Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2004, Az. IX ZR 70/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 4574

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/03Verkündet am:12. Februar 2004PreußJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]: ja[X.] § 143 Abs. 1; BGB §§ 362 Abs. 2, 185Eine tarifvertraglich zur Einziehung von [X.] der Arbeitgeber er-mächtigte Stelle kann auch insoweit als Anfechtungsgegnerin zur Rückgewähr ver-pflichtet sein, als sie [X.] eingezogene Beiträge an die hierzu [X.] ausgekehrt hat.[X.], [X.]eil vom 12. Februar 2004 - [X.]/03 - [X.]AG [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 12. Februar 2004 durch [X.] [X.] und die [X.]. [X.], [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Rechtsmittel des [X.] werden die [X.]eile der 10. Zivil-kammer des [X.] vom 29. Januar 2003 unddes Amtsgerichts [X.] vom 29. Juli 2002 aufgehoben, so-weit zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist.[X.] wird verurteilt, an den Kläger weitere 2.345,15 nebst 5 v.H. jährlichen Zinsen über dem Basiszinssatz seit [X.] Februar 2002 zu zahlen.[X.] hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.Von Rechts [X.]:Die damals bereits zahlungsunfähige Schuldnerin übergab [X.] September 1999 (Anlage [X.]) auf der Grundlage eines [X.] dem Gerichtsvollzieher 5.000 DM in bar zur Abführung an [X.] Zusatzversorgungskasse, einen Versicherungsverein auf Gegensei-tigkeit. [X.] zog außer den eigenen Beiträgen aufgrund tarifvertragli-- 3 -cher Ermächtigung auch die Beiträge anderer Sozialkassen der Bauwirtschaftvon den Arbeitgebern ein und führte hierüber Beitragskonten (§§ 3 und 24 [X.] über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe, Stand10. Dezember 1997 Œ im folgenden [X.]).Der Gerichtsvollzieher kehrte den Zahlbetrag nach Abzug von 15,50 DMVollstreckungskosten an den [X.]n aus, der hiervon 413,29 DM = 211,31 als eigenen Beitrag einbehielt. Den überschießenden Betrag leitete er an dieinsoweit berechtigten Sozialkassen weiter.Am 8. Dezember 1999 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermö-gen der Schuldnerin beantragt. Nach Eröffnung des Verfahrens verlangte derklagende Insolvenzverwalter den Zahlungsbetrag von dem [X.]n im [X.] zurück.Das Amtsgericht hat den [X.]n zur Rückzahlung des vereinnahmtenBeitrages von 211,31 abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg. Mit seiner- zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger den aberkannten Rückgewähr-anspruch weiter.Entscheidungsgründe:[X.] -Das [X.] ist der Ansicht des Amtsgerichts gefolgt, daß der [X.] zur Masse nur dasjenige zurückgewähren müsse, was er selbst erlangthabe. Soweit der [X.] den vollstreckten Betrag als tarifvertraglich ermäch-tigte Einzugsstelle für Rechnung anderer Kassen geltend gemacht, erhaltenund - wie hier - an die Berechtigten weitergeleitet habe, sei er nicht der [X.].[X.] diese Annahme des Berufungsgerichts wendet sich die Revisionmit Recht. Die Klage ist vollen Umfangs begründet.1. Die Revision beanstandet allerdings ohne Erfolg, daß das [X.] die Berufungsanträge (§ 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) nicht wiedergebe. [X.] Entscheidungsgründe des [X.]s lassen hinreichend erkennen, daßder Kläger den geltend gemachten Anspruch in seinem aberkannten Teil ohneEinschränkung weiterverfolgt und insoweit die Abänderung des erstinstanzli-chen [X.]eils erstrebt hat. Die Entscheidungsgründe enthalten die im [X.] hier noch genügende Angabe, daß die Berufung sich gegen die Teil-abweisung der Klage durch das Amtsgericht wende (vgl. zu den Anforderungenan das Berufungsurteil insoweit [X.], [X.]