Bundespatentgericht, Beschluss vom 30.01.2012, Az. 19 W (pat) 12/09

19. Senat | REWIS RS 2012, 9670

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – „Verfahren zum Betreiben eines geldbetätigten Unterhaltungsgerätes“ – keine Patentfähigkeit – keine erfinderische Tätigkeit


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 101 50 700

hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.], und der Richter [X.], Dr.-Ing. [X.] und Dr. Schön

beschlossen:

1. Der Beschluss der [X.] des [X.] vom 14. August 2008 wird aufgehoben.

2. Das Patent 101 50 700 wird widerrufen.

Gründe

I.

1

Das [X.] – [X.] 1.45 - hat das Patent mit dem Anmeldetag 13. Oktober 2001 und der Bezeichnung "Verfahren zum Betreiben eines geldbetätigten Unterhaltungsgerätes" auf den Einspruch vom 5. Januar 2007 durch Beschluss vom 14. August 2008 mit der Begründung beschränkt aufrechterhalten, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch sei.

2

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.

3

[X.] ist ankündigungsgemäß nicht erschienen. Sie hat mit [X.] vom 19. Dezember 2011 einen neuen Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag mit zugehörigen Unteransprüchen 2 bis 5 eingereicht.

4

[X.] stellt den Antrag aus dem [X.] vom 19. Dezember 2011, das Patent 101 50 700 in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.

5

Hilfsweise wird beantragt, das Patent mit den als Anlage zum [X.] vom 19. Dezember 2011 beigefügten geänderten Unterlagen, nämlich den Beschreibungsseiten 2 bis 5 und den Patentansprüche 1 bis 5 gemäß der [X.], aufrecht zu erhalten.

6

Die Einsprechende stellt den Antrag, den Beschluss der [X.] 45 des [X.] vom 14. August 2008 aufzuheben und das Patent 101 50 700 zu widerrufen.

7

Der erteilte Anspruch 1 lautet (mit einer eingefügten Gliederung):

8

"Verfahren zum Betreiben eines geldbetätigten Unterhaltungsgerätes

9

a) mit einer rechnergesteuerten Steuereinheit zur [X.]ielablaufsteuerung,

b) bei dem mittels einer [X.] (1) mit [X.] (5) hinter [X.] (4)

b1) mit unterschiedlich verlaufende Gewinnlinien (29, 30, 31) einen Gewinn oder Verlust angebende Symbolkombinationen angezeigt werden,

c) wobei vom [X.]ieler eine oder mehrere Gewinnlinien aktiviert werden,

dadurch gekennzeichnet,

d) dass das Verhältnis der zu erzielenden Trefferquote

e) und/oder die Höhe der Gewinnwertigkeit einer bei Stillstand der [X.] (5) der [X.] (1) erzielten [X.]

f) vom Verlauf der aktivierten Gewinnlinien (29, 30, 31) abhängig ist."

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag lautet:

"Verfahren zum Betreiben eines geldbetätigten Unterhaltungsgerätes

a) mit einer rechnergesteuerten Steuereinheit zur [X.]ielablaufsteuerung,

b) bei dem mittels einer [X.] (1) mit [X.] (5) hinter [X.] (4)

b1) mit unterschiedlich verlaufende Gewinnlinien (29, 30, 31) einen Gewinn oder Verlust angebende Symbolkombinationen angezeigt werden,

c) wobei vom [X.]ieler eine oder mehrere Gewinnlinien aktiviert werden,

dadurch gekennzeichnet,

d) dass das Verhältnis der zu erzielenden Trefferquote

e’) und die Höhe der Gewinnwertigkeit einer bei Stillstand der [X.] (5) der [X.] (1) erzielten [X.]

f’) vom Verlauf der aktivierten Gewinnlinien (29, 30, 31) bei gleichem [X.]ieleinsatz abhängig ist,

g)  wobei die zu erzielende Trefferquote um so höher ist, je größer die Anzahl der aktivierten Gewinnlinien (29, 30, 31) gewählt wird,

h) und die Höhe der zu erzielenden Gewinnwertigkeit um so größer ist, je niedriger die Anzahl der aktivierten Gewinnlinien (29, 30, 31) gewählt wird."

