Bundessozialgericht, Beschluss vom 30.10.2019, Az. B 6 KA 9/19 B

6. Senat | REWIS RS 2019, 2034

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Gegenstand

(Vertragsarzt - Anspruch gegen für ihn zuständige Kassenärztliche Vereinigung - Arbeitseinkommen im Sinne von § 850 Abs 2 ZPO - Revision - keine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in der Sache)


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 20. März 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 17 078,43 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger, ein bis 2013 im Bezirk der beklagten [X.] ([X.]) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Internist, begehrt die Festsetzung eines Pfändungsfreibetrages und Auszahlung von vertragsärztlichem Honorar. Er trat im Jahr 1986 zum Zwecke der Kreditaufnahme den pfändbaren Teil seines gegenwärtigen und künftigen Arbeitseinkommens im Sinne des § 850 ZPO an die [X.] ab. [X.] wurde über das Vermögen des [X.] das Insolvenzverfahren eröffnet, welches mit Beschluss vom [X.] aufgehoben worden ist. Restschuldbefreiung wurde dem Kläger nicht gewährt. Die [X.] wurde im August 2015 beendet.

2

Wegen Überschreitung von [X.] verfügte der Beschwerdeausschuss für die Jahre 2007 bis 2010 gegen den Kläger [X.]. Für die Jahre 2008 bis 2010 zahlte der Insolvenzverwalter die insoweit festgesetzten Regresssummen in voller Höhe an die Beklagte. Im Rahmen von gerichtlichen Vergleichen zwischen dem Kläger und der Beklagten wurden die [X.] für die Jahre 2007 bis 2010 sodann um jeweils 20 % (insgesamt 17 078,43 Euro) reduziert. Anträge des [X.], des Insolvenzverwalters und des früheren Prozessbevollmächtigten des [X.] auf Auszahlung dieses Betrages lehnte die Beklagte ab.

3

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom [X.] (71 IN 25/02) die [X.] nach § 203 Insolvenzordnung ([X.]) ua hinsichtlich "rechtsgrundlos" an die Beklagte "ausgezahlter Heilmittelregresse für die Jahre 2008 bis 2011" angeordnet.

4

Mit rechtskräftigem Zwischenurteil über den Grund vom [X.] ([X.] [X.] 350/14) hat das [X.] die Beklagte verurteilt, die [X.]rstattungsbeträge wegen Überschreitung der [X.] für die Jahre 2007 bis 2010 in Höhe der jeweils unpfändbaren Beträge an den Kläger auszuzahlen. Das [X.] hat sodann die hinsichtlich der Höhe der an den Kläger auszuzahlenden Regressbeträge weitergeführte Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2016 - [X.] [X.] 275/15). Auf die vom Insolvenzverwalter an die Beklagte gezahlten Regressbeträge bestehe kein Anspruch, da die [X.] angeordnet sei. Eine Bestimmung der Pfändungsfreigrenze nach § 850i ZPO sei nicht möglich, da es an quantifizierbaren Angaben des [X.] zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen fehle. Das L[X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 20.3.2019).

5

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.] macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensfehler (Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 [X.] und 3 [X.]G) geltend.

6

II. Die Beschwerde des [X.] bleibt ohne Erfolg.

7

1. Bezogen auf die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist die Beschwerde jedenfalls nicht begründet. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr, vgl zB B[X.] Beschluss vom 29.11.2006 - [X.] [X.] 23/06 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 mwN; B[X.] Beschluss vom 28.10.2015 - [X.] [X.] 12/15 B - [X.] 4-2500 § 116 [X.]1 Rd[X.] 5). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus schon vorliegender Rechtsprechung klar ergibt (B[X.] Beschluss vom 11.10.2017 - [X.] [X.] 29/17 B - juris Rd[X.] 4). [X.] ist nicht gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage nicht im Revisionsverfahren zur Entscheidung anstünde oder die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des Rechtsstreits einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist (vgl zB B[X.] Beschluss vom 13.2.2019 - [X.] [X.] 17/18 B - juris Rd[X.] 7). Nach diesen Maßstäben ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hier zu verneinen.

8

Der Kläger bezeichnet allein folgende Rechtsfrage als grundsätzlich bedeutsam:
"Umfaßt die Abtretung des pfändbaren Teils des gegenwärtigen und zukünftigen Arbeitseinkommens i.S.d. § 850 ZPO (insbesondere die Ansprüche gegen den jeweiligen Arbeitgeber und gegen die jeweils zuständige Kassenärztliche- oder Kassenzahnärztliche Vereinigung) bzw. Sozialhilfeleistungsansprüche gegen den jeweiligen Leistungsträger im Rahmen eines zur Praxisgründung beantragten Darlehens auch die Erstattungsansprüche aus der Überschreitung der Heilmittelverordnung?"

