Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.09.2014, Az. 8 AZR 759/13

8. Senat | REWIS RS 2014, 2784

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Gegenstand

Bewerbung - Schwerbehinderteneigenschaft - Form der Mitteilung - Kenntnis des Arbeitgebers


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. Oktober 2012 - 9 [X.]/12 - teilweise aufgehoben. Das Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2011 - 14 Ca 4955/11 - wird teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch, den der Kläger aufgrund einer Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft bei einem Bewerbungsverfahren geltend macht.

2

Der am 2. Januar 1959 geborene Kläger ist schwerbehinderter Mensch mit einem GdB 50. Nach vorausgegangener Banklehre hat er von 1982 bis 1989 ein Studium der Betriebswirtschaftslehre absolviert und als Diplom-Kaufmann abgeschlossen. Er hat diverse Fortbildungsmaßnahmen im Bereich Controlling und Rechnungswesen absolviert.

3

Mit E-Mail-Schreiben vom 16. Juni 2010 bewarb der Kläger sich auf die Stelle eines/einer „[X.]/in eines Programms zur Förderung von Frauen in der Qualifikationsphase“ im [X.] für Akademische Karriere, Diversität und Internationales. Der Bewerbung war ein 34-seitiges Anlagenkonvolut beigefügt, mit dem „auf Seite 29 der Schwerbehindertenausweis überreicht“ wurde. Die verantwortliche Mitarbeiterin entdeckte diesen Hinweis auf die Schwerbehinderung, unterrichtete die Schwerbehindertenvertretung und der Kläger wurde schließlich von der für das damalige Einstellungsverfahren zuständigen Stelle, der Prorektorin für Akademische Karriere, Diversität und Internationales zu einem Vorstellungsgespräch am 28. Juni 2010 eingeladen. Der Kläger erhielt unter dem 17. August 2010 eine Absage auf diese Bewerbung.

4

Mit Bewerbungsschluss am 26. Juli 2010 schrieb die Beklagte eine auf drei Jahre befristete Vollzeitstelle eines/r wissenschaftlichen Mitarbeiters/in am Staatswissenschaftlichen Seminar der [X.], Stiftungsprofessur für Energiewirtschaft - Prof. Dr. B - aus, wobei Bewerbungen an diese Stiftungsprofessur des Staatswissenschaftlichen Seminars zu richten waren. Die Beklagte hatte diese Stelle am 12. Juli 2010 der [X.] gemeldet. Unter dem 25. Juli 2010 bewarb sich der Kläger auch für diese Stelle. Weder das Bewerbungsanschreiben noch der Lebenslauf enthielten einen Hinweis auf die Schwerbehinderteneigenschaft des [X.]. Der Bewerbung waren 29 Seiten Anlagen, im Wesentlichen chronologisch von 2009 bis 1978 geordnet, ohne Inhaltsverzeichnis beigefügt. Als Blatt 24 dieser Anlagen - eingefügt zwischen zwei Fotokopien von Dokumenten aus dem [X.] - befand sich eine Kopie der Vorderseite des Schwerbehindertenausweises des [X.].

5

Die Beklagte bestätigte unter dem 26. Juli 2010 den Eingang der Bewerbung des [X.]. Sodann führte sie am 29. und 30. Juli 2010 Vorstellungsgespräche mit anderen Bewerbern durch, zu denen der Kläger nicht eingeladen wurde. Das Auswahlverfahren zu der ausgeschriebenen Stelle wurde nach Angaben der Beklagten in der ersten Augusthälfte beendet und die nicht berücksichtigten Bewerber erhielten Absagen. Der Kläger erhielt keine Absage.

6

Unter dem 1. Oktober 2010 bewarb sich der Kläger für eine dritte Stelle. Auch diese Bewerbung blieb erfolglos.

7

Wegen der Stelle am Staatswissenschaftlichen Seminar fragte der Kläger mit E-Mail vom 14. Dezember 2010 nach. Schließlich wurde ihm auf telefonische weitere Nachfrage am 24. Januar 2011 mitgeteilt, dass er bei der schon im August 2010 getroffenen Entscheidung keine Berücksichtigung gefunden habe.

8

Der Kläger machte mit Telefax vom 24. März 2011 einen Entschädigungsanspruch geltend und erhob mit Eingang bei Gericht am 24. Juni 2011 Entschädigungsklage.

