Bundessozialgericht, Urteil vom 25.05.2022, Az. B 11 AL 8/21 R

11. Senat | REWIS RS 2022, 5270

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeldanspruch - Mindestbemessungsentgelt - Stammrecht auf Arbeitslosengeld in den letzten 2 Jahren vor Anspruchsentstehung - Beendigung des Leistungsbezuges wegen Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit - Bezug eines Gründungszuschusses - Erforderlichkeit der Arbeitslosigkeit zumindest für einen Tag


Leitsatz

Bei der Berechnung des Arbeitslosengelds ist das dem Vorbezug zugrunde liegende Entgelt nicht als Bemessungsentgelt zu berücksichtigen, wenn der Versicherte innerhalb von zwei Jahren vor der Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nicht zumindest einen Tag arbeitslos war (Präzisierung von BSG vom 7.5.2019 - B 11 AL 18/18 R = SozR 4-4300 § 151 Nr 2).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. Februar 2021 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Arbeitslosengeld ([X.]) für die [X.] vom [X.] bis zum 3.5.2018.

2

Die 1964 geborene Klägerin war bis August 2014 als Personalleiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Die Beklagte bewilligte ihr auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 193,33 Euro [X.] in Höhe von 58,67 Euro täglich für die Dauer von 286 Tagen ab dem 18.8.2014 bis zum 2.6.2015 (Bewilligungsbescheid vom [X.] und Änderungsbescheid vom 16.9.2014). Nach der Teilnahme an einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung legte die Beklagte die [X.] für die [X.] ab 24.12.2014 auf 204 Tage (bis 17.7.2015) fest (Änderungsbescheid vom 10.11.2014). Nach Aufnahme einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit ab dem 16.2.2015 durch die Klägerin hob die Beklagte die Bewilligung von [X.] mit Wirkung vom selben Tag auf (Aufhebungsbescheid vom 16.2.2015). Vom 16.2. bis 15.8.2015 wurde die Klägerin von der Beklagten mit einem Gründungszuschuss gefördert (Bewilligungsbescheid vom 24.4.2015). Sie war in dieser [X.] bei der Beklagten antragspflichtversichert.

3

Nach Aufgabe ihrer selbständigen Tätigkeit meldete sich die Klägerin am [X.] persönlich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von [X.]. Die Beklagte bewilligte der Klägerin auf Grundlage eines fiktiven Bemessungsentgelts von 79,33 Euro [X.] in Höhe von 26,21 Euro täglich für die Dauer von 360 Tagen ab dem [X.] (Bewilligungsbescheid vom 28.6.2017). [X.] teilte sie mit, dass das [X.] fiktiv bemessen werden müsse, weil die Klägerin in den letzten zwei Jahren weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe (Schreiben vom [X.]). Die Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung seien auf eine Beschäftigung im zuletzt ausgeübten Beruf als Personalleiterin zu konzentrieren. Für diese Tätigkeit sei eine abgeschlossene Ausbildung erforderlich, sodass sie zur Qualifikationsgruppe 3 zähle. Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 6.7.2017).

4

Die Beklagte hat während des Klageverfahren den täglichen Leistungsbetrag auf 31,30 Euro erhöht (Änderungsbescheid vom [X.]). Für die Beschäftigung als Personalleiterin sei ein Fachschulabschluss, Meisterbrief oder ein vergleichbarer Abschluss erforderlich. Daher sei die Klägerin der Qualifikationsgruppe 2 zuzuordnen. Bei der Berechnung des [X.] sei damit ein Bemessungsentgelt in Höhe von 99,17 Euro zugrunde zu legen (Schreiben vom [X.]).