9

Es ist bereits zweifelhaft, ob die in der Beschwerdebegründung aufgestellte allgemeine Behauptung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G genügt (vgl B[X.] Beschluss vom 13.2.2019 - [X.] [X.] 17/18 B - juris Rd[X.]3). In der Beschwerdebegründung muss dargelegt werden, dass die Antwort auf die gestellte Frage noch offen und nicht durch die schon ergangene Rechtsprechung geklärt ist. Der Kläger hätte sich deshalb mit der Rechtsprechung des [X.] auseinandersetzen müssen, welcher die Ansprüche eines Vertragsarztes gegen die für ihn zuständige [X.] als "Arbeitseinkommen" im Sinne von § 850 Abs 2 ZPO einordnet ([X.] Urteil vom 11.5.2010 - IX ZR 139/09 - juris Rd[X.]2; [X.] Urteil vom 11.5.2006 - [X.]/03 - [X.]Z 167, 363; [X.] Urteil vom 5.12.1985 - [X.] - [X.]Z 96, 324; [X.] Beschluss vom 28.9.1989 - [X.] - juris Rd[X.] 4). Zudem zielt die Beantwortung der Frage auf den konkreten Einzelfall. Der Sache nach rügt der Kläger, dass das Berufungsgericht zu rechtsfehlerhaften Annahmen gelangt sei. Mit inhaltlichen Angriffen gegen die materiell-rechtliche Auffassung der Vorinstanz kann die Zulassung der Revision aber nicht erreicht werden.

Jedenfalls aber kommt es auf die Beantwortung dieser Rechtsfrage für die Entscheidung nicht an. Es fehlt an der [X.] dieser vom Kläger als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage insbesondere deshalb, weil das Berufungsurteil hierauf nicht beruht. Das [X.] hat die Beklagte mit (formell) rechtskräftigem Zwischenurteil über den Grund (Urteil vom [X.]; § 202 [X.]G iVm § 304 ZPO) verurteilt, die [X.]rstattungsbeträge aus den Verfahren wegen Überschreitung der [X.] in Höhe der jeweils unpfändbaren Beträge an den Kläger auszuzahlen. Dieses Urteil war als Endurteil (§ 304 Abs 2 ZPO) selbstständig mit der Berufung anfechtbar und wäre daher nur in einem solchen Rechtsmittelverfahren überprüfbar gewesen; ein entsprechendes Verfahren wurde jedoch nicht durchgeführt. Dagegen ist in dem tatsächlich nach Rechtskraft des [X.]-Urteils vom [X.] vom Kläger eingeleiteten (Berufungs-)Verfahren zur Höhe des unpfändbaren Anteils nicht mehr überprüfbar, ob das [X.] die Beklagte zu Recht zur Zahlung der unpfändbaren Beträge an den Kläger verurteilt hat. Vielmehr war das L[X.] insoweit an das (formell) rechtskräftige Grundurteil des [X.] gebunden (§ 202 [X.]G iVm § 512 ZPO).

Das L[X.] hat seine Entscheidung - durch Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des [X.] - tragend darauf gestützt, dass eine Ermittlung des unpfändbaren Teils der [X.]rstattungsbeträge wegen fehlender Angaben des [X.] über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht möglich sei. Dass L[X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung somit - aufgrund der Bindungswirkung des Grundurteils des [X.] - nicht auf die Frage abgestellt, deren Klärung der Kläger im Revisionsverfahren erwartet.

2. Soweit der Kläger Verfahrensfehler rügt, ist die Beschwerde unzulässig. Der Kläger hat einen Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bereits nicht hinreichend bezeichnet.

Sollte mit dem Vorbringen, dass die "Vordergerichte die Sach- und Rechtslage lediglich unzureichend gewürdigt" haben, sinngemäß eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung gerügt werden, verkennt der Kläger die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G, demzufolge eine Revisionszulassung ausscheidet, wenn eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G (Entscheidung des Gerichts nach freier, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnener Überzeugung) geltend gemacht wird.

Auch soweit der Kläger mit seinem Vorbringen möglicherweise die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 [X.]G) rügen will, genügt dies den Anforderungen nicht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G kann ein geltend gemachter Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dazu enthält das Vorbringen des [X.] bereits keine Angaben.

Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine unzureichende Rechtsanwendung des L[X.] rügen wollte. Auf die Behauptung der fehlerhaften Rechtsanwendung kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden. Wie schon die enumerative Aufzählung der Zulassungsgründe in § 160 Abs 2 [X.]G zeigt, dient die Revision nicht einer allgemeinen Überprüfung des Rechtsstreits in der Sache (vgl zB B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] RA 131/98 B - [X.] 3-1500 § 160 [X.] 26).

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

4. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht der Festsetzung der Vorinstanz, die von keinem Beteiligten in Frage gestellt worden ist.

Meta

B 6 KA 9/19 B

30.10.2019

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Düsseldorf, 11. Mai 2016, Az: S 2 KA 275/15

§ 160 Abs 2 SGG, § 850 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 30.10.2019, Az. B 6 KA 9/19 B (REWIS RS 2019, 2034)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2034

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