9

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung nach § 82 Satz 2 SGB IX, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht nachgekommen. Von seiner Schwerbehinderung habe er die Beklagte bei dieser Bewerbung ordnungsgemäß unterrichtet, da die Beklagte von seiner Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch Kenntnis hätte erlangen können, wenn sie seine Bewerbungsunterlagen vollständig zur Kenntnis genommen hätte. Eines Hinweises an exponierter Stelle bedürfe es nicht. Dies zeige die Beklagte selbst, da sie auf einen ähnlichen Hinweis bei seiner ersten Bewerbung mit der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch reagiert habe. Seine Bewerbung sei ernsthaft.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht unter 10.757,16 Euro liegen sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. April 2011 zu zahlen.

Ihren Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte damit begründet, dass sich der Kläger nicht ernsthaft auf die Stellen beworben habe. Der Hinweis auf seine Schwerbehinderung sei jeweils an versteckter Stelle erfolgt, nach den Absagen seien dann Entschädigungsklagen erhoben worden. Der Kläger sei gehalten gewesen, auf seine Schwerbehinderteneigenschaft im Bewerbungsanschreiben, jedenfalls aber an exponierter Stelle hinzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage iHv. 1.000,00 Euro stattgegeben. Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten hat das [X.] auf die Anschlussberufung des [X.] die Entschädigungssumme um weitere 4.378,58 Euro erhöht. Mit der auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten durch Beschluss vom 22. August 2013 - 8 [X.]/13 - vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel einer Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Die Klage ist unbegründet. Die [X.] hat bei der Besetzung der Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters am Staatswissenschaftlichen Seminar nicht gegen das Verbot verstoßen, einen schwerbehinderten Bewerber wegen seiner Behinderung zu benachteiligen (§ 81 Abs. 2 Satz 1 [X.], §§ 7, 1 [X.]). Dem Kläger steht daher kein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 [X.] iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu.

A. Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignete Kläger sei durch die Aussonderung vor der eigentlichen Auswahlentscheidung benachteiligt worden. Dies sei wegen seiner Behinderung geschehen. Denn die [X.] habe ihn als schwerbehinderten Bewerber entgegen ihrer Verpflichtung als öffentliche Arbeitgeberin nach § 82 Satz 2 [X.] nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, was die Vermutung auslöse, die Benachteiligung stehe im ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung. Dem könne die [X.] nicht entgegenhalten, die Schwerbehinderteneigenschaft des [X.] nicht gekannt zu haben. Aufgrund der Bewerbungsunterlagen hätte sie sich Kenntnis von der Schwerbehinderung verschaffen können. Die Vorlage des gerade zum Nachweis im Rechtsverkehr ausgestellten Schwerbehindertenausweises genüge. Dies bestätige das eigene Verhalten der [X.]n im Zusammenhang mit der ersten Bewerbung, bei der eine Einladung zum Vorstellungsgespräch erfolgt sei. Aus der damals erfolgten Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gehe hervor, dass im ersten Bewerbungsverfahren die [X.] in der Lage gewesen sei, den Hinweis des [X.] aufzunehmen. Als Entschädigung sei die Hälfte des vom Kläger begehrten Entschädigungsbetrages, also 12 Bruttomonatsgehälter, angemessen.

B. Die Entscheidung des [X.]s hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

I. Der persönliche Anwendungsbereich des [X.] ist eröffnet. Als Bewerber ist der Kläger „Beschäftigter“ nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 [X.]. Da die [X.] um Bewerbungen für das von ihr angestrebte Beschäftigungsverhältnis nachgesucht hat, ist sie Arbeitgeberin iSd. § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] ([X.] 23. Januar 2014 - 8 [X.] - Rn. 17; 21. Juni 2012 - 8 [X.] - Rn. 18, [X.]E 142, 143; 19. August 2010 - 8 [X.]/09 - Rn. 23).

II. Seinen auf die Benachteiligung wegen Schwerbehinderung gestützten Entschädigungsanspruch hat der Kläger innerhalb der Fristen der § 15 Abs. 4 [X.], § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht.

1. Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 [X.] muss ein Anspruch nach Abs. 1 oder Abs. 2 des § 15 [X.] innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist grundsätzlich mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 [X.]) zu laufen, nicht jedoch vor dem Zeitpunkt, in dem der Bewerber von seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt (vgl. [X.] 15. März 2012 - 8 [X.] - Rn. 55, [X.]E 141, 48 = [X.] [X.] § 15 Nr. 11). Dabei genügt eine telefonische Benachrichtigung, soweit sie hinreichend klar und individualisiert ist (vgl. v. Roetteken [X.] Stand Juli 2014 § 15 Rn. 89 f.).

