Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2011, Az. 9 AZR 387/10

9. Senat | REWIS RS 2011, 1430

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Gegenstand

Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags - Überschreiten der Überlastquote - Vereinbarkeit einer Stichtagsregelung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz


Tenor

Die Revisionen der Klägerin zu 1. und des [X.] zu 2. gegen das Urteil des [X.] vom 15. April 2010 - 3 [X.]/09 - werden zurückgewiesen.

Die Klägerin zu 1. hat zu 1/4 und der Kläger zu 2. zu 3/4 die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin zu 1. (Klägerin) und der Kläger zu 2. (Kläger) verlangen von der [X.], mit ihnen einen Altersteilzeitarbeitsvertrag zu schließen.

2

Die [X.] beschäftigt die am 8. Mai 1953 geborene Klägerin seit dem 10. Juni 1981 als Reinigungskraft mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 25 Wochenstunden. Zwischen dem am 13. Juni 1953 geborenen Kläger und der [X.] besteht seit dem 1. Juni 1978 ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger ist als Kfz-Meister tätig. Die [X.] beschäftigt die Klägerin und den Kläger in ihren Entsorgungsbetrieben.

3

Aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme findet auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 idF des [X.] Nr. 2 vom 30. Juni 2000 ([X.]) Anwendung. Dieser sieht ua. folgende Regelungen vor:

        

„§ 2   

        

Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit

        

(1)     

Der Arbeitgeber kann mit Arbeitnehmern, die

                 

a)    

das 55. Lebensjahr vollendet haben,

                 

b)    

eine Beschäftigungszeit (z. B. § 19 [X.]/[X.]-O) von fünf Jahren vollendet haben und

                 

c)    

innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1.080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem [X.] gestanden haben,

                 

die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vereinbaren; ...

        

(2)     

Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen, haben Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. ...“

4

Die [X.] vereinbarte in den Jahren 2002 bis 2008 mit Arbeitnehmern [X.], obwohl in diesem Zeitraum bereits zwischen 7 % und nahezu 21 % der betriebsangehörigen Beschäftigten in einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis standen.

5

Nachdem die finanziellen Rückstellungen zum Zwecke der Absicherung potenzieller künftiger Altersteilzeitansprüche der Mitarbeiter vollständig aufgezehrt waren, informierte die [X.] am 8. Februar 2008 die Belegschaft, so auch die Klägerin und den Kläger, über Folgendes:

        

„Wegen Überforderung des Arbeitgebers kein Anspruch auf Altersteilzeit

        

1.    

Hiermit wird mitgeteilt, dass aufgrund § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TV Altersteilzeitgesetz (TV [X.]) der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages mit den [X.] entfällt, sobald und solange 5 % der Arbeitnehmer des Betriebes von einer Altersteilzeitregelung Gebrauch machen oder diese Grenze durch den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages überschritten würde. Für die Berechnung der Quote zählen alle Arbeitnehmer des Betriebes einschließlich solcher, die nicht dem persönlichen Geltungsbereich des [X.] unterfallen.

        

Bei den [X.] wurde die 5 %-Quote überschritten, so dass zurzeit Altersteilzeitanträge gem. § 2 Abs. 3 TV [X.] abgelehnt werden müssen.

        

...“   

        

6

In der Folgezeit schloss die [X.] noch mit drei Arbeitnehmern Altersteilzeitarbeitsverträge. So vereinbarte sie am 12. Februar 2008 mit dem am 26. Juli 1949 geborenen Arbeitnehmer M aufgrund seines Antrags vom 22. Januar 2008, das Arbeitsverhältnis als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortzuführen. Am 22. Februar 2008 schloss sie mit dem am 5. Oktober 1952 geborenen Arbeitnehmer [X.] ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Dieser hatte am 22. Januar 2008 einen Altersteilzeitantrag gestellt. Schließlich nahm sie am 17. März 2008 das am 5. Februar 2008 unterbreitete Angebot der [X.] an, das Arbeitsverhältnis in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis umzuwandeln. Diese ist am 17. April 1953 geboren.

