Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.03.2011, Az. 2 AZR 674/09

2. Senat | REWIS RS 2011, 8239

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Gegenstand

Auflösungsantrag des Arbeitgebers


Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 20. August 2009 - 16 Sa 1644/08 - aufgehoben, soweit es die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 3. September 2008 - 1 Ca 1700/07 - zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.]ie Parteien streiten in der [X.]evision noch über einen [X.] der beklagten Arbeitgeberin.

2

[X.]er 1949 geborene, verheiratete [X.]läger ist seit 1971 bei der [X.], zuletzt als kaufmännischer Leiter, gegen ein monatliches Bruttogehalt von 6.410,37 Euro beschäftigt. Als [X.] hält er [X.] der [X.]eschäftsanteile der [X.].

3

[X.]ie Beklagte befasst sich vornehmlich mit der Planung und Herstellung verkehrstechnischer Anlagen. An ihrem Sitz in [X.] beschäftigt sie regelmäßig etwa 120 Arbeitnehmer. Mehrheitsgesellschafter mit [X.] der [X.]eschäftsanteile und zugleich alleiniger [X.]eschäftsführer der [X.] war ursprünglich der ältere Bruder des [X.] [X.] Im November 2005 wurde der jüngere [X.] zum weiteren [X.]eschäftsführer bestellt. [X.]er [X.]läger, dem gleichfalls die Bestellung zum - dritten - [X.]eschäftsführer angetragen worden war, hatte eine gemeinsame [X.]eschäftsführung mit seinem [X.] ausdrücklich abgelehnt. Nach dem Tod von [X.] im Oktober 2006 rückte dessen Witwe als Erbin in die Stellung der Mehrheitsgesellschafterin ein. [X.]ie [X.]eschäfte der [X.] führte fortan der jüngere Bruder des [X.] alleine.

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Bereits im Oktober 1990 hatten der [X.]läger und sein Bruder [X.] eine weitere [X.]mbH mit Sitz in [X.] gegründet, deren [X.]eschäftsgegenstand mit dem der [X.] identisch ist. Im November 2002 trat [X.] seine [X.]eschäftsanteile an den [X.]läger ab. [X.]er Sitz dieser [X.]esellschaft wurde anschließend - bei gleichzeitiger Umfirmierung - nach [X.] verlegt.

5

Beginnend ab Oktober 2005 rügte die Beklagte eine [X.]eihe von Pflichtverletzungen des [X.]. Unter anderem warf sie ihm vor, er betreibe mit dem anderen Unternehmen [X.]onkurrenztätigkeit und nutze einen Teil seiner regulären Arbeitszeit sowie ihre Betriebsmittel für jenes Unternehmen. [X.]arüber hinaus hielt sie ihm vor, den [X.] für eine [X.]irmesveranstaltung - den „W“ - eigenmächtig gekündigt zu haben. Eine ordnungsgemäße Abrechnung des Projekts sei nicht erfolgt. [X.]er [X.]läger bestritt dies.

6

Im Juni 2007 machte der [X.]läger in seiner Eigenschaft als [X.]esellschafter der [X.] Auskunfts- und Einsichtsrechte nach § 51a [X.]mbH[X.] geltend. Im August 2007 stellte ihn die Beklagte von der Erbringung seiner Arbeitsleistung frei. Im September 2007 beantragte er, eine [X.]esellschafterversammlung zu den Tagesordnungspunkten „Abberufung des [X.]eschäftsführers“ der [X.] und [X.]ündigung von dessen Anstellungsvertrag einzuberufen. Zur Begründung führte er an, der [X.]eschäftsführer - [X.] - habe kurz nach dem Tod von [X.] zulasten der [X.] die Zahlung eines Betrags von 53.000,00 Euro als Tantieme an sich selbst veranlasst. Ein [X.]echtsgrund hierfür habe nicht bestanden.

7

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. Juni 2008. [X.]agegen erhob der [X.]läger - fristgerecht - [X.]ündigungsschutzklage.

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Ende Oktober 2007 lehnte die [X.]esellschafterversammlung die Anträge des [X.] auf Abberufung des [X.]eschäftsführers und [X.]ündigung des [X.] ab. [X.]ie hiergegen erhobene Nichtigkeitsklage wies das Landgericht [X.] mit Urteil vom 10. April 2008 ab. Eine Entscheidung über eine dagegen gerichtete Berufung des [X.] lag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] noch nicht vor.

