Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2012, Az. 4 StR 469/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 9894

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 469/11

vom
24. Januar 2012
in der Strafsache
gegen

wegen
versuchten Mordes
u.a.
hier:
Anhörungsrüge
u.a.

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Der 4. Strafsenat des [X.] hat am 24. Januar
2012
beschlos-sen:
1.
Die Befangenheitsanträge des Verurteilten vom 29. [X.] 2011
gegen Vorsitzenden [X.] am Bundesge-richtshof [X.] und [X.] am [X.] [X.] werden als unzulässig verworfen.

2.
Die Anhörungsrüge
sowie die "weiteren
Grundrechtsrü-gen" des Verurteilten
vom 29. Dezember 2011
gegen den [X.]sbeschluss vom 21. Dezember
2011
werden
auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

Der [X.] hat mit
Beschluss vom 21. Dezember 2011 die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des [X.] vom
26. Mai 2011
gemäß § 349 Abs. 2 [X.] als unbegründet
verworfen. Mit seiner dagegen erhobenen Anhörungs-
sowie einer "weiteren
Grundrechtsrüge" beanstandet
der Verurteilte
unter anderem, dass das Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 2, 3 [X.] nicht durchgeführt werden durfte
und das [X.] ge-gen die Verfassung verstoße.
Zugleich hat er den Vorsitzenden [X.] am [X.] [X.] und [X.] am [X.] [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

1. Die Befangenheitsanträge sind unzulässig.

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a) Ihnen liegt im Wesentlichen Folgendes zugrunde:

Der Verteidiger des Verurteilten hatte das Rechtsmittel gegen das Urteil des
[X.] vom 26. Mai 2011, mit dem der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden war, mit mehreren Verfahrensrügen und der Beanstandung der Anwendung des materiellen Rechts begründet. In seiner Antragsschrift vom 27. September 2011
nahm der [X.] zu der Sachrüge ausführlich Stellung, zu den erhobenen Verfahrensrügen führte er indes lediglich aus, dass die Beanstandung, ein Be-weisantrag sei zu Unrecht zurückgewiesen worden, unzulässig sei, weil die Re-vision
weder den Beweisantrag noch den daraufhin ergangenen [X.] mitgeteilt habe.

Dies war offensichtlich unzutreffend. Deshalb
nahm der Berichterstatter des [X.]s fernmündlich Kontakt mit dem
Leiter des zuständigen Referats des [X.]s auf und teilte ihm mit, dass die Antragsschrift zu den Verfahrensrügen den Vortrag des Revisionsführers nicht ausschöpfe. [X.]

kündigte daraufhin eine ergänzende Stellungnahme an, die am 16. November 2011 beim [X.] einging; in
"Ergänzung" des Antrags vom 27. September 2011 nahm der [X.] dort zu den vom [X.] des Verurteilten erhobenen Verfahrensrügen im Einzelnen Stellung und kam zu dem Ergebnis, dass keine der Verfahrensrügen durchgreife. Zu der "Er-gänzung" erklärte sich
der Verteidiger des Verurteilten mit Schriftsatz vom 18.
November 2011. Ferner wurde ihm mit Schreiben des Berichterstatters vom 21. November 2011 mitgeteilt, dass er innerhalb zwei Wochen nach Zugang der "Ergänzung" durch den
[X.], also innerhalb der Frist, die §
349 Abs. 3 Satz 2 [X.] vorsehe, zu dieser Stellung nehmen könne. Nach-3
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dem innerhalb dieser Frist keine weitere Stellungnahme eingegangen war, ver-warf der [X.] mit Beschluss vom 21. Dezember 2011 das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet.

