Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.10.2011, Az. 9 AZR 225/10

9. Senat | REWIS RS 2011, 2337

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Gegenstand

Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags im Blockmodell - Überschreiten der Überlastquote - arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz


Tenor

Auf die Revision des beklagten [X.] wird das Urteil des [X.]arbeitsgerichts Baden-Württemberg - [X.] - vom 9. Februar 2010 - 14 Sa 26/09 - aufgehoben. Auf die Berufung des beklagten [X.] wird das Urteil des [X.] vom 17. April 2009 - 11 [X.]/08 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten Land, mit ihm einen Altersteilzeitarbeitsvertrag zu schließen.

2

Der am 31. Mai 1948 geborene Kläger trat am 1. Juli 1978 in die Dienste der späteren [X.] Auf das Arbeitsverhältnis findet [X.] der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 idF des [X.] Nr. 2 vom 30. Juni 2000 ([X.]) Anwendung. Dort finden sich ua. folgende Regelungen:

        

„§ 2   

        

Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit

        

(1)     

Der Arbeitgeber kann mit Arbeitnehmern, die

                 

a)    

das 55. Lebensjahr vollendet haben,

                 

b)    

eine Beschäftigungszeit ... von fünf Jahren vollendet haben und

                 

c)    

innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1.080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem [X.] gestanden haben,

                 

die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vereinbaren; ...

        

(2)     

Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen, haben Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber drei Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Geltendmachung des Anspruchs zu informieren; ...

        

(3)     

Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen.

        

...     

                 
        

§ 3     

        

Reduzierung und Verteilung der Arbeitszeit

        

...     

        
        

(2)     

Die während der Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zu leistende Arbeit kann so verteilt werden, dass sie

                 

a)    

in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses geleistet und der Arbeitnehmer anschließend von der Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge nach Maßgabe der §§ 4 und 5 freigestellt wird (Blockmodell) oder

                 

b)    

durchgehend geleistet wird ([X.]).

        

...“   

                 

3

Die [X.] beschied Anträge auf Altersteilzeit, die Arbeitnehmer vor dem 20. September 2004 stellten, im [X.] an den Eingang des Antrags, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Altersteilzeit nach dem Wunsch des Arbeitnehmers beginnen sollte. Mit Aushang vom 20. September 2004 bat sie, Anträge auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags erst „ca. 6 Monate vor Vollendung des 60. Lebensjahres“ einzureichen. Seitdem entschied sie über [X.] erst etwa ein halbes Jahr vor Vollendung des 60. Lebensjahres des antragenden Arbeitnehmers.

4

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2005 beantragte der Kläger, das Arbeitsverhältnis als [X.] im Blockmodell fortzusetzen.

5

Das [X.] ([X.]) machte mit Rundschreiben vom 28. Februar 2006 ([X.].: [X.] 1 - 210 172/20) bekannt, dass die Bewilligung von Altersteilzeit für Beamte ab dem 17. Februar 2006 nur noch im [X.] möglich sei. Ausgenommen seien bestimmte Personalabbaubereiche. Mit Rundschreiben vom 8. März 2006 ([X.].: [X.]I 2 - 220 770-1/18) übertrug das [X.] diese Regelung auf Altersteilzeitarbeitsverträge mit Arbeitnehmern.

6

Die [X.] begründete in der Folgezeit [X.] im [X.], obwohl sie mehr als fünf Prozent ihrer Mitarbeiter in Altersteilzeit beschäftigte. Anträge, die auf die Vereinbarung eines [X.] im Blockmodell zielten, nahm sie grundsätzlich nicht an.

7

Unter dem 16. Januar 2007 teilte die [X.] dem Kläger mit, sie lehne seinen vom 27. Oktober 2005 datierenden Antrag ab. Zur Begründung führte sie an, aus personalwirtschaftlichen Gründen könnten keine [X.] im Blockmodell vereinbart werden. Im Nachgang teilte sie mit, die [X.] nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.] sei überschritten.

8

Am 17. April 2009 modifizierte der Kläger seinen Antrag vom 27. Oktober 2005 und verlangte von der [X.], das [X.] erst zum 1. November 2009 zu begründen.

9

In der Folgezeit übertrug die [X.] auf der Grundlage eines vom 26. August 2009 datierenden Vertrags sämtliche Vermögensgegenstände auf das beklagte Land.

