Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.10.2013, Az. 4 ZA (pat) 35/13

4. Senat | REWIS RS 2013, 1651

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung – zum Anfall und zur Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr bei Klagerücknahme – zur Ermäßigung der Verfahrensgebühr - zur Notwendigkeit von Doppelvertretungskosten


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent …

(DE …)

 (hier: Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung)

hat der 4. Senat ([X.]) des [X.] am 24. Oktober 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] und des Richters Dipl.-Phys. Dr. Müller

beschlossen.

[X.] Die Erinnerung des [X.] wird zurückgewiesen.

I[X.] Der Kläger hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.

II[X.] [X.] beträgt 2.699,20 €.

Gründe

I.

1

[X.]er Kläger hat im Patentnichtigkeitsverfahren 4 Ni 51/11 (EP) mit [X.] vom 28. September 2011 Klage erhoben, die der Gegenseite am 17. Oktober 2011 ([X.]. 51 d. A.) zugestellt worden ist. Mit Telefax vom 14. November 2011, eingegangen bei Gericht am selben Tag ([X.]. 53 d. A.) hat der Kläger die Klage zurückgenommen. Ebenfalls per Fax vom 14. November 2011 ([X.]. 114 d. A.) hat der Klägervertreter von Anwalt zu Anwalt [X.] (Rechtsanwälte [X.], [X.]) über die Klagerücknahme in Kenntnis gesetzt. [X.]rei Tage später, mit [X.] vom 17. November 2011, bei Gericht per Telefax am selben Tag eingegangen ([X.]. [X.]), haben sich die Patentanwälte [X.]… – unter Anzeige der Mitwirkung von [X.] – als Prozessbevollmächtigte für die Beklagte bestellt. [X.]as Gericht hat mit Verfügung vom 18. November 2011 ([X.]. 61 d. A.) die [X.]en über die Klagerücknahme informiert. [X.]en Streitwert für das Verfahren hat es mit Beschluss vom 20. [X.]ezember 2012 ([X.]. 118 d. A.) auf 156.250,-- € festgesetzt.

2

Mit [X.] vom 11. Juni 2012 ([X.]. 67 d. A.) haben die Beklagtenvertreter beantragt, die Kosten festzusetzen. Sie haben dabei jeweils für den Patent- und den Rechtsanwalt eine 0,8-fache Verfahrensgebühr [X.] Auslagenpauschale (1.329,60 € [X.] 20,-- € = 1.349,60 € x 2 = 2.699,20 €) in Ansatz gebracht. Am 12.06.2012 ([X.]. [X.]) haben die Patentanwälte [X.]… die Niederlegung der Vertretung erklärt. [X.]ie Beklagte wird nunmehr von den – im Rubrum benannten – Patentanwälten [X.], [X.] vertreten. [X.]iese hatten sich ursprünglich den Vortrag der vormaligen Beklagtenvertreter bzgl. der Kostenfestsetzung zu Eigen gemacht ([X.]. 127 d. A.). Mit weiterem [X.] vom 15. Februar 2013 ([X.]. 129 d. A.) beanspruchten sie eine Erhöhung der 0,8-fachen auf eine 1,3-fache Verfahrensgebühr sowohl für den beteiligten Rechts- als auch für den beteiligten Patentanwalt.

3

[X.]ie Rechtspflegerin hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Juli 2013 ([X.]. 181/186 d. A.) die Kosten der Beklagten auf 2.699,20 € festgesetzt und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Nach Klagerücknahme durch den Kläger stehe der Beklagten der festgesetzte Betrag in Höhe einer jeweils 0,8-fachen Verfahrensgebühr gem. Nrn. 3100, 3101 [X.] [X.] Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 [X.] zu. [X.]ie Beklagte habe ab Zustellung der Klage Veranlassung zur Bestellung eines Anwalts gehabt. [X.]ie Rücknahme der Klage sei erst wenige Tage vor Ablauf der Widerspruchsfrist am 17. November 2011 erfolgt. [X.]ie Angaben der Beklagten zum Tätigwerden von Patent- und Rechtsanwälten sei durch außergerichtliche Korrespondenz und die Vorlage eines [X.] vom 8. November 2011 ausreichend nachgewiesen. Für das Entstehen der Verfahrensgebühr sei die Bestellungsanzeige bei Gericht – die unstreitig nach der Klagerücknahme erfolgt ist – nicht erforderlich.

4

Gegen diesen Beschluss, dem Kläger zugestellt am 30. Juli 2013 ([X.]. [X.]), hat er mit [X.] vom 13. August 2013, bei Gericht per Telefax am selben Tag eingegangen ([X.]. 193 d. A.), Erinnerung eingelegt.