9

Mit seiner [X.]ündigungsschutzklage hat der [X.]läger geltend gemacht, die [X.]ündigung sei sozial ungerechtfertigt. [X.]ie Beklagte hat beantragt, die [X.]ündigungsschutzklage abzuweisen, hilfsweise

        

das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dem [X.] sei ohne Weiteres stattzugeben, da der [X.]läger leitender Angestellter sei. Er habe selbständig Arbeitnehmer eingestellt und entlassen. Unabhängig davon lägen [X.]ründe iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 [X.]Sch[X.] vor. Ihr [X.]eschäftsführer [X.] und der [X.]läger kommunizierten schon seit längerer Zeit nur noch schriftlich miteinander. Im [X.]ündigungsrechtsstreit habe der [X.]läger dem [X.]eschäftsführer ohne jegliche Substanz „[X.]“ gegenüber ehemaligen Mitarbeitern und gegenüber seiner - des [X.] - kurzzeitig im Betrieb mitarbeitenden Tochter vorgeworfen. Außerdem habe er sich hartnäckig geweigert, Unstimmigkeiten bei der Abrechnung des Projekts „W“ aufzuklären. In einem weiteren [X.]echtsstreit, mit dem er Zahlungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend mache, habe er sie - die Beklagte - zu Unrecht der Verleumdung bezichtigt. Außerdem sei durch das Vorgehen des [X.] im parallel geführten Zivilprozess um die Abberufung ihres [X.]eschäftsführers das Vertrauensverhältnis restlos zerstört. [X.]er [X.]läger habe seinen Antrag auf den vollkommen haltlosen Vorwurf gestützt, [X.] habe mit der Tantiemezahlung im Jahr 2006 eine - strafbare - Untreuehandlung zu ihrem Nachteil begangen.

[X.]er [X.]läger hat beantragt, den [X.] zurückzuweisen. Es fehle an einer hinreichenden Begründung des Antrags, die auch nicht entbehrlich sei. Für die Spannungen zwischen ihm und seinem [X.] sei er nicht verantwortlich. Schon vor längerer Zeit habe sein Bruder veranlasst, eine Verbindungstür zwischen ihren beiden Büros zu verschließen und sei dazu übergegangen, ihm Anweisungen nur noch schriftlich zu erteilen. [X.] habe er ihm grundlos Einsicht in betriebswirtschaftliche Auswertungen verweigert. Mit seinem Vorgehen im Zivilprozess habe er lediglich ihm zustehende [X.]echte als [X.]esellschafter wahrgenommen.

[X.]as Arbeitsgericht hat der [X.]ündigungsschutzklage stattgegeben und auf den Antrag der [X.] das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von 115.380,00 Euro zum 30. Juni 2008 aufgelöst. [X.]as [X.] hat die Berufung des [X.] und die Anschlussberufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] nur für den [X.]läger zugelassenen [X.]evision begehrt dieser weiterhin, den [X.] zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die [X.]evision ist begründet. Mit der bisherigen Begründung durfte das [X.] nicht stattgeben. Dies führt, da der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend beurteilen kann, ob [X.] iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 [X.] vorliegen, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der Kläger trotz seiner Stellung als Gesellschafter der [X.] Arbeitnehmer im Sinne des [X.]es ist. Dafür spricht im Übrigen, dass der Kläger im [X.]ahmen seiner Tätigkeit als kaufmännischer Leiter dem Weisungsrecht des Geschäftsführers der [X.] aus § 106 Satz 1 [X.] unterstand (vgl. [X.] 6. Mai 1998 - 5 [X.] - zu I 2 a der Gründe, [X.] BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 95 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 68). Er verfügte mit einem Geschäfts- und dementsprechenden Stimmrechtsanteil von [X.] auch nicht über eine sog. Sperrminorität, aufgrund derer er als Kapitaleigner auf die Geschäftsführung hätte bestimmenden Einfluss nehmen können (vgl. [X.] 6. Mai 1998 - 5 [X.] - aaO).

II. Der [X.] der [X.] bedurfte nach § 9 [X.] der Begründung. Der Kläger ist kein leitender Angestellter iSv. § 14 Abs. 2 [X.].

1. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist § 9 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, mit der Maßgabe anzuwenden, dass der [X.] keiner Begründung bedarf. Dabei muss die Befugnis zur eigenverantwortlichen Einstellung oder Entlassung ebenso wie bei den leitenden Angestellten iSv. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG eine bedeutende Anzahl von Arbeitnehmern erfassen. Ein nur eng [X.] Personenkreis genügt nicht ([X.] 10. Oktober 2002 - 2 [X.] 598/01 - zu [X.] 1 der Gründe mwN, [X.] [X.] 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 123 = EzA [X.] § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 122). Die Personalkompetenz muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Angestellten ausmachen ([X.] 10. Oktober 2002 - 2 [X.] 598/01 - aaO, mwN).

2. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar hat der Kläger, jedenfalls bis zum Tod von [X.], in Einzelfällen [X.] geführt, schriftliche Arbeitsverträge unterzeichnet und Arbeitnehmer der [X.] entlassen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s lag allerdings das [X.] über die Durchführung dieser Maßnahmen bei dem früheren Geschäftsführer der [X.]. Eine iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 [X.] hinreichende Personalkompetenz ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger - wie von der [X.] geltend gemacht - seine eigenen Kinder ohne Absprache mit der Geschäftsführung eingestellt haben mag.

III. Ob für die Beklagte [X.] iSv. § 9 [X.] vorliegen, steht noch nicht fest.

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 [X.] hat das Gericht nach - wie im Streitfall - erfolgreicher Kündigungsschutzklage auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

a) Das [X.] lässt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses trotz Sozialwidrigkeit der Kündigung nur ausnahmsweise zu. Es ist nach seiner Konzeption ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. Deshalb sind an die [X.] strenge Anforderungen zu stellen ([X.] 23. Februar 2010 - 2 [X.] 554/08 - [X.]n. 22, [X.] [X.] 1969 § 9 Nr. 61 = EzA [X.] § 9 nF Nr. 58; 23. Juni 2005 - 2 [X.] 256/04 - zu II 2 a der Gründe, [X.] [X.] 1969 § 9 Nr. 52 = EzA [X.] § 9 nF Nr. 52). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ([X.] 8. Oktober 2009 - 2 [X.] 682/08 - [X.]n. 14 mwN, EzA [X.] § 9 nF Nr. 57). Von diesem Standpunkt aus ist zu fragen, ob in der Zukunft eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist ([X.] 10. Juli 2008 - 2 [X.] 1111/06 - [X.]n. 43, [X.] [X.] 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA [X.] § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

b) [X.] iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 [X.] können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist ([X.] 8. Oktober 2009 - 2 [X.] 682/08 - [X.]n. 15, EzA [X.] § 9 nF Nr. 57; 7. März 2002 - 2 [X.] 158/01 - zu [X.] 2 b der Gründe, [X.] [X.] 1969 § 9 Nr. 42 = EzA [X.] § 9 nF Nr. 45). In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen ([X.] 9. September 2010 - 2 [X.] 482/09 - [X.] mwN, [X.] [X.] 1969 § 9 Nr. 64 = EzA [X.] § 9 nF Nr. 60).

c) Zu berücksichtigen ist aber auch, dass gerade Erklärungen in laufenden Gerichtsverfahren - etwa dem Kündigungsschutzprozess selbst - durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können ([X.] 9. September 2010 - 2 [X.] 482/09 - [X.]n. 12 mwN, [X.] [X.] 1969 § 9 Nr. 64 = EzA [X.] § 9 nF Nr. 60). Darüber hinaus ist mit Blick auf eine prozessuale Auseinandersetzung zu berücksichtigen, dass Parteien zur Verteidigung von [X.]echten schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann ([X.] 11. April 1991 - 2 Bv[X.] 963/90 - zu [X.] 3 der Gründe, NJW 1991, 2074). Anerkannt ist, dass ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine [X.]echtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Auch dürfen die Parteien nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt ([X.] 11. April 1991 - 2 Bv[X.] 963/90 - aaO; [X.] 23. Februar 2010 - 2 [X.] 554/08 - [X.]n. 32, [X.] [X.] 1969 § 9 Nr. 61 = EzA [X.] § 9 nF Nr. 58).

