Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2010, Az. V ZB 56/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2109

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[X.]BESCHLUSS [X.] 56/10 vom 21. Oktober 2010 in der [X.]- 2 - Der [X.] hat am 21. Oktober 2010 durch [X.] [X.], [X.] Lemke, [X.] und [X.] und die Richterin [X.] beschlossen: Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von [X.] für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] (Oder) vom 25. Februar 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Betroffene [X.] nicht zu erstatten hat. Die Kosten des [X.] trägt der Betroffene. Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000 •. Gründe: [X.] Der Betroffene ist [X.] Staatsangehöriger. Aus [X.] kommend wurde er am 13. Oktober 2009 von Beamten der Beteiligten zu 2 in einem Zug zwischen [X.] und [X.] mit einer für die Fahrt von [X.] nach [X.] ausgestellten Fahrkarte angetroffen. Er konnte sich nur mit einer [X.] Asylbescheinigung ausweisen. Über einen Aufenthaltstitel verfügte er nicht. Bei der Befragung durch die Beamten gab er an, er wolle seine Freundin in [X.] besuchen. 1 - 3 -
2 Noch am 13. Oktober 2009 hat die Beteiligte zu 2 die Anordnung von [X.] gegen den Betroffenen beantragt. Bei seiner persönlichen [X.] hat der Betroffene u.a. angegeben, er habe nicht nach [X.] kommen, sondern sich mit seiner in der [X.] [X.] lebenden [X.] Ehefrau in [X.] treffen wollen. Er habe den Zug in [X.] verlassen wollen, habe den dortigen Halt aber verschlafen, weil er von dem [X.] anders als mit diesem vereinbart [X.] nicht ge-weckt worden sei. Zurück nach [X.] wolle er jedoch nicht. Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen [X.] bis [X.] 17. November 2009 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung [X.]. Hiergegen hat der Betroffene sofortige Beschwerde eingelegt. Am 29. Oktober 2009 ist er nach [X.] zurückgeschoben worden. Seither beantragt er die Feststellung, dass die Inhaftierung rechtswidrig gewesen sei. Das Land-gericht hat die Ehefrau des Betroffenen zur Anhörung geladen. Nachdem diese jedoch mitgeteilt hatte, sie werde keine Angaben machen, hat es die Be-schwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene seinen Feststellungsantrag weiter. 3 I[X.] Das Beschwerdegericht meint, die Haftanordnung sei nicht zu [X.]. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen seien gegeben. Insbesondere lägen die Haftgründe nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 u. 5 [X.] vor. Der Be-troffene sei unerlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig. Darüber [X.] habe der begründete Verdacht bestanden, der Betroffene werde sich der Zurückschiebung entziehen. Die Entziehungsabsicht sei nicht nach § 62 Abs. 2 4 - 4 - Satz 3 [X.] widerlegt. Die Behauptungen des Betroffenen, er habe sich mit seiner Ehefrau in [X.] treffen wollen und er sei nur versehentlich in das [X.] gelangt, seien nicht glaubhaft. Die Haftanordnung sei verhältnismä-ßig. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot liege nicht vor. Selbst wenn das Amtsgericht verfahrensfehlerhaft von einer Anhörung der Ehefrau des Be-troffenen abgesehen haben sollte, stehe dies der Rechtmäßigkeit der Haftan-ordnung nicht entgegen. Durch die Beteiligung der Ehefrau im Beschwerdever-fahren sei ein darin liegender Fehler jedenfalls geheilt worden. II[X.] Die nach Erledigung der Hauptsache mit dem Feststellungsantrag analog § 62 FamFG ohne Zulassung nach § 70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthafte (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - [X.], [X.] 2010, 150, 151; Beschluss vom 29. April 2010 - [X.], [X.] 2010, 359, 360) und gemäß § 71 FamFG form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist unbegründet. 