Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.2009, Az. IX ZR 233/08

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 759

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/08 Verkündet am: 5. November 2009 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja [X.] § 28e Abs. 1 Satz 2; [X.] § 129 Abs. 1 Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den [X.] kann als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstellen angefochten werden. [X.], Urteil vom 5. November 2009 - [X.]/08 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 2009 durch den Vorsitzenden [X.] [X.], die [X.] Raebel, Prof. Dr. [X.], die [X.]in [X.] und den [X.] [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 28. November 2008 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Am 17. Januar 2008 erließ die beklagte gesetzliche Krankenkasse we-gen rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 5.333,43 • eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen die Schuldnerin, mit der sie auch deren Anspruch auf fortlaufende Auszahlung des jeweiligen Guthabens auf ihrem Bankkonto pfändete. Die Schuldnerin beantragte am 28. Januar 2008 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Die Bank der Schuldnerin überwies am 7. Februar 2008 von dem gepfändeten Konto, auf welchem sich damals ein Guthaben von 12.379,63 • befand, den rückständigen Betrag in voller Höhe. Am 22. Februar 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger in demselben zum [X.] ernannt. 1 - 3 - Der Kläger hat die Rechtshandlung der Beklagten unter Berufung auf § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] angefochten. Die Beklagte ist der Anfechtung des auf die Schuldnerin als Arbeitgeberin entfallenden Anteils an den Gesamtsozialver-sicherungsbeiträgen nicht entgegengetreten und hat deshalb schon [X.] die Hälfte des erlangten Betrages an den Kläger zurücküberwiesen. Mit seiner Klage verlangt der Insolvenzverwalter noch Rückzahlung der zweiten Beitragshälfte von 2.666,71 •, die paritätisch von den vormaligen [X.] der Schuldnerin zu tragen war. Die Parteien streiten ausschließlich [X.], ob der Anfechtbarkeit insoweit § 28e Abs. 1 Satz 2 [X.], eingefügt durch Art. 1 Nr. 17 Buchst. a) des Gesetzes zur Änderung des [X.] Sozial-gesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007 ([X.] I S. 3024), entgegensteht. 2 Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.], dessen Urteil in [X.], 185 veröffentlicht worden ist, hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. 3 Entscheidungsgründe: Die Revision ist unbegründet. 4 [X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, dass auch der [X.] an den [X.] aus dem Vermögen der 5 - 4 - Schuldnerin entnommen worden sei und daher die Insolvenzmasse schmälere. Da die Pfändung und Einziehung des gegen die Bank gerichteten Auszah-lungsanspruchs im [X.]raum gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erfolgt seien, sei der auf diese Weise erlangte Betrag zurückzugewähren. Der [X.] des hälftigen Arbeitnehmeranteils an dem Gesamtbetrag zum Vermögen der Schuldnerin stehe die Neuregelung des § 28e Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht entgegen. Diese sei im Streitfall schon nicht einschlägig, weil die Beklagte ihre Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt habe. Eine Maß-nahme der [X.] [X.] nicht mehr dem in § 28e Abs. 1 Satz 2 [X.] verwendeten Begriff der Zahlung, welcher eine freiwillige Leistung voraussetze. Überdies erforderten Sinn und Zweck der Neuregelung auch generell keinen Ausschluss der Anfechtung. Das erklärte Ziel der Bundes-regierung, die den Gesetzentwurf eingebracht habe, sei gewesen, den "[X.]" in der Insolvenz des Arbeitgebers zu sichern. Dieser Zweck werde nicht gefährdet, wenn die Einzugsstellen der Sozialversicherungs-träger den