2. Daran gemessen trägt die bisherige Begründung des Berufungsurteils die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht.

a) Das [X.] hat angenommen, der Kläger habe die Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit der Parteien durch sein Vorgehen in dem parallel geführten Zivilprozess zerstört. Zur Begründung seines Abberufungsantrags habe er dem Geschäftsführer der [X.] eine „strafbare Untreuehandlung“ zu deren Nachteil vorgeworfen. Damit habe er „über das Ziel hinausgeschossen“. Die Äußerung sei ehrverletzend. Der Kläger hätte bei der Verfolgung seiner [X.]echte als Gesellschafter [X.]ücksicht auf das ebenfalls bestehende [X.] nehmen und das nötige Augenmaß aufbringen müssen. Stattdessen habe er trotz der wohlbegründeten, seine Klage abweisenden Entscheidung seinen Antrag weiter verfolgt, was geeignet gewesen sei, die Spannungen zwischen ihm und dem Geschäftsführer der [X.] weiter zu verschärfen.

b) Diese Würdigung hält einer Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil es an tatsächlichen Feststellungen des [X.]s fehlt, die den Schluss zuließen, der Vorwurf einer „strafbaren Untreuehandlung“ sei ehrverletzend.

Der in [X.]ede stehende Vorwurf, dessen Schwerpunkt ersichtlich auf einer Tatsachenbehauptung liegt, kann zwar grundsätzlich bei [X.] seiner Wahrheit als ehrverletzend angesehen werden. Allerdings hat das [X.] die Behauptung nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Es hat sich nicht mit den Einzelheiten des Vorbringens des [X.] im Zivilprozess befasst, hierzu auch gar keine Feststellungen getroffen. Es hat sich vielmehr mit dem Hinweis begnügt, das Vorgehen des Geschäftsführers - nämlich die Auszahlung der Tantieme ohne zugrundeliegenden Gesellschafterbeschluss - bedeute „nicht gleich“, dass er eine Straftat begangen habe und auch nicht, dass er für die Beklagte untragbar geworden sei. Diese Ausführungen haben im Hinblick auf die Berechtigung der Behauptungen des [X.] keinen Aussagewert. Darüber hinaus bleibt auch die Stoßrichtung des „Vorwurfs einer strafbaren Untreuehandlung“ unklar. Das [X.] hat angenommen, der Kläger habe damit den Geschäftsführer der [X.] einer Straftat bezichtigt. Denkbar erscheint aber auch, dass der Kläger lediglich darauf abheben wollte, das Verhalten erfülle objektiv die Voraussetzungen des [X.] (§ 266 Abs. 1 StGB). Das stünde jedenfalls im Einklang mit der Darstellung des (streitigen) Klägervortrags im Tatbestand des zwischenzeitlich im Zivilprozess ergangenen und von der [X.] in das [X.]evisionsverfahren eingeführten Berufungsurteils. Danach hat der Kläger bezogen auf die Tantiemezahlung vorgetragen, der Geschäftsführer der [X.] habe seine Pflichten als Geschäftsführer objektiv grob verletzt und den objektiven Tatbestand einer Untreue verwirklicht.

Sollte die Anschuldigung des [X.] zutreffen, brauchte er sich nicht damit zu begnügen, das Verhalten des Geschäftsführers allgemein als „erhebliche Pflichtverletzung“ darzustellen. Er durfte seine Auffassung zu deren Qualität auch dadurch zum Ausdruck bringen, dass er die Tantiemezahlung - zumal [X.] im [X.]ahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung - unter strafrechtlichen Aspekten würdigte.

c) Selbst unterstellt, der Kläger hätte den Geschäftsführer objektiv wahrheitswidrig bezichtigt, sich einer Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) zum Nachteil der [X.] schuldig gemacht zu haben, läge darin kein Auflösungsgrund. Die gegenteilige Würdigung des [X.]s berücksichtigt nicht ausreichend, dass das Vorgehen des [X.] im Zivilprozess durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne von § 193 StGB gedeckt war. Jedenfalls hat die für das Vorliegen von [X.]n darlegungs- und beweispflichtige Beklagte keine Umstände dargetan, die den vom Kläger ausdrücklich geltend gemachten [X.]echtfertigungsgrund ausschlössen.

