Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.04.2023, Az. V ZR 86/22

5. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 2964

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Gegenstand

WEG: Schadensersatz eines Wohnungseigentümers für ausgesetzten Beschluss


Leitsatz

1. Hat ein Wohnungseigentümer im Wege der einstweiligen Verfügung die vorübergehende Aussetzung eines Beschlusses erwirkt, so können die übrigen Wohnungseigentümer, gegen die die einstweilige Verfügung unter der Geltung des bis zum 30. November 2020 anwendbaren Rechts ergangen ist, den der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch die Beschlussaussetzung entstandenen Schaden aufgrund eines Anspruchs aus § 945 ZPO im Wege der Drittschadensliquidation ersetzt verlangen.

2. Seit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am 1. Dezember 2020 ist eine auf Suspendierung eines Wohnungseigentümerbeschlusses abzielende einstweilige Verfügung gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Damit ist diese auch selbst Inhaberin eines Anspruchs aus § 945 ZPO.

3. Ein der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in ihrem Verwaltungsvermögen entstandener Schaden entfällt nicht dadurch, dass der Schadensbetrag in die Jahresabrechnung eingestellt und auf die einzelnen Wohnungseigentümer nach dem im Innenverhältnis unter ihnen geltenden Kostenverteilungsschlüssel verteilt wird.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 12. April 2022 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind Mitglieder einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ([X.]). In der Wohnungseigentümerversammlung vom 17. November 2014 wurde ein Beschluss über Sanierungsarbeiten im Bereich der Balkone gefasst. Mit der Durchführung der Arbeiten beauftragte die Verwalterin der [X.] im April 2015 die Firma [X.]KG (im Folgenden: [X.].      ) und die Firma [X.].     M.         GmbH & Co. KG (im Folgenden: Fa. [X.].      ). Die beklagte [X.] erwirkte am 29. April 2015 eine einstweilige Verfügung gegen die übrigen Wohnungseigentümer, mit der ein Baustopp angeordnet wurde. Mit Urteil vom 27. Mai 2015 hob das Amtsgericht die einstweilige Verfügung auf. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten wies das [X.] mit Beschluss vom 25. September 2015 zurück. Nach Durchführung der Arbeiten stellten die Firmen [X.].      und [X.].      der [X.] Mehrkosten in Höhe von insgesamt 11.198,69 € in Rechnung ([X.].      : 616,51 € und Fa. [X.].     : 10.582,18 €), die durch den Baustopp verursacht worden seien. Die [X.] zahlte die Kosten und forderte die Beklagte erfolglos zur Erstattung auf.

2

Auf die Klage der übrigen Wohnungseigentümer hat das Amtsgericht die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 11.198,69 € nebst Zinsen an die Kläger zu Händen der [X.] verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] die erstinstanzliche Entscheidung dahin abgeändert, dass die Klage von 80 der insgesamt 186 klagenden Wohnungseigentümer wegen fehlender Prozessvollmacht als unzulässig abgewiesen wird und der Zahlungsanspruch im Übrigen erst ab dem 19. Januar 2019 zu verzinsen ist. Im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die noch an dem Prozess beteiligten Kläger beantragen, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

I.

3

Nach Ansicht des Berufungsgerichts haben diejenigen Kläger, deren Klage zulässig ist, gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 11.198,69 € an die [X.]. Inhaber eines hier allein in Betracht kommenden Anspruchs aus § 945 ZPO seien diejenigen, gegen die sich eine einstweilige Verfügung gerichtet habe, hier also die einzelnen Wohnungseigentümer und nicht die [X.]. Die von der Beklagten erwirkte einstweilige Verfügung sei von Anfang an unrechtmäßig gewesen. Der Beklagten habe nämlich kein Verfügungsanspruch nach § 21 Abs. 4 [X.] aF zugestanden, weil der Beschluss zur Balkonsanierung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen habe. Auf die Frage, ob eine im Verfügungsverfahren ergangene Entscheidung im Hinblick auf den sich anschließenden Schadensersatzprozess nach § 945 ZPO materielle Rechtskraft entfalte, komme es deshalb nicht an.