Arbeitnehmeranteil der Insolvenzmasse zurückgewähren müssten. Den Schutz der Versicherungsansprüche erreiche schon die gesetzliche Fiktion im Verhältnis zwischen Sozialversicherungsträger und Arbeitnehmer. Es [X.] dazu keiner Besserstellung der Sozialversicherungsträger in der Insolvenz des Arbeitgebers. I[X.] Dagegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg. [X.] ist allerdings die Annahme der Vorinstanzen, Vermögensverschiebungen, welche die gesetzlichen Einzugsstellen der Sozialversicherung im [X.] - 5 - streckungswege erzwungen hatten, seien keine Zahlungen im Sinne des § 28e Abs. 1 Satz 2 [X.]. 1. Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung hat das Berufungsge-richt angenommen, dass die Pfändung und Einziehung des [X.] der Schuldnerin nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] angefochten werden konnte. Die Pfändungs- und Überweisungsverfügung erließ die Beklagte elf Tage vor [X.] des Insolvenzantrags, stellte sie der Bank als Drittschuldnerin zu und erhielt das Guthaben zehn Tage nach Antragsstellung ausgezahlt. Die während der [X.] im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung ist inkongruent ([X.] 157, 350, 353; 167, 11, 14 f Rn. 9). Weitere Voraussetzun-gen einer erfolgreichen Anfechtung verlangt § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] nicht. 7 2. Die Revision verfolgt den Rechtsstandpunkt der Beklagten weiter, der Einzug von Sozialversicherungsbeiträgen sei seit dem 1. Januar 2008 gemäß § 28e Abs. 1 Satz 2 [X.] der Insolvenzanfechtung entzogen, soweit es sich um Arbeitnehmeranteile handelt. Diese Frage hat der Senat in seinem Be-schluss vom 27. März 2008 ([X.] ZR 210/07, [X.], 747, 749 Rn. 12) zum zeitlichen Geltungsbereich der neu geschaffenen Fiktion noch offenlassen [X.]. Sie ist nunmehr entscheidungserheblich. Der hierauf zielende Revisions-angriff dringt jedoch nicht durch. 8 a) Nach der Rechtslage vor dem 1. Januar 2008 ist in der Rechtspre-chung des [X.] (zusammenfassend [X.], Urt. v. 8. Dezember 2005 - [X.] ZR 182/01, [X.], 290 ff m.w.N.) die Insolvenzanfechtung von Zahlungen der Arbeitgeber an die Einzugsstellen des [X.] als Rückgewähr (§ 143 [X.]) im Zweipersonenverhältnis aufge-fasst worden. Unerheblich war, ob dem in der [X.] ein Lohnabzug 9 - 6 - gemäß § 28g [X.] vorausging. Selbst wenn man darin eine vorweggenom-mene Erstattung aus dem [X.] und damit eine Leistung des [X.] an den Arbeitgeber sehen wollte, käme es hierauf anfechtungs-rechtlich gegenüber den Einzugsstellen der Sozialversicherungsträger nicht an. Denn in der hiernach denkbaren [X.] vollzieht sich die Anfechtung für jede Leistungshandlung der Kette getrennt (vgl. [X.], Urt. v. 19. Februar 2009 - [X.] ZR 16/08, [X.], 809, 810 Rn. 11). b) Demgegenüber hat die Bundesregierung in ihren Gesetzesvorlagen für die Einfügung von § 28e Abs. 1 Satz 2 [X.] (dem insoweit nicht Gesetz gewordenen Artikel 5 des Entwurfs eines Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung vom 9. März 2006 - BT-Drucks. 16/886 - und dem unverändert verabschiedeten Art. 1 Nr. 17 ihres Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des [X.] Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 28. September 2007 - BT-Drucks. 16/6540) betont, dass der [X.] des Arbeitnehmers die Abfüh-rung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages durch den Arbeitgeber umfasse, soweit er nach § 28g [X.] vom Lohn des Beschäftigten einbehalten worden sei (ebenso [X.], 150 ff). Die Erfüllung dieses Leistungsteils als [X.] müsse auch im Insolvenzfall gesichert werden. 