Mit Schreiben vom 23. September 2009 informierte die [X.] den Kläger, die von ihr betriebene Forschungseinrichtung, an der sie den Kläger beschäftige, sei mit Wirkung zum 1. Oktober 2009 auf das beklagte Land übergegangen.

Der Kläger hat die Rechtsansicht vertreten, das beklagte Land habe das Recht, sich auf die Überschreitung der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 [X.] geregelten [X.] zu berufen, verwirkt. Zudem stehe ihm unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ein Anspruch auf Abschluss des begehrten Altersteilzeitarbeitsvertrags zu.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

das beklagte Land zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags gemäß [X.]. TV ATZ nach dem Blockmodell mit einer Laufzeit vom 1. November 2009 bis zum 31. August 2013 anzunehmen, wobei die Arbeitsphase und die Freistellungsphase jeweils hälftig auf die Gesamtdauer des Teilzeitarbeitsverhältnisses verteilt wird und das Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit der Arbeitsphase beginnt.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es ist der Auffassung, der Kläger habe keine Ungleichbehandlung erfahren. Die Gewährung von Altersteilzeit sei eine freiwillige Leistung mit Stichtagscharakter. Diese habe die [X.] unter Beachtung der in den [X.]-Rundschreiben genannten Vorgaben inhaltlich ausgestaltet und zulässigerweise - bis auf wenige Ausnahmen - auf die Fälle beschränkt, in denen Arbeitnehmer Altersteilzeit im [X.] verlangt hätten. Das Blockmodell begründe für den Arbeitgeber einen gegenüber dem [X.] erhöhten finanziellen Aufwand, da der Arbeitgeber gezwungen sei, Rückstellungen zu bilden und das Wertguthaben gegen Insolvenz zu sichern. Zudem gewährleiste nur das [X.] den erforderlichen Wissenstransfer von den ausscheidenden auf die nachrückenden Fachkräfte.

Das Arbeitsgericht hat der Klage, die der Kläger in der ersten Instanz gegen die [X.] gerichtet hat, stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat der Kläger anstelle der [X.] das beklagte Land in Anspruch genommen. Das [X.] hat die Berufung des beklagten [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt das beklagte Land die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

A. [X.]en des Rechtsstreits sind der Kläger und das beklagte Land. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz einen zulässigen [X.]wechsel erklärt. Infolgedessen ist die ursprünglich beklagte [X.] aus dem Rechtsstreit ausgeschieden und das beklagte Land an ihrer Stelle in die Position der beklagten [X.] eingerückt.

B. Die zulässige Revision des beklagten [X.] ist begründet. Das [X.]arbeitsgericht hat die Berufung des beklagten [X.] gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage hat keinen Erfolg.

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger erstrebt mit Rechtskraft des obsiegenden Urteils die rückwirkende Verurteilung des beklagten [X.] zur Annahme des Angebots auf Abschluss eines [X.] für die [X.] vom 1. November 2009 bis zum 31. August 2013. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll durch die Fiktion des § 894 Satz 1 ZPO im Blockmodell mit einer Arbeitsphase vom 1. November 2009 bis zum 30. September 2011 und einer Freistellungsphase vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. August 2013 zustande kommen. Inhaltlich soll sich das Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des [X.] richten.

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Abschluss des begehrten [X.] im Blockmodell. Für das Klagebegehren fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

1. Tarifliche Vorschriften geben dem Kläger keinen Anspruch auf Abschluss des begehrten [X.].

a) Die Bestimmungen des [X.] fanden [X.] auf das Arbeitsverhältnis zwischen der [X.] und dem Kläger Anwendung. Dies gilt infolge des Betriebsübergangs auch für das Arbeitsverhältnis zwischen dem beklagten Land und dem Kläger. Mit der Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände der [X.] auf das beklagte Land trat dieses anstelle der [X.] in das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ein (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB). Damit gilt die arbeitsvertragliche Bezugnahmeregelung auch im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem beklagten Land als Betriebserwerber (vgl. [X.] 17. November 2010 - 4 [X.] - Rn. 34, [X.] 2011, 457). Die Vorschriften des [X.] über die Übertragung von Vermögen (§ 174 ff. [X.]) stehen der Anwendung des § 613a Abs. 1 BGB nicht entgegen (§ 324 [X.]).

b) Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] haben Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, gegen den Arbeitgeber Anspruch auf den Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung, soweit die übrigen Anforderungen des § 2 Abs. 1 [X.] erfüllt sind.

c) Die tariflichen Voraussetzungen, unter denen der [X.] den öffentlichen Arbeitgeber einem Kontrahierungszwang aussetzt, liegen nicht vor.

aa) Der Kläger erfüllt die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 iVm. Abs. 1 [X.]. Der Kläger vollendete am 31. Mai 2008 das 60. Lebensjahr. Die [X.] beschäftigte ihn über fünf Jahre vor dem gewünschten Beginn der Altersteilzeitarbeit am 1. November 2009. Der Kläger stand in dem [X.] vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1.080 Kalendertage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis nach dem [X.] Obwohl der Kläger zum [X.]punkt der Antragstellung unter dem 27. Oktober 2005 das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, ließ sich die [X.] auf den [X.] ein, indem sie ihn aus [X.], insbesondere unter Hinweis auf die Überschreitung der [X.], zurückwies. In einem solchen Fall steht der frühe Antragszeitpunkt dem erhobenen Anspruch nicht entgegen (vgl. [X.] 17. August 2010 - 9 [X.] - Rn. 22, [X.] § 3 Nr. 22 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 33). Schließlich brachte der Kläger den [X.] rechtzeitig an. Er wahrte sowohl mit seinem ersten Antrag vom 27. Oktober 2005 als auch mit dem modifizierten Antrag vom 17. April 2009 die Dreimonatsfrist des § 2 Abs. 2 Satz 2 [X.].

[X.]) Ein tariflicher Anspruch des [X.] scheitert daran, dass zu dem [X.]punkt, zu dem er den Abschluss des [X.] verlangte, die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.] bestimmte [X.] überschritten war.

(1) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 [X.] muss für Erstattungsleistungen der Arbeitsverwaltung die freie Entscheidung des Arbeitgebers sichergestellt sein, ob er mit [X.] der Arbeitnehmer seines Betriebs Altersteilzeitarbeitsverträge schließt.

(2) Die tarifliche Anspruchsgrundlage des § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.], die die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nur „auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes“ (§ 2 Abs. 1 [X.]) vorsieht, bezieht das öffentlich-rechtliche System der an bestimmte Erfordernisse gebundenen Refinanzierung durch Erstattungsleistungen der öffentlichen Hand nach § 3 und § 4 [X.] in die privatrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen mit ein ([X.] 15. April 2008 - 9 [X.]/07 - Rn. 35, [X.]E 126, 264). Die gesetzliche Quotierung in § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.] dient dazu, altersteilzeitbedingte finanzielle Mehraufwendungen des Arbeitgebers in Grenzen zu halten. Die tarifliche Anspruchsvoraussetzung „auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes“ gilt für den Kläger, obwohl das Erfordernis lediglich in § 2 Abs. 1 [X.] und nicht auch in § 2 Abs. 2 [X.] enthalten ist (vgl. so zuletzt [X.] 14. Oktober 2008 - 9 [X.] - Rn. 24, [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 41 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 29; ausführlich [X.] 15. April 2008 - 9 [X.]/07 - Rn. 34 ff., [X.]E 126, 264).

(3) Die Überschreitung der [X.] hat das [X.]arbeitsgericht mit bindender Wirkung für das Revisionsgericht festgestellt (§ 559 Abs. 2 ZPO). Sowohl am 27. Oktober 2005, als der Kläger erstmals den Abschluss eines [X.] verlangte, als auch am 17. April 2009, als der Kläger seinen ursprünglichen Antrag modifizierte, war die Höchstquote von [X.] der Beschäftigten, ab der der Arbeitgeber frei über den Abschluss von [X.] entscheiden können muss, überschritten.

(4) Weder die [X.] noch das beklagte Land haben das Recht, sich auf die [X.] zu berufen, dadurch verwirkt (§ 242 BGB), dass sie nach Überschreitung der Quote weiterhin mit Mitarbeitern Altersteilzeitarbeitsverträge schlossen. Eine Verwirkung kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, der Arbeitgeber werde sich dauerhaft nicht auf die [X.] berufen (vgl. [X.] 15. April 2008 - 9 [X.]/07 - Rn. 43, [X.]E 126, 264). Solche besonderen Tatsachen liegen nicht vor; sie sind im Übrigen nicht ersichtlich.

