Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.04.2020, Az. 1 StR 224/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1702

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Gegenstand

Hinterziehung französischer Biersteuer: Strafbarkeit der Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung in Deutschland; unrichtige Eingangsmeldungen der verbrauchsteuerpflichtigen Ware als steuerlich erhebliche Tatsache; französische Behörden als Finanzbehörden; mehrfache Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolgs; Täterschaft bei Einflussnahme auf ein steuerliches Verfahren durch unrichtige Angaben


Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. Dezember 2018 wird verworfen.

2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt sowie die in dieser Sache in [X.] erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:2 auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht sowie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s entschlossen sich die gesondert Verfolgten    [X.]und     [X.]    sowie weitere unbekannt gebliebene Personen im Frühjahr 2016 dazu, die in den einzelnen Mitgliedstaaten der [X.] unterschiedlich hohen Biersteuersätze dazu auszunutzen, künftig fortlaufend und arbeitsteilig Biersteuern zu Gunsten von in [X.] ansässigen Gesellschaften zu hinterziehen. Zur Umsetzung dieses Vorhabens übermittelten unbekannt gebliebene Beteiligte für die als Versender auftretenden Firmen N.     , [X.]          (S.    ),         [X.], [X.]    (   W) sowie [X.]       den [X.] Behörden über das elektronisch gestützte Beförderungs- und Kontrollsystem für verbrauchsteuerpflichtige Waren „Excise Movement and Control System“ ([X.]) wiederholt inhaltlich falsche elektronische Verwaltungsdokumente, wonach unversteuertes Bier aus [X.] Steuerlagern angeblich unter Steueraussetzung nach [X.] zu dem Logistikunternehmen [X.]GmbH (im Folgenden: [X.].    ), das über die Erlaubnis verfügte, als registrierter Empfänger verbrauchsteuerpflichtiges Bier unter Steueraussetzung zu empfangen, befördert würde. Tatsächlich wurde das Bier durch unbekannt gebliebene Beteiligte entweder vor oder unmittelbar nach Eröffnung des jeweiligen [X.]-Beförderungsvorgangs aus [X.] Steuerlagern entnommen, ohne Kenntnis der Behörden nach [X.] transportiert und dort veräußert.

3

[X.], dem eine organisatorische Schlüsselrolle im Gesamtgeschehen zukam, vereinbarte hierfür mit dem Alleingesellschafter und Geschäftsführer der [X.].    , dem rechtskräftig Verurteilten     [X.], den Zugang der [X.].    zum [X.] dazu zu nutzen, [X.] aus [X.] nach [X.] vorzutäuschen, um die tatsächlichen Lieferungen nach [X.] zu verschleiern. In Umsetzung des gemeinsamen Tatplanes meldeten [X.]und seine Mitarbeiter, die rechtskräftig Verurteilten [X.]und [X.].   , dem Hauptzollamt [X.]        als zuständiger Zollstelle von Oktober 2016 bis Mai 2017 bewusst wahrheitswidrig den Eingang einer Vielzahl fiktiver [X.] an. Dazu beendeten sie elektronisch die [X.]-Vorgänge, die jeweils ein bis zwei Tage zuvor in [X.] unter Angabe der [X.].    als Empfängerin eröffnet worden waren. Zur Verschleierung des Tatgeschehens veranlasste [X.]tatplangemäß die Versteuerung des Bieres in [X.], so dass für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum Oktober 2016 bis April 2017 [X.] Biersteuer in Höhe von insgesamt 1.438.826,86 Euro festgesetzt und von der [X.].    entrichtet wurde. Die unrichtigen Eingangsmeldungen wurden, wie im [X.] vorgesehen, an die [X.] Zollbehörden weitergeleitet. Da die Verfahren über die Beförderung des Bieres unter Steueraussetzung damit aus deren Sicht ordnungsgemäß abgeschlossen waren, wurde insoweit in [X.] keine Biersteuer festgesetzt. Diese Konsequenz war [X.], [X.]   , [X.]und [X.]bewusst. Ohne die Erklärungen über den angeblichen Eingang des Bieres bei der [X.].    wäre es jeweils zu einer Festsetzung der betragsmäßig deutlich über der [X.]n Biersteuer liegenden [X.] Biersteuer durch die dortigen Behörden gekommen.

