Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2004, Az. IX ZR 71/02

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1063

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]
Verkündet am: 21. Oktober 2004 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R ja

DDR-[X.] § 10 Abs. 1 Nr. 4, § 7 Abs. 5; BGB § 387

Die Verrechnung der [X.] des Baugewerbes mit den Leistungsansprüchen eines Bauarbeitgebers ist gegenüber der zum [X.] ermächtigten Stelle mangels Gläubigerbenachteiligung insoweit nicht anfechtbar, als bereits die leistungspflichtige Sozialkasse vor Herstellung der [X.] mit ihren Anteilen an dem Gesamtbeitrag gegen die [X.] konnte.

[X.], [X.]eil vom 21. Oktober 2004 - [X.] - OLG Frankfurt am Main

LG Wiesbaden

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2004 durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das [X.]eil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 1. Februar 2002 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der beklagte Versicherungsverein

, zog von der Schuldnerin aufgrund tarifvertragli-cher Ermächtigung eigene und fremde Beiträge für Sozialkassen der Bauwirt-schaft ein. Hierüber führte er ein - zu Lasten der Schuldnerin im [X.] - Beitragskonto. In der [X.] vom 5. Februar 1997 bis zum 24. April 1997 überwies die [X.]

, für die der [X.] in dem genannten Rahmen als Einzugsstelle tätig war, auf das Beitragskonto der Schuldnerin insgesamt 347.226,66 DM. Dieser Betrag stand der Schuldnerin als Erstattung für die ihren Arbeitnehmern gezahlten Urlaubs-vergütungen zu. Er war aber tarifvertraglich mit der Maßgabe zweckgebunden, - 3 - daß der Arbeitgeber über die Erstattungsansprüche nur verfügen konnte, wenn das bei der Einzugsstelle (dem [X.]n) bestehende Beitragskonto keinen [X.] auswies.

Nachdem auf Gläubigerantrag vom 28. April 1997 am 1. Juli 1997 über das Vermögen der Schuldnerin das [X.] eröffnet worden war, forderte der zum Verwalter bestellte Kläger von dem [X.]n die genannten, auf die offene [X.] verrechneten Erstattungen der [X.]im Wege der Anfechtung zurück. Der Kläger hat behauptet, dem [X.]n sei die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bei Verrechnung der eingegangenen Überweisungen auf dem Beitragskonto bekannt gewesen. Der [X.] hat die Anfechtungsvoraussetzungen bestritten und hält sich als Einzugsstelle zu der von ihm verlangten Rückgewähr nicht für verpflichtet.

Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Der [X.] hat auf die Beschwerde des [X.] die Revision zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet; der [X.] kann jedoch nicht in der Sache selbst entscheiden.

[X.] - 4 - Das Berufungsgericht hat die erstinstanzliche Klagabweisung bestätigt, weil der [X.] als tarifvertragliche Einzugsstelle fremder Sozialkassenbei-träge für die Rückgewähr der verrechneten [X.] nicht passivlegi-timiert sei. Den auf eigene Beitragsansprüche des [X.]n entfallenden An-teil der Verrechnungen habe der Kläger nicht dargelegt.

Mit dieser Begründung kann das Berufungsurteil nicht aufrechterhalten bleiben. Der [X.] hat nach Zulassung der Revision durch den [X.] bereits entschieden, daß eine tarifvertraglich zur Einziehung von [X.]nbeiträgen der Bauarbeitgeber ermächtigte Stelle auch insoweit als An-fechtungsgegnerin zur Rückgewähr an die Masse verpflichtet sein kann, als sie [X.] eingezogene Beiträge an die hierzu berechtigten Sozialkassen ausgekehrt hat ([X.], [X.]. v. 12. Februar 2004 - [X.] ZR 70/03, [X.], 862).