(a) Das [X.]arbeitsgericht hat angenommen, die Voraussetzungen des Verwirkungstatbestands lägen vor. Denn weder die [X.] noch das beklagte Land hätten die Entscheidung getroffen, nach Überschreitung der [X.] keine Altersteilzeitarbeitsverhältnisse mehr zu schließen.

(b) Diese Begründung ist rechtsfehlerhaft. Das [X.]arbeitsgericht übersieht, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Altersteilzeit aus § 2 Abs. 2 [X.] gar nicht erst zuwächst, wenn die [X.] erfüllt ist (vgl. [X.] 13. Juli 2010 - 9 [X.] - Rn. 41, [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 47 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 34). Das negative Tatbestandsmerkmal der Überlast ist keine Einrede des Arbeitgebers, die zu erheben ihm obliegt, sondern eine rechtshindernde Einwendung, die der Entstehung des Rechtsanspruchs entgegensteht. Einer Entscheidung des Arbeitgebers, wie sie das [X.]arbeitsgericht vermisst, bedarf es deshalb nicht.

(c) Andere Umstände, die eine Verwirkung begründeten, haben die [X.]en nicht vorgetragen. Sie sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.

2. Aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist das beklagte Land nicht verpflichtet, den Antrag des [X.] vom 27. Oktober 2005 in der modifizierten Form vom 17. April 2009 anzunehmen.

a) Die [X.] erbrachte durch den Abschluss von [X.] zu einem [X.]punkt, zu dem die [X.] überschritten war, zwar eine freiwillige Leistung, bei deren Ausgestaltung sie an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden war; die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer, die Altersteilzeit im Teilzeitmodell beantragten, und der Arbeitnehmer, die sich wie der Kläger für das Blockmodell entschieden, ist jedoch sachlich gerechtfertigt. Dies rügt die Revision zu Recht.

aa) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist die privatrechtliche Ausprägung des in Art. 3 Abs. 1 GG statuierten Gleichheitssatzes. Gewährt der Arbeitgeber Arbeitnehmern freiwillige Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip, ist der Arbeitgeber ungeachtet des Vorrangs der Vertragsfreiheit an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden (vgl. [X.] 15. Juli 2009 - 5 [X.] - Rn. 11, [X.] § 242 Gleichbehandlung Nr. 209 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20). Schließt der Arbeitgeber mit Arbeitnehmern Altersteilzeitarbeitsverträge, obwohl er wegen Überschreitens der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.] geregelten [X.] hierzu nicht verpflichtet ist (vgl. [X.] 13. Juli 2010 - 9 [X.] - Rn. 40 f., [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 47 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 34), erbringt er eine freiwillige Leistung und hat deshalb bei der Entscheidung über den Antrag eines Arbeitnehmers auf Abschluss eines [X.] den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten (vgl. [X.] 15. April 2008 - 9 [X.]/07 - Rn. 54, [X.]E 126, 264).

Im Streitfall ist der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes eröffnet. Ungeachtet des Umstands, dass sich mehr als [X.] der im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter in Altersteilzeit befanden, nahm die [X.] - auch nach dem Zugang der [X.] vom 28. Februar und 8. März 2006 - Anträge von Arbeitnehmern, die Altersteilzeit leisten wollten, an. Die aus der Gewährung von Altersteilzeit folgende Pflicht zur Gleichbehandlung bindet nicht nur die [X.], sondern auch das beklagte Land als deren Rechtsnachfolger (§ 174 Abs. 1, § 175 Nr. 1, § 176 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 324 [X.] iVm. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB).

[X.]) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleichzubehandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt. Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass Arbeitnehmer nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen werden. Verstößt der Arbeitgeber bei der Gewährung freiwilliger Leistungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, hat der benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf die vorenthaltene Leistung ([X.]Rspr., vgl. [X.] 4. Mai 2010 - 9 [X.] - Rn. 23, [X.] § 3 Nr. 21 = EzA ZPO 2002 § 894 Nr. 2).