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat das Urteil des [X.] aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 28.6.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.7.2017 und des Änderungsbescheids vom [X.] verurteilt, der Klägerin für die [X.] vom [X.] bis 3.5.2018 höheres [X.] nach einem Bemessungsentgelt in Höhe von 193,33 Euro zu gewähren (Urteil vom [X.]). Zu Gunsten der Klägerin greife die Bestandsschutzregelung des § 151 Abs 4 [X.]B III ein. Hierfür genüge es, wenn innerhalb des [X.] ein Stammrecht auf [X.], also eine materielle Anspruchsberechtigung, bestanden habe. Im Fall der Klägerin habe das (alte) Stammrecht auf [X.] bis zur Erschöpfung der [X.] am 17.7.2015 und damit noch innerhalb des maßgebenden [X.] vor der Entstehung des streitgegenständlichen Anspruchs am [X.] bestanden. Aufgrund des bestandskräftigen Änderungsbescheids vom 10.11.2014 stehe zwischen den Beteiligten bindend fest, dass der Klägerin für die [X.] ab 24.12.2014 noch 204 Tage [X.] in Höhe von 58,67 Euro täglich zugestanden hätten. Dieser Anspruch sei von der Beklagten bis zum 15.2.2015 - also für weitere 52 Tage - erfüllt worden. Die danach verbliebene [X.] von 152 Tagen sei in der Folgezeit nahtlos durch die Bewilligung eines Gründungszuschusses verbraucht worden. Die Dauer des Anspruchs auf [X.] mindere sich gemäß § 148 Abs 1 Nr 8 [X.]B III auch um die Anzahl von Tagen, für die ein Gründungszuschuss in der Höhe des zuletzt bezogenen [X.] geleistet worden sei. Schon diese Rechtsfolge, die ihre Rechtfertigung in der Vorschrift des § 94 Abs 1 [X.]B III finde, wonach als Gründungszuschuss für die Dauer von sechs Monaten der Betrag geleistet werde, den die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer als [X.] zuletzt bezogen habe, zuzüglich monatlich 300 Euro, spreche im Kontext des § 151 Abs 4 [X.]B III dafür, dem Bezug von [X.] den Bezug von Gründungszuschuss in der Höhe des zuletzt bezogenen [X.] gleichzustellen.

6

Hiergegen richtet sich die vom L[X.] zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung des § 151 Abs 4 [X.]B III. Allein das Bestehen eines Stammrechts stelle keinen Bezug von [X.] im Sinne dieser Norm dar. Erforderlich sei auch, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 137 Abs 1 [X.]B III innerhalb des maßgeblichen [X.] vorgelegen hätten.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 19. Februar 2021 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 18. April 2019 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des L[X.].

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der [X.] kann nicht abschließend entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf höheres [X.] für den streitbefangenen [X.]raum hat.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 28.6.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.7.2017 (§ 95 SGG) und idF des Änderungsbescheids vom [X.] (§ 96 Abs 1 SGG). Gegen diese Bescheide wandte sich die Klägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG).

2. a) Zu Recht sind die Beklagte und die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch auf [X.] für die [X.] vom [X.] bis 3.5.2018 hat. Die - auch in einem Höhenstreit stets zu prüfenden (stRspr; vgl nur BSG vom [X.] - [X.] [X.] 18/18 R - [X.] 4-4300 § 151 [X.] Rd[X.]0 mwN) - Anspruchsvoraussetzungen für [X.] liegen vor. Der Anspruch auf [X.] bei Arbeitslosigkeit setzt gemäß § 137 [X.] (anwendbar ist hier das [X.] in der seit dem 1.4.2012 geltenden Fassung des [X.], [X.]) voraus, dass der Arbeitnehmer (1.) arbeitslos ist, (2.) sich bei der [X.] arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Die Klägerin hat sich zum [X.] persönlich arbeitslos gemeldet (§ 141 [X.]) und ist nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] arbeitslos iS von § 138 [X.] gewesen.