Nach den Feststellungen des [X.]s hat der Kläger in dem Telefonat vom 24. Januar 2011 erfahren, dass seine Bewerbung schon im August 2010 abgelehnt wurde. Mit der Revision hat die [X.] diese Feststellung nicht, auch nicht mit einer zulässigen Verfahrensrüge angegriffen. Der Eingang des [X.] des [X.] am 24. März 2011 bei der [X.]n ist unstreitig.

Soweit die [X.] „mit Nichtwissen bestritten“ hat, dass dem Kläger ihr Absageschreiben nicht schon im August 2010 zugegangen sei, hat sie daran im [X.] nicht festgehalten. Im Übrigen war ein solches Bestreiten mit Nichtwissen unzulässig, weil die Darlegungs- und Beweislast für einen früheren Zugang der Absage bei der [X.]n selbst liegt. Dass die [X.] nicht für einen Zustellungsnachweis der Absage gesorgt hat, bedeutet nicht, dass sie über den früheren Zugang einer Absage nicht auch hätte Kenntnis haben können.

2. Die am 24. Juni 2011 bei dem [X.] eingegangene Klage wahrte die [X.] nach § 61b Abs. 1 ArbGG. Die Zustellung an die [X.] erfolgte am 4. Juli 2011, also „demnächst“ iSv. § 167 ZPO.

III. Die [X.] hat den Kläger unmittelbar benachteiligt. Eine solche Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] vor, wenn eine Person eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Der Kläger erfuhr eine weniger günstige Behandlung als der tatsächlich eingestellte, erfolgreiche Bewerber. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung oder Beförderung, liegt bereits dann vor, wenn der Bewerber oder Beschäftigte - wie hier der Kläger - nicht in die (End-)Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgenommen und vorzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wird. Hier liegt die Benachteiligung in der Versagung einer [X.]hance ([X.] 23. August 2012 - 8 [X.] - Rn. 22; 16. Februar 2012 - 8 [X.] -; 13. Oktober 2011 - 8 [X.] - Rn. 24; 17. August 2010 - 9 [X.] - Rn. 29).

IV. Der Kläger befand sich mit dem letztlich ausgewählten Bewerber in einer vergleichbaren Situation (§ 3 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Es ist nicht ersichtlich, dass die [X.] in Abrede gestellt hätte, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war. Die entsprechende Würdigung im Berufungsurteil (dort unter [X.]) hat die Revision nicht angegriffen.

V. Die [X.] behandelte den Kläger aber nicht „wegen“ seiner Behinderung weniger günstig. Es fehlt an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der ihn benachteiligenden Handlung - Ablehnung - und dem Merkmal der Behinderung.

1. Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 [X.] ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 [X.] (zur Bezugnahme auf die Voraussetzungen in § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] - ohne die des Verschuldens nach § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] -: vgl. [X.] 26. Juni 2014 - 8 [X.] - Rn. 24; 16. Februar 2012 - 8 [X.] - Rn. 30; 17. August 2010 - 9 [X.] - Rn. 25; BVerwG 3. März 2011 - 5 [X.] 16.10 - Rn. 14, BVerwGE 139, 135). Nach näherer Maßgabe des [X.] sind Benachteiligungen aus einem in § 1 [X.] genannten Grund, hier also wegen einer Behinderung, in Bezug auf die Bedingungen für den Zugang zu unselbstständiger Erwerbstätigkeit, einschließlich der Auswahlkriterien und der Einstellungsbedingungen, unabhängig vom Tätigkeitsfeld und von der beruflichen Position unzulässig (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Eine verbotene (§ 7 [X.]) unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 [X.] genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

2. Der Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Behandlung und dem Merkmal der Behinderung ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Behinderung anknüpft oder durch diese motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund - die Behinderung - das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das „verpönte Merkmal“ Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (st. Rspr., [X.] 21. Juni 2012 - 8 [X.] - Rn. 32, [X.]E 142, 158; 16. Februar 2012 - 8 [X.] - Rn. 42, [X.] [X.] § 22 Nr. 4). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es - wie erwähnt - nicht an ([X.] 16. Februar 2012 - 8 [X.] - aaO). Die Behinderung muss mithin nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; eine bloße Mitursächlichkeit genügt.

3. Hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen Nachteil und verpöntem Merkmal ist in § 22 [X.] eine Beweislastregelung getroffen, die sich zugleich auf die Darlegungslast auswirkt. Ein erfolgloser Bewerber genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines unzulässigen Merkmals vermuten lassen. Dies ist dann der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen - aus objektiver Sicht und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit - darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung zumindest auch wegen jenes Merkmals erfolgt ist. Denn durch die Verwendung der Begriffe „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen einem der in § 1 [X.] genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber gleichwohl die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist ([X.] 23. August 2012 - 8 [X.] - Rn. 32, [X.] [X.] § 3 Nr. 9; 27. Januar 2011 - 8 [X.] - Rn. 29, [X.] [X.] § 22 Nr. 3).

Besteht eine derartige Vermutung für die Benachteiligung wegen eines in § 1 [X.] genannten Grundes, trägt nach § 22 [X.] die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

4. Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen ([X.] eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen einem verpönten Merkmal und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt ([X.] 21. Juni 2012 - 8 [X.] - Rn. 34, [X.]E 142, 158; 13. Oktober 2011 - 8 [X.] - Rn. 36).

5. § 7 Abs. 1 iVm. § 1 [X.] verbietet eine Benachteiligung wegen einer Behinderung. Damit sind jedenfalls alle iSv. § 2 Abs. 1 [X.] behinderten Menschen vor einer Ungleichbehandlung aufgrund dieses Merkmals geschützt. Seit dem Inkrafttreten des [X.] können sich behinderte Menschen, die nicht iSv. § 2 Abs. 2 [X.] als schwerbehinderte Menschen anerkannt sind oder die nicht iSv. § 2 Abs. 3 [X.] diesen gleichgestellt wurden, nicht auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften, etwa der §§ 81, 82 [X.] als Vermutungstatsachen iSd. § 22 [X.] berufen, weil diese nur für schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte behinderte Menschen gelten (§ 68 Abs. 1 [X.]; vgl. [X.] 27. Januar 2011 - 8 [X.] - Rn. 32; [X.] 35/2011 [X.]. 2).

a) Rechtsfehlerfrei ist das [X.] davon ausgegangen, dass für die Mitteilung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch eines Bewerbers an sich die „Vorlage“ des Schwerbehindertenausweises ausreichend ist.

Zwar hat der Kläger nicht „seinen Schwerbehindertenausweis vorgelegt“, sondern unter seine Bewerbungsunterlagen nur die Kopie der Vorderseite seines Schwerbehindertenausweises gemischt, aus der sein GdB nicht hervorgeht. Nach der Ausweisverordnung Schwerbehindertengesetz (SchwbAwV vom 25. Juli 1991, [X.] 1739, 1743), die für die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises, wie ihn der Kläger hat, noch maßgeblich ist, ist gemäß dem Muster 1 zu § 1 SchwbAwV der GdB auf der Rückseite des Ausweises anzugeben. Nach § 69 Abs. 5 Satz 1 [X.] wird aber ein Schwerbehindertenausweis nur ausgestellt, wenn die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch festgestellt oder aber, bei einem geringeren Grad der Behinderung, eine Gleichstellung erfolgt ist, § 68 Abs. 1 [X.] iVm. § 2 Abs. 2 und Abs. 3 [X.]. Mit anderen Worten: Zeigt der Bewerber an, dass er im Besitz eines Schwerbehindertenausweises ist, indem er seine Inhaberschaft nachweist, so genügt die Kopie der [X.], um die Anwendungspflicht der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen auszulösen (Teil 2 des [X.], §§ 68 ff. [X.]). Erfolgt allerdings der Nachweis des Besitzes eines Schwerbehindertenausweises nicht, wozu keine Pflicht besteht ([X.] 13. Oktober 2011 - 8 [X.] - Rn. 40), so muss die Schwerbehinderung mit dem Grad der Behinderung und, bei einem geringeren Grad als 50, auch die erfolgte Gleichstellung mitgeteilt werden ([X.] 26. September 2013 - 8 [X.]/12 - Rn. 30), um den Schutz der §§ 68 ff. [X.] zu erlangen.

b) Jedoch stellte die Übermittlung einer Kopie des Schwerbehindertenausweises als Blatt 24 der Anlage zur Bewerbung keine ordnungsgemäße Mitteilung der Schwerbehinderteneigenschaft des [X.] dar.