7

Am 7. April 2008 bot die Klägerin der [X.] an, mit ihr einen Altersteilzeitarbeitsvertrag für den Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis zum 31. Mai 2018 zu schließen. Mit Schreiben vom 14. April 2008 erklärte die [X.], sie könne dem Wunsch der Klägerin nicht entsprechen, da sich [X.] der beschäftigten Arbeitnehmer in Altersteilzeit befänden.

8

Am 16. April 2008 unterbreitete der Kläger der [X.] das Angebot, das Arbeitsverhältnis im Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2018 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortzuführen. Auch dies lehnte die [X.] unter Hinweis auf die [X.] ab.

9

Die Klägerin und der Kläger haben die Ansicht vertreten, die [X.] sei gemäß § 2 Abs. 1 [X.] zum Abschluss der Altersteilzeitarbeitsverträge verpflichtet. Die [X.] habe das Recht, sich auf das Überschreiten der [X.] zu berufen, infolge ihrer langjährigen Entscheidungspraxis verwirkt. Auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung unterliege die [X.] einem Kontrahierungszwang. Dies gelte umso mehr, als sie auf den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags vertraut hätten. Entscheidende Bedeutung komme den [X.] der Arbeitnehmer zu, die willens seien, Altersteilzeitarbeitsverträge zu schließen.

Die Klägerin hat beantragt,

        

die [X.] zu verurteilen, ihrem Antrag vom 7. April 2008 auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses nach dem Blockmodell ab dem 1. Juni 2008 bis zum 31. Mai 2018 zuzustimmen.

Der Kläger hat beantragt,

        

die [X.] zu verurteilen, seinem Antrag vom 16. April 2008 auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses nach dem Blockmodell ab dem 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2018 zuzustimmen.

Die [X.] hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die tariflichen Voraussetzungen, unter denen die Bestimmungen des TV [X.] Arbeitnehmern einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags gewährten, lägen im Streitfall nicht vor. Der Gleichbehandlungsgrundsatz schränke nicht die von § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 [X.] vermittelte Freiheit des Arbeitgebers, den Abschluss von [X.] zu verweigern, ein. Im Hinblick auf das Überschreiten der [X.] sei die Einführung des von ihr gewählten Stichtags am 8. Februar 2008 rechtlich unbedenklich.

Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Das [X.] hat die Berufungen der Klägerin und des [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Klägerin und der Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Revisionen der Klägerin und des [X.] sind unbegründet. Das [X.] hat die Berufungen der Klägerin und des [X.] gegen die klageabweisenden Urteile des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässigen Klagen sind unbegründet.

A. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die [X.] mit ihr den begehrten [X.] schließt. Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass es für das Klagebegehren an einer Rechtsgrundlage fehlt.

I. Der Anspruch folgt nicht aus dem [X.].

1. Die Bestimmungen des [X.] finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis zwischen der [X.]n und der Klägerin Anwendung.

2. Die Klägerin vollendete am 8. Mai 2008 das 55. Lebensjahr. Ihr Anspruch auf Abschluss eines [X.]s kann sich deshalb nicht aus § 2 Abs. 2 [X.], sondern nur aus § 2 Abs. 1 [X.] ergeben. Danach kann der Arbeitgeber mit Arbeitnehmern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, einen [X.] schließen, soweit die übrigen Anforderungen des § 2 Abs. 1 [X.] erfüllt sind. Hierzu muss der Arbeitnehmer eine Beschäftigungszeit von fünf Jahren vollendet und innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1.080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem [X.] gestanden haben.