Die Klägerin erfüllt auch die Anwartschaftszeit. Diese hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 142 Abs 1 [X.]). Die Rahmenfrist beträgt in der hier maßgeblichen Fassung im Grundsatz zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf [X.] (§ 143 Abs 1 [X.] aF). Danach verläuft die Rahmenfrist hier vom 5.5.2015 bis [X.]. Die Klägerin stand in dieser [X.] aufgrund ihrer Antragspflichtversicherung (§ 28a [X.]) durchweg in einem Versicherungspflichtverhältnis.

b) Die Höhe des [X.] bestimmt sich nach § 149 [X.], wonach das [X.] für Arbeitslose, abhängig davon, ob sie ein Kind iS des § 32 Abs 1, 3 bis 5 Einkommensteuergesetz (EStG) haben, 60 % (allgemeiner Leistungssatz) oder 67 % (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt) beträgt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat ([X.]). Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltzeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen (§ 150 Abs 1 [X.]). Das [X.] ist das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (§ 151 Abs 1 Satz 1 [X.]). Haben Arbeitslose aber innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs [X.] bezogen, ist [X.] mindestens das Entgelt, nach dem das [X.] zuletzt bemessen worden ist (§ 151 Abs 4 [X.]).

aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin und des [X.] ist das [X.] im vorliegenden Fall nicht mindestens das Entgelt, nach dem das [X.] zuletzt bemessen worden ist. Die Voraussetzungen des § 151 Abs 4 [X.] liegen hier nicht vor, weil die Klägerin innerhalb des maßgeblichen [X.] vor der Entstehung des [X.]-Anspruchs - hier also im [X.]raum vom 5.5.2015 bis [X.] - kein [X.] bezogen hat. Ihr ist für diesen [X.]raum [X.] nicht bewilligt und ausgezahlt worden.

Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist § 151 Abs 4 [X.] zwar wegen dessen Sinn und Zweck auch dann anwendbar, wenn innerhalb des [X.] lediglich die Voraussetzungen für ein Stammrecht auf [X.] bestanden haben, ohne dass es zur Auszahlung von [X.] gekommen ist (BSG vom [X.] - [X.] [X.] 18/18 R - [X.] 4-4300 § 151 [X.] Rd[X.]7 ff mwN). Indessen muss der Betroffene - insoweit bedarf die Rechtsprechung des [X.]s der Konkretisierung - innerhalb des [X.] zumindest an einem Tag arbeitslos gewesen sein (dazu unter (1)). Dies war hier nicht der Fall (dazu unter (2)). Der Bezug des [X.] ist unbeachtlich (dazu unter (3)).

(1) Ein Stammrecht auf [X.] zeichnet sich dadurch aus, dass es zwar (noch) nicht dazu berechtigt, eine bestimmte Leistung - ggf vollstreckbar - beanspruchen zu können, es begründet aber einen zu einem subjektiven Recht verfestigten Besitzstand, wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf [X.] bei seiner Entstehung vorgelegen haben (BSG vom [X.] - [X.] [X.] 18/18 R - [X.] 4-4300 § 151 [X.] Rd[X.]5 mwN). Bereits mit dem Entstehen eines Stammrechts wird ein Sozialrechtsverhältnis zwischen dem Leistungsberechtigten und dem Sozialleistungsträger begründet, das Grundlage verschiedener Rechte und Pflichten bzw Obliegenheiten auch unabhängig von konkreten Leistungsansprüchen ist. Für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "Arbeitslosengeld bezogen" in § 151 Abs 4 [X.] ist aber erforderlich, dass die Voraussetzungen für die Entstehung des Stammrechts auch innerhalb des [X.] zumindest für einen Tag bestanden haben.

Das genannte Urteil des [X.]s betraf den Fall eines Stammrechts mit fehlendem Leistungsanspruch aufgrund des Ruhens des Anspruchs auf [X.] trotz bestehender Arbeitslosigkeit. Der [X.] hat darauf hingewiesen, dass während des Ruhens gleichwohl Rechte und Pflichten, etwa das Recht des Arbeitslosen auf Förderung aus dem [X.] (§ 44 [X.]) oder auf Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45 [X.]) bestehen, und dass dem [X.] die Pflicht bzw Obliegenheit gegenübersteht, sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen oder sich nach Maßgabe des § 309 [X.] melden zu müssen (BSG vom [X.] - [X.] [X.] 18/18 R - [X.] 4-4300 § 151 [X.] Rd[X.]5).