aa) Der Kläger hat in dem parallel geführten Zivilverfahren vorrangig eigene [X.]echte als Mitgesellschafter der [X.] wahrgenommen. In einem solchen „Kampf um das [X.]echt“ war ihm grundsätzlich auch die Behauptung ehrverletzender Tatsachen erlaubt, soweit es aus seiner Sicht hierauf ankommen konnte (vgl. [X.] 11. April 1991 - 2 Bv[X.] 963/90 - zu [X.] 3 der Gründe, NJW 1991, 2074). Letzteres war hier der Fall. Der Kläger wollte mit dem „Vorwurf einer strafbaren Untreuehandlung“ ersichtlich die Schwere der angeführten Pflichtverletzung des Geschäftsführers verdeutlichen.

bb) Allerdings könnte sich der Kläger dann nicht auf eine [X.]echtfertigung seines Vorgehens unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen, wenn die Unhaltbarkeit des Vorwurfs auf der Hand gelegen hätte oder er selbst nicht von der [X.]ichtigkeit seiner Behauptungen überzeugt gewesen wäre (Fischer StGB 58. Aufl. § 193 [X.]n. 19, 28 mwN). Dafür bietet indes das Vorbringen der [X.] - auch unter Einbeziehung des Urteils des [X.] vom 10. April 2008, auf das sich die Beklagte zur Darlegung eines überzogenen Vorgehens des [X.] gegen ihren Geschäftsführer maßgeblich stützt - keinen genügenden Anknüpfungspunkt.

(1) Das [X.] hat in seinem Urteil ausdrücklich dahinstehen lassen, ob die umstrittene Tantiemezahlung - insbesondere im strafrechtlichen Sinne - als Untreuehandlung zu qualifizieren ist. Es ist davon ausgegangen, auch unabhängig von einer etwaigen Strafbarkeit habe der Geschäftsführer seine ihm gegenüber der [X.] obliegenden Pflichten erheblich verletzt, indem er es versäumt habe, eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung über die Tantiemezahlung herbeizuführen. Seine Auffassung, trotz der Schwere der Pflichtverletzung seien die beantragte Abberufung des Geschäftsführers und die Kündigung des [X.] nicht gerechtfertigt, hat es im Wesentlichen auf die - aus seiner Sicht nicht substantiiert bestrittene - Behauptung der [X.] gestützt, der frühere Mehrheitsgesellschafter [X.] habe dem jetzigen Geschäftsführer noch zu Lebzeiten die Tantieme zugesagt. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der [X.] um ein reines Familienunternehmen handele und weitere Umstände, die eine Untragbarkeit oder Ungeeignetheit des Geschäftsführers begründen könnten, nicht ersichtlich seien.

(2) Lag aber nach gesellschaftsrechtlichen Maßstäben eine erhebliche Pflichtverletzung des Geschäftsführers mit finanziell nachteiligen Wirkungen für die Beklagte vor, kann nicht davon die [X.]ede sein, der Kläger habe den Vorwurf einer strafrechtlich relevanten Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht seines Bruders quasi „aus der Luft gegriffen“ und ohne jeden berechtigten Anlass erhoben. Ein anders Bild ergibt sich - entgegen der Auffassung der [X.] - nicht aus dem im Zivilprozess zwischenzeitlich ergangenen Urteil des [X.] vom 7. Juli 2009, mit dem dieses die Berufung des [X.] gegen das landgerichtliche Urteil zurückgewiesen hat. Auch das [X.] hat ausweislich der Gründe seiner Entscheidung angenommen, der Geschäftsführer der [X.] habe - jedenfalls was eine Tantiemezahlung in Höhe von 50.000,00 Euro anbelange - gegen seine Geschäftsführerpflichten verstoßen. Soweit es gleichwohl davon ausgegangen ist, die Pflichtverletzung erreiche nicht das für eine Abberufung und Kündigung des [X.] erforderliche Gewicht, hat es dies - nach Beweisaufnahme - ua. damit begründet, dass dem Geschäftsführer die Tantieme durch den früheren Mehrheitsgesellschafter [X.] noch zu dessen Lebzeiten zugesagt worden sei. Die Durchführung einer Beweisaufnahme im Berufungsverfahren spricht aber deutlich dafür, dass der Vortrag des [X.] zum Gewicht der festgestellten Pflichtverletzung schlüssig war, mag auch aus Sicht der Zivilgerichte die strafrechtliche Würdigung des Geschehens für die gesellschaftsrechtliche Bewertung der Pflichtverletzung nicht entscheidend gewesen sein. Die Beklagte hat im Hinblick auf ihren [X.] auch nicht etwa behauptet, der Kläger habe die Vereinbarungen zwischen seinen Brüdern positiv gekannt und dahingehenden Vortrag im [X.] wider besseres Wissen bestritten.