5 1. Der von der nach § 71 Abs. 3 Nr. 1 [X.] i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 3 [X.] zuständigen Behörde (vgl. dazu auch Senat, Beschluss vom 30. März 2010 - [X.], [X.] 2010, 158, 159) gestellte Haftantrag genügt den gesetzlichen Anforderungen des § 417 Abs. 2 FamFG. Für Abschiebungshaft-anträge werden neben den Erfordernissen des § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 FamFG insbesondere Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zur Erfor-derlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zur notwendigen Haftdauer verlangt, § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - [X.], [X.] 2010, 359, 360). Diesen Anforderungen 6 - 5 - genügt der gestellte Antrag. Dass sich die Beteiligte zu 2 dabei von den Rubri-ken des von ihr verwandten Formulars gelöst hat, ist unschädlich. 2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde drückt der Umstand, dass das Amtsgericht die Ehefrau des Betroffenen nicht vor der Entscheidung angehört hat, der Haftanordnung nicht den Stempel der Rechtswidrigkeit mit der Folge auf, dass ein darin liegender Rechtsfehler nicht mehr geheilt werden könnte. Anders als bei der unterbliebenen Anhörung nach § 420 Abs. 1 FamFG (vgl. dazu nur [X.], [X.] 2006, 462, 464), durch die dem Betroffenen das Kernstück der Amtsermittlung im Freiheitsentziehungsverfahren ([X.], NJW 2009, 2659, 2661) vorenthalten und damit eine essentielle Verfahrensga-rantie als solche missachtet wird (Senat, Beschluss vom 8. Juli 2010 - [X.], juris, Rn. 11), stellt die fehlende oder unzureichende Beteiligung der Ehefrau keine vergleichbar gravierende Verfahrenswidrigkeit dar. Sie kann [X.] grundsätzlich [X.] so nicht auch die Ehefrau abgeschoben worden ist oder vergleichbare Hinderungsgründe einer Anhörung entgegenstehen [X.] noch bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens nachgeholt und damit geheilt wer-den (vgl. auch [X.], [X.] 2005, 423, 424 zu § 5 Abs. 3 FEVG). Das ist hier geschehen. Das Beschwerdegericht hat die Ehefrau an dem Verfahren beteiligt und deren Anhörung angeordnet. Dass die Ehefrau von ihrem Recht Gebrauch gemacht hat, keine Angaben zu machen (§ 29 FamFG i.V.m. einer entsprechenden Anwendung von § 383 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), führt lediglich dazu, dass eine weitere Sachverhaltsaufklärung nach § 26 FamFG nicht mehr mög-lich und deshalb auf der Grundlage des sonstigen Tatsachenstoffes zu [X.] gewesen ist. So ist das Beschwerdegericht verfahren. 7 - 6 - 8 3. Auch im Übrigen hält sowohl die Anordnung als auch die Aufrechter-haltung der Haft der auf Rechtsfehler beschränkten Überprüfung durch den [X.] stand. Hervorzuheben ist: a) Zu Recht bejaht hat das Beschwerdegericht jedenfalls den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]. 9 aa) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wäre der Betroffe-ne [X.] selbst wenn er in die [X.] infolge Verschlafens nicht aufgrund eines willensgetragenen Verhaltens gelangt sein sollte [X.] unerlaubt eingereist im Sinne der genannten Bestimmung. Denn in dem hier in Rede stehenden [X.] kommt es für den Begriff der Einreise nicht auf ein wil-lensgetragenes, zweckgerichtetes oder gar schuldhaftes Verhalten des Betrof-fenen an. Ob eine Einreise vorliegt, ist allein nach objektiven Kriterien zu bestimmen (vgl. [X.], [X.] 1996, 367, 368; vgl. auch Nr. 13.1.1 u. 13.7 der [X.] zum [X.], GMBl. 2009, 877, 964). Auch bei einer nicht willensgetragenen oder nur versehentli-chen Verlagerung des Aufenthaltsorts in das [X.] kommt nämlich das gesetzgeberische Anliegen zum Tragen, über die Inhaftierung des Betroffenen dessen alsbaldige Zurückschiebung zu sichern. 