Mit seinen Befangenheitsanträgen macht der Beschwerdeführer insbe-sondere geltend, dass ein "Prozesshandlungshindernis für die [X.] als Antragstellerin" in dem Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 2 [X.] bestanden habe, da der Sachbearbeiter der [X.] durch die "grobe Panne", nämlich die offensichtlich unzutreffende Behauptung zur Unzu-lässigkeit der Verfahrensrüge in der Antragsschrift vom 27. September 2011, befangen gewesen sei. Die abgelehnten [X.] hätten ihre Pflicht verletzt, entweder auf die Ablösung des befangenen Staatsanwalts hinzuwirken oder
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statt einen neuen Verwerfungsantrag zu bestellen -
wegen "des Prozesshand-lungshindernisses für den befangenen Staatsanwalt vom Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 2 [X.] abzuweichen" (S. 3 f. des Schriftsatzes des [X.]s des Verurteilten vom 29. Dezember 2011).

b)
Das Ablehnungsgesuch des Verurteilten ist verspätet und daher unzu-lässig
(§ 26a Abs. 1 Nr. 1 [X.]).

Entscheidet das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung im [X.] (hier gemäß § 349 Abs. 2 [X.]), so kann ein Ablehnungsgesuch in ent-sprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 [X.] nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist ([X.], Beschluss
vom 2. Mai 2007 -
2 BvR 2655/06, [X.], 709, 710; [X.], Beschlüsse vom 13. Februar 2007 -
3 [X.], [X.], 416; vom 19. August 2010
-

4 [X.]; [X.], [X.], 54. Aufl., § 25 Rn. 11 mwN).

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Dies in Frage zu stellen bietet der vorliegende Fall keinen Anlass. Denn dem Angeklagten war es nach Zustellung der "Ergänzung" des Antrags des [X.]s vom
10. November 2011 und der erneuten Fristgewäh-rung unter ausdrücklichem Hinweis auf § 349 Abs. 3 Satz 2 [X.], aus dem deutlich zu erkennen war, dass der [X.] eine Entscheidung im Beschlussver-fahren in Erwägung zieht, unbenommen, seine [X.] schon vor der Entscheidung des [X.]s vom 21. Dezember 2011 anzubringen.

Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die Ablehnung
mit einem [X.] nach §
356a [X.] verbunden wird, der sich, wie im vorliegenden Fall (sie-he
unten 2.) deswegen als unbegründet erweist, weil die gerügte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nicht vorliegt, so dass insoweit nicht mehr in eine er-neute Sachprüfung einzutreten ist. Denn § 356a [X.] verfolgt allein den Zweck, dem Revisionsgericht, das in der Sache entschieden hat, Gelegenheit zu geben, im Falle des Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör diesem Mangel durch erneute Sachprüfung selbst abzuhelfen, um hierdurch ein Verfassungsbeschwerdeverfahren zu vermeiden. Der Rechtsbehelf dient hin-gegen nicht dazu, einem unzulässigen Ablehnungsgesuch durch die unzutref-fende Behauptung einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG doch noch Geltung zu verschaffen ([X.] aaO; ferner Beschluss vom 22. November 2006 -
1 [X.]/06).

Soweit der Verteidiger des Verurteilten die Befangenheitsanträge auf die "Überforderung" der abgelehnten [X.] durch die Aufgabenzuweisungen in dem ab 1. Januar 2012 geltenden Geschäftsverteilungsplan des Bundesge-richtshofs
stützt und meint, "ausnahmsweise rückwirkend" im Verfahren über die Anhörungsrüge diese Befangenheitsanträge anbringen zu können (S. 3 des Schriftsatzes vom 6. Januar 2012), verfängt auch dies nicht. Die dem zugrunde 9
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liegende Annahme des Verteidigers des -
damals in Untersuchungshaft befind-lichen -
Verurteilten, der [X.] habe am 21. Dezember 2011 im [X.] über die Revision entschieden, weil er ab dem 1. Januar 2012 und in einer erst dann möglichen Hauptverhandlung nicht mehr ordnungsgemäß besetzt sei, entbehrt jeder Grundlage. Es besteht daher kein Anlass, die vom Verteidiger im Schriftsatz vom 23. Januar 2012 angekündigte Stellungnahme zu den "Ent-scheidungen vom 11. Januar 2012" (ersichtlich zur Besetzung des 2. und 4.
Strafsenats des [X.]) abzuwarten.