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hatte Erfolg.

1. Das Patent betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines geldbetätigten Unterhaltungsgerätes. Die Patentschrift beschreibt zunächst einige solcher Geräte. Sie umfassen eine [X.], die meistens drei oder mehr Umlaufkörper besitzt, die als Walzen, Scheiben oder dergleichen ausgebildet sein können. Auf der von außen durch [X.] einsehbaren Oberfläche tragen die Umlaufkörper Symbole. Die Patentschrift beschreibt auch bekannte Geräte, bei denen [X.]ielsysteme mit jeweils mehreren Gewinnlinien vorgesehen sind, die entweder unabhängig voneinander parallel gespielt oder miteinander verknüpft zusätzliche Gewinnkombinationen anbieten. Die zusätzlichen Gewinnlinien werden dabei entweder durch einen erhöhten Einsatz erkauft, durch Zufall ermittelt oder im Laufe des [X.]iels gewonnen.

Als Aufgabe wird in der Patentschrift angegeben, ein Verfahren zum Betreiben eines geldbetätigten Unterhaltungsgerätes der eingangs der Streitpatentschrift genannten Art zu schaffen, das dem [X.]ieler die Möglichkeit einräumt, den zu erwartenden Gewinn aktiv zu beeinflussen, wodurch der [X.]ielablauf mit größerem [X.]iel- und Gewinnanreiz ausgestaltet und der Unterhaltungswert für den [X.]ieler erhöht wird (Abs. 0010 der Patentschrift).

Die Lösung dieser Aufgabe soll darin bestehen, dass das Verhältnis der zu erzielenden Trefferquote und/oder die Höhe der Gewinnwertigkeit einer bei Stillstand der [X.] (5) der [X.] (1) erzielten [X.] vom Verlauf der aktivierten Gewinnlinien (29, 30, 31) abhängig ist. Wie im Anspruch 1 nach Hilfsantrag deutlicher gekennzeichnet, wird dabei bei gleichem [X.]ieleinsatz die zu erzielende Trefferquote um so höher je größer die Anzahl der aktivierten Gewinnlinien gewählt wird, aber die Höhe der zu erzielenden Gewinnwertigkeit um so größer, je niedriger die Anzahl der aktivierten Gewinnlinien gewählt wird. Die zusätzlichen Gewinnlinien und die damit verbundene erhöhte Trefferquote werden also nicht durch einen erhöhten Einsatz erkauft. Der Ausgleich erfolgt statt dessen durch Absenkung der Gewinnwertigkeit.

Abbildung

Die Figur 1 des Patents zeigt die Frontscheibe eines solchen Geräts mit den Gewinnlinien 29, 30, 31 in den [X.]n 4

2. Als Fachmann für diesen Sachverhalt sieht der Senat einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik mit Erfahrung in der Entwicklung und Programmierung von [X.]ielautomaten, der mit einem [X.]ieleentwickler mit Kenntnissen in der [X.]ieltheorie und Wahrscheinlichkeitsrechnung zusammenarbeitet.

3. Der Anspruch 1 nach Haupt und Hilfsantrag ist nicht patentfähig (§ 1 (1) PatG).

3.1 Einzelne Merkmale des Anspruchs 1 bedürfen näherer Erläuterung:

Die [X.] (1) mit [X.] (5) muss nicht physikalisch vorhanden sein. Sie wird häufig auf elektronisch gesteuerten Bildschirmen dargestellt (Abs. 0002).

Unter dem Verhältnis der zu erzielenden Trefferquote (Merkmal d) versteht der Fachmann die Trefferquote (Quote = Verhältnis) selbst, denn eine Größe, auf die sich das Verhältnis sonst beziehen könnte ist nicht erkennbar. Im Merkmal g) wurde das bereits durch eine entsprechende Streichung berücksichtigt.

Unter Verlauf der Gewinnlinien im Merkmal f) versteht der Fachmann die Anzahl und Lage der aktivierten Gewinnlinien (Abs. 0013 bis 0015).

3.2 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 ist nicht neu (§ 3 PatG).