4

Die Kläger könnten nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation den Schaden der [X.] geltend machen, der dieser durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung entstanden sei. Es liege ein zufälliges Auseinanderfallen von [X.] und Schaden vor. Nach dem zum Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Recht seien einstweilige Verfügungen wie auch [X.] nicht unmittelbar gegen die [X.] zu richten gewesen, sondern gegen die übrigen Wohnungseigentümer, obwohl materiell die [X.] betroffen gewesen sei. Der Schaden der [X.] liege darin, dass von einem ihrer Konten die geforderten Mehrbeträge gezahlt worden seien. Die Kläger hätten auch hinreichend dargelegt und bewiesen, dass die Mehrkosten ohne den Baustopp nicht angefallen wären. Ein Mitverschulden der Verwaltung hinsichtlich der [X.] sei nicht ersichtlich. Zinsen könnten die Kläger erst ab Rechtshängigkeit beanspruchen.

II.

5

Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Rahmen des beschränkten Umfangs der Revisionszulassung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

6

1. Die Revision ist unzulässig, soweit ihre Angriffe außerhalb des Rahmens der auf den [X.] beschränkten Revisionszulassung liegen.

7

a) Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision, worauf die Erwiderung zutreffend hinweist, wirksam auf den [X.] beschränkt.

8

aa) Einer solchen Beschränkung steht nicht entgegen, dass die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zusatz enthält, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die Beschränkung der Rechtsmittelzulassung kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es ist anerkannt, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehenen Fragen nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellen (vgl. Senat, Urteil vom 11. März 2022 - [X.], NJW 2022, 2685 Rn. 7 mwN).

9

bb) So liegt es hier. Ausweislich der Begründung für die Zulassung der Revision möchte das Berufungsgericht durch den [X.] geklärt wissen, wer [X.] nach § 945 ZPO im Falle eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen die einzelnen Wohnungseigentümer ist, wenn in der Sache die [X.] betroffen ist. Gehe man davon aus, dass die Wohnungseigentümer [X.] seien, stelle sich die weitere Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Grundsätze der Drittschadensliquidation anwendbar seien. Bei beiden Fragen geht es darum, ob den Klägern der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch überhaupt zustehen kann, so dass der [X.] in Rede steht. Hierauf wollte das Berufungsgericht die Zulassung der Revision erkennbar beschränken.

cc) Diese Beschränkung ist wirksam. Die Zulassung der Revision kann nach gefestigter Rechtsprechung des [X.]s auf den [X.] beschränkt werden (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juni 1982 - [X.], NJW 1982, 2380; Urteil vom 16. September 2009 - [X.], [X.]Z 182, 241 Rn. 11). Denn das Berufungsgericht hätte gemäß § 304 ZPO vorab durch Zwischenurteil über den Grund entscheiden und dafür die Revision zulassen können, so dass das Revisionsgericht auf die Prüfung dieses Teils des Streits beschränkt gewesen wäre (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juni 1982 - [X.], NJW 1982, 2380).

b) Hiernach ist die Revision unzulässig, soweit sie Einwendungen erhebt, die durch Erlass eines Grundurteils zulässigerweise in das Betragsverfahren hätten verwiesen werden können.

aa) Dies gilt zunächst für den von der Beklagten erhobenen Einwand eines Mitverschuldens. Ein solcher Einwand gehört zwar grundsätzlich zu dem [X.]. Wenn allerdings feststeht, dass die geltend gemachte Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht zum Haftungsausschluss führt, sondern jedenfalls ein Anspruch des Geschädigten bleibt, darf die Entscheidung darüber dem Betragsverfahren vorbehalten werden (vgl. [X.], Urteil vom 24. März 1999 - [X.], NJW 1999, 2440, 2441). So liegt es hier, weil die Beklagte mit ihrem Mitverschuldenseinwand den Anspruch der Kläger nicht insgesamt zu Fall bringen, sondern lediglich eine Anspruchsreduzierung erreichen möchte.