5

[X.]ie Beklagtenseite habe seit 14. November 2011 Kenntnis von der Klagerücknahme gehabt und dennoch erst am 17. November 2011 einen [X.] mit der Bestellungs-und [X.] eingereicht. Es sei daher davon auszugehen, dass diese Maßnahme lediglich im Gebühreninteresse erfolgt sei. Soweit die Rechtspflegerin darauf hingewiesen habe, dass in dem Vergleichsvorschlag auch Kosten für die Nichtigkeitsklage für einen Rechtsanwalt enthalten gewesen seien, begründe dies keine Gebührenerstattungspflicht im [X.], solange eine tatsächliche Tätigkeit des Rechtsanwalts in diesem Verfahren nicht auch aktenkundig sei. Gebühren für einen Patentanwalt seien schon deshalb nicht zu erstatten, weil ein Patentanwalt tatsächlich nicht tätig geworden sei.

6

[X.]er Kläger und Erinnerungsführer beantragt,

7

unter Aufhebung des Beschlusses des [X.] vom 18. Juli 2013 den Antrag der Beklagtenseite auf Festsetzung der Kosten zurückzuweisen.

8

beantragt,

9

 die Erinnerung zurückzuweisen.

[X.]ie Behauptung des [X.], der Rechtsanwalt habe sich nicht mit der Sache beschäftigt, sei lebensfremd, da er für die Prüfung der Rechtslage zum Vergleichsvorschlag sowohl die Frage der Problematik im Verletzungsverfahren als auch – wegen der erfolgten Zustellung der Nichtigkeitsklage – den Rechtsbestand des Patents habe überprüfen müssen. [X.]ie Tätigkeiten des Patentanwalts ergäben sich aus der übersandten Rechnung der Patentanwälte [X.]…

[X.]ie Rechtspflegerin hat durch Verfügung vom 23. September 2013 der Erinnerung des [X.] nicht abgeholfen, sondern die Akten zur Entscheidung dem Senat vorgelegt.

II.

[X.]ie Erinnerung des [X.] ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 23 Abs. 2 RPflG i. V. m. § 104 Abs. 3 ZPO, § 84 Abs. 2 [X.]), aber unbegründet. [X.]ie Rechtspflegerin hat die erstattungsfähigen Kosten der Beklagten mit 2.699,20 € zutreffend in Ansatz gebracht.

1. [X.]ie Kostenerstattungspflicht des [X.] ist entstanden, obwohl die Bestellungsanzeige der Beklagtenvertreter – unstreitig – erst nach Klagerücknahme erfolgt ist.

1.1. Nach § 99 Abs.1 [X.] i. V. m. § 269 Abs. 3 [X.] ZPO hat der Kläger nach Klagerücknahme die Kosten des Verfahrens zu tragen. [X.]ie gesetzlichen Auslagen des Anwalts der obsiegenden [X.] sind zu erstatten, sofern sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder – wie vorliegend – Rechtsverteidigung notwendig waren. Für die Notwendigkeit i. S. d. § 91 Abs. 1 ZPO reicht aus, dass der Beklagte anwaltlichen Rat in einer als risikobehafteten Situation für erforderlich halten darf. [X.]ie mit einer Klage überzogene [X.] kann regelmäßig nicht selbständig beurteilen, was zu ihrer Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist, weshalb ihr nicht zugemutet werden kann, zunächst – ggf. bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist - die weiteren Entschließungen eines anwaltlich vertretenen [X.] abzuwarten (vgl. für das Rechtsmittelverfahren [X.], 756 f.). Anlass für die Bestellung eines Anwalts besteht daher jedenfalls ab Zustellung einer Klage ([X.]/[X.]/[X.], ZPO, 33. Auflage 2012, § 91 Rn. 21).

1. 2. Bereits vor der [X.], nämlich mit Auftragserteilung und erster auftragsgemäßer Tätigkeit des Anwalts entsteht auf Beklagtenseite die Verfahrensgebühr nach Teil 3 [X.] des RVG (i. d. F. vom 17.12.2008). Ein Verfahrensauftrag setzt dabei weder voraus, dass bereits ein Gerichtsverfahren anhängig ([X.]/[X.], RVG, 20. Auflage 2012, 3100 [X.] Rn. 50; [X.]. 36; [X.]/[X.], RVG, 4. Auflage 2012, [X.] „Klagerücknahme“), noch dass eine Klage zugestellt ist. Lediglich für die Höhe der Vergütung ist die Zustellung wesentlich ([X.]/[X.], a. a. [X.], 3100 [X.] Rn. 51). Auch von der Bestellungsanzeige bei Gericht ist die Verfahrensgebühr nicht abhängig ([X.], Kostengesetze, 43. Auflage 2013, 3100 [X.] Rn. 22 „Bestellungsanzeige“; [X.]/[X.], a. a. [X.], 3100 [X.] Rn. 58).

nach der [X.] und vor der Klagerücknahme bereits beauftragt waren. [X.]amit ist die Verfahrensgebühr angefallen.

1. 3. [X.]ie Höhe der angefallenen Gebühren bestimmt sich grundsätzlich nach § 2 Abs. 2 RVG i. V. m. dem Vergütungsverzeichnis ([X.]). Vorliegend ist eine 0,8 fache Verfahrensgebühr in Ansatz zu bringen.

