Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.01.2012, Az. 3 AZR 572/09

3. Senat | REWIS RS 2012, 10101

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zulässigkeit der Revision - Versäumung der Revisionsbegründungsfrist - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 6. Mai 2009 - 7 Sa 493/08 - wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer nachträglich durch Betriebsvereinbarung eingeführten Nettogesamtversorgungsobergrenze.

2

Der 1951 geborene Kläger trat am 22. Jan[X.]r 1973 in die Dienste der [X.]. Diese wurde als übertragender Rechtsträger nach Maßgabe des [X.] vom 31. Mai 2011 sowie der [X.] ihrer Hauptversammlung vom 31. Mai 2011 mit der S-A[X.], der Beklagten, verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am 1. Juli 2011 in das Handelsregister eingetragen. Bereits am 22. Dezember 1959 hatte der Aufsichtsrat der [X.] die „Richtlinien für die [X.] der [X.], gültig ab 1.1.1957“ (im Folgenden: [X.]) erlassen, die [X.]. folgende Regelungen enthielten:

        

„[X.]emäß dem Beschluß des Aufsichtsrates und nach Anhörung des Betriebsrates soll die

        

[X.]

        

der bei der [X.] beschäftigten Arbeitnehmer in den Arbeitsverträgen folgende Regelung erfahren:

        

...     

        

§ 7     

        

Als Rentenzuschuß wird ein Betrag gezahlt, der bei Anrechnung sämtlicher in § 8 genannten Bezüge nach 10-jähriger Dienstzeit sowie in den Fällen des § 4 Abs. 2 60 % des letzten [X.] (§ 10) beträgt. Er erhöht sich für jedes weitere Dienstjahr um 1 % bis zum Höchstsatz von 80 % nach 30 Dienstjahren.

        

...“   

3

Am 23. November 2006 schloss die [X.] mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung (im Folgenden: [X.] 2006), die auszugsweise folgenden Inhalt hat:

        

3.    

Übergangsregelung

        

3.1     

Bei Mitarbeitern, für die Versorgungsanwartschaften nach der betrieblichen Versorgungsregelung vom 22. Dezember 1959 - [X.] - bestehen, gilt die betriebliche Versorgungsregelung vom 22. Dezember 1959 - [X.] - mit der Einschränkung, dass die sich aus gesetzlichen Renten und der Betriebsrente sich ergebende Summe nicht höher sein darf, als das fiktive monatliche [X.], das der Mitarbeiter im letzten vollen Monat vor Eintritt des [X.] bezogen hat. Liegt die Summe höher, wird die betriebliche Versorgung entsprechend gekürzt.

                 

...“   

4

Der Kläger hat mit seiner Klage die Feststellung begehrt, dass ihm bei Eintritt des [X.] Leistungen nach den [X.] 57 ohne die in Nr. 3.1 der [X.] 2006 genannten Einschränkungen zustehen.

5

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt

        

festzustellen, dass ihm ab Eintritt des [X.] diejenige Versorgungsleistung zusteht, die sich aus der Anwendung der [X.] ohne die Einschränkung nach Nr. 3.1 der [X.] 2006 ergibt.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7

Sie hat die Auffassung vertreten, die Ansprüche des [X.] richteten sich nach Nr. 3.1 der [X.] 2006. Infolge einer planwidrigen Überversorgung sei eine Störung der [X.]eschäftsgrundlage eingetreten, auf die sie mit Nr. 3.1 der [X.] 2006 angemessen reagiert habe.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Urteil des [X.] ist dem Kläger am 13. Juli 2009 zugestellt worden. Der Kläger hat gegen dieses Urteil mit Schriftsatz vom 11. August 2009, der beim [X.] am 13. August 2009 eingegangen ist, Revision eingelegt. Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2009, der am selben Tag beim [X.] eingegangen ist, hat er die Revision begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der [X.] beantragt. Zur Begründung des [X.] hat er vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter habe seine [X.] B angewiesen, die Frist zur Einlegung der Revision auf den 13. August 2009 und die Frist zur Revisionsbegründung auf den 13. September 2009 im [X.] zu notieren. Die Überwachung der Fristen sei in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten so organisiert, dass die [X.] die Fristen in einem besonderen [X.] notiere. Zusätzlich werde eine Vorfrist von einer Woche vor Fristablauf eingetragen, jeweils mit einem auffälligen Hinweis (gelber Klebezettel mit roter Schrift). Außerdem werde die Eintragung im [X.] in den Handakten vermerkt. Bei Ablauf der Vorfrist werde die Sache dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt mit einem Vermerk gesondert vorgelegt. Im vorliegenden Fall habe die [X.] die Frist zur Einlegung der Revision nach den Angaben des Prozessbevollmächtigten auf den 13. August 2009, die Frist zur Begründung der Revision jedoch versehentlich auf den 13. Oktober 2009 notiert. [X.]rund für das Versehen der [X.] seien die bei einer Vielzahl der zu bearbeitenden amts- und landgerichtlichen Verfahren aufeinander aufbauenden Fristen zur Anzeige der [X.] einerseits und der sich anschließenden Frist zur Klageerwiderung andererseits gewesen. Das Versehen der [X.] habe dazu geführt, dass dem Prozessbevollmächtigten die Akte nicht vor Ablauf der [X.] vorgelegt worden sei. Zur [X.]laubhaftmachung hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] die Richtigkeit seiner Angaben anwaltlich versichert und eine eidesstattliche Versicherung der [X.] B vorgelegt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unzulässig. Sie wurde nicht innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils begründet. Der Antrag des [X.] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet.

