Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.01.2018, Az. 20 W (pat) 7/15

20. Senat | REWIS RS 2018, 15332

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – "Auswerteanordnung" – Spielidee zur Dauer eines Spiels – keine erfinderische Tätigkeit


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 101 49 223.5

hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.], der Richterin [X.] sowie [X.] und Dipl.-Phys. Bieringer

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das [X.] für [X.] hat die am 2. Oktober 2001 eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Verfahren zur Steuerung eines mittels Münzen, Token oder ähnlichen Zahlungsmitteln betätigbaren [X.]ielautomaten“ mit Beschluss vom 16. Dezember 2014 zurückgewiesen. Der Zurückweisung lagen die Patentansprüche 1 bis 6 vom Anmeldetag zugrunde. Zur  Begründung hat die Prüfungsstelle auf die Gründe des Bescheids vom 24. April 2014 verwiesen, in dem ausgeführt ist, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 dem Fachmann aus der Druckschrift [X.] 43 34 613 [X.] ([X.]) nahe gelegt sei; im Übrigen sei – wie bereits im vorhergehenden Prüfungsbescheid vom 2. Mai 2013 ausgeführt – die Druckschrift [X.] 196 44 691 [X.] ([X.]) neuheitsschädlich.

2

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 7. Januar 2015 eingelegte Beschwerde der Anmelderin.

3

Der Bevollmächtigte der Anmelderin beantragt,

4

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 07 F des [X.] vom 16. Dezember 2014 aufzuheben und das nachgesuchte Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

5

Patentansprüche:

6

Patentansprüche 1 bis 6 vom Anmeldetag (02.10.2001)

7

Beschreibung:

8

Beschreibungsseiten 3 bis 7 vom Anmeldetag (02.10.2001)

9

Hilfsantrag:

Patentansprüche 1 bis 4 vom 11. März 2015, beim [X.] eingegangen am 13. März 2015

Beschreibung wie Hauptantrag.

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

Abbildung

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet:

Abbildung

Abbildung

Wegen weiterer Einzelheiten und des Wortlauts der [X.] wird auf die Akte verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des [X.] nicht neu ist (§ 1 Abs. 1, § 3 [X.]) und in der hilfsweise beantragten Fassung auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 1 Abs. 1, § 4 [X.]).

1. [X.] betrifft gemäß der Beschreibung ein Verfahren zur Steuerung eines mittels Münzen, Token oder ähnlichen Zahlungsmitteln betätigbaren [X.]ielautomaten. Aus dem Stand der Technik seien gattungsgemäße [X.]ielautomaten bekannt. Um das [X.]ielen an derartigen [X.]ielautomaten für den [X.]ieler interessanter und für den Aufsteller wirtschaftlicher zu gestalten, seien bereits eine Vielzahl von Maßnahmen vorgeschlagen worden (vgl. S. 1, 1. bis 3. Absatz).

Als Aufgabe nennt die Anmeldung, ausgehend vom Stand der Technik die Steuerung eines [X.]ielautomaten dahingehend zu verändern, dass [X.] und Dauer der Einzelspiele veränderlich gestaltet werden können (vgl. S. 2, 2. Absatz).

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lässt sich in folgende Merkmale gliedern:

1. Verfahren zur Steuerung eines mittels Münzen, Token oder ähnlichen Zahlungsmitteln betätigbaren [X.]ielautomaten, welcher zumindest

1.1 eine zentrale Steuereinheit,

1.2 [X.]el zur Annahme,

1.3 Prüfung,

1.4 [X.]eicherung und

1.5 Ausgabe von Zahlungsmitteln,

1.6 zufallsgesteuerte Anzeigemittel zur [X.]ielergebnisanzeige,

1.7 Steuertasten zur [X.]ielablaufbeeinflussung und

1.8 [X.] mit zugeordneten Anzeigen zur Darstellung von Guthaben, Gewinn, Sonder- und/oder Freispielen aufweist,

dadurch gekennzeichnet, dass

1.9 [X.] für jedes einzelne [X.]iel oder für eine Folge von mehreren [X.]ielen der [X.] und / oder die Dauer der Einzelspiele über die zentrale Steuereinheit ermittelt wird.

2. Als Fachmann sieht der Senat einen Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik, der über mehrjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von [X.]ielautomaten verfügt. Er arbeitet mit einem Entwickler für [X.]ielideen, dem [X.], welcher die Gestaltung der [X.]ielregeln unter Berücksichtigung der gesetzlichen und betriebswirtschaftlichen Parameter ausführt, zusammen oder folgt zumindest seinen Vorgaben zur Gestaltung der [X.]iele.

