Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2011, Az. V ZB 49/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 9554

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[X.]BESCHLUSS [X.] vom 10. Februar 2011 in der [X.] Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 72 Abs. 4 Satz 1 Abschiebungshaft darf ohne das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] erforderliche Ein-vernehmen der zuständigen Staatsanwaltschaft nicht angeordnet werden (Festhalten an dem Senatsbeschluss vom 17. Juni 2010 - [X.], NVwZ 2010, 1574 f.). [X.], Beschluss vom 10. Februar 2011 - [X.] - [X.] ([X.]) - 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 10. Februar 2011 durch den Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. [X.], die [X.] [X.] und [X.] und die [X.]innen Dr. Brückner und [X.] beschlossen: Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Ver-fahrenskostenhilfe bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt Rinkler beige-ordnet. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts [X.] ([X.]) vom 17. Dezember 2009 und der Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 4. Februar 2010 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der [X.] trägt die notwendigen Auslagen des Betroffenen aller Instanzen. Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000 •. - 3 - Gründe:[X.] Der Betroffene, ein kosovarischer Staatsangehöriger, war bereits mehr-fach unerlaubt in die [X.] eingereist. Nachdem er sich am 16. Dezember 2009 anlässlich einer auf der [X.] im Bezirk des Beteiligten zu 2 durchgeführten Personenkontrolle mit gefälschten italieni-schen Papieren ausgewiesen hatte, wurde er festgenommen. Am [X.] 2010 hat der Beteiligte zu 2 die Haft zur Sicherung der Abschiebung [X.]. In dem Antrag heißt es u.a. —Eine weitere Ausschreibung zur Aufenthalts-ermittlung besteht durch die Staatsanwaltschaft in [X.] Dem Antrag [X.] ist ein Schreiben, in dem der Verteidiger des Betroffenen unter Hinweis auf ein gegen den Betroffenen —wegen §§ 267, 265a StGBfi geführtes Ermittlungs-verfahren um Akteneinsicht bittet. 1 Mit Beschluss vom 17. Dezember 2009 hat das Amtsgericht dem Haftan-trag entsprochen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der Betroffene die Feststellung erreichen, dass die Beschlüsse der Vorinstanzen und seine Inhaftierung bis zum 11. Februar 2010 rechtswidrig waren. 2 I[X.] Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung hätten vorgelegen. 3 II[X.] Die auch nach Erledigung der Hauptsache statthafte (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - [X.], [X.] 2010, 150, 151) und auch im [X.] - 4 - rigen zulässige (§ 71 Abs. 1 und 2 FamFG) Rechtsbeschwerde ist begründet. Sowohl die Haftanordnung als auch die Beschwerdeentscheidung verletzen den Betroffenen in seinem Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. 1. Die Haft hätte schon deshalb nicht angeordnet werden dürfen, weil der Haftantrag unzulässig war. 5 a) Ob ein zulässiger Haftantrag vorliegt, ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - [X.], [X.] 2010, 210, 211; Beschluss vom 9. Dezember 2010 - [X.] 136/10, zur [X.] bestimmt; jeweils mwN). Zu den unerlässlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen gehört es nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG, dass die Antragsbegründung insbesondere Angaben zu den Voraus-setzungen und zur Durchführbarkeit der Abschiebung enthält (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - [X.] 226/10, Rn. 8 f.). Diesen Anforderungen wird der gestellte Antrag nicht gerecht. Nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] darf ein [X.], gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermitt-lungsverfahren eingeleitet ist, nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden. Fehlen in dem Haftantrag Ausführungen zu dem Einvernehmen, obwohl sich aus ihm selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass die öffentliche Klage erhoben worden ist oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt wird, ist der Antrag unzulässig (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - [X.] 226/10, aaO). So verhält es sich hier. 6 b) Der Senat hält daran fest, dass Abschiebungshaft ohne das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] erforderliche Einvernehmen nicht angeordnet werden darf (dazu Beschluss vom 17. Juni 2010 - [X.], NVwZ 2010, 1574 f.; [X.] vom 18. August 2010, [X.] 211/10, [X.] 2010, 440; Beschluss 7 - 5 - vom 20. Januar 2011 - [X.] 226/10, Rn. 22; krit. [X.], Beschluss vom 20. August 2010 - 329 [X.]). Die [X.], wonach die Haft zur Sicherung der Abschiebung schon dann angeordnet werden darf, wenn die Prognose gerechtfertigt ist, das Einvernehmen werde innerhalb der [X.] nach § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] erteilt (so etwa [X.], [X.], 377; [X.], [X.] 2001, 130; O[X.], [X.] 2006, 27, 28; [X.], [X.], 63, 64; [X.], [X.], Stand 61. Aktual. Dezember 2008, § 62 [X.] Rn. 110; aA wohl [X.]