Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.08.2010, Az. AnwZ (B) 99/09

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2010, 3901

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[X.][X.]ESCHLUSS AnwZ ([X.]) 99/09 vom 20. August 2010 in dem Verfahren wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft - 2 - Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch [X.] Ganter, die Richterinnen [X.] und [X.], die Rechtsanwäl-te Dr. [X.] und Prof. Dr. [X.] am 20. August 2010 beschlossen: Auf die sofortige [X.]eschwerde der Antragsgegnerin wird der [X.]e-schluss des 1. Senats des [X.] vom 24. September 2009 aufgehoben. Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben. Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin die ihr im [X.]eschwerdeverfahren entstan-denen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten. Der Geschäftswert für das [X.]eschwerdeverfahren wird auf 50.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und Mitglied der Antragsgegnerin. Mit [X.]escheid vom 8. Juli 2009 hat die Antragsgegnerin die Zulassung wegen [X.] widerrufen und die sofortige Vollziehung des Widerrufsbeschei-des angeordnet. Der mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene [X.]escheid ist dem Antragsteller am 9. Juli 2009 zugestellt worden. 1 - 3 - Am 29. Juli 2009 ging bei der Antragsgegnerin ein Telefax seiner jetzigen Verfahrensbevollmächtigten ein, die sich für den Antragsteller legitimierten, "Widerspruch" gegen den [X.]escheid vom 8. Juli 2009 einlegten und Aktenein-sicht in ihrer Kanzlei beantragten. Außerdem baten sie unter [X.]ezugnahme auf ein Schreiben der Antragsgegnerin vom 22. Juli 2009 um Gelegenheit zur Stel-lungnahme zur Frage der [X.]estellung eines Vertreters bis zum 10. August 2009; eine Vertreterbestellung sei nicht erforderlich, weil der Antragsteller keine Man-date mehr bearbeite. Die Antragsgegnerin lehnte mit Schreiben vom 30. Juli 2009 eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme hinsichtlich der aus ihrer Sicht eilbedürftigen Vertreterbestellung ab. Die Akten würden nicht übersandt, sondern könnten in den Räumen der Antragsgegnerin eingesehen werden; we-der hinsichtlich der Vertreterbestellung noch zur [X.]egründung des Rechtsmittels sei im Übrigen Akteneinsicht erforderlich. 2 Mit Schreiben vom 12. August 2009 teilte die Antragsgegnerin dem [X.] mit, er sei mit Wirkung vom 11. August 2009 aus dem bei ihr geführ-ten Rechtsanwaltsverzeichnis gelöscht worden. 3 Am 19. August 2009 stellte der Antragsteller, weiterhin vertreten durch seine jetzigen Verfahrensbevollmächtigten, Antrag auf gerichtliche Entschei-dung und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er be-anstandete, dass die Antragsgegnerin ihn weder darauf hingewiesen habe, dass der Widerspruch nicht das richtige Rechtsmittel sei, noch seinen Schrift-satz an den [X.] weitergeleitet habe. Kenntnis von ihrem Fehler hätten seine Verfahrensbevollmächtigten erst durch die Mitteilung der [X.] über seine Löschung aus dem Rechtsanwaltsverzeichnis erhalten. 4 - 4 - Mit dem angefochtenen [X.]eschluss hat der [X.] dem [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Hiergegen hat die Antragsgegnerin sofortige [X.]eschwerde eingelegt. Am 24. März 2010 ist die [X.] Insolvenzverwaltung über das Vermögen des Antragstellers angeordnet worden. Mit Schreiben vom 6. April 2010 hat der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin auf seine Zulassung verzichtet. Der Antragsteller hat das [X.]e-schwerdeverfahren für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin hat keine entspre-chende Erklärung abgegeben und auch nicht (erneut) die Zulassung des [X.]s widerrufen. Sie vertritt weiterhin die Ansicht, dass die Zulassung des Antragstellers durch den [X.]escheid vom 8. Juli 2009 bestandskräftig widerrufen worden ist. 5 I[X.] Das gerichtliche Verfahren richtet sich dem bis zum 31. August 2009 gel-tenden Recht (§ 215 Abs. 3 [X.]RAO). Die sofortige [X.]eschwerde ist gemäß § 42 Abs. 6 Satz 3 [X.]RAO a.F., § 22 Abs. 2 Satz 3 [X.] statthaft und auch im Übri-gen zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.]eschlusses. 6 1. Der Antragsteller war nicht ohne Verschulden gehindert, die Frist des § 16 Abs. 5 [X.]RAO a.F. für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung einzuhal-ten (§ 22 [X.]). Er muss sich das Verschulden seiner Verfahrensbevollmächtig-ten zurechnen lassen, die nicht den statthaften Antrag auf gerichtliche Ent-scheidung beim [X.] gestellt, sondern einen unstatthaften [X.] bei der Antragsgegnerin eingelegt haben (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.]). 