Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.05.2010, Az. II ZB 14/09

2. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 6817

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Gegenstand

Rechtsanwaltskosten: Vergütung des Prozessbevollmächtigten einer Aktiengesellschaft bei Verbindung von Anfechtungsklagen verschiedener Kläger gegen denselben Hauptversammlungsbeschluss


Leitsatz

1. Die Anfechtungsklagen verschiedener Kläger gegen denselben Hauptversammlungsbeschluss sind bis zu ihrer Verbindung gemäß § 246 Abs. 3 Satz 6 AktG selbstständige gebührenrechtliche Angelegenheiten im Sinne von § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 RVG .

2. Sind Gebührentatbestände (hier: die Verfahrensgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 2 RVG-VV) jeweils sowohl vor als auch nach der Verbindung entstanden, steht dem Rechtsanwalt ein Wahlrecht zu, ob er die gemäß § 15 Abs. 4 RVG unentziehbar entstandenen Gebühren aus den Einzelwerten der verschiedenen Verfahren oder die Gebühr aus dem Gesamtwert nach der Verbindung verlangt .

3. Die beklagte Aktiengesellschaft, die in Erwartung von Anfechtungsklagen einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt und dadurch vor der Verbindung in jedem Klageverfahren eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 RVG-VV auslöst, handelt nicht rechtsmissbräuchlich .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin zu 2 gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats des [X.] vom 8. Juni 2009 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

[X.]: 486,00 €

Gründe

I.

1

Die [X.]en streiten im Kostenfestsetzungsverfahren um die Höhe der von der Klägerin zu 2 der Beklagten zu erstattenden außergerichtlichen Kosten.

2

Im zugrunde liegenden Rechtsstreit hatten vier Anfechtungskläger Klage gegen [X.]üsse der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 21. August 2008 eingereicht, und zwar die Kläger zu 1-3 gegen die die Tagesordnungspunkte 7 und 8 betreffenden [X.]üsse der Hauptversammlung und die Klägerin zu 4 gegen die [X.]üsse [X.] 5-9. Für jede dieser Klagen, die in der [X.] vom 23. September bis 29. September 2008 bei Gericht eingegangen sind, hat das [X.] ein gesondertes Verfahren mit eigenem Aktenzeichen eingetragen und von dem jeweiligen Kläger einen [X.] angefordert, wobei bei den Klägern zu 1-3 ein Streitwert von jeweils 100.000,00 € und bei der Klägerin zu 4 ein Streitwert von 250.000,00 € zugrunde gelegt wurde.

3

Bereits mit jeweils vom 30. September 2008 stammenden Schriftsätzen meldete sich ein Rechtsanwalt unter Anzeige der anwaltlichen Vertretung der Beklagten und suchte in der Sache des [X.] zu 1 sowie der Klägerin zu 4 um Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle nach. Diese wurde ihm gewährt und er nahm auf der Geschäftsstelle in die Gerichtsakten aller vier Klagen Einsicht.

4

Am 24. Oktober 2008, nach Einzahlung der jeweiligen Gerichtskostenvorschüsse, hat das [X.] die vier Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 246 Abs. 3 Satz 5 AktG a.F. (= Satz 6 n.F.) verbunden und das Verfahren 3-5 O 236/08 (die zuerst eingegangene Klage) zum führenden Verfahren erklärt. [X.]gleich wurde die Zustellung der Klagen verfügt.

5

Mit Urteil vom 27. Januar 2009 hat das [X.] die Klagen abgewiesen, den [X.] für das verbundene Verfahren auf 250.000,00 € festgesetzt und u.a. der beschwerdeführenden Klägerin zu 2 18 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten auferlegt. Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat mit [X.] vom 3. Februar 2009 die außergerichtlichen Kosten zur Kostenfestsetzung angemeldet und zwar dergestalt, dass sie aus den ursprünglichen vier Klageverfahren nach deren jeweiligem Gegenstandswert eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 [X.] sowie jeweils die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 [X.] und zusätzlich eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 [X.] aus dem nach Verbindung festgesetzten Gegenstandswert von 250.000,00 € abgerechnet hat. Die Rechtspflegerin hat die angemeldeten Verfahrensgebühren jeweils um eine anrechenbare Geschäftsgebühr gekürzt und die anteilig auf die Klägerin zu 2 entfallenden Kosten auf 1.172,92 € festgesetzt.