Die Entscheidung des [X.]s bezog sich also auf eine Konstellation, in der innerhalb des [X.] - zumindest für einen Tag - Arbeitslosigkeit als ein Element für das ursprüngliche Entstehen des Stammrechts vorgelegen hat. Dies ist auch erforderlich, um von der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "Arbeitslosengeld bezogen" iS des § 151 Abs 4 [X.] ausgehen zu können. Ließe man hierfür das bloße Entstehen eines Stammrechts bereits vor Beginn des [X.] ausreichen, unabhängig davon, ob dessen Entstehungsvoraussetzungen auch im maßgeblichen [X.] (weiterhin) erfüllt sind, würde dies zu einem Bestandsschutz über einen deutlich längeren [X.]raum führen. Die Beklagte hat im Revisionsverfahren zu Recht beispielhaft darauf hingewiesen, dass sich, wenn sich einer nur einmonatigen Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung von 70 Monaten anschließt, im Falle der daraufhin eintretenden Arbeitslosigkeit wegen des Erlöschens des Stammrechts (erst) nach vier Jahren (§ 161 Abs 2 [X.]) das [X.] sonst nach einer fast sechs Jahre zuvor beendeten Beschäftigung richtete. Ein solches Verständnis würde die von § 151 Abs 4 [X.] bewirkte Rechtsfolge nicht nur von dem dort normierten [X.] entkoppeln, sondern sogar auch den von § 161 Abs 2 [X.] geregelten Vierjahreszeitraum für die Geltendmachung eines [X.]-Anspruchs seit dessen Entstehung und den von § 147 Abs 4 [X.] geregelten Fünfjahreszeitraum für die Verlängerung der Anspruchsdauer bei Entstehung eines neuen Anspruchs übersteigen.

Ein solches Ergebnis ließe sich auch nicht mehr mit dem Sinn und Zweck des § 151 Abs 4 [X.] rechtfertigen. § 151 Abs 4 [X.] entspricht dem bis zum [X.] geltenden § 131 Abs 4 [X.]. Jene Vorschrift ist zum 1.1.2014 durch das [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 ([X.] 2848) eingefügt worden und geht auf § 133 Abs 1 [X.] idF des [X.] vom [X.] ([X.] 594) zurück. Die damals vorgenommene Ergänzung der Bemessungsvorschriften um eine Bestandsschutzregelung ist damit begründet worden, dass Arbeitslose, die ihre Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer Beschäftigung beenden, in der sie ein geringeres Entgelt erzielen, als es der Bemessung des [X.] zugrunde lag, vor Nachteilen bei erneutem Beschäftigungsverlust geschützt werden sollten; zudem sollten Hemmnisse, die einer Rückkehr in das Erwerbsleben entgegenstehen könnten, beseitigt werden (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 18.6.1996, BT-Drucks 13/4941, [X.]). Diese Zielsetzung, Arbeitslose zu motivieren, auch eine ggf geringer entlohnte Beschäftigung anzunehmen, ohne bei erneuter Arbeitslosigkeit innerhalb von zwei Jahren nur einen geringeren [X.]-Anspruch zu haben, setzt voraus, dass der Betroffene innerhalb dieser zwei Jahre zumindest für einen Tag arbeitslos war.

Die im Urteil des [X.]s vom [X.] geäußerten Bedenken, dass es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG nur schwer vereinbar wäre, jemanden, der bereits ein Stammrecht erworben hat, schlechter zu stellen als jemanden, dem aus diesem Stammrecht, wenn auch nur für einen Tag, [X.] ausgezahlt wurde (BSG vom [X.] - [X.] [X.] 18/18 R - [X.] 4-4300 § 151 [X.] Rd[X.]2), bestehen in der vorliegenden Konstellation nicht. Der [X.] hatte die Bedenken damit begründet, dass ein Sachgrund für diese Ungleichbehandlung kaum ersichtlich sei, denn ein Arbeitsloser, dessen Leistungsanspruch ruhe, sei den gleichen Obliegenheiten unterworfen, wie ein Arbeitsloser, der Leistungen beziehe. Liegt aber - wie hier - die Arbeitslosigkeit nicht (mehr) vor, bestehen für den Betroffenen gerade keine Obliegenheiten als Arbeitsloser mehr.

