Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2004, Az. IX ZR 146/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 4591

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKESURTEILIX ZR 146/03Verkündet am:12. Februar 2004Preuß,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 12. Februar 2004 durch [X.] [X.] und die [X.]. [X.], [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Rechtsmittel des [X.] werden das [X.]eil des9. Zivilsenats des [X.] vom25. März 2003, soweit zum Nachteil des [X.] erkannt wordenist, und im selben Umfang das [X.]eil der 7. Zivilkammer des [X.] vom 13. September 2002 aufgehoben.Der [X.] wird verurteilt, an den Kläger weitere 15.242,17 nebst 8 v.H. jährlicher Zinsen über dem Basiszinssatz seit [X.] Mai 2002 zu zahlen.Der [X.] hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.Von Rechts [X.]:Der während des Insolvenzverfahrens verstorbene Schuldner übergabzwischen dem 22. November 1999 und dem 4. Februar 2000 dem Gerichtsvoll-zieher fünf Schecks im Gesamtbetrag von 32.500 DM zum Einzug auf Bei-tragsforderungen, welche die beklagte Zusatzversorgungskasse, ein [X.], gegen ihn vollstreckte. Der [X.] zog außer- 3 -den eigenen Beiträgen aufgrund tarifvertraglicher Ermächtigung auch die [X.] anderer Sozialkassen der Bauwirtschaft von den Arbeitgebern ein undführte hierüber Beitragskonten.Der Gegenwert der vom Gerichtsvollzieher entgegengenommenenSchecks floß dem [X.]n zu, der hiervon 1.377,82 einbehielt und 15.242,17 s-gleichskasse auskehrte.Am 11. Februar 2000 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögendes Schuldners beantragt. Nach der am 1. April 2000 beschlossenen Verfah-renseröffnung verlangt der Insolvenzverwalter mit der gegenwärtigen Klage [X.] von dem [X.]n im Wege der Anfechtung zurück.Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] [X.]n verurteilt, der Masse den für eigene Rechnung [X.] zurückzugewähren und im übrigen die Klagabweisung bestätigt. [X.] - zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger den aberkannten Rückge-währanspruch weiter.Entscheidungsgründe:[X.] ist der Ansicht des [X.]s gefolgt, daß [X.] zur Masse nur dasjenige zurückgewähren müsse, was er selbst [X.] habe. Soweit der [X.] die vollstreckten Beträge als tarifvertraglich- 4 -ermächtigte Einzugsstelle für Rechnung einer anderen Kasse geltend gemacht,erhalten und - wie hier - an die Berechtigte weitergeleitet habe, sei er nicht derrichtige [X.].[X.] diese Annahme wendet sich die Revision mit Recht. Die rechtzei-tig erhobene Klage ist nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 143 [X.] vollen Umfan-ges begründet.1. Die Entscheidung über die Berufung durch den Einzelrichter nachÜbertragung der Sache gemäß § 526 Abs. 1 ZPO ist trotz Zulassung der Revi-sion rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. [X.], [X.]. v. 16. Juli 2003 - [X.]