3. Ein tariflicher Anspruch der Klägerin scheitert daran, dass zu dem [X.]punkt, zu dem sie den Abschluss des [X.]s verlangte, in den Entsorgungsbetrieben der [X.]n die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.] bestimmte [X.] überschritten war.

a) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 [X.] muss für Erstattungsleistungen der Arbeitsverwaltung die freie Entscheidung des Arbeitgebers sichergestellt sein, ob er mit [X.] der Arbeitnehmer seines Betriebs Altersteilzeitarbeitsverträge schließt.

b) Ist diese [X.] des § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 [X.] überschritten, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch nach § 2 Abs. 1 [X.] gegen den Arbeitgeber, dass dieser nach billigem Ermessen darüber entscheidet, ob er mit dem Arbeitnehmer einen [X.] schließt. Die tarifliche Anspruchsgrundlage des § 2 Abs. 1 [X.], die die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nur „auf der [X.]rundlage des Altersteilzeitgesetzes” vorsieht, bezieht das öffentlich-rechtliche System der an bestimmte Erfordernisse gebundenen Refinanzierung durch Erstattungsleistungen der öffentlichen Hand nach § 3 und § 4 [X.] in die privatrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen mit ein ([X.] 15. April 2008 - 9 [X.]/07 - Rn. 35, [X.]E 126, 264). Durch den Verweis auf das [X.] stellt § 2 Abs. 1 [X.] den Anspruch auf eine billigem Ermessen entsprechende Entscheidung unter den tariflichen Vorbehalt, dass die [X.] in dem Betrieb nicht überschritten ist. Die Beschäftigung von Arbeitnehmern über die gesetzliche Quote hinaus ist ein negatives Tatbestandsmerkmal, das bereits die Entstehung des Anspruchs hindert (vgl. [X.] 18. Oktober 2011 - 9 [X.] - Rn. 30). Die gesetzliche Quotierung dient auch dazu, altersteilzeitbedingte finanzielle Mehraufwendungen des Arbeitgebers in [X.]renzen zu halten ([X.] 14. Oktober 2008 - 9 [X.] - Rn. 24, [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 41 = EzA TV[X.] § 4 Altersteilzeit Nr. 29).

c) Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 14. Oktober 2008 ([X.] - 9 [X.] - Rn. 24, aaO) angenommen hat, das Überschreiten der [X.] sei lediglich ein Aspekt, den der Arbeitgeber im Rahmen des von ihm auszuübenden Ermessen berücksichtigen könne, wird hieran nicht festgehalten. [X.] man dem Überschreiten des in § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 [X.] genannten Werts lediglich eine solche Bedeutung zu, hätte dies einen von den Tarifvertragsparteien nicht gewollten Wertungswiderspruch zur Folge. Denn einem Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 [X.] erfüllt, wächst kein tariflicher Anspruch zu, wenn in dem Betrieb [X.] der Beschäftigten in Altersteilzeit beschäftigt werden (so zuletzt [X.] 18. Oktober 2011 - 9 [X.] - Rn. 30). Der Arbeitnehmer, der das 60. Lebensjahr vollendet hat, stände damit schlechter als ein Arbeitnehmer, der lediglich das 55. Lebensjahr vollendet hat. Dieser hätte trotz der Überschreitung der [X.] Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Der Arbeitgeber hätte hierbei die wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. [X.] 23. Januar 2007 - 9 [X.] - Rn. 29, [X.] Diakonisches Werk § 1 Nr. 14). Dies wären neben dem Überschreiten der [X.] auch Umstände aus der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers (vgl. [X.] 17. August 2010 - 9 [X.] - Rn. 49, [X.] § 3 Nr. 22 = EzA TV[X.] § 4 Altersteilzeit Nr. 33). Sollte hiernach das Interesse des Arbeitnehmers am Abschluss des [X.]s das gegenläufige Interesse des Arbeitgebers überwiegen, fiele die Entscheidung des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitnehmers aus (vgl. [X.] 12. August 2008 - 9 [X.] - Rn. 26, [X.]E 127, 214). Eine solche Privilegierung der rentenfernen gegenüber den rentennahen Jahrgängen haben die Tarifvertragsparteien nicht gewollt.

d) Die Überschreitung der [X.] hat das [X.] mit bindender Wirkung für das Revisionsgericht festgestellt (§ 559 Abs. 2 ZPO). Die Klägerin beantragte unter dem 7. April 2008 Altersteilzeit, die am 1. Juni 2008 beginnen sollte. Zu beiden [X.]punkten war die Quote von [X.] der Beschäftigten in den Entsorgungsbetrieben, in denen die Klägerin beschäftigt wird, überschritten.