10 Von dieser Zielsetzung der Bundesregierung ausgehend kann die [X.] ihres vom Gesetzgeber angenommenen Lösungsvorschlages für die Rechtsauslegung nicht sicher erschlossen werden. Denn danach hätte die Schlussfolgerung näher gelegen, die Abführung einbehaltener [X.]e durch den beitragspflichtigen Arbeitgeber an die gesetzlichen Einzugsstel-len der Sozialversicherung vollziehe sich im [X.], ähnlich einem echten Vertrag zugunsten Dritter. Dem Leistungsanspruch des [X.] - gemäß § 328 Abs. 1 BGB entspräche die Forderung der Einzugsstelle auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28e Abs. 1 Satz 1 [X.]. Dem [X.] gemäß § 335 BGB entspräche der arbeitsvertragliche Abführungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den [X.]. Die anfechtungsrechtliche Folge dieser Sichtweise könnte sein, dass die Abführung der Arbeitnehmeranteile an die Einzugsstellen der Sozialversiche-rung regelmäßig als Doppeldeckung nur dann hätte angefochten werden [X.], wenn die Voraussetzungen dazu gegenüber beiden Gläubigern bestanden hätten. Vom Vorschlag einer solchen gesetzgeberischen Lösung hat die [X.] aus nicht dargelegten Gründen - möglicherweise überwiegenden praktischen Bedenken, weil sie die vermehrte Anfechtung von Lohnzahlungen an Arbeitnehmer erwarten ließe - indes abgesehen. c) Der Wortlaut von § 28e Abs. 1 Satz 2 [X.] lässt verschiedene Aus-legungen des fingierten Tatbestandes zu. Insbesondere bringt der Wortlaut schon keine Klarheit darüber, ob die Zahlung des vom Beschäftigten zu [X.] [X.] als unmittelbar oder mittelbar aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht gelten und welche Rechtshand-lung hierfür maßgeblich sein soll. [X.] können sich hieraus und aus weiteren Umständen erhebliche Unterschiede ergeben. 12 aa) Soll die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des [X.] als unmittelbar aus seinem Vermögen er-bracht gelten, so würde es sich ohne weitere Veränderungen der Geschehens-abläufe und Rechtslage um die teilweise Tilgung der Arbeitgeberschuld aus § 28e Abs. 1 Satz 2 [X.] durch Drittzahlung des Arbeitnehmers gemäß § 267 BGB handeln. Diese Zahlung kann nicht als zweiter Teil einer Leistungs-kette verstanden werden, weil eine Rechtshandlung des Arbeitnehmers fehlt 13 - 8 - und der Arbeitgeber durch dieselbe Rechtshandlung, teils für Rechnung des Arbeitnehmers, auch dessen [X.] erfüllt. Deshalb würde es sich um eine mittelbare Zuwendung des Arbeitgebers an die Einzugsstelle durch eine fiktiv unmittelbar aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbrachte [X.] handeln (vgl. [X.], Urt. v. 19. Februar 2009, aaO). Jedenfalls durch die Erfüllung des [X.]s gegenüber dem Arbeitnehmer erbringt der Arbeitgeber auch bei dieser fingierten Fallgestaltung ein eigenes Vermögensop-fer, welches zur Benachteiligung seiner Gläubiger gemäß § 129 Abs. 1 [X.] führt. Dieses Vermögensopfer kann nach der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung nicht hinweggedacht werden; denn ihre Erwägungen be-ruhen gerade auf dem [X.] des Arbeitnehmers und beurteilen den vom Gesetz bestimmten tatsächlichen Zahlungsfluss als abgekürzten Leis-tungsweg (Abschöpfung an der Quelle) vom Arbeitgeber über den Arbeitneh-mer zur Einzugsstelle. Der Mittelabfluss für die Beitragsentrichtung beim [X.] ist real, so dass sich die von der Revision in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage hier nicht stellt, ob insgesamt nur fingierte [X.] zur anfechtungsrechtlichen Rückgewähr führen können. Für die fiktive Begründung einer eigennützigen Treuhand des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitnehmers fehlen hinreichend deutliche Anhaltspunkte (anders aber [X.] [X.] Z[X.] 2008, 178, 183 unter [X.]; [X.] Z[X.] 2008, 169, 175; [X.], Festschrift für [X.] [2008] [X.], 272). In der Insolvenz des Arbeitgebers kann die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages - zur Hälfte als mit-telbare Zuwendung - gegenüber den Einzugsstellen im Ergebnis dann so ange-fochten werden wie bisher. Ein Bargeschäft gemäß § 142 [X.] ist bei der Anfechtung einer mittelba-ren Zuwendung der Arbeitnehmeranteile an