/02, NJW 2003, 2900).2. Den Anfechtungsgrund des § 131 Abs. 1 Nr. 2 [X.] hat das [X.] für den zuerkannten Teilanspruch mit Recht bejaht, weil [X.] zur [X.] nach dem unstreitigenParteivortrag bereits zahlungsunfähig war. Für den in die Revision gelangtenTeil des Streitgegenstandes gilt grundsätzlich nichts anderes. Hinsichtlich derletzten Scheckübergaben vom 4. Februar 2002 greift jedoch schon der [X.] des § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] durch. Die Gläubiger hatten die [X.] der Zwangsvollstreckung gegen den zahlungsunfähigen [X.] ihrer Ansprüche in dieser Art nicht mehr zu [X.] (vgl. [X.]Z 136, 309, 311 ff; [X.], [X.]. v. 11. April 2002 - [X.]/01, [X.], 1159, 1160 f; [X.] Rspr.).- 5 -Maßgebend für den Beginn der nach § 131 [X.] erfaßten Handlungszeit-räume ist der am 11. Februar 2000 gestellte Insolvenzantrag, der zur Eröffnungdes Verfahrens geführt hat. Der Tod des Schuldners nach Antragstellung be-wirkte ohne weiteres eine Überleitung des Eröffnungsverfahrens vom Regel- indas Nachlaßinsolvenzverfahren. Damit hat das Eröffnungsverfahren ohne Un-terbrechung seinen Fortgang mit den Erben als neuen Schuldnern genommen(vgl. [X.], [X.]. v. 22. Januar 2004 - [X.], [X.], 517, 518, z.[X.]. in[X.]Z).3. Der Anfechtungsanspruch des [X.] verjährte nach § 146 Abs. 1[X.] in zwei Jahren seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, mithin [X.] April 2002. Die Verjährung ist im Streitfall durch Klageerhebung gemäß § [X.]. 1 Nr. 1 BGB vor Ablauf gehemmt worden (§ 209 BGB). Denn diese Wir-kung ist hier nach § 167 ZPO bereits mit Eingang der Klage am 28. März 2002eingetreten. Die Zustellung der Klage ist am 8. Mai 2002 noch "demnächst" [X.], weil die Verzögerung allein auf den schleppenden Geschäftsgang des[X.]s zurückzuführen i[X.]4. Der [X.] schuldet dem Kläger Rückgewähr auch der Sozialkas-senbeiträge, die er als tarifvertragliche Einzugsstelle für fremde Rechnung ge-gen die Schuldnerin vollstreckt und an die berechtigten Kassen ausgekehrt [X.]) Das [X.] ([X.] 2001, 708, 710) ist in der vonder Revision herangezogenen Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen, daßder Insolvenzverwalter die Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen(§ 28d [X.]) gegenüber der Krankenkasse (§ 4 Abs. 2 SGB V) als Einzugs-stelle (§§ 28h, 28i [X.]) auch insoweit anfechten kann, als diese Beträge imInnenverhältnis anderen Versicherungsträgern zustehen. Dem liegt [X.] 6 -daß nach der Rechtsprechung des [X.] (insbesondereBSGE 15, 118, 122 f) die Einzugsstelle gemäß § 28h [X.] (ebenso schonnach § 1399 Abs. 1 RVO; vgl. auch § 121 Abs. 1 [X.] und § 176 Abs. 1 [X.])Verwaltungstreuhänderin der von ihr einzuziehenden Fremdbeiträge ist; ihr sindfür den Beitragseinzug Rechte übertragen worden, so daß sie gegenüber [X.] als Inhaberin der Gesamtforderung auftritt, selbst wenn im Innen-verhältnis zu den anderen Versicherungsträgern deren Beiträge ein fremdesRecht bleiben. Im sozialversicherungsrechtlichen Schrifttum wird die Verwal-tungshoheit der Einzugsstellen für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag soverstanden, daß sie auch Gläubiger der [X.] sind (z.B.Hauck/Haines/Sehnert, [X.]. § 28h [X.] Stand April 1999 Rn. 4;Wannagat/[X.], [X.]. § 28h [X.] Stand April 2003 Rn. 10 a.E.; vgl.ebenso KG [X.] 2003, 589, 590). Unabhängig davon spricht wegen der Verwal-tungshoheit der sozialversicherungsrechtlichen Einzugsstellen vieles dafür, daßsie im Hinblick auf den verwalteten Gesamtsozialversicherungsbeitrag [X.] im Sinne der Deckungsanfechtung sein können. Siekönnen [X.] mithin im Grundsatz auch zur Rückgewähr [X.] verpflichtete Empfänger im Sinne [X.] 143, 144 [X.] sein (vgl. dazu MünchKomm-[X.]