Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.12.2015, Az. 1 StR 256/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 974

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Gegenstand

Hinterziehung von Schaumweinsteuer: Direkte Auslieferung von Schaumwein aus Italien an inländische Kunden eines deutschen Händlers ohne Lagerung des Schaumweins in einem Zwischenlager in Deutschland


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Dezember 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 31 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

2

Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

3

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4

Der Angeklagte war Geschäftsführer und einzig persönlich haftender [X.]er der [X.], die seit dem [X.] ü[X.] die Erlaubnis zum Betrieb eines Schaumweinlagers verfügte.

5

Im Zeitraum Juni 2008 bis Septem[X.] 2012 bezog die [X.] unter Steueraussetzung Schaumwein aus [X.]. Die Ware wurde in nahezu sämtlichen Fällen unmittelbar an die inländischen Kunden der [X.] ausgeliefert, ohne dass es zu einer Zwischenlagerung im Schaumweinlager kam. Nur in wenigen Ausnahmefällen wurde der Schaumwein für die Dauer von höchstens einem Monat zwischengelagert, wenn ein monatliches von einem Großkunden bestimmtes enges Lieferfenster nicht eingehalten werden konnte. Die so zwischengelagerten [X.] ü[X.]stiegen jedoch zu keinem Zeitpunkt fünf Prozent der Gesamtliefermenge eines Monats.

6

In den monatlichen Steueranmeldungen erklärte der Angeklagte als Geschäftsführer der [X.] nicht sämtliche an die Kunden ausgelieferten Schaumweine als Entnahme aus dem Schaumweinlager, sondern gab bewusst wahrheitswidrig deutlich geringere [X.] als ausgeliefert an, wobei er sich bei Bestimmung der anzumeldenden [X.] von der ihm zur Zahlung zur Verfügung stehenden Liquidität leiten ließ. Dadurch wurde [X.] in Höhe von insgesamt 1.123.388 Euro verkürzt.

7

Das [X.] hat das Geschehen als Steuerhinterziehung in 31 Fällen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] gewertet. Der Angeklagte habe als Geschäftsführer der [X.] im Zeitraum Juni 2008 bis Septem[X.] 2012 in 31 der monatlich abzugebenden Steueranmeldungen nicht den gesamten „aus dem Steuerlager bzw. aus dem Steueraussetzungsverfahren entnommenen und dadurch in den freien Verkehr ü[X.]führten Schaumwein“ zur [X.] angemeldet.

II.

8

1. Die Feststellungen tragen eine Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung durch Abgabe unrichtiger Steueranmeldungen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] nicht. Denn die [X.] für die von der [X.] aus [X.] unter Steueraussetzung bezogenen Schaumweine war, soweit sie unmittelbar ohne Zwischenlagerung im Schaumweinlager an die inländischen Kunden ausgeliefert wurden, nicht in den monatlichen Steueranmeldungen zu erklären.

9

Das [X.] geht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] in der bis zum 31. März 2010 gültigen Fassung (aF) bzw. § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] in der Fassung ab 1. April 2010 (nF) die [X.] mit der Ü[X.]führung in den steuerrechtlich freien Verkehr entsteht, wenn der Schaumwein aus dem Steuerlager entnommen wird, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren anschließt. Steuerschuldner ist der Lagerinha[X.] (§ 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] aF bzw. § 14 Abs. 4 Nr. 1 [X.] nF). Dieser hat gemäß § 8 Abs. 1 [X.] aF bzw. § 15 Abs. 1 [X.] nF ü[X.] den Schaumwein, für den in einem Monat die Steuer entstanden ist, spätestens am zehnten Tag des folgenden Monats eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (§ 22 [X.] bzw. § 30 SchaumwZwStV nF) abzugeben und in ihr die Steuer selbst zu [X.]echnen (Steueranmeldung).

