Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.01.2019, Az. 1 StR 450/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 11174

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Gegenstand

Anforderungen an die Feststellungen in den Urteilsgründen bei einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung


Tenor

1.Auf die Revisionen der Angeklagten und der [X.] wird das Urteil des [X.] vom 28. Februar 2018, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

2.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten wegen Beihilfe zu sechs Fällen der Steuerhinterziehung schuldig gesprochen und den Angeklagten [X.]     zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten [X.].     hat es zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Darüber hinaus sind gegen die Angeklagten und die [X.] ergangen. Der nicht revidierende Angeklagte [X.]wurde wegen unerlaubten Waffenbesitzes verurteilt und im Übrigen freigesprochen.

2

Der Angeklagte [X.]     beanstandet mit der Verfahrensrüge, dass [X.] und Eröffnungsbeschluss der gesetzlichen Informations- und Begrenzungsfunktion nicht genügten und erhebt die nicht ausgeführte Sachrüge. Der Angeklagte [X.].     wendet sich gegen die Verurteilung mit der ausgeführten Sachrüge. Die [X.] rügt eine Verletzung materiellen Rechts durch die Einziehungsentscheidung.

3

Die Revisionen haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 [X.]).

I.

4

Nach den Feststellungen und Wertungen der [X.] beschloss der Angeklagte [X.]     im Jahr 2015, die [X.] (nachfolgend: [X.] ) zu nutzen, um in [X.]     ein Steuerlager für Bier anzumelden, dann dessen Betrieb vorzutäuschen und dadurch anderen unbekannten Personen die Hinterziehung von Biersteuer in einem Mitgliedstaat der [X.] zu ermöglichen. Die von dem Angeklagten [X.].     beantragte Erlaubnis zum Betrieb eines Steuerlagers wurde am 11. August 2015 erteilt und Bier, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum bereits im Jahr 2013 abgelaufen war, in das Steuerlager aufgenommen. Dieser Bestand wurde nicht mehr verändert. Die Angeklagten stellten der [X.] Firma [X.]        (nachfolgend: [X.]) die [X.]  als Empfangsadresse für fingierte [X.] zur Verfügung.

5

Die Geschäftsführerin der [X.]gab für die [X.]sechs Steuererklärungen für Januar 2016 bis Juni 2016 über aus ihrem Steuerlager [X.] an die [X.] Finanzverwaltung ab, ohne darin die [X.] auszuweisen, die im EDV-gestützten Verfahren für die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung innerhalb der [X.] ([X.]                     S.     ; nachfolgend: [X.]) als an die [X.]  geliefert gemeldet worden waren.

6

Die angeblichen [X.] aus dem Steuerlager der [X.]wurden von nicht bekannten Personen an einem unbekannten Ort durch Eröffnung elektronischer Verwaltungsdokumente (nachfolgend: [X.]) in das [X.]eingebucht, der angebliche Eingang des Bieres in das Steuerlager der [X.]  bestätigt und das [X.] geschlossen. Tatsächlich erfolgten keine Lieferungen dieses Bieres an [X.] . Ob [X.]das Bier tatsächlich an einen nicht bekannten Empfänger versandt hatte und an welchen Ort das Bier letztlich geliefert worden ist, ließ sich nicht feststellen ([X.], 50 f.).

7

Auf der Grundlage der in den [X.] von unbekannten Personen eingetragenen Daten gab der Angeklagte [X.].     für die [X.]  Steuererklärungen ab, in denen er für das angeblich an [X.]  gelieferte und dort aus dem Steuerlager entnommene Bier die [X.] Biersteuer berechnete und deren Entrichtung an den [X.]n Fiskus veranlasste. Der [X.]stellte er die gezahlte Biersteuer in Rechnung, schlug eine Logistikpauschale auf und übergab die Rechnungen an den Angeklagten [X.]     , der von unbekannten Personen hierfür Bargeld in Höhe von insgesamt mindestens 3.187.510,01 € erhielt und auf das Konto der [X.]  einzahlte. 1.531,63 € hieraus gingen an den Angeklagten [X.].     , 6.000 € an den Angeklagten [X.]     .

8

Die [X.] war überzeugt davon, dass das im [X.]als Lieferungen der [X.]an [X.]  angemeldete Bier tatsächlich im System der Steueraussetzung vorhanden war und nur dessen Lieferweg verschleiert wurde ([X.]). Nicht feststellen konnte die [X.], ob sich das Bier tatsächlich bei [X.]befunden hatte und aus deren Steuerlager entnommen worden oder aber bereits zuvor abhandengekommen war ([X.]) und [X.]ebenfalls ein Steuerlager fingiert hatte. Dass das in den [X.] ausgewiesene Bier tatsächlich existiert und sich in einem Verfahren der Steueraussetzung befunden hatte und aus diesem entnommen worden ist, hat die [X.] in ihrer Beweiswürdigung belegt. Wann und wo es einem Steuerlager entnommen worden ist und wer tatsächlich der Empfänger des Bieres war, konnte sie jedoch nicht feststellen.