Der durch das frühere Stammrecht entstandene Besitzstandsschutz erschöpft sich in der vorliegenden Konstellation in der Regelung des § 147 Abs 4 [X.], wonach sich die Dauer des neuen Anspruchs um die Restdauer des erloschenen Anspruchs - in den Grenzen der [X.] - verlängert. § 147 Abs 4 [X.] verlangt nach seinem Wortlaut - anders als § 151 Abs 4 [X.] - gerade keinen vorherigen Bezug von [X.] und erstreckt den Besitzstandsschutz hinsichtlich der Dauer auf einen Fünfjahreszeitraum, sodass ein Gleichlauf der Rechtsfolgen von § 151 Abs 4 [X.] und § 147 Abs 4 [X.] schon deswegen nicht erreicht werden kann. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass der Gesetzgeber den Besitzstand hinsichtlich der Anspruchsdauer stärker schützen wollte als den Besitzstand hinsichtlich der [X.]. Daher hält der [X.] an den mit Blick auf den Besitzstandschutz hinsichtlich der Dauer formulierten systematischen Erwägungen zu § 151 Abs 4 [X.] (BSG vom [X.] - [X.] [X.] 18/18 R - [X.] 4-4300 § 151 [X.] Rd[X.]3) nicht fest.

(2) An einer Arbeitslosigkeit der Klägerin im maßgebenden [X.] fehlte es im vorliegenden Fall. Zwar war ein Stammrecht der Klägerin am 18.8.2014 entstanden. Die Klägerin hat sich zum 18.8.2014 arbeitslos gemeldet, [X.] beantragt, erfüllte die Anwartschaftszeit und war auch arbeitslos. Es lagen damit alle Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch auf [X.] bei Arbeitslosigkeit ab dem 18.8.2014 mit einer Restanspruchsdauer von 204 Tagen ab dem 24.12.2014 vor (also bis zum 17.7.2015), was sich aus den entsprechenden Bescheiden der Beklagten (zuletzt Bescheid vom 10.11.2014) ergibt. Allerdings endete die Arbeitslosigkeit der Klägerin aufgrund der Aufnahme einer hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit am 16.2.2015; die Bewilligung von [X.] wurde daher mit Wirkung vom selben Tag aufgehoben (Bescheid vom 16.2.2015).

Aufgrund der Antragspflichtversicherung nach § 28a [X.] vom 16.2.2015 bis zum [X.] und der erneuten Arbeitslosigkeit ab dem [X.] entstand am [X.] ein neuer Anspruch und damit ein neues Stammrecht der Klägerin auf [X.], das gemäß § 161 Abs 1 [X.] [X.] zum Erlöschen des alten Stammrechts führte. Im für die Anwendung des § 151 Abs 4 [X.] maßgeblichen [X.] (5.5.2015 bis [X.]) war die Klägerin indes nicht mehr arbeitslos, sodass ein Element für das Entstehen des alten Stammrechts bereits zuvor - am 16.2.2015 - weggefallen war. Der Anspruch auf [X.] ruhte also nicht lediglich, sondern es bestand bereits dem Grunde nach mangels Arbeitslosigkeit kein Anspruch auf [X.].

(3) Dass die Klägerin innerhalb des [X.] vor der Entstehung des neuen Anspruchs am [X.] einen [X.] der Beklagten bezogen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Bezug eines [X.] stellt keinen Bezug von [X.] dar und ist diesem auch nicht gleichzusetzen (vgl [X.] Nordrhein-Westfalen vom 17.11.2010 - L 12 [X.] 153/10 - juris RdNr 59; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 151 RdNr 79, Stand Juni 2021).

§ 151 Abs 4 [X.] stellt ausdrücklich auf den Bezug von [X.] ab. Insofern steht bereits die [X.] (vgl dazu nur BSG vom 3.11.2021 - [X.] [X.] 2/21 R - Rd[X.]8 mwN - zur Veröffentlichung in [X.] 4-4300 § 131a [X.] vorgesehen) einer Auslegung entgegen, nach der § 151 Abs 4 [X.] auch den Bezug eines [X.] umfasst.