6

Gegen diesen [X.]uss hat die Klägerin zu 2 sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, da mehrere Anfechtungskläger prozessrechtlich notwendige Streitgenossen seien, sei für eine Streitwertfestsetzung von Einzelverfahren bis zur vollständigen Verbindung kein Raum. Vielmehr sei für die Beklagte nur eine 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Streitwert der verbundenen Verfahren entstanden. Mit [X.]uss vom 28. April 2009 hat die Rechtspflegerin der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem [X.] zur Entscheidung vorgelegt. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde im Ergebnis mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägerin zu 2 sei durch die Kostenfestsetzung nicht beschwert, da ihre tatsächliche Kostenlast bei zutreffender Berechnung der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten über dem festgesetzten Betrag liege. Es hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil die Frage, ob die Rechtsverteidigung gegenüber [X.] mehrerer Kläger mehrere Verfahrensgebühren auslöst, und ob diese von den Klägern im Unterliegensfall zu erstatten sind, immer wieder auftrete und nicht in gesicherter Weise obergerichtlich geklärt sei.

II.

7

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig.

8

2. In der Sache hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg. Die Kosten, deren Erstattung die Beklagte nach der Kostengrundentscheidung im Urteil des [X.]s vom 27. Januar 2009 beanspruchen kann, betragen bei richtiger Berechnung 1.338,05 €, so dass die Klägerin zu 2 (künftig: Klägerin) durch die angefochtene Festsetzung in Höhe von nur 1.172,92 € nebst Zinsen nicht beschwert ist. Die Beklagte war berechtigt, vier 0,8 Verfahrensgebühren gemäß Nr. 3101 [X.] nach dem jeweiligen Gegenstandswert der ursprünglichen vier Klagen zuzüglich vier Auslagenpauschalen gemäß Nr. 7002 [X.] sowie eine 1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 [X.] aus dem verbundenen Verfahren nach dem Gegenstandswert von 250.000,00 € (§ 23 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG) zur Erstattung anzumelden (§ 15 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 [X.]).

9

a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt aus der in § 246 Abs. 3 Satz 5 AktG a.F. (= Satz 6 n.F.) statuierten Pflicht des Gerichts, mehrere [X.] zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden, nicht, dass damit gebührenrechtlich nur ein Verfahren mit der Folge des Entstehens nur einer Verfahrensgebühr vorliegt.

aa) Gegenteiliges ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 246 AktG, wonach "mehrere Anfechtungsprozesse" zu verbinden sind. Wenn die ursprünglich getrennt eingereichten Klagen keine eigenständigen Prozessrechtsverhältnisse wären, bedürfte es überhaupt keiner Verbindung (in diesem Sinne auch [X.] 2002, 296 f. sowie - im Zusammenhang mit den in diesen Fällen anfallenden Gerichtsgebühren - [X.] 2005, 661 f.; OLG Düsseldorf [X.] 2009, 542 [X.]. 4 m.w.Nachw.). Zwar war der Streitgegenstand der vier zunächst anhängig gemachten Klagen - teilweise - identisch, jedoch betraf jedes Verfahren unterschiedliche Prozessparteien. Die Identität des Streitgegenstandes allein ist für die Beantwortung der Frage nach einem "Prozessrechtsverhältnis" nicht ausreichend, dieses wird gerade auch durch die [X.]en des Rechtsstreits bestimmt.