bb) In das Betragsverfahren hätten zudem die Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe des der [X.] entstandenen Schadens bzw. gegen die Kausalität des Baustopps für die Schadenspositionen im Einzelnen verwiesen werden können. Für den Erlass eines Grundurteils ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Anspruch auch unter Berücksichtigung der Einwendungen gegen ihn mit Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise besteht (vgl. [X.], Urteil vom 8. Dezember 2011 - [X.], NJW-RR 2012, 880 Rn. 13 mwN). Ebenso genügt es im Hinblick auf die Kausalität, dass eine Wahrscheinlichkeit für die kausale Entstehung zumindest irgendeines Schadens besteht (vgl. [X.], Urteil vom 16. Januar 1991 - [X.], NJW-RR 1991, 599, 600). Dies ist hier der Fall, weil die Beklagte - abgesehen von der den [X.] betreffenden Frage, ob die Kläger überhaupt einen Schaden der [X.] geltend machen können - in der Revision lediglich Einwendungen gegen die von der Fa. [X.].     der [X.] in Rechnung gestellten Mehraufwendungen erhebt, während die Ursächlichkeit eines der Fa. [X.].        durch den Baustopp eingetretenen [X.] (616,51 €) nicht in Frage gestellt wird.

cc) Schließlich wird von der wirksamen Beschränkung der Zulassung der Revision auf den [X.] der von der Beklagten erhobene Einwand gegen die Zuerkennung des Zinsanspruches erfasst. [X.] können nämlich dem Betragsverfahren überlassen werden, wenn die Rechtslage - wie etwa bei Anwendung der §§ 288, 291 BGB - einfach ist (vgl. [X.], Urteil vom 29. April 1985 - [X.], [X.], 1166 f.; vgl. auch [X.]/Feskorn, ZPO, 34. Aufl., § 304 Rn. 19). So verhält es sich hier, weil sich die Beklagte lediglich gegen den Zeitpunkt des Beginns der zugesprochenen Rechtshängigkeitszinsen wendet.

2. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie unbegründet.

a) Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung zutreffend zugrunde, dass die klagenden Wohnungseigentümer Inhaber eines Schadenersatzanspruchs gemäß § 945 ZPO sein können, sie also aktivlegitimiert sind, auch wenn der Schaden nicht bei ihnen, sondern bei der [X.] eingetreten sein sollte. Erweist sich die Anordnung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt, so ist die [X.], welche die Anordnung erwirkt hat, nach § 945 ZPO verpflichtet, dem Gegner unter anderem den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel entsteht. Diese strenge Haftung besteht grundsätzlich nur gegenüber dem Antragsgegner selbst, nicht jedoch gegenüber [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 25. November 1993 - [X.], NJW 1994, 1413, 1416 - insoweit in [X.]Z 124, 237 nicht abgedruckt). Ob und für welche Fälle hiervon Ausnahmen zu machen sind, braucht nicht allgemein entschieden zu werden (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 34. Aufl., § 945 Rn. 13; [X.], ZPO, 23. Aufl. § 945 Rn. 12 ff. - jeweils mwN zum Streitstand). Jedenfalls besteht kein Anlass, abweichend von dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift eine [X.] als aktivlegitimiert anzusehen, wenn es um eine einstweilige Verfügung geht, die ein Wohnungseigentümer unter der Geltung des bisherigen Rechts im Zusammenhang mit der Suspendierung eines Wohnungseigentümerbeschlusses gegen die übrigen Wohnungseigentümer erwirkt hat (vgl. § 46 [X.] aF), während der Schaden bei der [X.] eingetreten ist (aA - soweit ersichtlich - nur MüKoZPO/[X.], 6. Aufl., § 945 Rn. 20).

