Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2015, Az. V ZR 214/14

V. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 8039

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:160715BVZR214.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 214/14

vom

16. Juli 2015

in dem Rechtsstreit

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 16. Juli
2015
durch die
Vorsit-zende
Richterin
Dr.
[X.], die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und [X.] Czub, Dr. Kazele
und Dr. Göbel
beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des [X.] -
9. Zivilsenat -
vom 5.
September 2014 unter Zurückweisung der Beschwerde im Üb-rigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage ab-gewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens beträgt

Gründe:

I.

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in [X.], die rückwärtig an ein Fleet grenzen. Auf dem Grundstück der Klägerin
steht ein Kontorhaus aus dem späten 19. Jahrhundert. Auch auf dem Grundstück der Beklagten stand ein Geschäftshaus. Beide Gebäude verfüg(t)en über eigene Giebelwände, die allerdings seinerzeit an der Grundstücksgrenze auf einem 1
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gemeinsamen Fundament standen, das aus Klinkersteinen
mit eingemauerten [X.] besteht. Wegen der schwierigen Bodenverhältnisse ließ die [X.] den im [X.] befindlichen Teil ihrer Giebelwand an der Grenze zum [X.] der Klägerin zunächst stehen und erst nach Verfüllung ihres Grundstücks in diesem Bereich abbrechen. Auch ließ sie die für die notwendige [X.] ihres Neubaus benötigten
über 100 Bohrpfähle nicht einrammen, sondern im [X.] einbringen. Während dieser und begleiten-der Arbeiten traten an der Giebelwand der Klägerin Risse auf, für die die Kläge-rin die Beklagte verantwortlich macht. Sie verlangt von ihr Ersatz der Kosten für die Restabilisierung ihres Gebäudes, die sachverständige und anwaltliche Be-gleitung des Vorhabens sowie die Beseitigung der unmittelbaren Schäden, die durch die Risse entstanden sind, und für die Abplanung ihrer Giebelwand. [X.] Kosten beziffert sie mit 403.Verantwortung ab. Die Risse seien die Folge allein der fehlende [X.] der Klägerin.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen
und die Klägerin auf die im Beru-fungsverfahren erhobene Widerklage verurteilt, der Beklagten als Ersatz für die Kosten der Abdichtung einer [X.]wand am Gebäude der Klägerin 24.891nebst Zinsen zu ersetzen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der [X.].

II.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts scheitert ein Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Eigentumsverletzung durch Verletzung der [X.] daran, dass die Beklagte
nicht selbst tätig geworden sei, 2
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sondern Fachfirmen mit der Planung und Durchführung der Arbeiten beauftragt habe und dass Fehler bei der Auswahl der Firmen oder bei der [X.] nicht ersichtlich seien. Das gelte im Er-gebnis auch für eine Haftung der Beklagte wegen unzulässiger Vertiefung aus § 823 Abs. 2 i.V.m.
§ 909 BGB,
wobei schon Zweifel an dem Vorliegen einer Vertiefung im Sinne der genannten Vorschrift bestünden. Einen
Anspruch ana-log §
906 Abs. 2 Satz 2 BGB habe die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Sie stütze sich zwar auf das Gutachten im gerichtlichen Beweisverfahren. Der Ge-richtsgutachter gehe aber von Voraussetzungen aus, die zwischen den [X.] umstritten seien und die die Klägerin weder schlüssig vorgetragen noch ordnungsgemäß unter Beweis gestellt habe.
Den [X.] habe die Klägerin dem Grunde nach anerkannt.

III.

Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich der Klage nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das
Berufungsgericht insoweit den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Hinsichtlich der Verurteilung der Klägerin auf die Widerklage liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs.
2 ZPO dagegen nicht vor.

1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.
Die Vorschrift verlangt auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Dazu gehört der Antrag einer Partei auf mündliche Anhörung des gerichtlichen Sach-verständigen, und zwar auch des Sachverständigen aus einem vorausgegan-genen selbständigen Beweisverfahrens. Denn dieses Recht ist den Parteien nicht nur einfach-rechtlich nach §§ 397, 402 ZPO gewährt, sondern Teil ihres 4
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Grundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
November 2014 -
IV ZR 47/14,
NJW-RR 2015, 510 Rn. 8). Die Nichtbe-rücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs.
1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. [X.], [X.] vom 12. Mai 2009 -
VI [X.], [X.], 1137 Rn. 2 und vom 28. Ok-tober 2014 -
VI [X.], [X.] 2015, 44 Rn. 6).

2. So liegt es hier. Das Berufungsgericht hat den im selbständigen Be-weisverfahren tätigen Sachverständigen nicht mündlich angehört, obwohl die Klägerin das beantragt hat. Dies findet im Prozessrecht keine Stütze.

a) Soweit das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer Eigentumsverletzung durch Verletzung der Verkehrssiche-rungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB) und unter dem Gesichtspunkt einer unzulässi-gen Vertiefung gemäß
§ 823 Abs. 2, § 909 BGB letztlich mangels eines Aus-wahl-
oder Überwachungsverschuldens verneint,
ist das zwar rechtlich nicht zu beanstanden.

b) Eine Haftung der Beklagten analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB lässt sich aber ohne eine mündliche
Anhörung des Gerichtssachverständigen nicht verneinen. Die Risse an dem Gebäude der Klägerin, die im zeitlichen Zusam-menhang mit den Abbruch-
und Gründungsarbeiten auf dem Grundstück der Beklagten aufgetreten sind, wären der Beklagten zwar nicht als Störung des Eigentums der Klägerin zuzurechnen, wenn sie Folge der mangelnden Stand-sicherheit dieses Gebäudes wären. Gerade das hat der [X.], dessen Ausführungen sich die Klägerin zu eigen gemacht hat, aber aus-geschlossen. Er ist in seinem Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass die neuen Risse und die dadurch ausgelösten Schäden auch eingetreten wären, 6
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wenn die [X.] an dem Gebäude zuvor
ordnungsgemäß beseitigt und die volle Standsicherheit dieses Gebäudes wiederhergestellt worden wären. Damit hat er seine Schlussfolgerung nicht von der -
zwischen den Parteien umstritte-nen -
Wiederherstellung der Standsicherheit ihres Gebäudes durch die Klägerin abhängig gemacht, wie das Berufungsgericht offenbar annimmt. Vielmehr meint er, dass die Arbeiten auf dem Grundstück der Beklagten
auch bei einem standsicheren Gebäude zu der Rissbildung und den dadurch verursachten Schäden
geführt hätten. [X.] diese Einschätzung zu, könnte eine Haftung der Beklagten analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB jedenfalls im Ansatz nicht verneint werden. Dies wird jetzt aufzuklären sein.

3. In Ansehung der Verurteilung der Klägerin auf die Widerklage wirft die Rechtssache dagegen keine entscheidungserheblichen Fragen von grundsätz-licher Bedeutung auf. Eine Entscheidung ist insoweit auch nicht zur Fortbildung

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des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).

[X.]

Schmidt-Räntsch

Czub

Kazele

Göbel

Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 29.07.2013 -
321 [X.]/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 05.09.2014 -
9 [X.] -

Meta

V ZR 214/14

16.07.2015

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2015, Az. V ZR 214/14 (REWIS RS 2015, 8039)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8039

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