Der Streitfall unterscheidet sich von einem Beitragseinzug der [X.]n nur dadurch, daß hier Erstattungen, welche die Schuldnerin vom Leistungsträ-ger zu beanspruchen hatte, ihrem Beitragskonto bei der Einzugsstelle [X.] worden sind und der [X.] sich wegen der [X.] hieraus im [X.] befriedigt hat. Diese mittelbare Zuwendung beruhte auf den Verfahrensvorschriften des hier praktizierten tarifvertraglichen Leistungs-systems und steht in der anfechtungsrechtlichen Wertung einer Anweisungsla-ge gleich, in welcher der Schuldner (nach Zahlungseinstellung) seinen Schuld-ner anweist, die Schuldsumme an einen seiner Gläubiger zu zahlen und diesen Gläubiger dadurch gegebenenfalls bevorzugt befriedigt (vgl. zur Anfechtung insoweit [X.] 142, 284, 287). [X.] ist damit auch hier der [X.].
- 5 - I[X.]
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich möglicherweise zwar aus anderen Gründen als richtig dar. Die tatrichterlichen Feststellungen und der [X.] lassen jedoch nicht erkennen, mit welchem Betrag die [X.] danach gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen wäre. Daher ist der [X.] an einer ersetzenden Entscheidung auch insoweit gehindert.

1. Die Revisionserwiderung meint, daß die [X.] ohne die angefochte-nen Verrechnungen noch nach Eröffnung des [X.]s berechtigt gewesen wäre, mit ihren eigenen Beitragsforderungen gegen die Erstattungsansprüche der Schuldnerin aufzurechnen. Soweit sie in entspre-chender Höhe Erstattungen für Urlaubsvergütungen dem Beitragskonto der Schuldnerin bei dem [X.]n gutgebracht habe, komme eine Gläubigerbe-nachteiligung als Voraussetzung jeder Anfechtung bei den Verrechnungen des [X.]n in der Folge dieser Gutschriften nicht in Betracht.

Diese Auffassung trifft zu. Die [X.] wäre im [X.]punkt der Verfahrens-eröffnung ohne die angefochtenen Verrechnungen des [X.]n nach § 7 Abs. 5 [X.], § 387 BGB gegen ihre [X.] zur Aufrechnung mit den Beitragsansprüchen befugt gewesen, die sie selbst gegen die Schuldnerin hatte (vgl. [X.] § 4 Gemeinsame Einrichtungen Nr. 11). Die gegen-überstehenden Ansprüche waren sämtlich bereits vor Eingang des Antrags auf Eröffnung des [X.]s entstanden. Eine Anfechtung dieser - nicht erst durch die Überweisungen an den [X.]n geschaffenen - Aufrechnungslage gegenüber der erstattungspflichtigen Kasse kam nach den Grundsätzen der [X.]srechtsprechung (vgl. [X.], [X.]. v. 4. Oktober 2001 - 6 - - [X.] ZR 207/00, [X.], 2055, 2056; v. 29. Juni 2004 - [X.] ZR 195/03, [X.], 852, 853) nicht in Betracht; denn sie ergab sich unmittelbar aus den ta-rifvertraglichen Rechtsvorschriften. Möglicherweise anfechtbare Rechtshand-lungen von Gläubigerin oder Schuldnerin sind nicht hinzugetreten. Die Gläubi-gergesamtheit kann danach durch die Überweisungen an den [X.]n und die von ihm vorgenommenen Verrechnungen mit der [X.] in diesem Umfang keine Benachteiligung erfahren haben, die nicht schon zuvor gegen-über der [X.] bestand.

2. Dagegen ist die Anfechtung nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 [X.] nicht aus-geschlossen, soweit der [X.] die ihm überwiesenen [X.] mit Beitragsforderungen verrechnet hat, die ihm selbst oder anderen Sozialkassen gegen die Schuldnerin zustanden. Der Anfechtung unterliegen nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 [X.] auch Gläubigerhandlungen ([X.] 143, 332). Zog der [X.] vor Eröffnung des [X.]s durch die Überwei-sungen der [X.] Werte der Schuldnerin an sich und erhielt so die Möglichkeit zur Verrechnung, so stand dem zwar nicht § 7 Abs. 5 [X.] entgegen, wohl aber kann diese Befriedigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 [X.] anfechtbar sein (vgl. [X.] 58, 108, 113; 86, 190, 194; 89, 189, 192 f jeweils zu § 30 Nr. 1 Fall 2 KO).

