Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.02.2010, Az. 29 W (pat) 11/10

29. Senat | REWIS RS 2010, 8971

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Gruppenreisen" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 03 752.5

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 25. Februar 2010 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], des Richters Dr. [X.] und der Richterin Kortge

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

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Gruppenreisen

3

ist am 17. Januar 2007 zur Eintragung als Marke in das [X.]im [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Publikation von Zeitschriften und Büchern, auch in elektronischer Form, auch im [X.] Veranstaltung von Messen, Kongressen, Seminaren und sonstigen Events zu gewerblichen oder zu Wer[X.]zwecken.

5

Durch Beschluss vom 10. Juni 2008 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmeldung gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, dass es sich [X.]i dem aus allgemein verständlichen Begriffen der [X.] Alltagssprache zusammengesetzten Wortzeichen "Gruppenreisen" um einen rein [X.]schrei[X.]nden Hinweis auf Art und Thematik der [X.]anspruchten Dienstleistungen handele, nämlich Reisen, [X.]i denen für eine Gruppe von Personen ein Anbieter die Organisation und Durchführung ü[X.]rnehme. So könnten Messen, Kongresse, Seminare etc., die es auch speziell zu Gruppenreisen ge[X.], wie eine [X.]recherche erge[X.]n ha[X.], die neuesten Trends auf dem Gebiet der Gruppenreisen präsentieren. Zeitschriften und Bücher könnten sich e[X.]nfalls in vielfältiger Weise der Thematik der Gruppenreisen widmen. Vergleichbare Anmeldungen, wie "Abi Reisen", " ARZTREISEN ", "[X.]reisen", "Autoreisen", " [X.] REISEN ", " SPARREISEN ", "Weltenbummler Reisen" und " [X.]", hätten e[X.]nfalls nicht zu einer Eintragung geführt.

6

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß [X.]antragt,

7

den Beschluss des [X.]es vom 10. Juni 2008 aufzuhe[X.]n und die angemeldete Marke einzutragen.

8

Sie rügt vorab eine Ungleich[X.]handlung wegen der Eintragung einer Vielzahl vergleichbarer [X.]. Wegen der genauen Bezeichnungen, der Registernummern sowie der Waren- und Dienstleistungsklassen dieser [X.] wird auf Seite 2 der Beschwerde[X.]gründung ([X.]. 15 GA) Bezug genommen. Sie trägt vor, selbst wenn die nicht für die Durchführung von Gruppenreisen angemeldeten Dienstleistungen ihrer Art nach im Zusammenhang mit Reisen in Gruppen in Anspruch genommen werden könnten, werde der Verkehr nicht annehmen, derartig gekennzeichnete Dienstleistungen seien auf das Thema "Gruppenreisen" [X.]schränkt. Die Eintragung des [X.] führe auch nicht zu einer unnötigen Erschwerung der freien Verwendbarkeit des Wortes "Gruppenreisen" im Zusammenhang mit den [X.]anspruchten Dienstleistungen. Denn mit der Vorschrift des § 23 Nr. 2 [X.] sei das Recht aus der Marke gegenü[X.]r einer [X.]schrei[X.]nden Verwendung hinreichend abgegrenzt, so dass [X.]i einer solchen Verwendung durch Dritte [X.] nicht zu erwarten seien.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Eintragung des angemeldeten [X.] "Gruppenreisen" als Marke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 [X.] steht hinsichtlich der [X.]anspruchten Dienstleistungen das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen. Die Markenstelle hat der angemeldeten Bezeichnung daher zu Recht die Eintragung versagt.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem [X.]stimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Denn die Hauptfunktion der Marke [X.]steht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. [X.] [X.], 233, 235 Rdnr. 45 - Stand[X.]utel; 229, 230 Rdnr. 27 - BioID; [X.], 608, 611 Rdnr. 66 - [X.]; [X.], 850, 854 Rdnr. 18 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; [X.], 710 Rdnr. 12 -VISAGE; [X.], 949 Rdnr. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis [X.]gründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu ü[X.]rwinden ([X.] - [X.]; [X.], 1093 Rdnr. 13 - [X.]; [X.], 949 f. Rdnr. 10 - My World). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der [X.]teiligten inländischen Verkehrskreise, wo[X.]i auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 - [X.] 2; [X.], 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.] - [X.]). E[X.]nso ist zu [X.]rücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. [X.] GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 - [X.]; [X.], 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE COR-PORATION ; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch). Ausgehend hiervon [X.]sitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden [X.]schrei[X.]nden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. [X.] GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; [X.] -marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti [X.]; [X.], 417, 418 – [X.]; [X.], 850, 854 Rdnr. 19 - [X.]; [X.], 952, 953 Rdnr. 10 - [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache [X.]stehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] GRUR 2001, 1043, 1044 - [X.]; [X.] GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; a. a. [X.] - [X.]). Darü[X.]r hinaus [X.]sitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände [X.]ziehen, welche die [X.]anspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar [X.]treffen, durch die a[X.]r ein enger [X.]schrei[X.]nder Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer [X.]schrei[X.]nden Anga[X.] erschöpfen ([X.] 855 Rdnr. 28 f. - [X.]). Ob das Merkmal des engen [X.]schrei[X.]nden Bezuges vorliegt, hängt davon ab, ob das Publikum den [X.]schrei[X.]nden Begriffsinhalt ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und deshalb in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für die individuelle [X.]triebliche Herkunft der [X.]anspruchten Waren oder Dienstleistungen sieht ([X.] 854 Rdnr. 19 - [X.]). Da[X.]i gilt, dass je [X.]kannter der [X.]schrei[X.]nde Begriffsgehalt für die Waren oder Dienstleistung ist, desto eher wird er auch nur als solcher erfasst, wenn er im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Ware oder Dienstleistung in Erscheinung tritt ([X.], 58, 60 – BuchPartner ).