/Kirchhof, § 143 Rn. 5).Demgegenüber haben das [X.] (aaO S. 589 f = [X.] 2002,660) und das [X.] ([X.]. v. 1. Februar 2002 - 2 U 20/01,Umdruck S. 7) Sozialkassen im Baugewerbe, die tarifvertragliche Arbeitgeber-beiträge in einem Gesamtbetrag einziehen, [X.] nicht [X.] solcher Beiträge angesehen, die anderen Sozialkassen zufließen(zustimmend HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 129 Rn. 89). Die Sozialkassen macheninsoweit nur fremde Ansprüche im eigenen Namen kraft tarifvertraglicher Er-- 7 -mächtigung geltend ([X.] Nr. 1 und 11 zu § 4 TVG Gemeinsame Einrich-tungen).b) Zur Rückgewähr verpflichtet ist nach § 143 [X.] der Empfänger, [X.] Leistung des Schuldners erlangt hat (vgl. auch § 144 [X.]). Entgegen [X.] des Berufungsgerichts ist der [X.] danach auch insoweit Rückge-währschuldner gewesen, als er die tarifvertraglichen Arbeitgebersozialleistun-gen des Schuldners für fremde Rechnung einzuziehen hatte.Die bereicherungsrechtlich differenziert gelöste Frage, wer nach Abtre-tung nicht bestehender Ansprüche zur Herausgabe der [X.] verpflichtet ist, hat der [X.] in dem rechtlich ähnli-chen Zusammenhang der Insolvenzanfechtung eingezogener [X.] ohne nähere Erörterung auch bisher schon zu Lasten dergesetzlichen Krankenkassen als Einzugsstellen beantwortet (vgl. dazu [X.]Z149, 100; 178; [X.], [X.]. v. 10. Juli 2003 - [X.], [X.], 1776). [X.] Innenverhältnis der Einzugsstellen als Verwaltungstreuhänder der anderenSozialversicherungsträger und auf die teilweise [X.] kommt es insoweit nicht an. Die Treugeber sind in diesen Fällennicht [X.].In der insolvenzrechtlichen Wertung kann die Rechtsstellung des [X.] als tarifvertragliche Einzugsstelle eines Gesamtsozialkassenbeitragsaber nicht anders beurteilt werden, obwohl hier ein treuhänderischer Rechts-übergang von den in das tarifvertragliche Leistungssystem eingebundenen So-zialkassen auf die Einzugsstelle nicht stattfindet. Der [X.] ist als Einzugs-stelle im Rahmen der Deckungsanfechtung gleichwohl wie ein Insolvenzgläubi-ger zu behandeln. Das Innenverhältnis zwischen der Einzugsstelle und den- 8 -hinter ihr stehenden anderen Sozialkassen spielt auch für diese Fallgruppe an-fechtungsrechtlich keine entscheidende Rolle.Im Außenverhältnis zu den Beitragsschuldnern besteht zwischen gesetz-licher und tarifvertraglicher Einzugsstelle [X.] kein [X.]. Der [X.] ist zur Einziehung der [X.] ermächtigt, soweit Beiträge an andere Sozialkassen abzuführensind. Die Arbeitgeber können nach den Bestimmungen des Tarifvertrages und§ 362 Abs. 2 BGB auf die Beitragsforderungen aller systemangehörigen Sozial-kassen befreiend nur an den [X.]n leisten; der [X.] hat die aus-schließliche Empfangszuständigkeit der tarifvertraglich geregelten [X.]. Der [X.] ist für die Durchsetzung aller Beitragsforderun-gen des tarifvertraglichen Systems Prozeßstandschafter, Titelgläubiger [X.] im Sinne des § 725 ZPO (vgl. insoweit [X.], [X.]