3. Das beanspruchte Verfahren betrifft einen [X.]ielablauf, der für einen gattungsgemäßen [X.]ielautomaten mit den Vorrichtungsmerkmalen 1.1 bis 1.8 angewendet wird. Gemäß Merkmal 1.9 soll zufallsabhängig für jedes einzelne [X.]iel oder für eine Folge von mehreren [X.]ielen der [X.] und/oder die Dauer der Einzelspiele über die zentrale Steuereinheit ermittelt werden. Die Begrifflichkeiten der beiden Oder-Varianten versteht der Fachmann unter Berücksichtigung der Beschreibung wie folgt:

[X.]“ versteht die Anmeldung den „abzubuchenden Einsatz je Einzelspiel“ (vgl. [X.], [X.] 23), der zwischen einem maximalen Wert und einem Freispiel variieren kann (vgl. S. 4, [X.] 24 ff.; [X.], [X.] 1 -3). Insofern versteht der Fachmann, dass auch die Gewährung eines Freispiels einer Festsetzung des [X.]es entspricht.

Dauer“ eines Einzelspieles versteht die Anmeldung den Zeitbereich zwischen dem Start eines [X.]ieles und dem frühestmöglichen Start des nachfolgenden [X.]ieles (vgl. [X.], [X.] 7 bis 9).

4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift [X.] 196 44 691 [X.] ([X.]) nicht neu (§ 3 [X.]).

Die Druckschrift [X.] betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Unterhaltungsgeräts, bei dem die Gewährung eines Freispiels innerhalb einer Serie von [X.]ielen eingestellt werden kann. Damit soll der [X.] an Tagen mit wenig [X.]ielbetrieb erhöht werden (vgl. [X.], [X.]. 2, [X.] 23 ff.). In einer Ausführungsform kann die Anzahl von [X.]ielen mit der Gewährung eines Freispiels zufallsgesteuert festgelegt werden (vgl. S. 3, [X.] 18 - 22), was nach Überzeugung des Senats der zufallsgesteuerten Veränderung des [X.]es nach Merkmal 1.9 entspricht (d. h. ein [X.]iel mehr für denselben Preis bzw. Preis pro [X.]iel variiert zufallsgesteuert).

Im Einzelnen ist mit dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 aus der [X.] bekannt:

 [X.], [X.]. 1, [X.] 3 ff.: „Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Betreiben eines münzbetätigten [X.]“; vgl. auch [X.], Anspruch 1;

 [X.], [X.]. 5, [X.] 50 (Anspruch 1);

Fig. 1 und [X.], [X.]. 4, [X.] 45 ff.: „Im oberen Bereich des Unterhaltungsgerätes befinden sich ein [X.] 10, ein Tokeneinwurfschlitz 11, ein [X.] 12 und ein Benutzerkarten-Eingabeschlitz 13 einer nicht näher dargestellten [X.].“;

Der Fachmann liest mit, dass eine Prüfung der Zahlungsmittel bei dem [X.] der [X.] selbstverständlich als Teil der „[X.]“ (vgl. Merkmal 1.2) vorgesehen sein muss. Zumindest ist diese erforderlich, um den Wert der eingeworfenen Münzen zu erfassen;

Eine [X.]eicherung der Zahlungsmittel ist nicht explizit angesprochen, jedoch selbstverständlich ein Teil der „[X.]“ (vgl. Merkmal 1.2) und auch notwendig. Ansonsten würden die in den Einwurfschlitz eingeworfenen Zahlungsmittel unmittelbar wieder ausgegeben, was nicht im Interesse des Betreibers liegen dürfte;

Fig. 1, [X.]. 8; [X.]. 4, [X.] 44: „… Münzauswurf in eine [X.]“;

Fig. 1 i. V. m. [X.]. 4, [X.] 25 – 37: Die Umlaufkörper 5 sind zufallsgesteuert und zeigen in einer Mehrzahl möglicher Rastpositionen im Stillstand das [X.]ielergebnis an, das der [X.]ieler anhand der Symbole 6 durch die [X.] 4 ablesen kann;

[X.]. 1, [X.] 27 ff. beschreibt für das gattungsgemäße Unterhaltungsgerät, dass es üblich sei, „an diesen Unterhaltungsgeräten für den [X.]ieler [X.] anzubringen, die in der Regel auf den Lauf der einzelnen Umlaufkörper einwirken.“;

[X.]. 4, [X.] 38 ff. beschreibt Tasten 7 mit denen die Umlaufkörper 5 gehalten bzw. nachgestartet werden können;

Fig. 1, [X.]. 9 zeigt eine Guthabenanzeige, Fig. 1, [X.]. 20 zeigt eine Sonderspielanzeige, Fig. 1, [X.]. 20, 21, 9 zeigen Gewinnanzeigen (vgl. auch [X.]. 5, [X.] 4 - 7: „[X.] werden in der [X.] 20, Punkte-Gewinne in der [X.] 21 und Geldgewinne in der Guthaben-Anzeige 9 aufaddiert.“). Dass den Anzeigen [X.] zugeordnet sein müssen, liest der Fachmann unmittelbar mit, da zumindest die angezeigten Werte in einem [X.]eicher gehalten werden müssen;

[X.]. 3, [X.] 18-22 lehrt, dass die Einstellung der bestimmten Anzahl von [X.]ielen mit der Gewährung eines Freispiels durch die zentrale Steuereinrichtung zufallsgesteuert festgelegt werden kann. Damit kann der [X.] gemäß [X.] einem vorgegebenen Wert oder einem Freispiel entsprechen. Dies entspricht auch dem anmeldungsgemäßen Verständnis des Begriffs „[X.]“, siehe oben unter Ziff. 3. Da die Quote der Freispiele gemäß [X.] zufallsgesteuert ist, ist auch der [X.] [X.].