Zudem klagt jeder Aktionär, der gegen einen Hauptversammlungsbeschluss einer Aktiengesellschaft Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage erhebt, aus eigenem, aus seiner Mitgliedschaft abgeleitetem ([X.] ([X.], [X.]. § 243 Rdn. 3) und macht nicht etwa die Klage eines Mitaktionärs "nochmals" rechtshängig.

Hinzu kommt, was die Rechtsbeschwerde bei ihrer Argumentation ausblendet, dass es auch in den Fällen, in denen das [X.] des § 246 Abs. 3 Satz 5 AktG a.F. (= Satz 6 n.F.) besteht, nicht ausgeschlossen ist, dass das mit den einzelnen anhängigen Klagen befasste Gericht von der Verfahrensverbindung aller Klagen absieht. So können etwa einzelne [X.], die unzweifelhaft verfristet sind, ohne Hinzuverbindung zu den übrigen, fristgerecht erhobenen und nach Gebühreneinzahlung zuzustellenden Klagen abgewiesen werden. Ebenso wenig werden Klagen verbunden, wenn für sie kein [X.] eingezahlt wird.

bb) Auch gebührenrechtlich lagen bis zur Verbindung vier verschiedene Angelegenheiten vor. Dies folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 2 [X.]. Danach gilt jeder prozessrechtliche Rechtszug als eine besondere Angelegenheit im Sinne des Gebührenrechts. Deshalb liegen - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen (siehe z.B. § 16 Nr. 10 [X.]) abgesehen - auch gebührenrechtlich mehrere Angelegenheiten vor, wenn mehrere prozessuale Verfahren mit demselben Streitgegenstand nebeneinander geführt werden, solange sie nicht miteinander verbunden sind ([X.] aaO; KG [X.], 1087 [X.]. 5; [X.], [X.], 138; [X.] in [X.] [X.], 5. Aufl. § 15 Rdn. 76; [X.], [X.] 39. Aufl. § 15 [X.] Rdn. 37 m.w.Nachw.). Werden mehrere Verfahren miteinander verbunden, so liegt erst ab dem [X.]punkt der Verbindung nur noch eine einzige Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 2 [X.] vor ([X.] [X.] 1986, 1523; [X.] aaO § 15 Rdn. 82, 168; [X.] aaO).

b) Die Beklagte war berechtigt, vier 0,8 Verfahrensgebühren gemäß Nr. 3101 [X.] nach dem jeweiligen Gegenstandswert der ursprünglichen vier Klagen zuzüglich vier Auslagenpauschalen gemäß Nr. 7002 [X.] sowie eine 1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 [X.] aus den verbundenen Verfahren nach dem Gegenstandswert von 250.000,00 € zur Erstattung anzumelden (§ 15 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 [X.]).

aa) Zwar lag mit der Verbindung nur noch eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit vor mit der Folge des § 15 Abs. 2 Satz 1 [X.], wonach der Rechtsanwalt "die Gebühren" nur einmal fordern kann, da sie nach § 15 Abs. 1 [X.] die gesamte Tätigkeit vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit entgelten. Durch die Verbindung ist keine neue - und damit dritte - gebührenrechtliche Angelegenheit entstanden ([X.], [X.]. v. 14. April 2010 - [X.], juris [X.]. 23; [X.] aaO § 15 Rdn. 168; Müller-Rabe in [X.], [X.] 18. Aufl. [X.] Rdn. 81; [X.] in Göttlich/Mümmler, [X.] 3. Aufl. S. 1058), und es ist auch nicht etwa das Klageverfahren 3-5 O 236/08 gebührenrechtlich fortgeführt und (nur) die dem "führenden" Verfahren hinzuverbundenen Prozessrechtsverhältnisse gebührenrechtlich beendet worden (a.A. KG aaO [X.]. 9). Letztere Ansicht verkennt den Begriff der gebührenrechtlichen Angelegenheit, der mit der registerlichen und aktenmäßigen "Fortführung" eines Verfahrens nicht deckungsgleich ist (s. ausführlich z.B. [X.] in [X.], [X.] 18. Aufl. § 15 Rdn. 5 ff.).