4

Um für den Fall einer Zollkontrolle bei der [X.].    eine lückenlose Papierlage zu den fiktiven [X.] vorlegen und auf diese Weise das Tatgeschehen verschleiern zu können, drang [X.]bei [X.]und [X.]    darauf, stets zeitnah mit inhaltlich falschen [X.] und [X.] über die Anlieferung des Bieres bei der [X.].    und den fiktiven Weiterversand an ausländische Scheinabnehmer versorgt zu werden. Spätestens ab 1. Oktober 2016 übernahm der Angeklagte unter anderem diese Aufgabe neben dem gesondert verfolgten [X.].    für eine monatliche Bezahlung von (mindestens) 1.200 Euro. Der Angeklagte erstellte für alle verfahrensgegenständlichen Versandverfahren die entsprechenden Dokumente, brachte insbesondere auf den für den Versender bestimmten vereinfachten Begleitdokumenten Stempel und Unterschriften des angeblichen Transportunternehmens und Empfängers an und lieferte die Dokumente aus. Daneben erbrachte er in der [X.]uppe weitere Dienstleistungen wie den Transport von Personen und die Überbringung von Bargeld (Arbeitslöhnen) an unterschiedliche Empfänger. Der Angeklagte, der stets auf Anweisung des [X.]    handelte, stand diesem zudem in arbeitsteiliger Abstimmung mit [X.].     jederzeit auf Abruf bereit. Dies erleichterte es [X.]   und [X.], die Erstellung und den Transport von Dokumenten zu koordinieren und möglichst zeitnah durchführen zu lassen.

5

Dem Angeklagten war während der Dauer seiner Tatbegehung von Beginn an bewusst, dass er bei der Abwicklung des Biergeschäfts in eine größere, länderübergreifende und auf Dauer angelegte Organisation mit zahlreichen Beteiligten eingebunden war, deren Ziel die fortgesetzte Hinterziehung von [X.] Verbrauchsteuern war. Er schloss sich den anderen Beteiligten in dem Wissen an, dass diese fortlaufend nach gleichbleibendem Muster Straftaten begehen, und wollte diese auch fördern.

6

Der [X.] Fiskus macht wegen der fiktiven [X.] Steuerforderungen in Höhe von ca. 7,6 Millionen Euro gegen die [X.].     sowie [X.], [X.]und [X.].   geltend.

II.

7

1. Ein Verfahrenshindernis liegt aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift vom 14. Mai 2019 aufgezeigten [X.]ünden nicht vor.

8

2. Die Verfahrensrügen sind bereits unzulässig, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] genügen.

9

a) Dem Senat ist aufgrund des Revisionsvorbingens keine abschließende Beurteilung möglich, ob die auf § 338 Nr. 3 [X.] gestützte Verfahrensrüge begründet ist, mit der die Mitwirkung von zu Recht wegen der Besorgnis einer Voreingenommenheit abgelehnten Richtern an dem Urteil geltend gemacht wird. Der [X.], der die Besorgnis der Befangenheit [X.] aus der Beweiswürdigung im [X.] vom 16. Oktober 2018 herleitet und die Entscheidungen über die von ihm gestellten Ablehnungsgesuche vom 22. und vom 29. Oktober 2018 als rechtsfehlerhaft beanstandet, hat den [X.] in der Revisionsbegründung lediglich ausschnittsweise wiedergegeben. Soweit sich der Inhalt des Beschlusses aus dem mitgeteilten Ablehnungsgesuch vom 22. Oktober 2018 ergibt, sind auch die dort aufgegriffenen Passagen nur stark verkürzt und - wie sich den Formulierungen entnehmen lässt - offensichtlich aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben. Der [X.] bleibt damit derart unvollständig, dass eine revisionsgerichtliche Prüfung, ob eine berechtigte Besorgnis der Befangenheit [X.] bestand und das Befangenheitsgesuch vom 22. Oktober 2018 daher zu Unrecht verworfen wurde, unmöglich ist (vgl. hierzu KK-Gericke, [X.], 8. Aufl., § 338 Rn. 59 mwN).