Somit sind sämtliche Merkmale des Verfahrens nach Patentanspruch 1 aus der Druckschrift [X.] bekannt. Das beanspruchte Verfahren ist daher nicht mehr neu.

Bei dieser Sachlage kann dahin gestellt bleiben, dass es sich bei Merkmal 1.9 in beiden Alternativen ([X.] oder [X.]ieldauer) nach Überzeugung des Senats um eine reine [X.]ielidee handeln dürfte, die eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen könnte.

5. Zum Hilfsantrag

[X.] hinzugefügt ist:

[X.]  wobei zwischen [X.] und Dauer der Einzelspiele eine proportionale oder umgekehrt proportionale Abhängigkeit besteht.

[X.] ist zwar in dieser Formulierung nicht in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen enthalten, es ergibt sich jedoch aus den ursprünglichen Unteransprüchen 4 und 5 sowie aus der Beschreibung, S. 5, [X.] 4 bis 14, und [X.], [X.] 21 bis 29.

[X.] kann jedenfalls eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

Aus Sinn und Zweck des Patentgesetzes folgt, dass eine erfinderische Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 1, § 4 [X.] nur auf einem technischen Beitrag zum Stand der Technik beruhen kann. Die erfinderische Leistung muss also auf technischem Gebiet liegen (vgl. [X.] Beschluss vom 10.05.2004 – 20 W (pat) 314/02 –, [X.], 931 = [X.]. 2004, 363 – Preisgünstigste Telefonverbindung). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Ermittlung des einem Patent zugrunde liegenden technischen Problems Teil der Auslegung des Patentanspruchs. Das technische Problem ist aus dem zu entwickeln, was die Erfindung tatsächlich leistet ([X.], Urteil vom [X.] – [X.] – Gelenkanordnung).

[X.] eine reine [X.]ielidee: Das durch das Merkmal 1.10[X.] ausgestaltete Verfahren soll für den zufällig ausgewählten [X.] oder die zufällig ausgewählte [X.]ieldauer (Merkmal 1.9) die jeweils korrespondierende Größe [X.]ieldauer/[X.] proportional oder indirekt proportional anpassen. Die Dauer eines [X.]iels wird durch die [X.]ielregeln festgelegt und ist daher der [X.]ielidee zuzuordnen. Als Rahmenbedingung ist die [X.]ieldauer zudem in Einklang mit der [X.]ieleverordnung zu bringen, was hier insbesondere die Einhaltung einer Mindestspieldauer betrifft.

Die beanspruchte [X.]ielidee, die lediglich eine Aufgabe ohne Nennung oder Hinweis auf eine technische Umsetzung beschreibt, kann vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen eine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Patentgesetzes nicht stützen, da sie keinen technischen Beitrag zum Stand der Technik leistet, sondern der technischen Problemlösung nur vorgelagert ist bzw. von nichttechnischen Überlegungen zur Gestaltung des [X.]ielablaufs getragen wird (vgl. [X.] Beschluss vom 24.05.2004, [X.], 667 = [X.]. 2004, 356 – elektronischer Zahlungsverkehr; [X.] Beschluss vom 22.11.2004 – 20 W (pat) 10/03 –, [X.]E 2006, 276 – Jackpotzuwachs).

6. Nachdem sich der jeweils geltende Patentanspruch 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag als nicht patentfähig erweist, kann die beantragte Patenterteilung nicht erfolgen. Mit dem jeweiligen Patentanspruch 1 fallen auch alle anderen Ansprüche. Aus der Fassung der Anträge und dem zu ihrer Begründung Vorgebrachten ergeben sich keine Zweifel an dem prozessualen Begehren der Anmelderin, ein Patent ausschließlich in einer der beantragten Fassungen zu erhalten (vgl. auch [X.], Beschluss vom 27.02.2008 – [X.], [X.], 456 Rn. 22 m. w. N. – Installiereinrichtung).

Musiol                          Dorn                    Albertshofer                           Bieringer

Meta

20 W (pat) 7/15

22.01.2018

Bundespatentgericht 20. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.01.2018, Az. 20 W (pat) 7/15 (REWIS RS 2018, 15332)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15332

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