die Einzugsstelle durch den [X.] ausgeschlossen. Da von den Sozialversicherungsträgern in das [X.] - 9 - gen der Arbeitgeber keine Leistung gelangt, kommt ein Bargeschäft nur für das Deckungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Betracht. Der [X.] hat jedoch bei einer mittelbaren Zuwendung so zu stehen, als habe er den Leistungsgegenstand vom Insolvenzschuldner erworben ([X.], Urt. v. 5. Februar 2004 - [X.] ZR 473/00, [X.], 917, 918 f). Selbst wenn man dies im Grundsatz anders sehen wollte (vgl. etwa [X.], aaO S. 273), so wäre hier der Bargeschäftseinwand durch die Inkongruenz der Einzelzwangsvollstre-ckung innerhalb des Dreimonatszeitraums ([X.] 136, 309, 311 ff; 157, 350, 353; 162, 143, 149) ausgeschlossen. Erweiterte man die Fiktion in der Weise, dass der Zahlungsweg der Ar-beitnehmeranteile von der Quelle zur Einzugsstelle als [X.] vom Ar-beitgeber zum Arbeitnehmer und von dort weiter infolge einer fiktiven [X.] an das Endziel verläuft, so wäre die Anteilsabfüh-rung in der Insolvenz des Arbeitgebers als Erfüllung des [X.]s nur gegenüber dem Arbeitnehmer anzufechten. Damit würde aber der [X.], der ihm durch die Abführung des Arbeitnehmeranteils verschafft worden ist, nicht gesichert, sondern im Gegenteil gefährdet werden. Der Arbeitnehmer könnte verpflichtet sein, den mit Erfüllung des Bruttolohnan-spruchs fiktiv in sein Vermögen übernommenen Arbeitnehmeranteil des [X.] dem Insolvenzverwalter des Arbeitgebers nach § 143 [X.] zurück zu gewähren. Entgegen dem von der Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingenommenen Standpunkt könnte eine entsprechend erweiterte Fiktion vor dem Tatbestand des § 143 Abs. 1 [X.] nicht halt machen und würde somit den nur fiktiven ebenso wie einen [X.] Leistungsempfänger dem Rückgewährrisiko aussetzen. Dieses Risiko [X.] auch nicht ausgeglichen durch die Chance, dass dann im Falle der [X.] dessen Insolvenzverwalter oder Insolvenzgläubiger (§ 313 15 - 10 - Abs. 2 [X.]) die fiktive Zahlung des Arbeitnehmers an die Einzugsstelle [X.] ebenfalls anfechten könnten, so dass die Einzugsstellen der Sozialversi-cherungsträger gezwungen sein könnten, nunmehr in der (Verbraucher-) Insol-venz von Arbeitnehmern die fiktiv von diesen gezahlten Arbeitnehmeranteile zurückzugewähren. Das braucht an dieser Stelle nicht vertieft zu werden, weil ohnehin feststeht, dass die Folgen einer dermaßen erweiterten Fiktion dem arbeitnehmerschützenden Zweck des § 28e Abs. 1 Satz 2 [X.] zuwiderlie-fen. [X.]) Soll die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des [X.] als mittelbar aus seinem Vermögen erbracht gelten, so liefe die mittelbare Zuwendung vom Arbeitnehmer über den [X.] an die Einzugsstelle. Der unmittelbar zahlende Arbeitgeber wäre als [X.]smittler des Beschäftigten zu behandeln. In diese Rolle wollte die Bundes-regierung den Arbeitgeber bei der Lohnsteuerzahlung trotz eigener Abfüh-rungspflicht gemäß § 41a Abs. 1 Nr. 2 EStG durch ihren mit § 28e Abs. 1 Satz 2 [X.] wortgleichen Vorschlag eines § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG in Art. 3 ihres Gesetzentwurfs vom 9. März 2006 (BT-Drucks. 16/886 S. 13) hineindrängen. Dem lag die fragwürdige Annahme zugrunde, die Rechtslage sei auf den Rechtsgebieten der Lohnsteuerabführung und Entrichtung der Gesamtsozial-versicherungsbeiträge durch die Arbeitgeber "vergleichbar" und solle deshalb mit den vorgeschlagenen § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG und § 28e Abs. 1 Satz 2 [X.] einheitlich geregelt werden. Voraussetzung der hier erörterten [X.] ist aber, dass nach § 38 Abs. 2 EStG der Arbeitnehmer selbst Schuldner der Lohnsteuer ist, die der Arbeitgeber als Dritter gemäß § 267 BGB erfüllen kann. 16 - 11 - Der Steuerabzug vom Arbeitslohn gemäß § 38 Abs. 1 und 3 EStG kann im [X.] tatsächlich allenfalls das erste Teilstück einer