b) Jedenfalls im Ergebnis zutreffend ist auch die von dem Senat - weil den [X.] betreffend - zu überprüfende Annahme des Berufungsgerichts, dass sich die Anordnung der einstweiligen Verfügung als [X.]. § 945 ZPO von Anfang an ungerechtfertigt erweist. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die Ausführungen des Berufungsgerichts zu der Rechtmäßigkeit des Sanierungsbeschlusses vom 17. November 2014, dessen Suspendierung die Beklagte mit der einstweiligen Verfügung erwirkt hatte, in der Sache zutreffend sind. Auch kann dahinstehen, ob sich die Rechtmäßigkeit des Beschlusses aus der Rechtskraft der in dem einstweiligen Verfügungsverfahren zum Nachteil der Beklagten ergangenen Entscheidungen ergibt. Dass es an einem Verfügungsanspruch der Beklagten fehlte und sich die Anordnung der einstweiligen Verfügung von Anfang an als ungerechtfertigt erweist, folgt - wie die Erwiderung zu Recht geltend macht - zumindest aus der Bindungswirkung der Hauptsacheentscheidung für den Schadensersatzprozess.

aa) Bei der Beurteilung, ob die Anordnung der einstweiligen Verfügung von Anfang an ungerechtfertigt [X.]. § 945 Fall 1 ZPO war, ist das Gericht, das über einen Anspruch nach dieser Vorschrift zu entscheiden hat, an eine Entscheidung in der Hauptsache im Umfang ihrer Rechtskraft gebunden (vgl. nur [X.], Urteil vom 28. November 1991 - [X.] - Roter mit Genever, NJW-RR 1992, 998, 999 mwN). Diese Bindungswirkung beruht auf der materiellen Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung nach § 322 Abs. 1 ZPO.

bb) Eine solche Hauptsacheentscheidung liegt auch hier vor.

(1) Nach dem übereinstimmenden Vortrag der [X.]en im Revisionsverfahren hat die Beklagte gegen den Sanierungsbeschluss vom 17. November 2014 eine Beschlussanfechtungsklage erhoben, die rechtskräftig als unbegründet abgewiesen worden ist. Diese Tatsache kann der Senat als Revisionsgericht berücksichtigen. Zwar ist gemäß § 559 Abs. 1 ZPO Prozessstoff der Revisionsinstanz grundsätzlich nur das aus dem Berufungsurteil oder den Sitzungsprotokollen ersichtliche [X.]vorbringen. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s ist § 559 Abs. 1 ZPO aber einschränkend dahingehend auszulegen, dass aus prozessökonomischen Gründen solche neu vorgetragenen Tatsachen zu berücksichtigen sind, die unstreitig sind und für die Entscheidung materiell-rechtliche Bedeutung haben, sofern schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen. Das gilt insbesondere, wenn es sich dabei um behördliche Akte oder - wie hier - gerichtliche Entscheidungen handelt (vgl. Senat, Urteil vom 3. April 1989 - [X.], NJW-RR 1998, 1284 mwN).

(2) Damit steht zwischen den [X.]en rechtskräftig fest, dass der Beschluss über die Sanierungsarbeiten vom 17. November 2014 insgesamt wirksam war und ein Verfügungsanspruch der Beklagten in dem Verfahren vor dem Amtsgericht von Anfang an nicht bestand. Soweit die Beklagte einwendet, dass sich die Hauptsacheentscheidung mit bestimmten Einwendungen nicht auseinandersetze und [X.] nicht nachgegangen worden sei, kann sie hiermit nicht mehr gehört werden. Mit Eintritt der Rechtskraft der Sachentscheidung in einem Beschlussmängelverfahren steht fest, ob der Beschluss Rechtswirkungen entfaltete oder nicht. Ob einzelne Gründe, die zur Nichtigkeit oder zur Anfechtbarkeit führen können, tatsächlich geltend gemacht und geprüft worden sind, ist für den Eintritt der Rechtskraft unerheblich (vgl. Senat, Urteil vom 26. Oktober 2012 - [X.], [X.], 49 Rn. 8). Dies gilt unabhängig davon, ob bisheriges oder neues Recht Anwendung findet (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 13. Januar 2023 - [X.], juris Rn. 11).