10 bb) Das Beschwerdegericht hat zutreffend festgestellt, dass Umstände im Sinne des § 62 Abs. 2 Satz 3 [X.], die eine freiwillige Ausreise des Be-troffenen glaubhaft haben erscheinen lassen, nicht vorgelegen haben. Nach den amtsgerichtlichen vom Beschwerdegericht in Bezug genommenen Feststel-lungen und dem zu berücksichtigenden unzweifelhaften Akteninhalt (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - [X.], [X.] 2010, 359, 360 mwN; Beschluss vom 17. Juni 2010 - [X.], juris Rn. 23) steht fest, dass die Haft 11 - 7 - zur Sicherung der Abschiebung erforderlich war, weil sich der Betroffene nach-haltig geweigert hat, freiwillig aus [X.] auszureisen (vgl. Senat [X.] vom 12. Juni 1986 - [X.], [X.] 1987, 8, 10). Diese tatrichterli-che Würdigung ist einer eingeschränkten Überprüfung durch das [X.] zugänglich (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - [X.], juris Rn. 15). Sie unterliegt einer Rechtskontrolle nur dahin, ob die verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen eine solche Würdigung mög-lich erscheinen lassen (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - [X.], juris Rn. 16). So verhält es sich hier. b) Mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG liegt eine Rechtsverletzung schon [X.] nicht vor, weil die genannte Verfassungsbestimmung ausländerrechtliche Schutzwirkungen nicht allein aufgrund formal-rechtlicher Bindungen entfaltet (vgl. [X.], DVBl. 2006, 247; [X.] 2002, 171, 173). Ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr das Vorliegen eine Beistandsgemeinschaft, bei der der [X.] Ehegatte auf die Lebenshilfe des anderen Ehe-gatten angewiesen ist (vgl. [X.], [X.] 1996, 341, 342; Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - [X.], [X.] 2010, 84 Rn. 27). Hieran fehlt es. Bei der geltend gemachten Ehe des Betroffenen handelt es sich um eine bloße Be-gegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen (vgl. [X.], DVBl. 2006, 247; [X.] 2002, 171, 173). Erstmals mit seinem nach seiner Abschiebung eingegangenen Schriftsatz vom 20. November 2009 hat der Betroffene erklärt, mit seiner Ehefrau zusammenleben zu wollen. Dass [X.] Lebensgemeinschaft mit einer tatsächlichen wechselseitigen Verbundenheit nur in [X.] verwirklicht werden könnte, ist nicht ersichtlich. Ohnehin hat der Betroffene im Rahmen der Anhörung vor dem Amtsgericht erklärt, seine Ehefrau habe in [X.] eine Wohnung anmieten wollen. 12 - 8 - 13 c) Schließlich ist die Beschwerdeentscheidung auch nicht unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit zu beanstanden. Insbesondere hat das Be-schwerdegericht auch das Beschleunigungsgebot beachtet. Dieses [X.], dass die Abschiebungshaft als Freiheitsentziehung i.[X.]. Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 GG und Art. 5 Abs. 1 [X.] auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt wird und die Ausländerbehörde die Abschiebung ohne unnöti-ge Verzögerung betreibt (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Juli 1996 - [X.], [X.], 2796, 2797; Beschluss vom 18. August 2010 - [X.] 119/10, juris Rn. 18). Dies schließt jedoch einen organisatorischen Spielraum der Behörde bei der Umsetzung der Abschiebung nicht aus ([X.], Beschluss vom 8. Oktober 2009 - 34 [X.], 34 u. [X.], juris Rn. 24; [X.], [X.] 2006, 415; [X.], [X.] 2003, 444; HK-AuslR/ [X.], § 62 [X.], Rn. 21). Eine sachfremde Verzögerung des Verfahrens liegt nicht vor. Die Beteiligte zu 2 hat am 14. Oktober 2009 das [X.] ([X.]) um die Stellung eines Aufnahmegesuchs nach [X.] ersucht. Die Überstellung im [X.] [X.] wurde der [X.] zu 2 durch das [X.] am 21.Oktober 2009 mitgeteilt. Die Beteiligte zu 2 hat sodann die Landüberstellung für den 29. Oktober 2009 festgelegt. Das [X.] wurde der Beteiligten zu 2 mit Schreiben des [X.] vom 22. Oktober 2009 übersandt. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. [X.] hat der Betroffene nicht zu erstatten (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - [X.] 222/09, Rn. 21, [X.] 2010, 154, 156, zur Veröffentlichung in [X.], 323 vorgesehen). 14 - 9 - IV. 15 Der Antrag auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist unbegrün-det, weil die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg hat. [X.] Schmidt-Räntsch

Roth Brückner

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 60 XIV 26/09 B - [X.] (Oder), Entscheidung vom [X.] - 15 T 148/09 -

Meta

V ZB 56/10

21.10.2010

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2010, Az. V ZB 56/10 (REWIS RS 2010, 2109)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2109

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