. v. 26. Februar 2003 [X.], NJW 2003, 1743; v. 30. September 2003 [X.] 438/02, NJW 2004,293 f).2. [X.] schuldet dem Kläger Rückgewähr auch der Sozialkas-senbeiträge, die er als tarifvertragliche Einzugsstelle [X.] gegen die- 5 -Schuldnerin vollstreckt und an die berechtigten Kassen ausgekehrt hat. Dabeiist der Anfechtungsgrund (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) zwischen den Parteiennicht mehr im Streit und wird auch von der Revisionserwiderung rechtlich nichtin Zweifel gezogen.a) Das [X.] ist in einer vom Berufungsgericht [X.] einschlägig betrachteten Entscheidung (abgedruckt [X.], 708, 710)zu dem Ergebnis gekommen, daß der Insolvenzverwalter die Zahlung von [X.] (§ 28d [X.]) gegenüber der [X.] (§ 4 Abs. 2 SGB V) als Einzugsstelle (§§ 28h, 28i [X.]) auch insoweitanfechten kann, als diese Beträge im Innenverhältnis anderen Versicherungs-trägern zustehen. Dem zugrunde liegt, daß nach der Rechtsprechung [X.] (insbesondere [X.], 118, 122 f) die Einzugsstellegemäß § 28h [X.] (ebenso schon nach § 1399 Abs. 1 RVO; vgl. auch § 121Abs. 1 [X.] und § 176 Abs. 1 [X.]) Verwaltungstreuhänderin der von ihr ein-zuziehenden Fremdbeiträge ist; ihr sind für den Beitragseinzug Rechte über-tragen worden, so daß sie gegenüber den Arbeitgebern als Inhaberin der Ge-samtforderung auftritt, selbst wenn im Innenverhältnis zu den anderen Versi-cherungsträgern deren Beiträge ein fremdes Recht bleiben. Im [X.] Schrifttum wird die Verwaltungshoheit der Einzugsstellen fürden Gesamtsozialversicherungsbeitrag so verstanden, daß sie auch [X.] sind (z.B. [X.]/[X.]/Sehnert, [X.]. § 28h[X.] Stand April 1999 Rn. 4; Wannagat/[X.], [X.]. § 28h [X.]Stand April 2003 Rn. 10 a.E.; vgl. ebenso [X.], 589, 590). [X.] spricht wegen der Verwaltungshoheit der [X.] vieles dafür, daß sie im Hinblick auf den verwalteten [X.] jedenfalls Insolvenzgläubiger im Sinne der [X.] -anfechtung sein können. Sie können [X.] mithin im Grundsatzauch zur Rückgewähr des [X.] verpflichteteEmpfänger im Sinne der §§ 143, 144 [X.] sein (vgl. dazu MünchKomm-[X.]/Kirchhof, § 143 Rn. 5).Demgegenüber haben das [X.] (aaO S. 589 f = [X.] 2002,660) und das [X.] ([X.]. v. 1. Februar 2002 - 2 U 20/01,Umdruck S. 7) Sozialkassen im Baugewerbe, die tarifvertragliche Arbeitgeber-beiträge in einem Gesamtbetrag einziehen, [X.] nicht [X.] solcher Beiträge angesehen, die anderen Sozialkassen zufließen(zustimmend HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 129 Rn. 89). Die Sozialkassen macheninsoweit nur fremde Ansprüche im eigenen Namen kraft tarifvertraglicher [X.] geltend ([X.] Nr. 1 und 11 zu § 4 TVG Gemeinsame Einrich-tungen).b) Zur Rückgewähr verpflichtet ist nach § 143 [X.] der Empfänger, [X.] Leistung des Schuldners erlangt hat (vgl. auch § 144 [X.]). Entgegen [X.] des Berufungsgerichts ist der [X.] danach auch insoweit Rückge-währschuldner gewesen, als er die tarifvertraglichen Arbeitgebersozialleistun-gen der Schuldnerin für fremde Rechnung einzuziehen hatte.Die bereicherungsrechtlich differenziert gelöste Frage, wer nach Abtre-tung nicht bestehender Ansprüche zur Herausgabe der [X.] verpflichtet ist, hat der [X.] in dem rechtlich ähnli-chen Zusammenhang der Insolvenzanfechtung eingezogener Gesamtsozial-versicherungsbeiträge ohne nähere Erörterung auch bisher schon zu [X.] gesetzlichen Krankenkassen als Einzugsstellen beantwortet (vgl. dazu- 7 -[X.]Z 149, 100; 178; [X.], [X.]