Die tarifvertragliche Zweckbindung gewährte dem [X.]n auch kein pfandähnliches Recht zur abgesonderten Befriedigung an den [X.], die sich gegen die [X.] oder eine andere [X.] des Baugewerbes richteten (vgl. [X.] § 4 TVG aaO). Eine [X.] objektive Gläubigerbenachteiligung kommt mithin dort in Betracht, wo vor - 7 - den Überweisungen der [X.]an den [X.]n keine aufrechenbaren Forde-rungen einander gegenüberstanden.

Die tarifvertraglich ermöglichten Verrechnungen der Einzugsstelle ge-genüber Forderungen der Masse an die [X.] wirkten hier wie eine Konzern-verrechnungsklausel, die nicht vom Schuldner, sondern vom Gläubiger in [X.] genommen wurde. Der [X.] muß sich folglich so behandeln lassen, wie es die [X.] ergibt, wenn sie durch Überweisungen der [X.]auf das Beitragskonto in anfechtbarer [X.] geschaffen worden ist (vgl. zur [X.] zuletzt [X.], [X.]. v. 15. Juli 2004 - [X.] ZR 224/03, [X.], 1764, z.[X.]. in [X.]). Auf die tarifvertragliche Zweckbindung und die Entstehungszeit der verrechneten Ansprüche kann sich der [X.] nicht be-rufen.

3. Der Kläger hat die Anfechtungsfrist des § 10 Abs. 2 [X.] gewahrt, so daß eine Bestätigung des Berufungsurteils wegen verspäteter Anfechtung aus-scheidet.

Die Klage ist vorliegend am 30. Juni 1999 eingereicht worden. Die [X.] endete am 1. Juli 1999, zwei Jahre nach der Verfahrenseröff-nung. Die Klageschrift ist dem [X.]n zwar erst am 3. Januar 2000 zuge-stellt worden. Die - nicht geringfügige - Verzögerung hat der Kläger jedoch nicht zu vertreten; denn er hat weitestgehend das ihm Zumutbare für eine rechtzeitige Klageerhebung getan. Die Zustellung hat daher trotz mehrmonati-ger Verspätung bei wertender Betrachtung nach § 270 Abs. 3 ZPO a.F. infolge Rückwirkung auf den [X.] die Anfechtungsfrist hier noch gewahrt (vgl. [X.] 145, 358, 362 m.w.N.; zur verzögerten Prozeßkostenhilfegewäh-- 8 - rung auch [X.], [X.]. v. 21. März 1991 - [X.], NJW 1991, 1745, 1746). Der rechtzeitig und formgerecht gestellte Antrag des [X.] auf Prozeßko-stenhilfe hatte erst nach Beschwerde am 21. Dezember 1999 Erfolg. Selbst wenn die Beschwerde des [X.] gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe wenige Tage zu spät bei Gericht eingegangen ist, um noch als unverzüglich erhoben angesehen werden zu können, ist die vom Kläger allenfalls zu vertre-tende Zustellungsverzögerung aber zumindest im Gesamtverlauf des Verfah-rens unerheblich, weil sie einen [X.]raum von 14 Tagen nicht überschritten hat (zu dieser Geringfügigkeitsgrenze vgl. [X.], [X.]. v. 20. April 2000 - [X.], [X.], 1140 m.w.N.).

II[X.]
Nach Zurückverweisung der Sache wird das Berufungsgericht die not-wendigen Feststellungen zu den bestrittenen Anfechtungsvoraussetzungen zu treffen haben. Dem [X.]n obliegt es, die Höhe der [X.], mit denen die erstattungspflichtige [X.] im [X.]punkt ihrer Überwei-sungen an den [X.]n hätte gegenüber der Schuldnerin aufrechnen [X.].

[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

Meta

IX ZR 71/02

21.10.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2004, Az. IX ZR 71/02 (REWIS RS 2004, 1063)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1063

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