Leis-tungskette vom Arbeitnehmer über den Arbeitgeber zum Finanzamt sein; denn mit dem Lohnabzug ist weder die Abführungspflicht des Arbeitgebers aus § 41a Abs. 1 Nr. 2 EStG erfüllt noch die Steuerschuld des Arbeitnehmers getilgt. Die Anfechtung dieser Leistungen fände dann innerhalb der einzelnen Teilstücke der [X.] statt. [X.] das Finanzamt dagegen die Lohnsteuer durch mittelbare Zuwendung aus dem Vermögen des Arbeitnehmers, durch die zu-gleich die Steuerschuld des Arbeitnehmers getilgt und sein [X.] erfüllt wird, so würde die Anfechtung der Lohnsteuerzahlungen nicht mehr in der Arbeitgeber-, sondern in der [X.] stattfinden müssen. Allerdings würde auch diese Verlagerung nur um den Preis einer nicht stets un-anfechtbaren Bruttolohnzahlung an den Arbeitnehmer im Falle der [X.] möglich sein. 17 Eine dem genannten Entwurf eines § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG entspre-chende Wirkungsweise von § 28e Abs. 1 Satz 2 [X.] ist nach allem nicht anzunehmen. Es fehlt an einem Beitragsteilschuldverhältnis zwischen [X.] und Einzugsstelle. Dieses kann durch die Fiktion einer (mittelbaren) Zahlung aus dem Vermögen des Arbeitnehmers nicht ersetzt werden. Vielmehr müsste dann § 28e Abs. 1 Satz 1 [X.] geändert werden. Außerdem würde das neu entstehende Anfechtungsrisiko für den Arbeitnehmer dem erklärten Zweck des [X.] widersprechen, dessen Besitzstand hinsicht-lich der Arbeitnehmeranteile in der Insolvenz (gemeint wohl: des Arbeitgebers) zu schützen. 18 - 12 - d) Der Senat verkennt nicht, dass das von der Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vom 28. September 2007 verschleierte Ziel des § 28e Abs. 1 Satz 2 [X.] ebenso wie in ihrer früheren Vorlage vom 9. März 2006, wo [X.] offen angesprochen worden ist (BT-Drucks. 16/886 S. 15), hauptsächlich der Schutz der Sozialversicherungsträger vor Beitragsrückgewähr in der [X.] gewesen sein kann. So ist die Vorlage vom 28. Sep-tember 2007 während der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im [X.] auch von dem Abgeordneten [X.] (Protokoll der 118. Sit-zung vom 11. Oktober 2007 S. 12324 B und C) und fast von dem gesamten rechtswissenschaftlichen Schrifttum und einem Teil der [X.] worden. Ob dies zutrifft, mag dahinstehen. Denn es ist schon nicht feststellbar, ob diese Zielsetzung von den gesetzgebenden Körperschaften in ihren Regelungswillen aufgenommen worden ist. Dagegen spricht, das weder im [X.] noch im Bundesrat die Vorlage vom 28. September 2007 in den für das Insolvenzrecht zuständigen Ausschüssen beraten worden ist. 19 Eine Fiktion, mit welcher sich der Gesetzgeber behilft, indem er für die Rechtsanwendung einen tatsächlich nicht bestehenden Sachverhalt schafft, kann nur in beschränktem Umfang nach dem verfolgten Ziel ausgelegt werden. Welche Rechtsfolgen der fingierte Tatbestand hat, bestimmt das sonstige Recht, an welches der [X.] gebunden ist und welches der [X.] hier anderweitig ausgelegt hat. Ergibt sich danach aus einer gesetzlichen Fiktion nicht die Rechtsfolge, auf die es der Gesetzgeber abgesehen hat, so kann der [X.] ihn vor seinem Rechtsirrtum nicht schützen. Lediglich dann, wenn der fingierte Tatbestand selbst auslegungsbedürftig und auslegungsfähig ist, kann der [X.] die Auslegung des bindend unterstellten Sachverhalts so vornehmen, dass der Zweck einer Fiktion nach den allgemeinen Gesetzen 20 - 13 - möglichst erreicht wird. In diesem Sinne ist der Senat bei seiner Entscheidung verfahren. Ganter Raebel [X.] [X.] Pape Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 11.07.2008 - 17 C 64/08 - [X.], Entscheidung vom [X.]/08 -

Meta

IX ZR 233/08

05.11.2009

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.2009, Az. IX ZR 233/08 (REWIS RS 2009, 759)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 759

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