Der aus [X.] bezogene Schaumwein wurde jedoch bei nahezu allen Lieferungen nicht körperlich in das Steuerlager der [X.] aufgenommen, sondern unmittelbar an die inländischen Kunden der [X.] ausgeliefert. Die Aufnahme in das Schaumweinlager wird auch nicht im Rahmen eines sog. Streckengeschäftes fingiert. Das Hauptzollamt kann als Ausnahme vom Erfordernis der körperlichen Aufnahme in das Steuerlager in Fällen, in denen bei der Beförderung von Schaumwein unter Steueraussetzung der Empfänger ein Steuerlagerinha[X.] im Steuergebiet ist, der den Schaumwein unter Steueraussetzung an ein anderes Steuerlager im Steuergebiet weiterbefördert, gemäß § 25 Abs. 6 i.V.m. § 23 Abs. 7 [X.] bzw. § 21 Abs. 7 SchaumwZwStV nF auf Antrag zulassen, dass der Schaumwein als in sein Steuerlager aufgenommen und zugleich entnommen gilt, sobald der Empfänger im Steuergebiet an dem Schaumwein Besitz erhält. Abgesehen davon, dass sich die Urteilsgründe zu einer derartigen Zulassung nicht verhalten, erfüllen die Kunden der [X.], bei denen es sich nicht um Inha[X.] von [X.] handelte, die Anforderungen für die Annahme eines Streckengeschäftes nicht.

Zu einer Entnahme aus dem Steuerlager - sei es körperlich oder fingiert -, die eine Steuerentstehung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF bzw. § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] nF nach sich ziehen könnte, kam es damit in den Fällen nicht, in denen die Auslieferung unmittelbar an die inländischen Kunden erfolgte. Der Angeklagte hat damit in den monatlichen Steueranmeldungen zwar unrichtige Angaben gemacht, indem er eine solche Entnahme zumindest teilweise erklärte, diese führten jedoch nicht zu einer Steuerverkürzung i.S.v. § 370 Abs. 4 [X.], sondern insoweit sogar zu einer zu hohen Steuerfestsetzung (vgl. § 168 Satz 1 [X.]).

2. Soweit das [X.] festgestellt hat, dass es in wenigen Ausnahmefällen zu einer geringfügigen Zwischenlagerung für die Dauer höchstens eines Monats gekommen ist, die zwischengelagerten [X.] a[X.] zu keinem Zeitpunkt fünf Prozent der Gesamtliefermenge an Schaumwein ü[X.]stiegen, kann der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung durch [X.] gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] darauf nicht gestützt werden.

Konkrete Feststellungen zu Zeitpunkt und Menge des kurzfristig bevorrateten und anschließend aus dem Steuerlager wieder entnommenen Schaumweins hat das [X.] nicht treffen können. Daher hat es - von seinem rechtlichen Ansatz ausgehend folgerichtig - zugunsten des Angeklagten einen Sicherheitsabschlag in Höhe von fünf Prozent für zwischengelagerte Schaumweine vorgenommen. Tragfähige Feststellungen zulasten des Angeklagten, auf die ein Schuldspruch gestützt werden könnte, ergeben sich daraus jedoch nicht.

3. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Hinterziehung von [X.] durch [X.] in 31 Fällen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ist daher aufzuheben.

4. Die Sache ist zurückzuverweisen, da nicht auszuschließen ist, dass Feststellungen getroffen werden können, die einen Schuldspruch wegen Hinterziehung von [X.] zu tragen geeignet sind.

a) Insbesondere kommt hinsichtlich der Schaumweine, die unmittelbar an die inländischen Kunden ausgeliefert wurden, eine Hinterziehung von [X.] durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] durch Nichtabgabe einer Steuererklärung nach Entstehung der Steuer aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Beförderung in Betracht.

Zwar durfte der Schaumwein unter Steueraussetzung gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 [X.] aF bzw. § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. [X.] im [X.] Steuergebiet verbracht werden; denn ausgehend von den Urteilsfeststellungen ist das Steueraussetzungsverfahren in [X.] wirksam eröffnet worden. Dafür ist ausreichend, dass die [X.] als Empfängerin objektiv als Inha[X.]in eines Steuerlagers zum Bezug des Schaumweins unter Steueraussetzung [X.]echtigt war, unabhängig davon, ob das Verfahren im Weiteren ordnungsgemäß durchgeführt wird (vgl. [X.], Beschluss vom 22. August 2013 - [X.]/12, [X.], 333 mwN).

Das Verfahren der Steueraussetzung ist jedoch nicht ordnungsgemäß beendet worden. Der Schaumwein wurde entgegen § 11 Abs. 4 Nr. 2 [X.] aF bzw. § 11 Abs. 4 Nr. 4 [X.] nF von der [X.] als Inha[X.]in des beziehenden Steuerlagers nicht unverzüglich in das Schaumweinlager aufgenommen. Derartige Unregelmäßigkeiten führen nach Maßgabe des § 13 [X.] aF bzw. der §§ 13, 14 [X.] nF zur Entstehung der [X.] durch Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren und Ü[X.]führung in den steuerrechtlich freien Verkehr.