cc) Der Kläger musste sich - anders als das [X.] offenbar meint - auch nicht deshalb einer strafrechtlichen Bewertung des Geschehens um die Tantiemezahlung enthalten oder aber von der Durchführung des Berufungsverfahrens im Zivilprozess absehen, weil er zugleich Arbeitnehmer der [X.] war. Es stand ihm frei, im [X.]ahmen einer zulässigen Interessenwahrnehmung den [X.]echtsweg auszuschöpfen. Wollte man dies anders sehen, müsste der Arbeitnehmer von der Erhebung aus seiner Sicht berechtigter gesellschaftsrechtlicher Forderungen absehen, nur um keinen Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu setzen. Ein solcher [X.]echtsverzicht kann ihm schon nach dem [X.]echtsgedanken des Maßregelungsverbots (§ 612a BGB) nicht abverlangt werden (ähnlich [X.] 9. Februar 1995 - 2 [X.] 389/94 - zu II 6 der Gründe, EzA [X.] § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 12). Der Schutz, den die gesetzlichen Kündigungsvorschriften - auch über § 9 [X.] - gewähren, ist auch nicht deshalb ein geringerer, weil der Arbeitnehmer zugleich Gesellschafter des Unternehmens ist.

dd) Die Beklagte hat auch keine konkreten Anhaltspunkte benannt, die den Schluss zuließen, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung zusätzlich nachteilig belastet worden. Der Kläger hat seinen „Vorwurf einer strafbaren Untreuehandlung“ - soweit ersichtlich -, ausschließlich innerhalb der zuständigen Gremien und im anschließenden zivilgerichtlichen Verfahren angebracht und damit in der Tendenz gezeigt, dass er zwischen seiner Stellung als Arbeitnehmer der [X.] und der eines Gesellschafters der [X.] zu trennen weiß. Zudem kommunizierten er und der Geschäftsführer - unstreitig - bereits vor Einleitung des [X.] nur noch schriftlich miteinander. Das mag, auch unter Berücksichtigung der herausgehobenen Stellung des [X.] als kaufmännischer Leiter, einer sachgerechten Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Geschäftsführer nicht zuträglich gewesen sein. Doch muss berücksichtigt werden, dass sich die Parteien grundsätzlich auf diese Situation eingestellt hatten. So hat der Geschäftsführer der [X.] dem Kläger - unstreitig - mit Notiz vom 16. November 2006 mitgeteilt, er „akzeptiere dies“, womit er auf die aus seiner Sicht fehlende Bereitschaft seines Bruders abhob, in geschäftlichen Angelegenheiten ein persönliches Gespräch zu führen. Dass die Kommunikation der Parteien auf dieser „Kompromissebene“ durch das gesellschaftsrechtliche Vorgehen des [X.] zusätzlich erschwert wurde, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden. Dagegen spricht auch die finanzielle Beteiligung des [X.] am Unternehmen der [X.] und das ihm insoweit zu unterstellende Interesse an deren wirtschaftlichem Erfolg.

3. Die Entscheidung des [X.]s stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat sich auf weitere Umstände berufen, die aus ihrer Sicht einer den Betriebszwecken dienlichen Zusammenarbeit der Parteien entgegenstehen. Ob diese ihr - entweder einzeln, oder aber in ihrer Gesamtschau - einen Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gaben, kann der Senat nicht abschließend beurteilen, weil es an Feststellungen des [X.]s zu dem jeweils zugrunde liegenden Sachverhalt fehlt. Dies bedingt die Zurückverweisung der Sache an das [X.].

        

    Kreft    

        

    [X.]achor    

        

    Berger    

        

        

        

    Th. Gans    

        

    Pitsch    

                 

Meta

2 AZR 674/09

24.03.2011

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Detmold, 3. September 2008, Az: 1 Ca 1700/07, Urteil

§ 9 Abs 1 S 2 KSchG, § 14 Abs 2 S 2 KSchG, Art 103 GG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.03.2011, Az. 2 AZR 674/09 (REWIS RS 2011, 8239)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8239

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