Nach diesen Grundsätzen fehlt dem angemeldeten Wortzeichen "Gruppenreisen" für die angemeldeten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft. Denn es stellt zumindest einen engen [X.]schrei[X.]nden Bezug zu den vorgenannten Dienstleistungen her, weshalb der Verkehr in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für die individuelle [X.]triebliche Herkunft dieser Dienstleistungen sehen wird.

Die angemeldete Marke [X.]steht aus dem allgemein [X.]kannten [X.] Wort "Gruppenreisen". Unter diesem Begriff werden Reisen verstanden, [X.]i denen für eine Gruppe von Personen ein Anbieter die Organisation und Durchführung ü[X.]rnimmt (vgl. [X.] – [X.], 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). Die mit den [X.]anspruchten Dienstleistungen angesprochenen Verbraucher werden das Anmeldezeichen daher ohne jedes Nachdenken nur in dem Sinne verstehen, dass diese in engem Zusammenhang mit für Gruppen organisierten Reisen erbracht werden. Denn die zu publizierenden Zeitschriften und Bücher, auch in elektronischer Form oder im [X.], können sich in vielfältiger Form dem Thema "Gruppenreisen" widmen. Es ist zudem üblich, Seminare nach dem Inhalt der angebotenen Informationen zu [X.]zeichnen. Sie können sich daher thematisch mit Gruppenreisen [X.]fassen. Das Thema "Gruppenreisen" kann auch Gegenstand der durchzuführenden Messen, Kongresse und "sonstigen Events" sein. Dieses Verständnis des Verbrauchers liegt auch deshalb [X.]sonders nahe, weil die [X.]recherche des [X.], auf die Bezug genommen wird, erge[X.]n hat, dass es [X.] reits spezielle Gruppenreisemessen gibt und … Unternehmen in der Bus- und Gruppentouristik tätig sind. Bei diesem hohen Bekanntheitsgrad des Begriffs "Gruppenreisen" wird das angesprochene Publikum das Anmeldezeichen nur als schlichten Hinweis auf diese sachliche Eignung der gekennzeichneten Dienstleistungen verstehen. Da die Gesamt[X.]zeichnung allgemein gebräuchlich ist, wird ihm auch nicht der Gedanke kommen, dass statt dessen auf die Herkunft dieser Dienstleistungen aus einem ganz [X.]stimmten Unternehmen hingewiesen werden soll. Damit ist das Wortzeichen a[X.]r nicht geeignet, die Hauptfunktion einer Marke zu erfüllen.

[X.] der Beschwerde[X.]gründung angeführten 22 Voreintragungen von [X.] für angeblich vergleichbare Leistungen, von denen nur 12 ähnlich sind, weil sie den Wort[X.]standteil "Reisen" aufweisen, ändern nichts an der fehlenden Schutzfähigkeit des vorliegend zu [X.]urteilenden [X.]. Zunächst ist festzustellen, dass diesen Eintragungen auch eine Reihe von Zurückweisungen vergleichbarer Bezeichnungen, wie "Abi Reisen", " ARZTREISEN ", "[X.]reisen", "Autoreisen", " [X.] REISEN ", " SPARREISEN ", "Weltenbummler Reisen" und " [X.]", entgegensteht. Zwar kann ei-ne uneinheitliche Entscheidungspraxis des [X.], die dazu führt, dass in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen wesentlich gleiche Sachverhalte ohne nachvollziehbaren Grund ungleich [X.]handelt worden sind, grundsätzlich eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG darstellen. Dies setzt a[X.]r voraus, dass sich die bisherige [X.] als willkürlich herausstellt und nicht erkennen lässt, welche der vorangegangenen Entscheidungen rechtmäßig und welche rechtswidrig waren ([X.] (pat) 43/04 – juris [X.]. 15 - print 24). Ferner wird verlangt, dass die Beschwerdeführerin ihrer – die Amtsermittlung immanent einschränkenden – materiellen Mitwirkungslast nachkommt. Das [X.]deutet, dass sie substantiiert zur Vergleichbarkeit des Eintragungszeitpunkts, des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses, der Zeichen selbst und der jeweiligen Rechtsprechungssituation vortragen muss. Es genügt nicht, – wie hier – eine Vielzahl von ähnlich gearteten Voreintragungen ohne eigene Auswertung und Gegenü[X.]rstellung nach den vorgenannten Kriterien schlicht aufzuzählen ([X.] [X.], 1173, 1175 – [X.]).

Da es dem angemeldeten Wortzeichen [X.]reits an jeglicher Unterscheidungskraft mangelt, kann dahingestellt blei[X.]n, ob ihm auch ein schutzwürdiges Interesse der Mit[X.]wer[X.]r an seiner freien Verwendbarkeit entgegen steht (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann jedenfalls die Schutzschranke des § 23 Nr. 2 [X.] nicht zur Einschränkung eines schutzwürdigen Freihaltungsinteresses herangezogen werden. Diese Regelung spielt im Rahmen der Schutzfähigkeitsprüfung keine Rolle, weil sie lediglich der Klarstellung und Beschränkung von Markenrechten im Verletzungsprozess dient und damit einen [X.]reits [X.]stehenden Markenschutz voraussetzt (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, 725 Rdnr. 28 – [X.]; [X.] 28 W (pat) 132/08 – juris [X.]. 13 – [X.]).

Ein Anlass, die Rechts[X.]schwerde zuzulassen, [X.]steht nicht.

Meta

29 W (pat) 11/10

25.02.2010

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.02.2010, Az. 29 W (pat) 11/10 (REWIS RS 2010, 8971)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8971

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