c) Infolge der Unzulässigkeit der [X.] bedurfte es weder der Einholung dienstlicher Stellungnahmen durch die abgelehnten [X.] (vgl. [X.] aaO § 26 Rn. 14 mwN), noch schieden diese aus dem Spruch-körper, der über die Anträge nach der Geschäftsverteilung des [X.]s zu ent-scheiden hat, aus (§ 26a Abs. 2 Satz 1 [X.]).

2. Die Anhörungs-
sowie die "weitere
Grundrechtsrüge"
des Verurteilten haben
ebenfalls keinen Erfolg.

a) Der [X.] hat bei seiner Revisionsentscheidung weder Verfahrens-stoff noch Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der [X.] zuvor nicht gehört worden ist. Auch wurde weder zu berücksichtigendes [X.] übergangen, noch in sonstiger Weise der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör verletzt.
Der [X.] hat bei seiner Entscheidung vielmehr das Revisionsvorbringen des Angeklagten bzw. seines Verteidigers in vollem Um-fang bedacht und gewürdigt, es aber für nicht durchgreifend
erachtet. Da
sich der [X.] in seiner Antragsschrift vom 27. September 2011
und der ergänzenden Stellungnahme vom 10. November
2011 sowohl zur Unbe-gründetheit
der Sachrüge als auch zur
Erfolglosigkeit der
Verfahrensrügen
ge-12
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äußert hat, haben
es weder Art. 103 Abs. 1 GG noch strafprozessuale [X.] geboten, im Rahmen der
Entscheidung nach § 349 Abs. 2 [X.] diese Ausführungen zu wiederholen oder zu ihnen -
auch bei Berücksichtigung des Vorbringens in dem außerhalb der [X.] eingereichten Schriftsatz vom 18. November 2011 -
ergänzend Stellung zu nehmen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 29. März 2007 -
2 BvR 120/07; vom 17. Juli 2007
-
2 BvR 496/07; vom 29. Januar 2008

2 BvR 2556/07; ferner: [X.], Be-schluss vom 8. Dezember
2010 -
1 BvR 1382/10, NJW 2011, 1497).

Die "weitere
Grundrechtsrüge" ist nicht statthaft. Sie hätte auch als Ge-genvorstellung keinen Erfolg, zumal der [X.] die Bedenken des Verteidigers des Verurteilten gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 356a [X.] und § 211 StGB nicht teilt.

b) Im Hinblick auf die Ausführungen des Verteidigers des Verurteilten in den Schriftsätzen vom 6. und 23. Januar 2012 bemerkt der [X.] ergänzend:

Es entbehrt jeder Grundlage, dass der [X.] beim [X.] einen Antrag "bestellt" habe. Dies wird nicht nur durch den Vermerk des Be-richterstatters über das Telefongespräch mit [X.]

vom 12. Oktober 2011 belegt, sondern auch dadurch, dass der Generalbundesan-walt seinen Verwerfungsantrag bereits mit der Übersendung der Akten an den [X.] gestellt und später nicht abgeändert hat. Das Verfahren, mit dem dem [X.] Gelegenheit zur Ergänzung seiner Antragsschrift und anschließend dem Verteidiger zur nochmaligen Stellungnahme gegeben wurde, diente allein der Gewährung umfassenden rechtlichen Gehörs vor der Ent-scheidung des [X.]s.

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c) Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 [X.] ([X.], Beschluss vom 14. April 2011 -
1 [X.] mwN).

Ernemann Roggenbuck Franke

Mutzbauer Bender

18

Meta

4 StR 469/11

24.01.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2012, Az. 4 StR 469/11 (REWIS RS 2012, 9894)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9894

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4 StR 469/11

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