Steht fest, dass die Unregelmäßigkeit im [X.] Steuergebiet begangen wurde, entsteht die [X.] in [X.] (§ 13 Abs. 1 [X.] aF, § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 und 2 Nr. 4 [X.] nF). Wird im [X.] Steuergebiet festgestellt, dass bei der Beförderung eine Unregelmäßigkeit eingetreten ist, und kann nicht ermittelt werden, wo die Unregelmäßigkeit eingetreten ist, so gilt sie im [X.] Steuergebiet als eingetreten mit der Folge, dass die [X.] in [X.] entsteht (§ 13 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 [X.] aF bzw. § 13 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 und 2 Nr. 4 [X.] nF). Treffen in diesen Fällen dagegen die Schaumweine nicht an ihrem Bestimmungort ein, gilt nach alter Rechtslage die Unregelmäßigkeit mit der Folge der Steuerentstehung als im [X.] eingetreten, wenn nicht innerhalb einer vorgegebenen Frist der Nachweis ü[X.] die ordnungsgemäße Beendigung des Verfahrens oder den Ort, an dem die Unregelmäßigkeit tatsächlich eingetreten ist, erbracht wird (vgl. Art. 20 Abs. 3 der [X.] vom 25. Februar 1992 ü[X.] das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchssteuerpflichtiger Waren [[X.]. Nr. L 76 [X.], [X.]. [X.]. 1995 Nr. L 17 S. 20]; vgl. zum [X.] [X.], Urteil vom 30. Novem[X.] 2004 - [X.]/01, [X.]E 208, 334; Beschluss vom 12. Okto[X.] 2006 - [X.]/05). Gleiches gilt nach neuer Rechtslage, wenn der Schaumwein nicht an seinem Bestimmungsort eintrifft, ohne dass während der Beförderung eine Unregelmäßigkeit festgestellt worden ist (vgl. Art. 10 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezem[X.] 2008 ü[X.] das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der [X.] [[X.]. 2009 Nr. L 9 [X.]2 ff.]).

Ist nach dieser Maßgabe [X.] [X.] entstanden, hat der Steuerschuldner ü[X.] den Schaumwein, für den die Steuer entstanden ist, unverzüglich eine Steueranmeldung abzugeben (§ 13 Abs. 4 Satz 3 [X.] aF bzw. § 15 Abs. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 und 2 Nr. 4 [X.] nF). Steuerschuldner war nach alter Rechtslage der Versender, daneben der Empfänger im Steuergebiet, wenn er vor der Entstehung der Steuer Besitz an dem Schaumwein erlangt hat, der Beförderer oder Eigentümer des Schaumweins, wenn er neben dem Versender Sicherheit geleistet hat, sowie in den Fällen des § 13 Abs. 1 [X.] auch derjenige, der den Schaumwein aus dem Steueraussetzungsverfahren entzogen hat (§ 13 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 [X.] aF). Nach neuer Rechtslage hat sich der Kreis der Steuerschuldner erweitert. Danach ist neben dem Steuerlagerinha[X.] als Versender auch jede andere Person Steuerschuldner, die Sicherheit geleistet hat, die Person, die den Schaumwein aus der Beförderung entnommen hat oder in deren Namen der Schaumwein entnommen wurde, sowie jede Person, die an der unrechtmäßigen Entnahme beteiligt war und wusste oder hätte vernünftigerweise wissen müssen, dass die Entnahme unrechtmäßig war (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 [X.] nF).

Ob [X.] [X.] entstanden und es der Angeklagte als Geschäftsführer der Steuerschuldnerin [X.] pflichtwidrig unterlassen hat, unverzüglich Steueranmeldungen abzugeben, kann der Senat anhand der bisherigen Feststellungen nicht ü[X.]prüfen. Aus den Urteilsgründen ergibt sich lediglich, dass die Schaumweine insoweit nicht in das Schaumweinlager der [X.] aufgenommen wurden. Feststellungen zum Ort der Begehung der Unregelmäßigkeit bzw. zum Ort der Feststellung der Unregelmäßigkeit enthält das Urteil nicht. Der neue Tatrichter wird entsprechende Feststellungen zu treffen haben.

b) Die Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist auch von der Anklage als Teil einer jeweils einheitlichen prozessualen Tat erfasst.