. v. 10. Juli 2003 [X.], [X.]). Auf das Innenverhältnis der Einzugsstellen als Verwaltungstreuhänderder anderen Sozialversicherungsträger und auf die teilweise [X.] kommt es insoweit nicht an. Die Treugeber sind in [X.] nicht Anfechtungsgegner.In der insolvenzrechtlichen Wertung kann die Rechtsstellung des [X.]n als tarifvertragliche Einzugsstelle eines Gesamtsozialkassenbeitragsaber nicht anders beurteilt werden, obwohl hier ein treuhänderischer Rechts-übergang von den in das tarifvertragliche Leistungssystem eingebundenen So-zialkassen auf die Einzugsstelle nicht stattfindet. [X.] ist als Einzugs-stelle im Rahmen der Deckungsanfechtung gleichwohl wie ein Insolvenzgläubi-ger zu behandeln. Das Innenverhältnis zwischen der Einzugsstelle und denhinter ihr stehenden anderen Sozialkassen spielt auch für diese [X.] keine entscheidende Rolle.Im Außenverhältnis zu den Beitragsschuldnern besteht zwischen [X.] und tarifvertraglicher Einzugsstelle [X.] kein [X.] Unterschied. [X.] ist zur Einziehung der [X.] tarifvertraglich ermächtigt, soweit Beiträge an andere Sozialkassenabzuführen sind. Die Arbeitgeber können gemäß § 24 Abs. 1 [X.], § 362Abs. 2 BGB auf die Beitragsforderungen aller systemangehörigen [X.] nur an den [X.]n leisten; der [X.] hat die ausschließlicheEmpfangszuständigkeit der trarifvertraglich geregelten Arbeitgebersoziallei-stungen. [X.] ist für die Durchsetzung aller Beitragsforderungen destarifvertraglichen Systems Prozeßstandschafter, Titelgläubiger und [X.] im Sinne des § 725 ZPO (vgl. insoweit [X.], [X.]. v. 22. September- 8 -1982 [X.], NJW 1983, 1678 zur gewillkürten Prozeßstandschaft imallgemeinen). In Ausnutzung dieser Befugnisse ist der [X.] auch wie [X.] gegen die spätere Gemeinschuldnerin vorgegangen und hatihre Leistungen noch während der Krise mit [X.] beigetrieben.Diese [X.]e Interessenabwägung steht im Einklang mitden bereicherungsrechtlichen Lösungen, die auch anderweitig in der Anfech-tungsrechtsprechung des [X.] als Wertungsparallelen heran-gezogen worden sind (vgl. [X.]Z 142, 284, 287 für die Anweisungslage; [X.],[X.]. v. 5. Februar 2004 [X.], z.[X.]. für die [X.] gemäß § [X.]). Zum Bereicherungsrecht hat der [X.] entschieden, daßder Drittschuldner seine Leistung an den Vollstreckungsgläubiger von [X.] kann, wenn die zur Einziehung überwiesene Forderung nichtbesteht ([X.]Z 151, 127, 130 f). Auch dort ergibt sich die [X.] wie im [X.] aus der Einziehungsermächtigung und alleinigen [X.] (§ 836 Abs. 1 ZPO). Dagegen sinddie Leistungsbeziehungen im Streitfall mit einer Anweisungslage nicht ver-gleichbar, bei der die Schuldnerin dem [X.]n auf die fremden Beitragsan-sprüche nichts geleistet hätte. Denn es gibt kein Valutaverhältnis zwischen denanderen Sozialkassen, wenn man sie als [X.] der angewiesenenSchuldnerin denkt, und dem [X.]n, ihrer Einzugsstelle. Vielmehr mußteder [X.] die [X.] eingezogenen Arbeitgeberbeiträge nach § 667BGB an die insoweit berechtigten anderen Sozialkassen herausgeben.In der Gesamtschau spricht deshalb alles dafür, den trarifvertraglich ein-zugsermächtigten [X.]n auch insoweit selbst