5. Senat | REWIS RS 2012, 3729
ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) STAATSRECHT UND STAATSORGANISATIONSRECHT IMMUNITÄT DIPLOMATIE INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT SCHMERZENSGELD Hinzufügen
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Diplomatenimmunität
1. Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des [X.] vom 9. November 2011 - 17 Sa 1468/11 - und des [X.] vom 14. Juni 2011 - 36 [X.]/11 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.
Die Parteien streiten über Vergütungs- und Schmerzensgeldansprüche. Der am 4. Oktober 1967 geborene [X.] war akkreditierter Attaché der Botschaft des [X.] in der [X.]. Er schloss am 13. Januar 2009 mit der am 9. Juli 1980 geborenen [X.] Staatsangehörigen R einen Arbeitsvertrag. Als monatliche Vergütung wurden 750,00 Euro bei freier Kost und Unterbringung vereinbart. Der Umfang der geschuldeten Arbeitszeit wurde nicht bestimmt. In einer Verbalnote bestätigte die Botschaft des [X.] die Bedingungen des Arbeitsvertrags und notifizierte Frau R Ankunft als private Hausangestellte eines Mitglieds der Mission. Frau R arbeitete vom 3. April 2009 bis zum 30. Oktober 2010 im Privathaushalt des [X.]n. Mit [X.] trat sie ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis an die Klägerin ab. Der [X.] verließ die [X.] Ende Juli 2011.
Die Klägerin hat behauptet, der [X.] habe Frau R ausgebeutet, misshandelt, bedroht und gefangen gehalten. Die vereinbarte Vergütung habe sie nicht erhalten.
Die Klägerin hat zuletzt - sinngemäß - beantragt,
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den [X.]n zu verurteilen, an sie 30.754,00 Euro brutto sowie immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 40.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte, jeweils nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen. |
Der [X.] hat Klageabweisung beantragt. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das [X.] hat abgesondert über die Zulässigkeit der Klage verhandelt und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Klage ist zulässig. Der [X.] ist nicht mehr von der [X.] Gerichtsbarkeit befreit. Dies führt zur Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Arbeitsgericht.
I. Es kann dahinstehen, ob der [X.] bis zu seiner Ausreise von der [X.] Gerichtsbarkeit befreit war, wie die Vorinstanzen angenommen haben.
1. Die [X.] Gerichtsbarkeit ist eine allgemeine Verfahrensvoraussetzung. Ihr [X.]estehen und ihre Grenzen sind als Rechtsfragen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ([X.] 13. Dezember 1977 - 2 [X.]/76 - zu [X.] 2 b der Gründe, [X.]E 46, 342). Die [X.] Gerichtsbarkeit beschränkt sich grundsätzlich auf [X.]s Hoheitsgebiet. Ungeachtet der jeweiligen Staatsangehörigkeit unterliegen alle sich in der [X.]undesrepublik aufhaltenden Personen zunächst uneingeschränkt der den [X.] Gerichten übertragenen Rechtsprechungshoheit. Die §§ 18 bis 20 [X.] regeln personelle und sachbezogene Ausnahmen, die sich aus dem Völkerrecht ergeben. Nach § 18 [X.] sind die Mitglieder der im Geltungsbereich des Gesetzes errichteten diplomatischen Missionen, ihre Familienmitglieder und ihre privaten Hausangestellten nach Maßgabe des [X.] über diplomatische [X.]eziehungen - [X.] - vom 18. April 1961 ([X.]G[X.]l. 1964 II S. 957 ff.) von der [X.] Gerichtsbarkeit befreit.
2. Der [X.] gehörte zum Kreis der gemäß § 18 [X.] von der [X.] Gerichtsbarkeit ausgenommenen Personen. Er war als Attaché Mitglied einer diplomatischen Mission (vgl. Art. 1 lit. d, e [X.]). Gemäß Art. 31 Abs. 1 [X.] war er damit von der [X.] Gerichtsbarkeit befreit. Eine Streitigkeit, für die nach Art. 31 Abs. 1 lit. a bis c [X.] ausnahmsweise keine Immunität besteht, war nicht gegeben.
3. Es kann dahinstehen, ob - wie die Klägerin meint - die Immunität des [X.]n im Hinblick auf die Schwere der erhobenen Vorwürfe und der behaupteten Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung im [X.] ausnahmsweise eingeschränkt war, denn der [X.] ist jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Revision nicht mehr von der [X.] Gerichtsbarkeit befreit. Seine Immunität endete gemäß Art. 39 Abs. 2 [X.] mit der Ausreise (vgl. [X.]/[X.]itz ZPO 4. Aufl. § 18 [X.] Rn. 9). Sie besteht auch nicht gemäß Art. 39 Abs. 2 Satz 2 [X.] fort, weil der [X.] nicht wegen der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit in Anspruch genommen wird.
4. Damit ist das [X.] im Zeitpunkt der Ausreise des [X.]n aus der [X.]undesrepublik Deutschland entfallen und der Mangel der [X.] Gerichtsbarkeit nachträglich geheilt worden (vgl. Oberster Gerichtshof der [X.] 17. Mai 2000 - 2 [X.] -).
II. Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht zurückverwiesen, denn keine Instanz hat bislang in der Sache entschieden.
Müller-Glöge |
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Laux |
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[X.]iebl |
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Kremser |
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[X.]usch |
Meta
22.08.2012
Urteil
Sachgebiet: AZR
vorgehend ArbG Berlin, 14. Juni 2011, Az: 36 Ca 3627/11, Urteil
§ 18 GVG, Art 39 Abs 2 DiplBezÜbk, Art 31 Abs 1 DiplBezÜbk
Zitiervorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.08.2012, Az. 5 AZR 949/11 (REWIS RS 2012, 3729)
Papierfundstellen: REWIS RS 2012, 3729
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