Tat im prozessualen Sinne gemäß § 264 StPO ist der vom Eröffnungsbeschluss betroffene geschichtliche Lebensvorgang einschließlich aller damit zusammenhängenden oder darauf bezogenen Vorkommnisse und tatsächlichen Umstände, die geeignet sind, das in diesen Bereich fallende Tun des Angeklagten unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt als strafbar erscheinen zu lassen. Zu dem von der Anklage und dem darauf bezogenen Eröffnungsbeschluss erfassten einheitlichen geschichtlichen Vorgang gehört dementsprechend alles, was mit diesem nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet. Maßgeblich sind insoweit die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls (st. Rspr.; etwa [X.], Urteil vom 18. Dezem[X.] 2012 - 1 StR 415/12 mwN).

aa) Auf der Grundlage dieses prozessualen Tatbegriffs ist auch eine Verkürzung von [X.] durch Unterlassen der unverzüglichen Steueranmeldung wegen Unregelmäßigkeiten während der Beförderung unter Steueraussetzung Gegenstand des von der Anklageschrift vom 31. Juli 2014 der Kognitionspflicht des Gerichts unterbreiteten einheitlichen geschichtlichen Sachverhalts. Die Anklage, die das [X.] mit Beschluss vom 13. Okto[X.] 2014 in unveränderter Form zur Hauptverhandlung zugelassen hat, schildert die Hinterziehung von [X.] durch den Angeklagten als Geschäftsführer der [X.] beim Bezug von Schaumwein unter Steueraussetzung (aus [X.]) in einem konkret benannten Zeitraum. Ihm wird vorgeworfen, durch falsche bzw. unvollständige monatliche Anmeldungen gegenü[X.] dem Hauptzollamt R.        [X.] verkürzt zu haben. Die Höhe des hinterzogenen Betrags ist an der Menge Schaumwein festgemacht, die die [X.] als Steuerlagerinha[X.]in im Wege des [X.] bezogen, für die der Angeklagte als deren Geschäftsführer a[X.] keine [X.] angemeldet hat. Anhaltspunkt für diese Berechnung ist nach der Anklage der Umstand, dass sich die im Steueraussetzungsverfahren gelieferten [X.] - die anhand der [X.] der [X.] Lieferanten bestimmt worden sind - nicht im Steuerlager befunden haben, mithin in den freien Verkehr ü[X.]führt worden sind, ohne dass für diese [X.] [X.] angemeldet worden wäre („[X.]“). Die von der Anklage einzeln angeführten monatlichen Steueranmeldungen dienten der Verschleierung der durch den Angeklagten erfolgten Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren.

Dadurch wird die Ü[X.]führung der für das Steuerlager der [X.] bestimmten, im Steueraussetzungsverfahren beförderten [X.] in den steuerrechtlich freien Verkehr ohne Anmeldung von [X.] in den maßgeblichen Monaten insgesamt zum Gegenstand der Anklage gemacht. Denn die prozessuale Tat i.S.v. § 264 StPO erfasst das Verhalten des Angeklagten - jedenfalls soweit es dieselbe Steuerart, nämlich [X.], sowie denselben Steuergegenstand, nämlich die vom Umfang bezifferte Lieferung von Schaumwein unter Steueraussetzung an die [X.] in den in der Anklage genannten Monaten, betrifft und ein auf die betreffende Steuer insgesamt gerichteter [X.] vorliegt - unter allen steuerstrafrechtlichen Gesichtspunkten.

bb) Der Umstand, dass die Anklage - wie ihr folgend auch das [X.] - auf eine Steuerentstehung durch Entnahme aus dem Steuerlager anstatt auf eine solche wegen Unregelmäßigkeiten während der Beförderung unter Steueraussetzung und damit auf eine Steuerhinterziehung durch [X.] statt durch Unterlassen abgestellt hat, [X.]uht allein auf einem rechtlich unzutreffenden Verständnis von der Entstehung der Steuerschuld durch Entnahme aus dem Steuerlager gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF bzw. § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] nF. Diese ist nämlich - wie oben unter 1. ausgeführt - von der körperlichen Aufnahme in das Steuerlager abhängig. Dies verkennt die Anklage, wenn sie zwar darlegt, wie die gelieferten [X.] und die [X.] [X.]echnet worden sind, a[X.] dem Aspekt der Aufnahme in das Steuerlager auch in der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen keine Beachtung schenkt. Die Anklage orientiert sich bei der Verwendung des Begriffs „Entnahme aus dem Steuerlager“ ersichtlich an dem - unzutreffend - in den Blick genommenen [X.], ohne dass damit jedoch eine Beschränkung in tatsächlicher Hinsicht allein auf eine körperliche Entnahme des Schaumweins aus dem Steuerlager verbunden sein sollte. Dies lässt hinreichend deutlich werden, dass die Ü[X.]führung des Schaumweins in den steuerrechtlich freien Verkehr unabhängig von der tatsächlichen „körperlichen“ Aufnahme in und anschließender Entnahme aus dem Steuerlager dem Gericht zur Entscheidung unterbreitet werden sollte. Dass dabei auf den [X.] gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF bzw. § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] nF abgestellt worden ist, stellt lediglich eine unzutreffende rechtliche Würdigung des von der Anklage umfassten [X.] dar, die ohne Einfluss auf die prozessuale Tat-identität bleibt.