e) Die [X.] hat das Recht, sich auf die [X.] zu berufen, nicht dadurch verwirkt (§ 242 B[X.]B), dass sie im [X.]raum von 2002 bis 2008 trotz Überschreitung der Quote weiterhin mit Mitarbeitern Altersteilzeitarbeitsverträge schloss. Der Arbeitgeber bleibt nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 [X.] in seiner Entscheidung über die Annahme weiterer Altersteilzeitangebote frei, auch wenn er bereits die Quote von [X.] überschritten hat. Eine Verwirkung kommt nur in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, der Arbeitgeber werde sich dauerhaft nicht auf die [X.] berufen (vgl. [X.] 15. April 2008 - 9 [X.]/07 - Rn. 43, [X.]E 126, 264). Solche besonderen Tatsachen sind nicht vorgetragen; sie sind im Übrigen nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass die [X.] im [X.]raum vor dem Stichtag am 8. Februar 2008 [X.] begründete, reicht hierfür nicht aus. Denn der bloße Umstand, dass die [X.] unter massiver Nutzung der Altersteilzeit Personal abbaute, begründet auf Seiten der Klägerin keinen rechtlichen Vertrauenstatbestand auf die Fortführung dieser Praxis ohne Rücksicht auf die Entwicklung der [X.] und der damit einhergehenden finanziellen Belastungen.

II. Der Anspruch folgt auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen [X.]leichbehandlungsgrundsatz. Die [X.] hat nicht gegen den arbeitsrechtlichen [X.]leichbehandlungsgrundsatz verstoßen, indem sie mit drei Arbeitnehmern nach dem 8. Februar 2008 noch Altersteilzeitarbeitsverträge schloss, dies aber gegenüber der Klägerin verweigert.

1. Der arbeitsrechtliche [X.]leichbehandlungsgrundsatz ist die privatrechtliche Ausprägung des in Art. 3 Abs. 1 [X.][X.] statuierten [X.]leichheitssatzes. [X.]ewährt der Arbeitgeber Arbeitnehmern freiwillige Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip, ist der Arbeitgeber ungeachtet des Vorrangs der Vertragsfreiheit an den arbeitsrechtlichen [X.]leichbehandlungsgrundsatz gebunden (vgl. [X.] 15. Juli 2009 - 5 [X.] - Rn. 11, [X.] § 242 [X.]leichbehandlung Nr. 209 = EzA B[X.]B 2002 § 242 [X.]leichbehandlung Nr. 20). Schließt der Arbeitgeber - wie im Streitfall - mit Arbeitnehmern Altersteilzeitarbeitsverträge, obwohl er wegen Überschreitens der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.] geregelten [X.] hierzu nicht verpflichtet ist (vgl. [X.] 13. Juli 2010 - 9 [X.] - Rn. 40 f., [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 47 = EzA TV[X.] § 4 Altersteilzeit Nr. 34), erbringt er eine freiwillige Leistung und hat deshalb bei der Entscheidung über den Antrag eines Arbeitnehmers auf Abschluss eines [X.]s den arbeitsrechtlichen [X.]leichbehandlungsgrundsatz zu beachten (vgl. [X.] 15. April 2008 - 9 [X.]/07 - Rn. 54, [X.]E 126, 264).

2. Der arbeitsrechtliche [X.]leichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder [X.]ruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung seiner selbst gegebenen Regelung gleichzubehandeln. Der [X.]leichbehandlungsgrundsatz wird inhaltlich durch den allgemeinen [X.]leichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 [X.][X.] bestimmt. Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass Arbeitnehmer nicht aus sachfremden oder willkürlichen [X.]ründen ausgeschlossen werden. Verstößt der Arbeitgeber bei der [X.]ewährung freiwilliger Leistungen gegen den [X.]leichbehandlungsgrundsatz, hat der benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf die vorenthaltene Leistung ([X.]Rspr., vgl. [X.] 4. Mai 2010 - 9 [X.] - Rn. 23, [X.] § 3 Nr. 21 = EzA ZPO 2002 § 894 Nr. 2).