c) Zutreffend geht das Berufungsgericht weiter davon aus, dass die Kläger dem Grunde nach einen der [X.] in Folge der Vollziehung der einstweiligen Verfügung entstandenen Schaden - nur hierauf ist die Klageforderung gestützt - nach den Grundsätzen einer so genannten Drittschadensliquidation geltend machen können.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.]s kann ein Vertragspartner aufgrund einer Vertragsverletzung einen Schaden nur insoweit geltend machen, als er bei ihm selbst eingetreten ist. In besonders gelagerten Fällen lässt die Rechtsprechung allerdings eine Drittschadensliquidation zu, bei der der Vertragspartner den Schaden geltend machen kann, der bei dem [X.] eingetreten ist, der selbst keinen Anspruch gegen den Schädiger hat. Für die Zulassung einer Drittschadensliquidation ist der Gesichtspunkt maßgebend, dass der Schädiger keinen Vorteil daraus ziehen soll, wenn ein Schaden, der eigentlich bei dem Vertragspartner eintreten müsste, zufällig aufgrund eines zu dem [X.] bestehenden Rechtsverhältnisses auf diesen verlagert ist (vgl. nur [X.], Urteil vom 14. Januar 2016 - [X.], NJW 2016, 1089 Rn. 27 mwN).

bb) Eine Drittschadensliquidation ist auch in der hier in Rede stehenden Konstellation möglich. Hat ein Wohnungseigentümer im Wege der einstweiligen Verfügung die vorübergehende Aussetzung eines Beschlusses erwirkt, so können die übrigen Wohnungseigentümer, gegen die die einstweilige Verfügung unter der Geltung des bis zum 30. November 2020 anwendbaren Rechts ergangen ist, den der [X.] durch die Beschlussaussetzung entstandenen Schaden aufgrund eines Anspruchs aus § 945 ZPO im Wege der Drittschadensliquidation ersetzt verlangen.

(1) Dass unter der Geltung des bisherigen Rechts Inhaber eines möglichen Anspruchs aus § 945 ZPO die Wohnungseigentümer waren, beruht darauf, dass ein Antrag, mit dem ein Wohnungseigentümer die vorläufige Außervollzugsetzung eines Beschlusses im Wege der einstweiligen Verfügung erstrebte, ebenso wie eine Anfechtungsklage (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF) gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten war (vgl. [X.], [X.] 2014, 371; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 46 Rn. 148 mwN). Wenn eine solche einstweilige Verfügung - wie dies typischerweise bei einem Baustopp der Fall ist - dadurch vollzogen wird, dass die beschlossenen Maßnahmen nicht weiter durchgeführt werden können und beauftragte Unternehmen gegenüber der [X.] Verzögerungsschäden geltend machen, treten diese Schäden aber nicht bei den Antragsgegnern des Verfügungsverfahrens, sondern bei der [X.] ein. Diese ist nämlich im Außenverhältnis zu den beauftragten Unternehmen zur Zahlung verpflichtet. Aus Sicht des Wohnungseigentümers, der die einstweilige Verfügung erwirkt hat, die später aufgehoben worden ist, stellt es einen Zufall dar, bei wem der Schaden eintritt. Es wäre unbillig, wenn er nur deshalb nicht der Haftung aus § 945 ZPO unterliegen würde, weil Anspruch und Schaden auseinanderfallen (so im Ergebnis auch [X.], [X.] 2018, 133 Rn. 9 mit zustimmender Anmerkung von [X.], [X.] 10/2018 [X.]). Inzwischen kann es allerdings zu einer solchen zufälligen Schadensverlagerung nicht mehr kommen, weil Beklagter einer Anfechtungsklage nunmehr die [X.] ist (§ 44 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Deshalb ist seit Inkrafttreten des [X.] am 1. Dezember 2020 nach ganz überwiegender und zutreffender Ansicht eine auf Suspendierung eines Wohnungseigentümerbeschlusses abzielende einstweilige Verfügung gegen die [X.] der Wohnungseigentümer zu richten (vgl. [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 44 Rn. 187 mwN). Damit ist diese auch selbst Inhaberin eines Anspruchs aus § 945 ZPO (vgl. [X.]/[X.] [1.8.2022], [X.] § 44 Rn. 84).