cc) Soweit im Steuerstrafrecht der Umfang und die Reichweite der prozessualen Tat neben der einschlägigen Blankettvorschrift maßgeblich durch die sie ausfüllenden Normen des Steuerrechts bestimmt wird (zum Tatbegriff im Steuerstrafrecht vgl. [X.], Beschlüsse vom 4. Septem[X.] 2013 - 1 StR 374/13, [X.], 102 mwN und vom 27. Mai 2009 - 1 [X.], [X.], 340, 341 mwN), führt dies im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Rechtsprechung des [X.] hat bei Vorliegen besonderer rechtlicher Verknüpfungen auch im Steuerstrafrecht trotz zeitlichen Auseinanderfallens der Verletzung unterschiedlicher steuerlicher Erklärungspflichten eine Tat im prozessualen Sinn angenommen ([X.], Beschluss vom 24. Novem[X.] 2004 - 5 [X.], [X.]St 49, 359, 362 ff.; [X.], Urteil vom 11. Septem[X.] 2007 - 5 [X.], [X.], 22). Diese besondere rechtliche Verknüpfung liegt in diesem Fall darin, dass das Tatgericht die Steuerentstehung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF bzw. § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] nF) nur prüfen kann, wenn es geklärt hat, ob der unter Steueraussetzung beförderte Schaumwein unverzüglich in das Steuerlager aufgenommen worden ist oder ob sich Unregelmäßigkeiten bei der Beförderung unter Steueraussetzung zugetragen haben, die eine Steuerentstehung und daran anknüpfend eine Pflicht zur unverzüglichen Abgabe einer Steueranmeldung nach § 13 [X.] aF bzw. der §§ 13, 14 [X.] nF auslösen können.

5. Der Senat hebt die Feststellungen insgesamt auf, um dem Tatrichter widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.

Raum     

Graf     

     Cirener

Rin[X.] Dr. Fischer ist erkrankt
und deshalb an der Unterschriftsleistung
gehindert.

[X.]     

Raum

Meta

1 StR 256/15

09.12.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG München II, 8. Dezember 2014, Az: W5 KLs 65 Js 18584/13

§ 7 Abs 1 S 1 SchaumwZwStG vom 15.07.2009, § 7 Abs 1 S 2 SchaumwZwStG vom 15.07.2009, § 8 Abs 1 SchaumwZwStG vom 15.07.2009, § 11 Abs 1 Nr 1 SchaumwZwStG vom 15.07.2009, § 11 Abs 1 Nr 2 Buchst a SchaumwZwStG, § 11 Abs 4 Nr 2 SchaumwZwStG vom 15.07.2009, § 11 Abs 4 Nr 4 SchaumwZwStG, § 13 Abs 1 SchaumwZwStG, § 13 Abs 2 SchaumwZwStG vom 15.07.2009, § 13 Abs 3 SchaumwZwStG, § 13 Abs 4 S 3 SchaumwZwStG vom 15.07.2009, § 14 Abs 1 SchaumwZwStG, § 14 Abs 2 Nr 1 SchaumwZwStG, § 14 Abs 4 Nr 1 SchaumwZwStG, § 15 Abs 1 SchaumwZwStG, § 15 Abs 2 SchaumwZwStG, § 21 Abs 7 SchaumwZwStG, § 23 Abs 7 SchaumwZwStG vom 15.07.2009, § 25 Abs 6 SchaumwZwStG vom 15.07.2009, § 370 Abs 1 Nr 1 AO, § 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 264 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.12.2015, Az. 1 StR 256/15 (REWIS RS 2015, 974)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 974

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