b) Auch die Rüge einer Verletzung der §§ 100a, 100b, 261 [X.] wegen der Verwertung von Gesprächen aus der Telekommunikationsüberwachung ist nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] entsprechend erhoben. Der [X.] nimmt zur Begründung seines Vorbringens auf Beschlüsse des [X.] vom 30. September 2016, vom 25. November 2016, vom 1. und vom 23. Februar 2017, vom 16. März 2017 und vom 17. Mai 2017 Bezug, die eine Vielzahl von Anschlüssen zum Gegenstand haben, sowie auf Verwertungswidersprüche vom 17. August 2018 und vom 12. November 2018, ohne diese jedoch vollständig vorzulegen (vgl. hierzu [X.], Beschlüsse vom 10. Januar 2018 - 1 [X.] Rn. 18 und vom 16. Februar 2016 - 5 StR 10/16 Rn. 4 mwN; [X.], [X.], 8. Aufl., § 100a Rn. 70; [X.]/[X.], [X.], 62. Aufl., § 100a Rn. 39). Soweit er zuletzt die Unverwertbarkeit von aus der Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnissen aus bestimmten Telefonaten am 3. April und am 9. Mai 2017 sowie „aus diversen Telefonaten, die im [X.]hmen der Telekommunikationsüberwachung aufgezeichnet wurden“, mit der Begründung geltend macht, diese beruhten auf mit Verwertungswidersprüchen angegriffenen unzureichenden [X.]n, ist der Sachvortrag unvollständig. Denn es bleibt unklar, ob konkret diese Telefonate aufgrund der beanstandeten [X.] überwacht wurden oder ob diesen Maßnahmen womöglich andere - nicht mitgeteilte - Beschlüsse zugrunde lagen. Eine Beurteilung, ob Ergebnisse aus der Telekommunikationsüberwachung unter Verstoß gegen § 100a [X.] verwertet wurden, insbesondere im Hinblick auf die beanstandete Reichweite und die Rechtsgrundlage der Überwachungsmaßnahmen, ist dem Senat deshalb nicht möglich. Im Übrigen lässt sich dem [X.] auch nicht entnehmen, dass es sich bei den genannten Telefonaten um [X.] gehandelt hat, so dass die mit der Revision aufgeworfene Frage, wie weit die Anordnung einer Auslandskopf- beziehungsweise Roaming-Überwachung reicht und rechtlich zulässig ist, überhaupt zum Tragen käme.

3. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Die getroffenen Feststellungen tragen die rechtliche Würdigung des [X.]s, wonach sich der Angeklagte wegen Beihilfe zu der durch [X.], [X.]   , [X.]  , [X.]und später [X.].   gemeinschaftlich begangenen Hinterziehung [X.]r Biersteuer in 96 Fällen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1, Abs. 6 Satz 2 [X.], § 27 StGB i.V.m. Art. 302 [X.], 302 [X.] 3 Code Général des Impôts (CGI) schuldig gemacht hat.

aa) Die Regelung des § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist gemäß § 370 Abs. 6 Satz 2 [X.] auf die [X.] Biersteuer anwendbar, weil es sich hierbei um eine harmonisierte Verbrauchsteuer, die von einem anderen Mitgliedstaat der [X.] verwaltet wird, handelt (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2008/118/[X.]; [X.], Art. 1 und 2 der [X.]/EWG und Art. 2 der [X.]; [X.], Beschluss vom 20. November 2013 - 1 StR 544/13; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 370 Rn. 158). Für die Beförderung harmonisiert verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung zwischen mehreren Mitgliedstaaten ist aufgrund der Vorgaben der Richtlinie 2008/118/[X.] sowie der Verordnungen ([X.]) Nr. 684/2009 sowie ([X.]) Nr. 389/2012 bzw. ([X.]) 2016/323 seit dem 1. April 2010 ein elektronisches Begleitverfahren zwingend vorgeschrieben, durch das die Wirtschaftsbeteiligten sowie die Behörden innerhalb der [X.] zum Zwecke der Erleichterung der Durchführung des Steuerverfahrens elektronisch vernetzt wurden. Nach Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/[X.] gilt die Beförderung einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware nur dann als in einem Verfahren der Steueraussetzung durchgeführt, wenn sie mit einem elektronischen Verwaltungsdokument erfolgt. Da es sich bei dem [X.] folglich um eine [X.]-weite elektronische Überwachung der verbrauchsteuerpflichtigen Warenbewegung unter Steueraussetzung und damit um ein einheitliches, länderübergreifendes Besteuerungsverfahren handelt (zur Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten vgl. ergänzend [X.] ([X.]) 2016/323 bzw. [X.] ([X.]) Nr. 389/2012), liegt es in der Natur der Sache, dass auch ein in einem anderen Mitgliedstaat eingetretener [X.] für die Steuerhinterziehung durch Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung in [X.] nach § 370 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 [X.] von Bedeutung ist, ohne dass es hier der Anwendung des § 370 Abs. 7 [X.] bedarf.