Ausgehend hiervon könnte der Anwalt im Falle einer Verfahrensverbindung nur eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 [X.] und eine 1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 [X.] nach dem Gegenstandswert des verbundenen Verfahrens sowie eine Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 [X.] zur Erstattung anmelden.

Dem steht jedoch die Regelung des § 15 Abs. 4 [X.] entgegen, wonach einmal entstandene Gebühren durch nachträglich eintretende Ereignisse nicht mehr entfallen können. Sind in den vor Verbindung gebührenrechtlich selbständigen Klageverfahren bereits vergütungspflichtige Tätigkeiten des Rechtsanwalts nach [X.]-[X.] Teil 3 angefallen, so bleiben die hierdurch entstandenen Gebühren von der Verbindung unberührt. Einmal verdiente Gebühren kann der Rechtsanwalt gegen seinen Willen nicht wieder verlieren (KG aaO [X.]. 4 m.w.Nachw.; [X.] aaO [X.] Rdn. 81.; [X.] aaO [X.] Rdn. 50; Onderka/[X.] in [X.] [X.] 5. Aufl. [X.] [X.]. 3 Rdn. 62; [X.], [X.] 3. Aufl. § 15 Rdn. 84;[X.] aaO).

Dieses Spannungsverhältnis zwischen § 15 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 [X.] einerseits und § 15 Abs. 4 [X.] andererseits ist nur dadurch auflösbar, dass dem Rechtsanwalt ein Wahlrecht eingeräumt wird: Er kann entweder nur die Gebühren aus dem verbundenen Verfahren oder nur die bereits verdienten Gebühren aus den ursprünglich selbständigen gebührenrechtlichen Angelegenheiten [X.] evtl. erstmalig nach Verbindung verwirklichter Gebührentatbestände (hier: die Terminsgebühr) geltend machen ([X.], [X.]. v. 14. April 2010 aaO [X.]. 19 ff.; [X.] [X.] 1987, 1360 mit zustimm. [X.]. Mümmler; [X.] aaO § 15 Rdn. 169 f.; Onderka/[X.] aaO [X.] [X.]. 3 Rdn. 62; [X.] aaO [X.] Rdn. 81, 85; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 9. Aufl. [X.] Teil 3 [X.]. 3 Rdn. 36).

Hier hat die Beklagte ihr Wahlrecht dahin ausgeübt, die bereits verdienten Gebühren aus den ursprünglich vier Klageverfahren/gebührenrechtlichen Angelegenheiten [X.] der Terminsgebühr nach Verbindung geltend zu machen.

bb) Vor der Verbindung, und damit nach § 15 Abs. 4 [X.] unentziehbar, sind vier Verfahrensgebühren in Höhe von 0,8 gemäß Nr. 3101 Nr. 1 [X.] nach den jeweiligen Gegenstandswerten der vier Klagen und vier Auslagenpauschalen nach Nr. 7002 [X.] (vgl. [X.], [X.]. v. 14. April 2010 aaO [X.]. 23 m.w.Nachw.) in Höhe von je 20,00 € entstanden.