/[X.] [2008], § 72 [X.] Rn. 34), wird dem hohen Rang des [X.] aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG nicht gerecht. Die Inhaftierung eines Ausländers zum Zwecke seiner Abschiebung ent-spricht nur dann dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn der [X.] keine tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Das ist indessen nicht der Fall, wenn die Abschiebung nicht durchgeführt werden darf, weil die Staatsanwaltschaft ihr nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] notwendiges Einvernehmen nicht erteilt hat (Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - [X.] 224/10, zur [X.] bestimmt). Unwägbarkeiten im Hinblick auf Um-stände, die zur Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme ausge-räumt werden müssen, können nur dann hingenommen werden, wenn sie von [X.] Behörden nicht beherrscht werden (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juni 2010 - [X.], NVwZ 2010, 1574, 1575). So verhält es sich bei der Einholung des Einvernehmens nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] jedoch nicht. Ob die Staatsanwaltschaft ihr Einvernehmen erklärt, kann unschwer und in aller Regel auch umgehend - ggf. unter Einschaltung des staatsanwaltlichen Bereit-schaftsdienstes - abgeklärt werden. Sollte dies ausnahmsweise nicht möglich sein, kommt unter strikter Beachtung des Beschleunigungsgebotes die Anord-nung einer [X.] kurzzeitigen [X.] vorläufigen Ingewahrsamnahme nach § 427 FamFG in Betracht (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - [X.] 204/09, 8 - 6 - NVwZ 2010, 1172, 1174). Im Übrigen kann das [X.] auch dadurch praktikabel ausgestaltet werden, dass die Staatsanwaltschaft für [X.] Fallgruppen vorab ein generelles Einvernehmen erklärt (vgl. nur GK-[X.]/[X.], aaO, § 72 Rn. 33) und dies von der antragstellenden Be-hörde in dem Haftantrag dargelegt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Januar 2011 - [X.] 226/10, Rn. 9). c) Der hier zugrunde gelegten Rechtsauffassung steht schließlich nicht entgegen, dass das [X.] die früher das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft regelnde Vorschrift des § 64 Abs. 3 [X.] aF als eine nicht dem Schutz des Ausländers dienende Bestimmung angesehen hat (so die nicht tragende Erwägung BVerwGE 106, 351, 356). Ob diesem Verständnis der Norm zu folgen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn Gegenstand der Feststellung des [X.] nach § 62 Abs. 1 FamFG ist nicht die [X.] einer Prüfung durch die Zivilgerichte ohnehin entzogene [X.] Verletzung von Rechten des Ausländers durch die von der Ausländerbehörde verfügte Ab-schiebung (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2009 - [X.] 148/09, [X.] 2010, 50 mwN), sondern allein die Rechtmäßigkeit des Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht des Ausländers nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG durch die von dem [X.] angeordnete Inhaftierung (Senat, Beschluss vom 3. Februar 2011 - [X.] 224/10, zur [X.] bestimmt). Wie bereits oben dargelegt, ist diese jedoch nur dann verhältnismäßig, wenn das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft vorliegt. [X.] [X.] beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 [X.] entspricht es billigem Ermessen, den Beteiligten zu 2 zur Erstat-10 - 7 [X.] der notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Betroffenen zu [X.] (Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - [X.] 223/09, [X.] 2010, 212 f., Rn. 19). [X.] [X.]Roth

Brückner [X.]
Vorinstanzen: AG [X.] ([X.]), Entscheidung vom 17.12.2009 - 14 [X.] 1994 - [X.], Entscheidung vom [X.] - 2 T 13/10 -

Meta

V ZB 49/10

10.02.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2011, Az. V ZB 49/10 (REWIS RS 2011, 9554)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9554

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