(2) Soweit die Revision auf Stimmen in der Literatur verweist, wonach eine Drittschadensliquidation im Anwendungsbereich des § 945 ZPO abzulehnen sei (vgl. [X.], ZPO, 23. Aufl., § 945 Rn. 13; [X.]/Walker/Kessen/Thole/Walker/Kessen, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 7. Aufl., § 945 Rn. 38; Kindl/[X.]/[X.], Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., § 945 Rn. 3), folgt hieraus nichts Anderes, weil diese sich auf die Vollstreckung in schuldnerfremde Sachen beziehen, um die es hier nicht geht.

cc) Nicht zu überzeugen vermögen auch die weiteren Überlegungen, die nach Auffassung der Revision einen Ausschluss der Drittschadensliquidation zur Folge haben sollen. Sie meint, es fehle im Verhältnis zwischen [X.] und Wohnungseigentümern deshalb an einer zufälligen Schadensverlagerung, weil die [X.] gemäß § 9a Abs. 5 [X.] nicht insolvenzfähig sei und die Wohnungseigentümer verpflichtet seien, die [X.] mit ausreichenden Finanzmitteln auszustatten. Ein eventueller Schaden verbleibe deshalb nie endgültig bei der [X.]. Hier komme ergänzend hinzu, dass die Sanierungskosten bereits vollständig gegenüber den Wohnungseigentümern abgerechnet und von diesen Sonderzahlungen geleistet worden seien. Spätestens seit den Beschlussfassungen über die Jahresabrechnungen 2015 und 2016 habe bei der [X.] ein Schaden nicht mehr vorgelegen. Geschädigt seien „letztlich“ deshalb nur die einzelnen Wohnungseigentümer.

(1) Der Umstand, dass die [X.] nicht insolvenzfähig ist (§ 9a Abs. 5 [X.] bzw. § 11 Abs. 3 [X.] aF), hat zwar zur Folge, dass die Wohnungseigentümer zu der Erbringung von [X.] verpflichtet sind. Dies ändert aber nichts daran, dass jedenfalls solange, wie diese Nachschüsse noch nicht eingefordert und tatsächlich geleistet wurden, der [X.] ein Schaden entstanden ist, wenn sie gegenüber [X.], mit denen sie im Vertragsverhältnis stand, Zahlungen zur Erfüllung von Schadenersatzansprüchen geleistet hat.

(2) Unabhängig davon ist ein Schaden der [X.] in dem hier interessierenden Zusammenhang aber auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die von der [X.] aufgewandten Kosten bereits vollständig gegenüber den Wohnungseigentümern abgerechnet und auch tatsächlich gezahlt wurden. Allerdings wird die Frage, welchen Einfluss die Zahlung der Wohnungseigentümer im Rahmen der Jahresabrechnung auf einen Schaden der [X.] hat, nicht einheitlich beantwortet.

(a) Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass der [X.] kein Schaden entstanden ist, wenn von ihr an den Vertragspartner im Rahmen von Schadensersatzverpflichtungen Zahlungen geleistet wurden, die von den Wohnungseigentümern ausgeglichen wurden. Dies folge aus der sog. Differenzhypothese (vgl. [X.], [X.], 1016 f.; [X.], [X.], 733, 741).