Beantwortet der Beklagtenvertreter die gegnerische Klage, ohne zu wissen oder wissen zu müssen, dass der Gegner die Klage bereits zurückgenommen hat, entsteht die volle 1,3 fache Gebühr nach [X.] 3100. [X.]enn der Auftrag für den Anwalt des Beklagten erlischt noch nicht durch den Eingang der gegnerischen Maßnahme bei Gericht. [X.]ies gilt allerdings nur dann, wenn der Beklagtenvertreter einen [X.] mit Klageabweisungsantrag, d. h. mit einem Sachantrag eingereicht hat. [X.]ie bloße Anwaltsbestellung ist jedoch kein Sachantrag ([X.] 3101 Nr. 1; vgl. [X.]/[X.], ZPO, 29. Auflage 2012, § 91 Rn. 13 „Klageabweisungsantrag“ und „Klagerücknahme“; [X.], a. a. [X.], 3101 [X.] Rn. 24; [X.]/[X.], a. a. [X.], 3101 [X.] Rn. 32). [X.]ie Beklagtenvertreter haben vorliegend nur ihre Bestellung angezeigt. [X.]amit ermäßigt sich die Verfahrensgebühr vom 1,3 fachen auf den 0,8 fachen Satz. Gibt der klägerische Anwalt dem Anwalt des Beklagten ferner unmittelbare Kenntnis von der Klagerücknahme, steht diese Mitteilung einer solchen durch das Gericht gleich ([X.], a. a. [X.], Rn. 34, 35; [X.]/[X.], a. a. [X.], [X.] 3101 Rn. 11 f.) und die Gebühr ermäßigt sich ebenfalls auf den 0,8 fachen Satz.

Unstreitig hat der Klägervertreter am 14. November 2011 dem Gericht und zugleich von Anwalt zu Anwalt dem Beklagtenvertreter mitgeteilt, dass er die Klage namens des [X.] zurücknehme. [X.]ie der Beklagten zustehende Verfahrensgebühr hat sich deshalb auf den 0,8 fachen Satz reduziert. Zutreffend hat die Rechtspflegerin die Verfahrensgebühr mit 1.329,60 € [X.] 20,-- € Auslagenpauschale berechnet. [X.]ie Angabe des 1,3 fachen Satzes auf Seite 3 des Beschlusses unter „Kosten des Rechtsanwalts“ beruht auf einem Schreibversehen, da tatsächlich nur die 0,8 fache Gebühr in Ansatz gebracht wurde.

2. [X.]ie Erinnerung des [X.] ist auch deshalb unbegründet, weil vorliegend sowohl Kosten eines Rechtsanwalts als auch eines Patentanwalts erstattungsfähig sind.

2. 1. [X.]ie Zuziehung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt oder umgekehrt ist im [X.] typischerweise als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig, wenn zeitgleich mit dem [X.] ein das Streitpatent betreffender Verletzungsrechtsstreit anhängig ist, an dem die betreffende [X.] oder ein mit ihr wirtschaftlich verbundener [X.]ritter beteiligt ist ([X.], Beschlüsse v. 18.12.2012, [X.] und [X.], [X.], 427 ff.).

Zwischen den [X.]en war zum damaligen Zeitpunkt parallel zum [X.] ein Verletzungsverfahren vor dem [X.] (Aktenzeichen 7 [X.]) anhängig.

2. 2. Entgegen der Auffassung des [X.] ist davon auszugehen, dass auch der Patentanwalt am [X.] „mitgewirkt“.

Zutreffend hat der Kläger darauf hingewiesen, dass die Mitwirkung eine konkrete, die Rechtsverfolgung oder –verteidigung fördernde Handlung erfordert. [X.]ies entspricht den Voraussetzungen, die für § 143 Abs. 3 [X.] gelten (Busse/Kaess, [X.], 7. Auflage, § 143 Rn. 136, 137; [X.], Beschluss v. 8.07.2002, [X.], 29). [X.]ie bloße – eine Gebühr auslösende – Mitwirkungshandlung reicht danach jedenfalls aus ([X.], [X.], [X.], 3. Auflage (2011), § 143 Rn. 54).

Aus dem oben unter 1.2. Gesagten geht hervor, dass Patentanwalt T1… in die [X.], die neben dem Verfahren vor dem [X.] auch das Verfahren vor dem [X.] betroffen haben, mit einbezogen war. [X.]ies begründet die erforderliche Mitwirkung.

3. [X.]ie Kosten des [X.] waren dem Kläger gem. §§ 84 Abs. 2, 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. §§ 104 Abs. 3, 91 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen.

4. [X.]er Wert des [X.] ergibt sich aus dem mit der Erinnerung zur Überprüfung gestellten Betrag.

Meta

4 ZA (pat) 35/13

24.10.2013

Bundespatentgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ZA (pat)

§ 91 Abs 1 ZPO § 104 ZPO § 269 Abs 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.10.2013, Az. 4 ZA (pat) 35/13 (REWIS RS 2013, 1651)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1651

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Rechtsanwaltskosten: Vergütung des Prozessbevollmächtigten einer Aktiengesellschaft bei Verbindung von Anfechtungsklagen verschiedener Kläger gegen denselben Hauptversammlungsbeschluss


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3 ZA (pat) 73/16

Zitiert

X ZB 6/12

X ZB 11/12

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