9

Nach Auffassung der [X.] waren die [X.] Steuererklärungen unrichtig und führten mit Unterstützung der Verantwortlichen der [X.]zu einer Verkürzung der [X.] Biersteuer in Höhe von 14.128.361,21 €, weil das zum Schein von [X.]an [X.]  gelieferte Bier tatsächlich aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen worden war und deshalb im jeweiligen Monat der Entnahme hätte angegeben werden müssen.

II.

Hinsichtlich der von dem Angeklagten [X.]     erhobenen Verfahrensrüge, mit der er tatsächlich ein von Amts wegen zu prüfendes Verfahrenshindernis behauptet, wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des [X.] verwiesen.

III.

Die Sachrügen der Angeklagten sind begründet. Die Urteilsfeststellungen tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.], § 27 StGB nicht, weil die [X.] nicht alle erforderlichen Feststellungen getroffen hat.

Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 [X.] müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen mitteilen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies gilt auch für die [X.]upttat und die hierzu geleistete Beihilfe.

Strafbare Beihilfe ist die vorsätzliche Hilfeleistung zu einer vorsätzlich begangenen Straftat eines anderen (§ 27 Abs. 1 StGB). Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist dabei jede [X.]ndlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des [X.]upttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 9. Mai 2017 - 1 StR 265/16, [X.], 390 Rn. 22 mwN). Beihilfe kann zwischen Versuchsbeginn und Vollendung und auch bereits während des Vorbereitungsstadiums geleistet werden, nicht aber nach materieller Beendigung der [X.]upttat (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. August 2013 - 3 [X.] Rn. 4 mwN und vom 27. November 2012 - 3 [X.] Rn. 5).

Die [X.]upttat muss daher in den Urteilsgründen hinreichend genau, vor allem auch hinsichtlich der Tatzeit, festgestellt sein. Daran fehlt es.

Die [X.] hat festgestellt, dass das in den [X.] bezeichnete und tatsächlich existierende Bier aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen worden ist ([X.]). Eine Einlagerung und Entnahme bei [X.]könne gleichwohl nicht nachgewiesen werden, weil das Bier bereits zuvor andernorts „abhandengekommen“ ([X.]), also aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen worden sein könnte. Die [X.] geht dabei rechtsfehlerhaft davon aus, dass es für das Entstehen der [X.] Verbrauchsteuern unerheblich ist, ob sich das Bier vor Beginn der angeblichen Beförderung zum Steuerlager der [X.]  tatsächlich im Steuerlager der [X.]oder andernorts befunden hat. Sie lässt offen, ob das in den [X.] bezeichnete Bier überhaupt jemals bei [X.]war und wenn ja, wann es dort entnommen und an welchen Bestimmungsort es geliefert wurde. Da sie nicht aufklären konnte, wo und wann das Bier tatsächlich entnommen wurde, ist auch nicht festgestellt, wann und wo die Steuerpflicht im Sinne von Art. 7 Abs. 2a, Art. 10 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates über das allgemeine Verbrauchsteuersystem vom 16. Dezember 2008 entstanden ist. Es ist nicht einmal belegt, dass sich das Bier tatsächlich jemals in [X.] befunden hat; denn es kann auch in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen worden sein und [X.]nur als fiktive Empfängerin innerhalb einer fingierten Lieferkette fungiert haben.

Zudem ist die [X.] davon ausgegangen, der Zeitpunkt der Entnahme des Bieres korrespondiere mit dem der fiktiven Lieferungen an die [X.]  und die Entnahmen seien deshalb jeweils in den Monaten zu versteuern gewesen, in denen die Lieferungen gemäß den [X.] erfolgt waren. Dies ist aber nicht mit einem Beweis unterlegt.

War das Bier nie im Steuerlager der [X.]und wurde es deshalb dort nicht entnommen oder war es zwar dort, wurde aber nicht zu den von der [X.] angenommenen Tatzeiten entnommen, wären die von der Geschäftsführerin der [X.]abgegebenen Steuererklärungen richtig gewesen und es würde an einer durch die Verantwortlichen der [X.]begangenen [X.]upttat fehlen.

Zwar ergeben die Feststellungen, dass jedenfalls an einer nicht bekannten Stelle des [X.] eine Hinterziehung der Verbrauchsteuern in einem Mitgliedstaat der [X.] für das fiktiv an [X.]  gelieferte Bier erfolgt ist. Dies ergibt sich aus der zutreffenden Erwägung der [X.], eine fiktive Entnahme durch die Erstellung der [X.] mache nur dann Sinn, wenn die Beteiligten die Möglichkeit haben, real existierendes Bier unversteuert aus dem Verfahren der Steueraussetzung zu entnehmen und gewinnbringend zu veräußern ([X.]).