(b) Nach der zutreffenden Gegenauffassung entfällt ein der [X.] in ihrem Verwaltungsvermögen entstandener Schaden nicht dadurch, dass der [X.] in die Jahresabrechnung eingestellt und auf die einzelnen Wohnungseigentümer nach dem im Innenverhältnis unter ihnen geltenden [X.] verteilt wird (vgl. KG, [X.], 435; [X.], [X.] 2019, 135; im Ausgangspunkt auch [X.], [X.] 2019, 120, 122). Soweit der Senat diese Ansicht, ohne die Frage entscheiden zu müssen, als zweifelhaft bezeichnet hat (vgl. Urteil vom 8. Februar 2019 - [X.], NJW 2019, 3446 Rn. 10; vgl. dazu (Vorinstanz) [X.], [X.] 2019, 25, 30), hält er daran nicht fest. Da die [X.] über eigenes Vermögen verfügt (vgl. § 9a Abs. 3 [X.] bzw. § 10 Abs. 7 [X.] aF), tritt bei [X.] in ihrem Vermögen ein Schaden ein. Die Frage, ob und in welchem Umfang die insoweit angefallenen Kosten im Rahmen der Jahresabrechnung auf die Wohnungseigentümer gemäß § 16 Abs. 2 [X.] bzw. dem in der [X.] geltenden [X.] umgelegt wurden, betrifft lediglich das Innenverhältnis der [X.] zu den Wohnungseigentümern und lässt die Entstehung des Schadens im Außenverhältnis zu einem möglichen Schädiger unberührt (vgl. zu der Unterscheidung zwischen dem Außenverhältnis und dem Innenverhältnis für die Frage der Entstehung eines nach § 945 ZPO verlangten Schadens im Zusammenhang mit sog. Gewinnabführungsverträgen auch [X.], Beschluss vom 10. November 2011 - [X.], juris Rn. 6 f.). Bei einer anderen Betrachtung käme es zudem zu Abwicklungsschwierigkeiten insbesondere bei zwischenzeitlichen Veräußerungen einzelner Einheiten.

(c) Die Annahme eines Schadens bei der [X.] entspricht schließlich den allgemeinen Grundsätzen der Vorteilungsausgleichung (so im Ergebnis auch [X.], [X.] 2019, 120, 122). Eine solche kommt nur in Betracht, wenn zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang besteht und die Anrechnung des Vorteils dem Zweck des Schadensersatzes entspricht, das heißt, sie darf den Geschädigten nicht unzumutbar belasten und den Schädiger nicht unbillig entlasten (st. Rspr., vgl. nur [X.], Urteil vom 18. Oktober 2018 - [X.], NJW 2019, 215 Rn. 17 mwN). Letzteres wäre aber der Fall, wenn sich der Schädiger auf das Innenverhältnis zwischen der [X.] und den Wohnungseigentümern und auf die in diesem Verhältnis bestehenden Beitragspflichten berufen und damit die Verpflichtung zum Schadensersatz vermeiden könnte.

d) Die weiteren Voraussetzungen des den Klägern zugesprochenen Schadensersatzanspruchs einschließlich des [X.] werden von der Zulassung der Revision - wie oben ausgeführt - nicht erfasst. Von ihrem Vorliegen ist deshalb für das Revisionsverfahren auszugehen, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Brückner     

      

Göbel     

      

Haberkamp

      

Laube     

      

Grau     

      

Meta

V ZR 86/22

21.04.2023

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Braunschweig, 12. April 2022, Az: 6 S 311/20, Beschluss

§ 9a Abs 3 WoEigG, § 28 Abs 2 WoEigG, § 44 Abs 1 S 2 WoEigG, § 46 Abs 1 S 1 WoEigG vom 26.03.2007, § 945 ZPO, § 249 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.04.2023, Az. V ZR 86/22 (REWIS RS 2023, 2964)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2964

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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