. [X.] September 1982 - [X.], NJW 1983, 1678 zur gewillkürten Pro-zeßstandschaft im allgemeinen). In Ausnutzung dieser Befugnisse ist der [X.] auch wie ein Vollrechtsinhaber gegen den später verstorbenen [X.] vorgegangen und hat seine Leistungen noch während der Krise mit [X.] beigetrieben.Diese [X.]e Interessenabwägung steht im Einklang mitden bereicherungsrechtlichen Lösungen, die auch anderweitig in der Anfech-tungsrechtsprechung des [X.] als Wertungsparallelen herange-zogen worden sind (vgl. [X.]Z 142, 284, 287 für die Anweisungslage; [X.],[X.]. v. 5. Februar 2004 - [X.], z.[X.]. für die [X.] gemäß § [X.]). Zum Bereicherungsrecht hat der [X.] entschieden, daßder Drittschuldner seine Leistung an den Vollstreckungsgläubiger von [X.] kann, wenn die zur Einziehung überwiesene Forderung nicht be-- 9 -steht ([X.]Z 151, 127, 130 f). Auch dort ergibt sich die Rückgewährpflicht - wieim Streitfall - aus der Einziehungsermächtigung und der alleinigen [X.] (§ 836 Abs. 1 ZPO). Dagegen sinddie Leistungsbeziehungen im Streitfall mit einer Anweisungslage nicht ver-gleichbar, bei der der Schuldner dem [X.]n auf die fremden Beitragsan-sprüche nichts geleistet hätte. Denn es gibt kein Valutaverhältnis zwischen denanderen Sozialkassen, wenn man sie als [X.] des [X.] denkt, und der [X.]n, ihrer Einzugsstelle. Vielmehr mußte die[X.] die [X.] eingezogenen Arbeitgeberbeiträge nach § 667 [X.] die insoweit berechtigten anderen Sozialkassen herausgeben.In der Gesamtschau spricht deshalb alles dafür, den trarifvertraglich ein-zugsermächtigten [X.]n auch insoweit selbst als Empfänger und damit als[X.] zu betrachten, als er keine eigenen [X.] voll-streckt hat.c) Der [X.] kann gegen den Anfechtungsanspruch des [X.] nichteinwenden, nach Weiterleitung der [X.] eingezogenen Beiträge an dieempfangsberechtigten Sozialkassen entreichert zu sein. Das [X.] Einwand durch § 143 Abs. 1 Satz 2 [X.] mit der Verweisung auf § 819Abs. 1, § 818 Abs. 4, §§ 292, 989 BGB für den Regelfall aus. [X.] sich zwar der gutgläubige Empfänger einer unentgeltlichen Leistung nach§ 143 Abs. 2 [X.] auf den [X.] berufen. Diese gesetzlicheAusnahme greift aber vorliegend nicht ein; denn den eingezogenen Arbeitge-berbeiträgen standen im Leistungsaustausch tarifvertragliche Ansprüche [X.] gegen die jeweiligen Sozialkassen [X.] -Auch dem uneigennützigen Treuhänder des Schuldners hat der Senatbei der Bemessung des [X.]en Wertersatzes die Berufung [X.] gestattet, weil die formelle Rechtsstellung, die er erlangt hat,von vornherein schuldrechtlich gebunden war (vgl. [X.]Z 124, 298, 303). [X.] Fall war aus dem Schuldnervermögen jedoch nur die formale, auf [X.] übergegangene Rechtsposition ausgeschieden und anschließendzugunsten des Schuldners selbst wieder aufgegeben worden. Um eine ver-gleichbare Gestaltung geht es im Streitfall nicht. Aus dem Vermögen [X.] war der Gegenwert der dem Gerichtsvollzieher übergebenenSchecks rechtlich und wirtschaftlich endgültig ausgeschieden.[X.] [X.] [X.] [X.] Cierniak

Meta

IX ZR 146/03

12.02.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2004, Az. IX ZR 146/03 (REWIS RS 2004, 4591)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4591

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.