bb) Die [X.], zu denen der Angeklagte Beihilfe geleistet hat, sind in den Urteilsgründen den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 [X.] entsprechend hinreichend präzise festgestellt und beweiswürdigend belegt. Nach den Feststellungen des [X.]s unterstützte der Angeklagte die gemeinschaftlich handelnden [X.], [X.].   und [X.]bei der von diesen in 96 Fällen jeweils nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] begangenen Hinterziehung von [X.]r Biersteuer durch vorsätzlich unrichtige Meldung des Empfangs des zuvor in [X.] dem Steueraussetzungsverfahren entnommenen und im [X.] unzutreffend zur Lieferung nach [X.] gemeldeten Bieres durch die [X.].    . Diese Tathandlungen in Form der jeweiligen Eingangsmeldung bei den [X.]n Zollbehörden sind hinsichtlich der jeweils handelnden Personen, der Tatzeit, des Tatorts und des [X.] hinreichend bestimmt. Auf die konkreten Umstände der Überführung der jeweiligen Ware in den steuerrechtlich freien Verkehr in [X.] kommt es in der vorliegenden Fallkonstellation nicht an. Vielmehr reicht insoweit die Feststellung aus, dass es überhaupt in [X.] zu einer Überführung des Bieres in den steuerrechtlich freien Verkehr gekommen und damit die [X.] Biersteuer entstanden ist, die wegen der unrichtigen Eingangserklärungen in [X.] zunächst nicht festgesetzt und damit verkürzt wurde.

(1) Bei den unrichtigen Eingangsmeldungen durch die rechtskräftig Verurteilten [X.], [X.].   und [X.]handelt es sich um unrichtige Erklärungen über steuerlich erhebliche Tatsachen im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Steuerlich erheblich ist eine Tatsache, wenn sie zur Ausfüllung eines Besteuerungstatbestandes herangezogen wird und damit [X.]und und Höhe des Steueranspruchs oder [X.] beeinflusst oder wenn sie die Finanzbehörde zur Einwirkung auf den Steueranspruch sonst veranlassen könnte ([X.], Urteil vom 27. September 2002 - 5 [X.] Rn. 20 mwN). Dies sind alle Tatsachen, die für die Festsetzung (§§ 155 ff. [X.]), für die Selbstberechnung (§ 168 [X.]), für die Erhebung (§§ 218 ff. [X.]) oder Vollstreckung (§§ 249 ff. [X.]) der Steuer oder für das Gewähren oder Belassen eines [X.] von Bedeutung sind ([X.] in [X.]/[X.], Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 186; [X.]nsiek in [X.], Steuerstrafrecht, 65. Lfg., § 370 Rn. 231). Die unrichtigen Eingangsmeldungen im [X.] waren steuerlich erheblich, weil sie die Schließung des jeweils in [X.] eröffneten Beförderungsvorgangs bewirkten, ohne dass die in [X.] entstandene Biersteuer durch die [X.] Behörden festgesetzt wurde.

(aa) Sämtliche Biermengen, die Gegenstand der festgestellten Versandverfahren sind, unterlagen gemäß Art. 302 [X.], 302 [X.] 3 CGI der [X.] Biersteuer. Diese entsteht gemäß Art. 302 [X.] CGI mit der Überführung des Bieres in den steuerrechtlich freien Verkehr, also insbesondere dann, wenn Bier einem Steueraussetzungsverfahren entnommen wird, ohne dass sich eine Beförderung unter Steueraussetzung anschließt. Das [X.] hat diesbezüglich festgestellt, dass das in den elektronischen [X.] bezeichnete - tatsächlich existente und nach [X.] gelieferte - Bier in [X.] aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen wurde. Da das Bier tatsächlich nicht an die [X.].    versandt, sondern von vorneherein nur ein entsprechender Schein erzeugt wurde, schloss sich keine Beförderung unter Steueraussetzung an; vielmehr wurde das Bier mit der Entnahme aus dem Steuerlager der Kontrolle der Behörden entzogen, so dass der [X.] Biersteueranspruch entstand.