als Empfänger und damit als- 9 -Anfechtungsgegner zu betrachten, als er keine eigenen Beitragsansprüchevollstreckt hat.c) [X.] kann gegen den Anfechtungsanspruch des [X.] nichteinwenden, nach Weiterleitung der [X.] eingezogenen Beiträge an dieempfangsberechtigten Sozialkassen entreichert zu sein. Das [X.] Einwand durch § 143 Abs. 1 Satz 2 [X.] mit der Verweisung auf § 819Abs. 1, § 818 Abs. 4, §§ 292, 989 BGB für den Regelfall aus. [X.] sich zwar der gutgläubige Empfänger einer unentgeltlichen Leistung nach§ 143 Abs. 2 [X.] auf den [X.] berufen. Diese gesetzlicheAusnahme greift aber vorliegend nicht ein; denn den eingezogenen Arbeitge-berbeiträgen standen im Leistungsaustausch tarifvertragliche Ansprüche [X.] gegen die jeweiligen Sozialkassen gegenüber.Auch dem uneigennützigen Treuhänder des Schuldners hat der Senatbei der Bemessung des [X.]en Wertersatzes die Berufung [X.] gestattet, weil die formelle Rechtsstellung, die er erlangthat, von vornherein schuldrechtlich gebunden war (vgl. [X.]Z 124, 298, 303).In diesem Fall war aus dem Schuldnervermögen jedoch nur die formale, aufden Treuhänder übergegangene Rechtsposition ausgeschieden und anschlie-ßend zugunsten des Schuldners selbst wieder aufgegeben worden. Um einevergleichbare Gestaltung geht es im Streitfall nicht. Aus dem Vermögen [X.] war der an den Gerichtsvollzieher übergebene Geldbetrag recht-lich und wirtschaftlich endgültig [X.] -3. Der Kläger kann endlich die Rückgewähr der [X.], die der Gerichtsvollzieher von der Leistung der Schuldnerineinbehalten hat.Die Vorinstanzen haben die Klage in diesem Punkt ohne Gründe abge-wiesen (§ 547 Nr. 6 ZPO). Ob der absolute Verfahrensfehler hinreichend ge-rügt worden ist, mag offenbleiben. Denn das Revisionsgericht darf auch beizutreffender Rüge, daß das Berufungsurteil nicht mit Gründen versehen sei,wenn möglich nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden (vgl.[X.], [X.]. v. 28. September 1978 - [X.], [X.], 348, 349). [X.] es hier. [X.] hat nach begründeter Anfechtung auch die als Voll-streckungskosten einbehaltenen 15,50 DM dem Kläger zu ersetzen.Die Vollstreckungskosten sind gleichfalls dem haftenden Vermögen [X.] entzogen worden. [X.] schuldete diese Kosten dem [X.] als Auftraggeber nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 GvKostG und konntedafür von der (Vollstreckungs-)Schuldnerin nach § 788 ZPO Erstattung [X.]. Der eingezogene Betrag ist nach § 367 BGB mit Vorrang gegenüber [X.] auf diesen Kostenerstattungsanspruch angerechnet [X.], für den der [X.] selbst Insolvenzgläubiger war. [X.] hat in-soweit auf Kosten der Schuldnerin in anfechtbarer Weise die Befreiung vonden ihn treffenden Gerichtsvollzieherkosten erlangt. Dafür hat er der [X.] zu leisten. In dieser Hinsicht liegt der Streitfall anders als in [X.] des [X.]s Hamburg ([X.]eilsabdruck in [X.], 711, 715; zu-stimmend dazu MünchKomm-[X.]/Kirchhof, § 143 Rn. 5); denn dort war [X.] Krankenkasse als Einzugsstelle gemäß § 28h [X.] nicht zugleich- 11 -auch Vollstreckungsbehörde, sondern diese Zuständigkeit lag gemäß § 66Abs. 1 [X.], §§ 19, 4 Buchst. b) [X.] bei dem Hauptzollamt.[X.][X.][X.][X.]Cierniak

Meta

IX ZR 70/03

12.02.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2004, Az. IX ZR 70/03 (REWIS RS 2004, 4574)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4574

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.