(1) Die [X.] behandelte Arbeitnehmer, die Altersteilzeit im Teilzeitmodell leisten wollten, anders als Arbeitnehmer, die den Abschluss eines [X.] verlangten, der eine Verteilung entsprechend dem Blockmodell vorsah. Während die [X.] die Anträge der ersten Gruppe von Arbeitnehmern unter den weiteren Voraussetzungen des [X.] annahm, lehnte sie Anträge der zweiten Gruppe, so auch den Antrag des [X.], ua. mit Hinweis auf die gesetzliche [X.] grundsätzlich ab. Lediglich in Ausnahmefällen - und auch hier in Übereinstimmung mit den Vorgaben des [X.] - entschied die [X.] abweichend, etwa bei Arbeitnehmern, die in Bereichen tätig waren, in denen Stellen abgebaut werden sollten.

(2) Diese Gruppenbildung der [X.] ist unter [X.] nicht zu beanstanden. Ihr liegen sachliche Erwägungen zugrunde, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Dies hat das [X.]arbeitsgericht verkannt.

(a) Das [X.]arbeitsgericht hat angenommen, der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei im Streitfall schon allein deswegen verletzt, weil die pauschale Ablehnung des [X.] keine dem Maßstab des § 315 Abs. 1 BGB entsprechende Ermessensausübung sei.

(b) Diese Begründung ist rechtsfehlerhaft. Der Maßstab des § 315 Abs. 1 BGB, anhand dessen die Gerichte für Arbeitssachen zu prüfen haben, ob der Arbeitgeber ein ihm zustehendes Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, ist ein anderer als der Maßstab, an dem die Gewährung und Ausgestaltung freiwilliger Arbeitgeberleistungen unter [X.] zu messen ist. Während für § 315 Abs. 1 BGB Einzelfallaspekte maßgeblich sind, ist die Frage, ob die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu vereinbaren ist, unter Heranziehung abstrakter Kriterien zu beantworten.

(aa) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen iSd. § 315 Abs. 1 BGB, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Die Frage, ob der Arbeitgeber die Grenzen des Ermessens gewahrt hat, verlangt eine Berücksichtigung und Bewertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls, über die der Arbeitgeber zu befinden hat (vgl. [X.] 13. April 2010 - 9 [X.] - Rn. 40, [X.] § 307 Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 47).

([X.]) Demgegenüber orientiert sich die Prüfung, ob die ungleiche Behandlung von Arbeitnehmergruppen mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar ist, an abstrakten Kriterien. Der Maßstab ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster. Der im Vergleich zu § 315 Abs. 1 BGB verengte Maßstab schließt es aus, dass individuelle Umstände, die einzelne Mitglieder der Gruppe betreffen, über die sachliche Rechtfertigung der Gruppenbildung entscheiden. Dies folgt bereits daraus, dass der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Falle freiwilliger Arbeitgeberleistungen erst dann eröffnet ist, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem generalisierenden, also vom Einzelfall absehenden Prinzip erbringt.

(c) Tatsächlich ist die Gruppenbildung nach Arbeitnehmern, die Altersteilzeit im Teilzeitmodell wählen, und solchen, die ihre Arbeitsleistung im Blockmodell erbringen wollen, aufgrund der unterschiedlichen finanziellen Auswirkungen für den Arbeitgeber sachlich gerechtfertigt. Leistet der Arbeitnehmer Altersteilzeit nicht im Teilzeitmodell, sondern im Blockmodell, ist dies für den Arbeitgeber mit finanziellen Mehrkosten verbunden. Denn der Arbeitgeber ist, wenn er Arbeitnehmern Altersteilzeit im Blockmodell gewährt, verpflichtet, finanzielle Rückstellungen zu bilden. Den Rückstellungsbetrag hat der Arbeitgeber zeitanteilig vom Beginn der Arbeitsphase bis zu deren Umwandlung in die Freistellungsphase aufzubauen (vgl. [X.] 30. November 2005 - I [X.]/04 - Rn. 38, [X.]E 212, 83). Zudem verpflichtete § 7d Abs. 1 Satz 1 SGB IV idF vom 23. Januar 2006 ([X.]I S. 86) die [X.]en eines [X.], Vorkehrungen zu vereinbaren, um das vom Arbeitnehmer in der Arbeitsphase erworbene Wertguthaben einschließlich des darin enthaltenen [X.] gegen das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers abzusichern. Dies geschieht üblicherweise durch den Abschluss einer Insolvenzversicherung, deren Beiträge dem Arbeitgeber zur Last fallen. Diese Verpflichtungen bestehen für den Arbeitgeber nicht, wenn ein Arbeitnehmer Altersteilzeit im Teilzeitmodell leistet. Angesichts dieser Unterschiede zwischen den beiden Altersteilzeitmodellen sind die Gründe, die der Gruppenbildung zugrunde liegen, weder sachfremd noch willkürlich.