(bb) Von der Eingangsmeldung der rechtskräftig Verurteilten [X.]  , [X.].   und [X.]im [X.] hing es ab, ob der Beförderungsvorgang durch die [X.] Zollbehörden ohne Beanstandung automatisiert beendet werden konnte oder ob betreffend das jeweils eröffnete elektronische Verwaltungsdokument in [X.] entstandene Biersteuer - ggf. nach (erfolgloser) Kontaktaufnahme mit dem Versender - entsprechend den darin angegebenen Positionsdaten (vgl. Anhang I [X.]-D[X.] [X.]-[X.] Nr. 684/2009) festzusetzen war. Letzteres wäre nach Art. 302 [X.] CGI spätestens vier Monate nach Eröffnung des Verfahrens über die Beförderung unter Steueraussetzung geschehen, wenn bis dahin weder das Verfahren abgeschlossen noch nachgewiesen worden wäre, dass die Versendung ordnungsgemäß erfolgt ist. Mit der Erklärung, das Bier sei ordnungsgemäß bei der [X.].     eingetroffen, spiegelten [X.]  , [X.]und [X.].   wahrheitswidrig vor, dass die Beförderung unter Steueraussetzung ordnungsgemäß abgeschlossen sei. Die [X.] Behörden mussten daher unzutreffend davon ausgehen, dass keine [X.] Biersteuer entstanden war.

(2) Die unrichtigen Erklärungen wurden auch gegenüber Behörden im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] abgegeben; denn die Eingangsmeldungen gingen zunächst - wie im [X.] vorgesehen - an die [X.]n Zollbehörden, die gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 5 [X.] Finanzbehörden im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] sind. Diese leiteten die Eingangsmeldungen an die [X.] Behörden (Abgangsmitgliedstaat) weiter, bei denen es sich aufgrund der Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 370 Abs. 1-5 [X.] auf ausländische Abgaben durch § 370 Abs. 6 [X.] ebenfalls um Finanzbehörden im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] handelt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. November 2013 - 1 StR 544/13 und vom 8. November 2000 - 5 [X.] Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]/FGO, [X.]., § 370 Rn. 121; [X.] in [X.]/[X.], Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 45).

(3) Durch die unrichtigen Eingangsmeldungen wurde die jeweils entstandene [X.] Biersteuer nach § 370 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 [X.] in Höhe von insgesamt 5.632.901,70 Euro zum Nachteil des [X.] Fiskus (§ 370 Abs. 6 Satz 2 [X.]) verkürzt, weil die Steuer entgegen Art. 302 [X.] CGI nicht (rechtzeitig) festgesetzt wurde (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 13. September 2018 - 1 [X.], [X.]St 63, 203 Rn. 12).

Die Beweiswürdigung des [X.]s zur Höhe der verkürzten Steuer begegnet dabei keinen durchgreifenden Bedenken. Die Wirtschaftsstrafkammer hat unter Würdigung der Gesamtumstände sowie von Sinn und Zweck des Systems der fiktiven [X.] den bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise einzig naheliegenden Schluss gezogen, dass die jeweils zum [X.] angemeldeten und als bei der [X.].    eingegangen bestätigten Biermengen (zumindest) denjenigen entsprachen, die zuvor [X.] Steuerlagern zum angeblichen Transport zur [X.].    entnommen worden waren. Die Möglichkeit, dass die in [X.] entnommenen Mengen geringer waren als gegenüber den Zollbehörden im [X.] angegeben und daher in [X.] eine geringere Steuerverkürzung eingetreten sein könnte, stellt sich als rein theoretisch dar und konnte daher außer Betracht bleiben, weil kein vernünftiger [X.]und erkennbar ist, warum in [X.] größere Biermengen hätten erklärt und versteuert werden sollen als tatsächlich außerhalb des [X.] in Verkehr gebracht.

Der [X.] entfällt auch nicht deshalb, weil die [X.] Biersteuer bereits durch Entnahme des Bieres aus dem Steuerlager durch die Versender entstanden ist und von diesen zu erklären bzw. zu entrichten gewesen wäre, mithin die Steuer zugunsten der [X.] Steuerlagerbetreiberinnen S.   , N.    , [X.]      ,    W und        [X.]als Steuerschuldner (vgl. Art. 302 [X.]-1 CGI) verkürzt wurde. Da es sich bei dem Straftatbestand der Steuerhinterziehung um ein [X.], jedoch nicht notwendig um ein Verletzungsdelikt handelt, weil für eine Steuerverkürzung die zu niedrige oder verspätete Festsetzung von Steuern, also eine Gefährdung des Steueranspruchs genügt (§ 370 Abs. 4 Satz 1 [X.]), ist auch eine mehrfache Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges denkbar, wie es vorliegend in [X.] und [X.] der Fall war (vgl. [X.], Urteil vom 10. Oktober 2017 - 1 StR 447/14 Rn. 79 [insoweit in [X.]St 63, 29 nicht abgedruckt]; Beschluss vom 7. Juli 1993 - 5 [X.] Rn. 6).