I. Die Revision ist nicht rechtzeitig begründet worden. Das Urteil des [X.] ist dem Kläger am 13. Juli 2009 zugestellt worden. Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG iVm. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB lief die Frist zur Begründung der Revision am 13. September 2009 ab. Die Revisionsbegründung des [X.] ist jedoch erst am 13. Oktober 2009 beim [X.] eingegangen.

II. Der Antrag des [X.] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat keinen Erfolg.

1. Der Wiedereinsetzungsantrag des [X.] ist zulässig. Er ist rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ZPO nach Behebung des Hindernisses formgerecht (§ 236 Abs. 1 ZPO) sowie unter Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) beim [X.] eingegangen. Der Kläger hat auch innerhalb der Antragsfrist des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die versäumte [X.], dh. die Begründung der Revision nachgeholt und die den Antrag begründenden Tatsachen glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

2. Der Wiedereinsetzungsantrag ist unbegründet. Nach § 233 ZPO ist einer Partei auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Revision einzuhalten. Die Versäumung der [X.] beruht jedoch auf einem dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten. Damit scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO aus.

a) Nach ständiger Rechtsprechung sowohl des [X.]s als auch des [X.] hat ein Rechtsanwalt bei jeder Vorlage der Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen [X.] eigenverantwortlich zu prüfen, wann die Frist für die [X.] abläuft. Werden einem Rechtsanwalt die Handakten zur Anfertigung einer Rechtsmittelschrift vorgelegt, hat er neben der Prüfung der Rechtsmittelfrist auch die ordnungsgemäße Notierung der zu diesem Zeitpunkt bereits feststehenden Rechtsmittelbegründungsfrist zu prüfen (vgl. [X.] 31. Januar 2008 - 8 [X.] - Rn. 21, [X.]E 125, 333; 18. Januar 2006 - 9 [X.] - Rn. 15 ff.; 10. Januar 2003 - 1 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.] ZPO 1977 § 233 Nr. 80 = EzA ZPO 2002 § 233 Nr. 1; [X.] 3. Mai 2011 - VI ZB 4/11 - Rn. 6; 19. April 2005 - [X.] -; 21. April 2004 - XII ZB 243/03 - zu [X.] der Gründe, FamRZ 2004, 1183).

b) Da die [X.] von zwei Monaten nach § 74 Abs. 1 Satz 2 ArbGG mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils beginnt, stand ihr Ablauf zum Zeitpunkt der Vorlage der Handakten an den Prozessbevollmächtigten des [X.] zur Fertigung der Revisionsschrift bereits fest. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] hätte daher bereits im Zusammenhang mit der Anfertigung des Revisionsschriftsatzes vom 11. August 2009 überprüfen müssen, ob die [X.] richtig eingetragen war. Weshalb er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] nicht dargelegt.

III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Zwanziger    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

    Brunke    

        

    H. Frehse    

                 

Meta

3 AZR 572/09

17.01.2012

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Kaiserslautern, 24. Juli 2008, Az: 2 Ca 182/08, Urteil

§ 74 Abs 1 S 1 ArbGG, § 74 Abs 1 S 2 ArbGG, § 187 Abs 1 BGB, § 188 Abs 2 BGB, § 222 ZPO, § 233 ZPO, § 234 Abs 1 ZPO, § 234 Abs 2 ZPO, § 236 Abs 2 ZPO, § 236 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.01.2012, Az. 3 AZR 572/09 (REWIS RS 2012, 10101)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10101

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 AZR 633/12 (Bundesarbeitsgericht)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist - Verschulden des Prozessbevollmächtigten


8 AZR 556/14 (Bundesarbeitsgericht)

Versäumte Revisionsbegründungsfrist - Wiedereinsetzung - Verschulden Prozessbevollmächtigter


XII ZR 157/09 (Bundesgerichtshof)


IV ZB 18/05 (Bundesgerichtshof)


XI R 40/11 (Bundesfinanzhof)

Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei unterlassener anwaltlicher Prüfung der Rechtsmittelbegründungsfrist - Fristbeginn an …


Referenzen
Wird zitiert von

1 L 412/16

6 P 9/12

6 P 10/12

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.