Die [X.] 59 218 [X.] zeigt ein geldbetätigtes Unterhaltungsgerät mit mehreren Gewinnlinien, die abhängig vom [X.]ielverlauf, aus einem Jackpot heraus oder durch Betätigung eines [X.] bestimmt werden können ([X.]. 1, [X.] 61 bis 63, [X.]. 2, [X.] 51 bis [X.]. 3, [X.] 4, [X.]. 3, [X.] 11 bis 13). Damit ist mit den Worten des Anspruchs 1 bekannt ein:

"Verfahren zum Betreiben eines geldbetätigten Unterhaltungsgerätes

a) mit einer rechnergesteuerten Steuereinheit zur [X.]ielablaufsteuerung ([X.]. 1, [X.] 61 bis 63),

b) bei dem mittels einer [X.] 5 mit [X.] hinter [X.] ([X.]. 1, [X.] 45 bis 54)

b1) mit unterschiedlich verlaufende Gewinnlinien einen Gewinn oder Verlust angebende Symbolkombinationen angezeigt werden ([X.]. 1, [X.] 54 bis 58),

c) wobei vom [X.]ieler eine oder mehrere Gewinnlinien aktiviert werden ([X.]. 1, [X.] 61 bis 63),

Die Trefferquote steigt dabei automatisch mit der Anzahl der Gewinnlinien, denn mit jeder Gewinnlinie kommen neue Gewinnchancen hinzu. Außerdem ist bei unterschiedlichen Wertigkeiten der Gewinnlinien ([X.]. 2, [X.] 51 bis 59) die Anzahl und der Verlauf der Gewinnlinien sowohl für die Trefferquote als auch für die Gewinnwertigkeit entscheidend. Damit ist in weiter Übereinstimmung mit den Merkmalen:

d) das Verhältnis der zu erzielenden Trefferquote

Alternative) oder die Höhe der Gewinnwertigkeit einer bei Stillstand der Umlaufkörper der [X.] erzielten [X.]

f) vom Verlauf der aktivierten Gewinnlinien abhängig".

Damit ist das Verfahren nach Anspruch 1 nicht neu.

3.3 Das Verfahren nach des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).

Nach dem Vorstehenden ist aus der [X.] 59 218 [X.] in weiterer Übereinstimmung mit dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag bekannt, dass

g) die zu erzielende Trefferquote um so höher ist, je größer die Anzahl der aktivierten Gewinnlinien gewählt wird,

Ob es darüber hinaus noch nahegelegt ist, dass nach Merkmal f’) und h) bei gleichem [X.]ieleinsatz die Höhe der zu erzielenden Gewinnwertigkeit um so größer ist, je niedriger die Anzahl der aktivierten Gewinnlinien gewählt wird, kann dahingestellt bleiben.

Bei der Prüfung der Erfindung auf erfinderische Tätigkeit sind nämlich nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen. Außerhalb der Technik liegende Anweisungen genügen in diesem Zusammenhang nicht ([X.], 125 - 128, Wiedergabe Topografischer Informationen). Die Merkmale f’) und h) sind Bestandteil einer [X.]ielidee, die darauf gerichtet ist, dem [X.]ieler ohne erhöhten Einsatz zusätzliche Einflussmöglichkeiten einzuräumen und den Unterhaltungswert zu erhöhen (Abs. 0010). Irgend einen technischen Effekt oder die Lösung eines technischen Problems, das bei dem bekannten [X.]ielautomaten noch nicht oder auf andere Weise gelöst wäre, vermag der Senat in der patentgemäßen Bestimmung der Gewinnwertigkeit nicht zu erkennen.

Damit sind die verbleibenden Merkmale auch nicht geeignet, die [X.] Tätigkeit zu begründen.

Nach Fortfall des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag teilen die jeweils darauf rückbezogenen Ansprüche dessen Schicksal.

Meta

19 W (pat) 12/09

30.01.2012

Bundespatentgericht 19. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 30.01.2012, Az. 19 W (pat) 12/09 (REWIS RS 2012, 9670)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9670

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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6 Ni 1/17 (EP), verb. mit 6 Ni 12/17 (EP), verb.m. 6 Ni 27/18 (EP) (Bundespatentgericht)


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