [X.] zurückverwiesen. Das Verfahren leide an einem wesentlichen Verfahrensfehler, weil die Begründung des Beschlusses der Markenstelle entgegen den Vorgaben des [X.] in dessen Beschlüssen vom 12. Februar 2009 in den verbundenen Rechtssachen [X.]/08 und [X.]/08 ([X.], 667 Rdnr. 17 - B… GmbH & Co KG u. … in [X.] des [X.]) keine Auseinandersetzung mit den zu berücksichtigenden Voreintragungen enthalte. Da die Anmelderin ihrer Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere im Hinblick auf die Existenz vergleichbarer Voreintragungen, nicht nachgekommen sei, sie die Sache auch aus diesem Grund an das [X.] zurückzuverweisen.

Im zugelassenen Rechtsbeschwerdeverfahren hat die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiterverfolgt.

Mit Beschluss vom 17. August 2010 hat der [X.] die Entscheidung des Senats aufgehoben und das Verfahren zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen. Das Verfahren vor dem [X.] leide nicht an einem Mangel. Die Markenstelle sei nicht gehalten gewesen, im Hinblick auf eingetragene vergleichbare Marken im Einzelnen Gründe für eine differenzierte Beurteilung anzugeben oder darzulegen, dass es die Voreintragungen für rechtswidrig erachte.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 f. – [X.]; [X.], 825, 826 Rdnr. 13 – [X.]; 935 Rdnr. 8 – [X.]; [X.], 850, 854 Rdnr. 18 - [X.] 2006).

Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] - [X.]; [X.], 411 Rdnr. 8 - [X.]; 778, 779 Rdnr. 11 - [X.]; 949 f. Rdnr. 10 - My World; a. a. O. - [X.] 2006).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944 Rdnr. 24 - [X.] 2; [X.] – [X.]; 825, 826 Rdnr. 13 – [X.]; a. a. O. - [X.] 2006).

Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.], 428, 431 Rdnr. 53 - [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend – entgegen der von der Markenstelle vertretenen Auffassung – nicht festgestellt werden, dass das verfahrensgegenständliche [X.] in seiner Gesamtheit jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) entbehrt.

Zwar gilt der Grundsatz, dass an die Grafik umso stärkere Anforderungen zu stellen sind, je beschreibender die Wortbestandteile eines Bildzeichens sind. Selbst wenn hier aber von einem unmittelbar beschreibenden Begriffsinhalt der Wortbestandteile ausgegangen würde, so dass an die Grafik die strengsten Anforderungen zu stellen wären, ist wegen der Komplexität der konkreten Gesamtgestaltung eine Schutzfähigkeit der Marke zu bejahen.

Bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit einer Marke ist aber nicht in einer analysierenden Betrachtung allein auf die für sich genommen schutzunfähigen Bestandteile abzustellen, vielmehr ist der Beurteilung der Schutzfähigkeit im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung die ganz konkrete Gesamtgestaltung zugrunde zu legen; nur sofern diese selbst ebenfalls als werbeüblich anzusehen ist, kommt eine Schutzversagung in Betracht. Dabei ist auch die Komplexität der Gestaltung ein Indiz für die Schutzfähigkeit, denn je höher diese ausfällt, umso eher wird der Verkehr geneigt sein, in der grafischen Wiedergabe der [X.] nicht nur den beschreibenden Inhalt der Wortbestandteile wahrzunehmen, sondern sie als Herkunftshinweis aufzufassen.

2. Im Hinblick auf die unterscheidungskräftige Gesamtgestaltung unterliegt das angemeldete Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Denn es wird nicht der Schutz für eine zeichenmäßige Verwendung der Wortkombination "[X.] Rätsel Woche" in jedweder Form, sondern nur in der konkreten grafischen Ausgestaltung begehrt. Diese bestimmt und beschränkt zugleich den Schutzbereich der beanspruchten Bezeichnung ([X.] - [X.]).

Meta

29 W (pat) 3/06

07.03.2012

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.03.2012, Az. 29 W (pat) 3/06 (REWIS RS 2012, 8474)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8474


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 29 W (pat) 3/06

Bundespatentgericht, 29 W (pat) 3/06, 07.03.2012.


Az. I ZB 61/09

Bundesgerichtshof, I ZB 61/09, 17.08.2010.


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33 W (pat) 550/11

27 W (pat) 113/11

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