(d) Da bereits die finanziellen Auswirkungen die von der [X.] getroffene Differenzierung zwischen Arbeitnehmergruppen rechtfertigen, kann der Senat die Frage offenlassen, ob weitere Rechtfertigungsgründe, wie von dem beklagten Land geltend gemacht, vorliegen.

b) Dass die [X.] nicht zeitnah, sondern erst nach mehr als einem Jahr über den Antrag des [X.] vom 27. Oktober 2005 entschied, begründet keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die [X.] traf unter dem 20. September 2004 eine zulässige Stichtagsregelung, der zufolge sie über Anträge auf Altersteilzeit erst ca. sechs Monate vor Vollendung des 60. Lebensjahres des antragenden Arbeitnehmers entscheidet.

aa) Stichtagsregelungen sind als „Typisierung in der [X.]” ungeachtet der damit verbundenen Härten zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises grundsätzlich zulässig. Erforderlich ist jedoch, dass sich die Wahl des [X.]punkts am zu regelnden Sachverhalt orientiert und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfasst. Die mit ihnen verbundenen Härten sind im Regelfall hinzunehmen. Denn der Anspruch auf Gleichbehandlung ist nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich begrenzt. Der Arbeitgeber darf unter Wahrung von Besitzständen eine neue Regelung einführen. Bei der Festlegung des Stichtags besteht ein weiter Ermessensspielraum insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber die betreffenden Leistungen freiwillig erbringt. Allerdings ist nicht jede beliebige zeitliche Differenzierung zulässig. Sie muss auf die in Rede stehende Leistung und ihre Besonderheiten abgestimmt sein. Entscheidend sind die hinter der Stichtagsregelung stehenden Gründe (vgl. [X.] 15. September 2009 - 9 [X.] - Rn. 30, [X.] § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 186).

[X.]) Die [X.] änderte mit dem 20. September 2004 ihre Entscheidungspraxis. Während sie zuvor Anträge auf Altersteilzeit im [X.] an den Eingang des Antrags unabhängig davon beschied, zu welchem [X.]punkt die Altersteilzeit nach dem Wunsch des Arbeitnehmers beginnen sollte, entschied sie seit dem 20. September 2004 über [X.] erst etwa ein halbes Jahr, bevor der antragende Arbeitnehmer das 60. Lebensjahr vollendete. Hierin liegt eine zulässige Stichtagsregelung, die die [X.] der Belegschaft mit Aushang vom 20. September 2004 bekannt gab. Davon ist das [X.]arbeitsgericht zutreffend ausgegangen. Erst wenn der Eintritt in die Altersteilzeit in absehbarer Zukunft liegt, kann der Arbeitgeber verlässlich darüber befinden, ob die im [X.] genannten tariflichen Voraussetzungen vorliegen. Dies gilt für die Frage, ob betriebliche Gründe der Gewährung von Altersteilzeit entgegenstehen (§ 2 Abs. 3 [X.]), ebenso wie für die Frage, ob zum [X.]punkt des Eintritts in die Altersteilzeit die [X.] überschritten ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.]).

cc) Der Kläger reichte seinen Antrag auf Gewährung von Altersteilzeit unter dem 27. Oktober 2005, mithin nach dem Stichtag ein.

C. Der Kläger hat als unterliegende [X.] die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    Starke    

        

    [X.]    

                 

Meta

9 AZR 225/10

18.10.2011

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Karlsruhe, 17. April 2009, Az: 11 Ca 28/08, Urteil

§ 2 Abs 1 AltTZTV, § 2 Abs 2 AltTZTV, § 3 Abs 1 Nr 3 Alt 1 AltTZG 1996, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.10.2011, Az. 9 AZR 225/10 (REWIS RS 2011, 2337)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2337

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