Will ein Bewerber seine Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch bei der Behandlung seiner Bewerbung berücksichtigt wissen, so hat er den Arbeitgeber über seine Schwerbehinderteneigenschaft regelmäßig im Bewerbungsschreiben selbst unter Angabe des GdB, ggf. einer Gleichstellung zu informieren. Jedenfalls ist der Arbeitgeber gehalten, bei jeder Bewerbung das eigentliche Bewerbungsschreiben zur Kenntnis zu nehmen (vgl. [X.] 16. September 2008 - 9 [X.] 791/07 - Rn. 39, [X.]E 127, 367). Auch auf eine Behinderung iSd. § 2 Abs. 1 [X.], die berücksichtigt werden soll, aber keine Schwerbehinderung iSd. § 2 Abs. 2 [X.] darstellt und für die auch keine Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 [X.] erfolgt ist, ist im Bewerbungsschreiben mit weiteren Angaben zur Art der Behinderung hinzuweisen.

Möglich ist auch eine Information im Lebenslauf. Dies hat jedoch an hervorgehobener Stelle und deutlich, etwa durch eine besondere Überschrift, zu geschehen.

Im Falle einer Behinderung oder Schwerbehinderung wird ein Bewerbermerkmal mitgeteilt, über das nicht jede Bewerberin/jeder Bewerber verfügt. Durch den Hinweis sollen besondere Förderpflichten des Arbeitgebers ausgelöst werden. Wegen der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen und Rechte des Vertragspartners (§ 241 Abs. 2 BGB iVm. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) ist auch bei einer Bewerbung der Arbeitgeber über die besondere Situation des Bewerbers klar und eindeutig zu informieren. Daher sind „eingestreute“ oder unauffällige Informationen, indirekte Hinweise in beigefügten amtlichen Dokumenten, eine in den weiteren Bewerbungsunterlagen befindliche Kopie des Schwerbehindertenausweises etc. keine ordnungsgemäße Information des angestrebten Vertragspartners ([X.] 26. September 2013 - 8 [X.]/12 - Rn. 30).

Diesen Anforderungen entsprach die Mitteilung des [X.] über seine Schwerbehinderteneigenschaft bei seiner Bewerbung vom 25. Juli 2010 nicht. Er hat weder im Bewerbungsschreiben noch im Lebenslauf an hervorgehobener Stelle auf seine Schwerbehinderteneigenschaft hingewiesen. Die von ihm in die weiteren Bewerbungsunterlagen eingefügte Kopie seines Schwerbehindertenausweises stellte gerade keine ordnungsgemäße Information der [X.]n als des angestrebten Vertragspartners dar.

6. Der [X.]n war die Schwerbehinderteneigenschaft des [X.] auch nicht nachweislich schon bekannt.

a) Bei einer Außenbewerbung wird der Beschäftigtenstatus iSd. § 6 Abs. 1 Satz 2 [X.] nur durch die jeweilige Bewerbung im Einzelfall erworben. Daher ist die Eigenschaft als behinderter oder schwerbehinderter Mensch bei jeder Bewerbung aufs Neue klar und eindeutig mitzuteilen. Zudem liegt es in der Entscheidung des Bewerbers, ob er seine Behinderung oder Schwerbehinderung vom Arbeitgeber bei der Behandlung der konkreten Bewerbung berücksichtigt haben will oder nicht. Eine Pflicht zur Offenbarung der Schwerbehinderung schon bei einer Bewerbung besteht grundsätzlich nicht, ebenso wenig wie ein grundsätzliches Fragerecht des Arbeitgebers (vgl. [X.] 26. Juni 2014 - 8 [X.] - Rn. 53; 16. Februar 2012 - 6 [X.] 553/10 - [X.]E 141, 1). Zudem ist der Arbeitgeber nicht nur nicht verpflichtet, sondern es ist ihm regelmäßig datenschutzrechtlich untersagt, personenbezogene Daten erfolgloser Bewerber, erst recht sensible Daten wie die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nach Abschluss einer Bewerbung zu speichern oder sie während der Bewerbung oder nach deren Abschluss weiterzuverwenden oder zu verbreiten, auch nicht innerhalb des eigenen Unternehmens an andere personalentscheidungsberechtigte Stellen. Kenntnisse zur Person, die nur aufgrund einer Bewerbung beim Arbeitgeber entstehen, darf dieser grundsätzlich nicht außerhalb der Bearbeitung dieser Bewerbung verwenden.