7 - 5 - 2. Dieses Verschulden ist nicht deshalb unbeachtlich, weil die [X.] den [X.] nicht innerhalb der noch laufenden Frist an den [X.] weitergeleitet hat. Vergeblich beruft sich der Antragsteller in-soweit auf die Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts und des [X.]un-desgerichtshofs in Fällen, in denen die Rechtsmittelschrift an ein unzuständiges Gericht gerichtet war. Nach dieser Rechtsprechung hat ein Gericht, das erstin-stanzlich mit der Sache befasst war, einen bei ihm eingereichten fristgebunde-nen [X.] für das Rechtsmittelverfahren aufgrund seiner aus Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten Pflicht zu [X.] im Zuge des ordentlichen Geschäftsgangs an das zuständige Gericht weiterzuleiten. Geht der [X.] so zeitig bei dem Ausgangsgericht ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das zuständige Gericht im üblichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die [X.] darauf vertrauen, dass der [X.] rechtzeitig beim Rechtsmittel-gericht eingeht. Ein Verschulden der [X.] oder ihres [X.]evollmächtigten wirkt sich dann nicht mehr aus ([X.]VerfGE 93, 99, 115 f.; [X.]VerfG, NJW 2005, 2137, 2138; [X.]GH, [X.]eschl. v. 29. Mai 2002 - V Z[X.] 11/02, [X.]GHZ 151, 42, 44). Diese Grundsätze gelten auch, wenn eine leicht und einwandfrei als fehlgeleitet [X.] [X.] bei einem bisher nicht befasst gewesenen [X.] eingeht und dessen Unzuständigkeit deshalb offensichtlich ist ([X.]VerfG, NJW 2006, 1579). 8 Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. Die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers haben nicht den gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelf - den Antrag auf gerichtliche Entscheidung - bei einem dafür offensichtlich unzustän-digen Gericht eingereicht. Sie haben vielmehr Widerspruch gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.]RAO in der vom 1. September 2009 an geltenden Fassung, § 68 VwGO bei der Antragsgegnerin als der für ein Widerspruchsverfahren zu-9 - 6 - ständigen [X.]ehörde eingelegt, ohne zu beachten, dass die Neufassung der [X.]undesrechtsanwaltsordnung erst am 1. September 2009 in [X.] trat und die Übergangsregelung des § 215 [X.]RAO für laufende Verfahren die Anwendung des bis zum 31. August 2009 geltenden Rechts anordnete. Die Antragsgegnerin konnte den [X.] überdies nicht einfach an den [X.] [X.]. Der [X.] enthielt neben dem unstatthaften Widerspruch gegen den Widerrufsbescheid auch einen Antrag auf Akteneinsicht und befasste sich mit der Frage der [X.]estellung eines amtlichen Vertreters. Jedenfalls insoweit war er von der Antragsgegnerin zu bescheiden, nicht vom [X.]. 3. Dass die Antragsgegnerin den Antragsteller und seine Verfahrensbe-vollmächtigten nicht nochmals darauf hingewiesen hat, dass statthafter Rechts-behelf gegen den Widerrufsbescheid im vorliegenden Fall noch der beim [X.] anzubringende Antrag auf gerichtliche Entscheidung war, [X.] im Ergebnis schließlich ebenfalls nichts. Die Antragsgegnerin hatte dem Antragsteller eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung erteilt, die der Wi-derrufsverfügung beigefügt worden war. Es würde eine Überspannung der An-forderungen an die Fürsorgepflicht der Antragsgegnerin bedeuten, wenn ihren Mitgliedern und deren Verfahrensbevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien eines Rechtsbehelfs nach der Erteilung einer [X.] und inhaltlich ohne weiteres verständlichen Rechtsbehelfsbelehrung vollständig abgenommen werden würde. Die Gerichte sind regelmäßig nicht verpflichtet, die [X.] oder ihren [X.]evollmächtigten telefonisch oder per Telefax davon zu unterrichten, dass ein fristgebundener [X.] beim unzuständigen Gericht eingereicht wurde ([X.]VerfG, NJW 2001, 1343; [X.]GH, [X.]eschl. v. 14. [X.] 2005 - IX Z[X.] 138/05, Anw[X.]l. 2006, 213; v. 15. Dezember 2005 - VI Z[X.] 15/05, Anw[X.]l. 2006, 212). Für die Antragsgegnerin kann nichts anderes gelten. 10 - 7 - Einer Wiederholung der Rechtsbehelfsbelehrung bedurfte es nicht, zumal der Antragsteller - selbst Rechtsanwalt - anwaltlich vertreten war. Anlass zu [X.]edenken gibt allenfalls, dass die Antragsgegnerin in ihrem Antwortschreiben vom 30. Juli 2009 nicht nur auf den Antrag auf Akteneinsicht sowie die [X.]itte um Einräumung einer Frist zur Stellungnahme hinsichtlich der [X.]estellung eines Vertreters beschieden hat, sondern auch die Frage der [X.]e-gründung "des Rechtsmittels" angesprochen hat. Dies hat sich im konkreten Fall jedoch nicht ausgewirkt. Der Antragsteller hat nicht behauptet, seine Ver-fahrensbevollmächtigten seien durch den Inhalt des Schreibens der [X.] davon abgehalten worden, ihr Vorgehen zu überprüfen. Er hat viel-mehr die Ansicht vertreten, die Antragsgegnerin hätte von sich aus dafür Sorge tragen müssen, dass sein "Widerspruch" rechtzeitig beim [X.] einging, indem sie entweder den [X.] weiterleitete oder einen erneuten rechtlichen Hinweis erteilte. Dies trifft indes nicht zu. 11 Ganter [X.] Fetzer [X.] [X.] Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 24.09.2009 - [X.] 11/09 (I) -

Meta

AnwZ (B) 99/09

20.08.2010

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.08.2010, Az. AnwZ (B) 99/09 (REWIS RS 2010, 3901)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3901

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