(a) Die Verfahrensgebühr entsteht gemäß [X.]. 3 Abs. 2 [X.] für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Sie ist erstattungsfähig, sobald der Rechtsanwalt von einer [X.] zum Verfahrensbevollmächtigten bestellt worden ist und eine unter die Verfahrensgebühr fallende Tätigkeit ausgeübt hat. Im Regelfall entsteht hiernach die Verfahrensgebühr mit der Entgegennahme der ersten Information nach Erteilung des Auftrags. Es kommt nicht darauf an, wann sich der Rechtsanwalt bei Gericht bestellt ([X.] aaO 3100 [X.] Rdn. 11 ff. m.w.Nachw.; [X.] aaO [X.]. 3 [X.] Rdn. 27; [X.] Rdn. 43 ff.). Ein Verfahrensauftrag setzt weder beim Kläger noch beim Beklagten voraus, dass bereits ein Gerichtsverfahren anhängig ist. Die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten beginnt - wie § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] besagt - bereits mit der Vorbereitung der Klage oder der Rechtsverteidigung. Zwar wird die Erteilung eines Verfahrensauftrags durch den Beklagten vor Klagezustellung nicht allzu häufig vorkommen. Jedoch kann der Beklagte, wenn er einen Rechtsstreit erwartet, bereits vor Klageerhebung einen Rechtsanwalt zum Verfahrensbevollmächtigten mit dem Auftrag bestellen, ihn als Beklagten in dem bevorstehenden Prozess zu vertreten. Hat in diesem Fall der Rechtsanwalt deshalb die Information bereits entgegengenommen, um auf eine etwaige Klage reagieren zu können, so hat er bereits damit eine 0,8 Gebühr gemäß Nr. 3101 Nr. 1 [X.] verdient (KG aaO [X.]. 7; [X.] aaO [X.] Rdn. 36; Onderka/[X.] aaO [X.] [X.]. 3 Rdn. 17, 29).

(b) So liegt der Fall hier. Die Beklagte rechnete mit [X.] gegen die auf der Hauptversammlung gefassten [X.]üsse, da z.B. die Rechtsbeschwerdeführerin schriftlich um Angabe der Anschriften des Vorstands und der Aufsichtsratsmitglieder gebeten hatte, und beauftragte daher, wie die [X.] vor Zustellung der Klagen belegen, ihre Verfahrensbevollmächtigten vor Klagezustellung mit ihrer Vertretung gegen evtl. Klagen. - Jedenfalls - durch die Einsichtnahme in die Akten aller vier Klageverfahren vor deren Verbindung hatte der Rechtsanwalt der Beklagten in allen vier Klageverfahren eine Verfahrensgebühr in Höhe von 0,8 gemäß Nr. 3101 Nr. 1 [X.] verdient.

Eine Verfahrensgebühr in Höhe von 1,3 gemäß Nr. 3100 [X.], wie von der Beklagten zur Festsetzung angemeldet, kann sie hingegen, wie das [X.] zu Recht erkannt hat, nicht verlangen, da die dafür erforderlichen Voraussetzungen vor der Verbindung nicht erfüllt waren. Wie aus Nr. 3101 Nr. 1 [X.] i.V.m. Nr. 3100 [X.] folgt, ist eine Verfahrensgebühr in Höhe von 1,3 u.a. erst verdient, wenn der Rechtsanwalt einen [X.] mit Sachantrag oder Sachvortrag bei Gericht einreicht. Die [X.] erfüllten diese Voraussetzungen nicht.

(c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde muss sich die Beklagte auf diese Verfahrensgebühren keine "fiktiven außergerichtlichen Geschäftsgebühren" anrechnen lassen.

Mit dem mit Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des am 4. August 2009 verkündeten Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 ([X.] [X.]) eingeführten § 15 a Abs. 2 [X.] hat der Gesetzgeber klargestellt, dass - schon - eine vorgerichtlich tatsächlich entstandene Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 [X.] im Kostenfestsetzungsverfahren - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - nicht zu berücksichtigen ist, da die Anrechnungsvorschrift in [X.]. 3 Abs. 4 [X.] nur im Verhältnis zwischen einer [X.] und ihrem Prozessbevollmächtigten gilt ([X.].[X.]. v. 2. September 2009 - [X.], [X.], 1927; [X.], [X.]. v. 9. Dezember 2009 - [X.], [X.], 854; v. 3. Februar 2010 - [X.], z.[X.].). Erst recht scheidet jegliche Anrechnung aus, wenn, wie hier, wegen der zwischen der Beklagten und ihrer Bevollmächtigten bestehenden Honorarvereinbarung eine Geschäftsgebühr im Sinne von Nr. 2300 [X.] gar nicht entstanden ist ([X.], [X.]. v. 18. August 2009 - [X.], [X.], 2313). Der [X.]. Zivilsenat hat in Übereinstimmung mit der einhelligen Rechtsprechung der [X.]e und der ebenso einhelligen Ansicht in der Literatur - insoweit auch bereits zu § 118 Abs. 2 [X.] - eine Berücksichtigung einer tatsächlich gar nicht entstandenen Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren abgelehnt.