Darüber hinaus kann ein Arbeitgeber nicht wissen, ob eine anlässlich einer früheren Bewerbung mitgeteilte Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch noch vorliegt. Dies gilt auch im Fall einer nicht befristeten Feststellung der Schwerbehinderung oder der Ausstellung eines unbefristet gültigen Schwerbehindertenausweises. Denn die Anwendung der besonderen Regelungen des [X.] zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen wird beendet, wenn die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 [X.] wegfallen, also wenn der Grad der Behinderung sich auf weniger als 50 verringert oder wenn die Gleichstellung widerrufen oder zurückgenommen wird, § 116 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 [X.]. Das Gebot der Rechtsklarheit und -sicherheit verbietet zudem eine Differenzierung nach dem Zeitablauf zwischen mehreren Bewerbungen oder nach der Größe des Arbeitgebers. Auch auf eine etwaige Kenntnis der Schwerbehindertenvertretung des Arbeitgebers von der Schwerbehinderteneigenschaft eines Bewerbers kann es nicht ankommen. Kenntnisse der Schwerbehindertenvertretung sind keine des oder der Arbeitgebers/in, weil die Vertrauensperson der Schwerbehinderten gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche Rechtsstellung wie ein Mitglied der betrieblichen Interessenvertretung besitzt, § 96 Abs. 3 Satz 1 [X.] ([X.] 21. Februar 2013 - 8 [X.] 180/12 - Rn. 50, [X.]E 144, 275).

Anderes kann nur dann gelten, wenn dem Arbeitgeber außerhalb des [X.] die Schwerbehinderteneigenschaft positiv bekannt ist, was regelmäßig bei der Innenbewerbung eines schwerbehinderten Mitarbeiters der Fall sein wird. Ebenso kann, etwa bei einem Vorstellungsgespräch, eine Behinderung iSd. § 2 Abs. 1 [X.] offenkundig werden, zB bei einem auf den Rollstuhl angewiesenen Bewerber. Um die besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen nach Teil 2 des [X.] zur Anwendung kommen zu lassen, ist jedoch die Feststellung nach § 69 iVm. § 68 Abs. 1 [X.] nachzuweisen.

b) Danach kann sich der Kläger, der eine Entschädigung wegen Benachteiligung bei seiner Bewerbung vom 25. Juli 2010 geltend macht, nicht darauf berufen, die [X.] habe um seine Schwerbehinderteneigenschaft aufgrund seiner vorausgegangenen Bewerbung vom 16. Juni 2010 gewusst, in deren Bearbeitung damals eine Schwerbehindertenvertretung bei der [X.]n eingeschaltet worden war. Es lag in der Entscheidungsmacht des [X.], ob er bei seiner jeweiligen Bewerbung die festgestellte Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch berücksichtigt wissen wollte. Ebenso lag es in seiner Entscheidung, ggf. darüber klar und eindeutig Mitteilung zu machen. Dies hat der Kläger bei dieser Bewerbung versäumt. Wenn eine Bereichsverwaltung der [X.]n gleichwohl aufgrund besonderer Aufmerksamkeit bei der ersten Bewerbung eine Schwerbehindertenvertretung eingeschaltet hatte, kann der Kläger hieraus keine rechtlichen Folgen für die Behandlung seiner zweiten Bewerbung ableiten.

[X.]. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    Burr    

        

    Bloesinger    

                 

Meta

8 AZR 759/13

18.09.2014

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Köln, 20. Dezember 2011, Az: 14 Ca 4955/11, Urteil

§ 1 AGG, § 3 Abs 1 S 1 AGG, § 6 Abs 1 S 2 AGG, § 6 Abs 2 S 1 AGG, § 7 Abs 1 AGG, § 15 Abs 2 AGG, § 15 Abs 4 AGG, § 22 AGG, § 2 Abs 1 SGB 9, § 2 Abs 2 SGB 9, § 2 Abs 3 SGB 9, § 68 Abs 1 SGB 9, § 69 Abs 5 SGB 9, § 81 Abs 2 SGB 9, § 82 S 2 SGB 9

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.09.2014, Az. 8 AZR 759/13 (REWIS RS 2014, 2784)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2784

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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