3. Die [X.] erbrachte gegenüber ihren Arbeitnehmern freiwillige Leistungen. Sie vereinbarte Altersteilzeitarbeitsverträge, obwohl sie hierzu wegen der Überschreitung der [X.] nach § 2 Abs. 1 [X.] iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 [X.] nicht verpflichtet war.

4. Soweit die [X.] ihre tatsächliche Praxis änderte und den Abschluss von [X.] verweigerte, wenn der Antrag des Arbeitnehmers nach dem Aushang am 8. Februar 2008 bei ihr einging, ist dies sachlich gerechtfertigt.

a) Die [X.] behandelte Arbeitnehmer, die einen Antrag auf Abschluss eines [X.]s vor dem 8. Februar 2008 einreichten, anders als Arbeitnehmer, die das Angebot zu einem späteren [X.]punkt einreichten. Während die [X.] die Anträge der ersten [X.]ruppe von Arbeitnehmern unter den weiteren Voraussetzungen des [X.] annahm, lehnte sie Anträge der zweiten [X.]ruppe - so auch den Antrag der Klägerin - unter Hinweis auf die [X.] ab.

b) Diese [X.]ruppenbildung ist nicht willkürlich. Ihr liegen sachliche Erwägungen zugrunde, die die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.

aa) Mit dem [X.]leichbehandlungsgrundsatz ist es vereinbar, wenn der Arbeitgeber einen Stichtag benennt, ab dem er eine freiwillige Leistung einstellt. Stichtagsregelungen sind als „Typisierung in der [X.]” ungeachtet der damit verbundenen Härten zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises zulässig. Denn der Anspruch auf [X.]leichbehandlung ist nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich begrenzt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich die Wahl des [X.]punkts am zu regelnden Sachverhalt orientiert und die Interessenlage der Betroffenen angemessen erfasst. Bei der Festlegung des Stichtags besteht ein weiter Ermessensspielraum. Die zeitliche Differenzierung ist zulässig, wenn sie auf die infrage stehende Leistung und ihre Besonderheiten abgestimmt ist. Entscheidend sind die hinter der Stichtagsregelung stehenden [X.]ründe. Auch Kostenbelastungen können eine Stichtagsregelung rechtfertigen (vgl. [X.] 15. September 2009 - 9 [X.] 685/08 - Rn. 30, [X.] § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 186). Diese [X.]rundsätze gelten insbesondere in den Fällen, in denen ein Arbeitgeber im Hinblick auf das Überschreiten der [X.] einen Stichtag festlegt, ab dem er den Abschluss von [X.] ablehnt (vgl. [X.] 15. April 2008 - 9 [X.]/07 - Rn. 53, [X.]E 126, 264 ).

bb) Die von der [X.]n im Streitfall vorgenommene [X.]ruppenbildung ist sachlich gerechtfertigt. Die [X.] hat mit dem 8. Februar 2008 einen Stichtag bestimmt und diesen gegenüber der Belegschaft - so auch gegenüber der Klägerin - bekannt gemacht. Anträge auf Altersteilzeit, die nach diesem Tag bei ihr eingingen, lehnte sie ab.

(1) Maßgeblich war für die [X.], wie ihre Entscheidungspraxis belegt, der Tag der Antragstellung. Die Wahl des [X.]punkts, ab dem die [X.] die Stichtagsregelung ohne Ausnahme anwandte, ist nicht zu beanstanden. Zu diesem [X.]punkt waren, wie das [X.] mit bindender Wirkung für das Revisionsgericht festgestellt hat, die Rücklagen, die die [X.] in den Entsorgungsbetrieben zum Zweck der Absicherung der aus der Altersteilzeit erwachsenden finanziellen Belastungen gebildet hatte, aufgebraucht. Dieser [X.]rund, der die [X.] veranlasste, die bisherige Praxis zu ändern, steht in einem sachlichen Zusammenhang mit der von ihr erbrachten Leistung, freiwillig Altersteilzeitarbeitsverträge abzuschließen.