Auch die Erwägungen, die das BSG veranlasst haben, § 133 Abs 1 [X.], die Vorgängervorschrift des § 151 Abs 4 [X.], auf das Unterhaltsgeld nach § 153 [X.] in der vom [X.] bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung (aF) entsprechend anzuwenden (BSG vom 13.9.2006 - [X.]a [X.] 33/05 R - [X.] 4-4300 § 133 [X.] Rd[X.]7 ff), greifen hier nicht durch. Einer Übertragung dieser Erwägungen steht bereits die unterschiedliche kategoriale Zuordnung der verschiedenen Leistungen entgegen. Das Unterhaltsgeld war wie das [X.] (§§ 117 ff [X.] aF) eine Entgeltersatzleistung und im entsprechenden Abschnitt geregelt (§§ 116 ff [X.] aF); seit dem 1.1.2005 ist an die Stelle des Unterhaltsgelds das [X.] bei beruflicher Weiterbildung gemäß § 136 Abs 1 [X.], § 144 [X.] getreten, wodurch der Gesetzgeber auch die terminologische Unterscheidung aufgegeben hat. Der [X.] ist hingegen eine Leistung der aktiven Arbeitsförderung, wie sich aus dessen Verortung im Vierten Kapitel ergibt. Hieran ändert sich nichts durch § 148 Abs 1 [X.] [X.], wonach sich die Dauer des Anspruchs auf [X.] um die Anzahl von Tagen mindert, für die ein [X.] in der Höhe des zuletzt bezogenen [X.] geleistet worden ist. Diese Norm betrifft wiederum nur die Frage der Anspruchsdauer, nicht aber die - vom Gesetzgeber differenziert geregelte - [X.]. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber - ebenso wie mit § 94 Abs 1 [X.] - eine bereichsspezifische Regelung über den Zusammenhang zwischen [X.]-Anspruch und [X.] getroffen; in § 151 Abs 4 [X.] hat er den Bezug eines [X.] aber gerade nicht in den [X.] aufgenommen.

Eine andere Sichtweise würde im Übrigen auch zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Bevorzugung von Beziehern eines [X.] gegenüber Personen führen, die eine selbständige Tätigkeit ohne Unterstützung durch einen [X.] beginnen oder eine abhängige Beschäftigung aufnehmen.

bb) Der [X.] kann aber nicht entscheiden, ob die Klägerin aus anderen Gründen einen Anspruch auf höheres [X.] hat.

Da § 151 Abs 4 [X.] nicht zu Gunsten der Klägerin eingreift und ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten [X.] nicht festgestellt werden kann, ist gemäß § 152 Abs 1 Satz 1 [X.] ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist die Klägerin gemäß § 152 Abs 2 Satz 1 [X.] der Q[X.]lifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Q[X.]lifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die [X.] die Vermittlungsbemühungen für sie in erster Linie zu erstrecken hat. Der [X.] kann nicht entscheiden, ob die Klägerin der Q[X.]lifikationsgruppe 1 - statt der Q[X.]lifikationsgruppe 2 - zuzuordnen wäre. Dies ist in mehreren Schritten zu prüfen und hängt zunächst davon ab, auf welche Tätigkeiten sich die Vermittlungsbemühungen der [X.] in erster Linie zu erstrecken haben (1. [X.]) und erst dann davon, welche berufliche Q[X.]lifikation hierfür erforderlich ist (2. [X.], näher zum Ganzen BSG vom 4.7.2012 - [X.] [X.] 21/11 R - [X.] 4-4300 § 132 [X.] Rd[X.]5 ff). Das [X.] hat hierzu - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine Feststellungen getroffen, die es im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen hat.

3. [X.] bleibt der Entscheidung des [X.] vorbehalten.

[X.]                 [X.]

Meta

B 11 AL 8/21 R

25.05.2022

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Darmstadt, 18. April 2019, Az: S 11 AL 229/17, Urteil

§ 151 Abs 4 SGB 3, § 93 SGB 3

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 25.05.2022, Az. B 11 AL 8/21 R (REWIS RS 2022, 5270)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5270

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