(4) Die Tathandlungen von [X.]  , [X.].   und [X.]stellen sich dabei in der vorliegenden Gesamtorganisation des [X.] als eigene tatbestandsmäßige Hinterziehungshandlungen dar. Über die eigenhändige Bedienung der maßgeblichen Software kommunizierten die Haupttäter im [X.] selbständig und frei mit den Zollbehörden, so dass sie die alleinige Tatherrschaft (§ 25 Abs. 1 StGB) über die insoweit maßgeblichen Tathandlungen - die Abgabe von unrichtigen elektronischen Eingangsmeldungen - hatten ([X.], Urteil vom 5. September 2017 - 1 StR 198/17 Rn. 21 mwN). Täter einer Steuerhinterziehung durch [X.] (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) kann auch derjenige sein, der durch unrichtige Angaben auf ein steuerliches Verfahren Einfluss nimmt ([X.], Urteile vom 5. September 2017 - 1 StR 198/17 Rn. 20 mwN und vom 6. Juni 2007 - 5 [X.] Rn. 17, [X.]St 51, 356, 359 mwN). Denn der Straftatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist kein Sonderdelikt und setzt nicht die Eigenschaft als Steuerpflichtiger voraus (vgl. [X.] aaO).

cc) Das [X.] hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte die Steuerhinterziehungstaten von [X.], [X.]   , [X.]  , [X.].   und [X.]als Gehilfe durch eine Vielzahl von Unterstützungshandlungen, die den einzelnen [X.] nicht konkret zugeordnet werden konnten, gefördert hat (vgl. [X.], Beschluss vom 4. März 2008 - 5 StR 594/07 Rn. 3). Seine Handlungen haben wesentlich zur Verschleierung und damit zur Durchführbarkeit des Tatgeschehens beigetragen. Insoweit ist gegen die Beweiswürdigung zum objektiven Tathergang und die rechtliche Bewertung nichts zu erinnern.

b) Der Strafausspruch weist ebenfalls keine den Angeklagten [X.] Rechtsfehler auf. Insbesondere hat das [X.], obwohl es trotz der vielfachen Unterstützungshandlungen des Angeklagten, die jede einzelne der [X.] gefördert und damit insgesamt zu einer Steuerverkürzung großen Ausmaßes beigetragen haben, nur eine einheitliche Beihilfe angenommen hat, das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] (Steuerverkürzung großen Ausmaßes) nicht als erfüllt angesehen. Da rechtsfehlerfrei festgestellt ist, dass der Angeklagte sämtliche [X.] gefördert und damit zu der gesamten Steuerverkürzung beigetragen hat, kann ausgeschlossen werden, dass die [X.] zu seinen Lasten von einem unrichtigen Schuldumfang ausgegangen ist. Die Berücksichtigung der Höhe des Gesamtverkürzungsbetrags im [X.]hmen der konkreten Strafzumessung begegnet daher keinen Bedenken; insoweit ist auch nicht etwa zu besorgen, dass das [X.] bei der Annahme von 96 Beihilfetaten auf eine geringere ([X.] erkannt hätte. Ein Verstoß gegen das [X.] (§ 46 Abs. 3 StGB) liegt mit Blick auf die gesetzlichen Merkmale des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 [X.] (Bandenmitgliedschaft) ebenfalls nicht vor.

[X.]um     

        

Jäger     

        

Bär     

        

Leplow     

        

Pernice     

        

Meta

1 StR 224/19

02.04.2020

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hamburg, 13. Dezember 2018, Az: 618 KLs 1/18

§ 155 AO, §§ 155ff AO, § 168 AO, § 218 AO, §§ 218ff AO, § 249 AO, §§ 249ff AO, § 370 Abs 1 Nr 1 AO, § 370 Abs 2 AO, § 370 Abs 3 AO, § 370 Abs 4 S 1 AO, § 370 Abs 5 AO, § 370 Abs 6 S 2 AO, § 370 Abs 7 AO, Art 1 Abs 1 Buchst b EGRL 118/2008, Art 21 Abs 1 EGRL 118/2008

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.04.2020, Az. 1 StR 224/19 (REWIS RS 2020, 1702)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1702

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