Jedoch kann die Strafbarkeit nicht mit der Überlegung begründet werden, dass die Entnahme zu irgendeinem Zeitpunkt in einem Mitgliedstaat der [X.] stattgefunden haben muss und das Bier dort von der es aus dem Verfahren der Steueraussetzung tatsächlich entnehmenden Person am Ort ihres Sitzes in die Steuererklärungen hätte aufgenommen werden müssen, weshalb es keiner Feststellung der näheren Einzelheiten der [X.]upttat bedurft hätte.

Zwar trifft es zu, dass das Zur-Verfügung-Stellen des Steuerlagers der [X.]  durch die Angeklagten zur Verschleierung des [X.] des Bieres eine vorsätzliche Förderung der Hinterziehung der auf dieses Bier entfallenden Verbrauchsteuern darstellen kann, gleichgültig an welcher Stelle des [X.] das Bier unversteuert aus dem Verfahren der Steueraussetzung entnommen wurde. Ausgehend von den Feststellungen des [X.]s steht jedoch nicht fest, wann diese dem System des Bierschmuggels immanente [X.]upttat begangen worden ist. Für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe ist aber der Zeitpunkt der Begehung der [X.]upttat von entscheidender Bedeutung, da Beihilfe nur solange möglich ist, bis die [X.]upttat beendet worden ist. Es ist hier nicht auszuschließen, dass die an einer nicht bekannten Stelle im Rahmen des [X.] begangene [X.]upttat bereits vor der von den Angeklagten geleisteten Unterstützung beendet war.

Die Aufhebung des Urteils auf die Revisionen der Angeklagten entzieht zugleich den gegen sie getroffenen Entscheidungen über die Einziehung die Grundlage.

IV.

Die Revision der gemäß § 424 [X.] am Strafverfahren beteiligten [X.]  ([X.]), mit der sie sich gegen die Anordnung der Einziehung von [X.] in Höhe von 3.187.510,00 € wendet, hat ebenfalls Erfolg. Die Aufhebung des Urteils auf die Revisionen der Angeklagten entzieht zugleich der sie treffenden Einziehungsanordnung die Grundlage.

Zwar unterliegt der Schuldspruch auf die Revision der [X.]n gemäß § 431 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 [X.] in der Fassung vom 13. April 2017 nicht der revisionsgerichtlichen Prüfung, weil die [X.] keine Einwendungen gegen den Schuldspruch vorgebracht hat und die Begründungsfrist des § 345 Abs. 1 [X.] abgelaufen ist. Jedoch ist § 357 [X.] auf [X.] analog anzuwenden, die zwar Revision gegen die Anordnung der Einziehung eingelegt haben, aber mit Einwendungen gegen den Schuldspruch ausgeschlossen sind (vgl. [X.], Urteil vom 10. Mai 1966 - 1 StR 592/65, [X.]St 21, 66, 69; Beschlüsse vom 22. Mai 1979 - 1 [X.], [X.], 295, 298, bei [X.] und vom 29. Februar 2012 - 2 [X.], [X.], 264 Rn. 8; vgl. auch Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 [X.], [X.]St 56, 39 Rn. 32; [X.]/[X.], § 357 Rn. 42 mwN; [X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., § 357 Rn. 2).

V.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Lässt sich nicht näher feststellen, zu welcher [X.]upttat die Angeklagten Beihilfe geleistet haben - vorausgesetzt sie sind nicht, soweit die [X.]upttat in [X.] oder einem anderen Mitgliedstaat der [X.] begangen wurde, ohnehin nach dem Recht des betroffenen Mitgliedstaates bereits Täter einer Steuerhinterziehung -, steht aber fest, dass die auf das Konto der [X.]  einbezahlten Gelder aus der [X.] (§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB, § 370 Abs. 6, 7 [X.]) stammten, wird eine Strafbarkeit nach § 261 StGB zu prüfen sein (vgl. zur Nutzung von Konten durch Angeklagte, um die aus Katalogtaten stammenden Erlöse verfügbar zu haben, [X.], Urteil vom 12. Juli 2016 - 1 StR 595/15, [X.], 167 Rn. 22 ff.).

Raum     

        

Jäger     

        

Bellay

        

Cirener     

        

Fischer     

        

Meta

1 StR 450/18

23.01.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 28. Februar 2018, Az: 503 Js 135/16 - 12 KLs

§ 370 Abs 1 Nr 1 AO, § 27 StGB, § 267 Abs 1 S 1 StPO, § 357 StPO, Art 7 Abs 2a EGRL 118/2008, Art 10 EGRL 118/2008

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.01.2019, Az. 1 StR 450/18 (REWIS RS 2019, 11174)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 11174

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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