cc) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist das Vorgehen der Beklagten, d.h. die Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten und deren Akteneinsicht vor Klagezustellung, durch das die Verfahrensgebühren nach Nr. 3101 [X.] ausgelöst wurden, nicht rechtsmissbräuchlich, so dass ihrer Erstattung, gemessen an § 91 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. ZPO, nichts entgegensteht.

Gerade bei aktienrechtlichen Anfechtungs-/Nichtigkeitsklagen besteht ein schützenswertes Interesse der Aktiengesellschaft daran, frühzeitig Kenntnis von dem Inhalt der Klageschriften zu erlangen, etwa im Hinblick auf die Stellung eines [X.] nach § 246 a AktG oder nach den spezialgesetzlichen Freigabevorschriften. Da die beklagte Aktiengesellschaft im Freigabeverfahren die Unzulässigkeit bzw. die offensichtliche Unbegründetheit sämtlicher [X.]ussmängelklagen darzulegen hat, liegt es auf der Hand, dass die Arbeit an einem Freigabeantrag ohne das Vorliegen der Klageschrift nicht möglich ist. Angesichts dessen wurde bereits bisher von vielen Gerichten den Bevollmächtigten der beklagten Aktiengesellschaften bereits vor Klagezustellung Akteneinsicht nach § 299 ZPO gewährt. Der Gesetzgeber hat diesem geschilderten Bedürfnis im Rahmen des [X.] (vom 4. August 2009, [X.] I S. 2479) Rechnung getragen. Seit dem 1. September 2009 ist in § 246 Abs. 3 Satz 5 AktG bestimmt, dass die (beklagte) Gesellschaft unmittelbar nach dem Ablauf der Anfechtungsfrist eine eingereichte Klage bereits vor der Zustellung einsehen und sich von der Geschäftsstelle Auszüge und Abschriften erteilen lassen kann. Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers ging es bei dieser Gesetzesänderung darum, die bereits zuvor geübte und von ihm gebilligte Praxis der Akteneinsicht auf eine rechtssichere Grundlage zu stellen (Begr. RegE [X.] BT-Drucks. 847/08 S. 63).

3. Die den Prozessbevollmächtigten der Beklagten zustehenden Gebühren und damit die außergerichtlichen Kosten der Beklagten errechnen sich danach wie folgt:

3 x 0,8 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 [X.]
nach einem Gegenstandswert von 100.000,00 €(3 x 1.083,20 €) =      

3.249,60 €

                 

1 x 0,8 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 [X.]
nach einem Gegenstandswert von 250.000,00 € =

1.641,60 €

                 

4 x Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 [X.] =

80,00 €

                 

1 x 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 [X.]
nach dem Gesamtgegenstandswert von250.000,00 € =

2.462,40 €

        

7.433,60 €
========

Hiervon hätte die Klägerin 18 %, d.h. 1.338,05 € an die Beklagte zu erstatten mit der Folge, dass sie durch die Festsetzung in Höhe von lediglich 1.172,92 € nicht beschwert ist.

Goette                              Caliebe                             Drescher

                  Löffler                               Bender

Meta

II ZB 14/09

10.05.2010

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 8. Juni 2009, Az: 18 W 119/09, Beschluss

§ 246 Abs 3 S 6 AktG, § 15 Abs 1 RVG, § 15 Abs 2 S 2 RVG, § 15 Abs 4 RVG, Teil 3 Vorbem 3 Abs 2 RVG-VV, Nr 3100 RVG-VV, Nr 3101 RVG-VV, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.05.2010, Az. II ZB 14/09 (REWIS RS 2010, 6817)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6817

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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