(2) Der Umstand, dass die [X.] nach dem 8. Februar 2008 die Anträge der Arbeitnehmer M und A sowie der Arbeitnehmerin [X.] annahm, rechtfertigt es nicht, abweichend zu entscheiden. Dies gilt selbst dann, wenn man mit der Revision davon ausgeht, die [X.] habe durch den Abschluss der Altersteilzeitarbeitsverträge die verlautbarte Stichtagsregelung missachtet.

Die [X.] teilte der Belegschaft der Entsorgungsbetriebe unter dem 8. Februar 2008 mit, dass „zurzeit [X.] gem. § 2 Abs. 3 [X.] abgelehnt werden müssen.“ Der Wortlaut der Regelung legt nahe, dass nicht der [X.]punkt der Antragstellung, sondern der [X.]punkt, zu dem über den Antrag entschieden wird, maßgeblich ist. Hieraus erwachsen der Klägerin allerdings keine Rechte. Der Abschluss der Altersteilzeitarbeitsverträge mit den drei Arbeitnehmern dokumentiert den Willen der [X.]n, Arbeitnehmer, die bereits vor dem benannten Stichtag einen Antrag auf Altersteilzeit gestellt hatten, günstiger als verlautbart zu behandeln. Die Klägerin, die ihren Antrag erst am 7. April 2008 anbrachte, gehört nicht zu diesem Personenkreis. Diese weitere Stichtagsregelung ist sachlich gerechtfertigt. Sie knüpft an das zum [X.]punkt der Antragstellung berechtigte Vertrauen der Arbeitnehmer an, die [X.] bewillige trotz Überschreitens der [X.] den Abschluss von [X.]. Dieses Vertrauen war mit dem Aushang vom 8. Februar 2008 beseitigt und bestand deshalb zu dem [X.]punkt, zu dem die Klägerin ihren Antrag anbrachte, nicht mehr.

B. Dem Kläger gegenüber ist die [X.] aus denselben Erwägungen nicht verpflichtet, einen [X.] zu schließen. Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass auch hier eine Anspruchsgrundlage fehlt.

I. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 [X.], der kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, liegen nicht vor. Zwar erfüllt der am 13. Juni 1953 geborene Kläger, der seit 1978 bei der [X.]n beschäftigt ist, die in der Tarifbestimmung genannten persönlichen Anforderungen; der Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen am 16. April 2008 gestellten Antrag scheitert jedoch daran, dass in den Entsorgungsbetrieben, in denen der Kläger beschäftigt ist, die [X.] überschritten ist. Die [X.] hat das Recht, sich auf diesen anspruchshindernden Umstand zu berufen, nicht verwirkt. Insoweit gelten die Ausführungen unter [X.] entsprechend.

II. Der Kläger vermag sein Klagebegehren auch nicht mit Erfolg auf den arbeitsrechtlichen [X.]leichbehandlungsgrundsatz zu stützen. Soweit die [X.] am 8. Februar 2008 eine Stichtagsregelung einführte und diese gegenüber der Belegschaft verlautbarte, ist die unterschiedliche Behandlung, die Arbeitnehmer im Hinblick auf die [X.]ewährung von Altersteilzeit erfuhren, sachlich gerechtfertigt (siehe im Einzelnen die Ausführungen unter [X.]I).

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 2 ZPO.

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

    Suckow    

        

        

        

    Jungermann    

        

    Leitner    

                 

Meta

9 AZR 387/10

15.11.2011

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, 13. August 2009, Az: 11 Ca 11032/09, Urteil

§ 3 Abs 1 Nr 3 Alt 1 AltTZG 1996, § 2 Abs 1 AltTZTV, § 242 BGB, Art 3 Abs 1 GG, § 315 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2011, Az. 9 AZR 387/10 (REWIS RS 2011, 1430)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1430

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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