Bundessozialgericht, Urteil vom 24.08.2017, Az. B 11 AL 16/16 R

11. Senat | REWIS RS 2017, 6168

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeldanspruch - Bemessungsentgelt - Arbeitsentgeltanspruch - Lohnnachzahlung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses - Betriebsstilllegung - erfolgloser Lohnverzicht


Leitsatz

Verzichten Arbeitnehmer als Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze auf Arbeitsentgelt und wird für den Fall der Vergeblichkeit des Verzichts eine Nachzahlung dieses Entgelts vereinbart und tatsächlich geleistet, ist das gesamte im Bemessungszeitraum abgerechnete Entgelt als Bemessungsentgelt bei der Festsetzung des Arbeitslosengeldes zu berücksichtigen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 31. Mai 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Bewilligung von [X.] an die Klägerin zu deren Gunsten zu korrigieren ist.

2

Die Klägerin war bis 30.6.2012 bei der [X.] (im Folgenden: Arbeitgeberin) als Kundenberaterin beschäftigt. Im Dezember 2009 schloss die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung "mit dem Ziel der Sicherung der Arbeitsplätze und zur Vermeidung einer in Aussicht gestellten Betriebsstilllegung". Danach sollten die Bruttojahresgehälter der Arbeitnehmer ab 1.1.2010 abgesenkt werden. Für [X.] war eine Absenkung auf ein Bruttojahresgehalt von 25 000 [X.] vorgesehen. Die Absenkung erfolgte in Stufen, ab 1.10.2010 wurde die volle Absenkung wirksam. Zur Umsetzung der Betriebsvereinbarung wurden mit den Mitarbeitern neue Arbeitsverträge geschlossen. Im Gegenzug war der Ausspruch betriebsbedingter Beendigungskündigungen - außer im Fall der Betriebsstilllegung - bis 31.12.2013 ausgeschlossen. Die Betriebsvereinbarung enthielt folgende Bestimmung:

3

"Wird der Betrieb, was weiter zulässig bleibt, wider Erwarten dennoch bis zum 30.11.2013 geschlossen, wird zur Kompensation des zum Zweck der Standortsicherung erklärten Lohnverzichts folgender Lohn als einmalige Bruttolohnzahlung im letzten [X.]nachgezahlt: Die Differenz der gezahlten Bruttolöhne der letzten 12 Monate vor Ausscheiden zu dem Betrag des [X.] 2009 nach folgender Staffel:
bei Ausscheiden bis zum 31.12.2011 in voller Höhe,
bei Ausscheiden bis zum 31.12.2012 in Höhe von 2/3 und
bei Ausscheiden bis zum 31.12.2013 in Höhe von 1/3 der Differenz."

4

Die Klägerin schloss mit der Arbeitgeberin nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung zum 1.1.2010 einen neuen Arbeitsvertrag. Darin war ein monatliches Bruttogehalt von 2083,34 [X.] vereinbart. Unter der Überschrift "§ 2 Kündigungsschutz" enthielt der Arbeitsvertrag eine der Betriebsvereinbarung entsprechende Regelung, die insoweit individualisiert war, als es dort hieß, die Arbeitgeberin zahle der Klägerin bei Betriebsstilllegung vor dem 31.12.2013 die Differenz zwischen den gezahlten Bruttolöhnen der letzten zwölf Monate bis zu dem Betrag von 39 970,08 [X.] entsprechend den vereinbarten Stufen nach.

5

Am 30.11.2011 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wegen der Stilllegung des Betriebs zum 30.6.2012. Die Arbeitgeberin bescheinigte ihr für den [X.]raum 1.7.2011 bis 30.6.2012 ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von 34 913,41 [X.]. Dabei wies die Bescheinigung für die Monate Juli 2011 bis Mai 2012 jeweils ein Bruttoentgelt von 2083,34 [X.] aus. Für den Monat Juni 2012 wurde ein Bruttoentgelt von 11 996,67 [X.] ausgezahlt und bescheinigt (Monatsgehalt zuzüglich 2/3 Nachzahlung des Entgeltverzichts).

6

Die Klägerin meldete sich bei der [X.] zum [X.] arbeitslos und beantragte [X.]. Bei ihr war zu Jahresbeginn die [X.] und ein zu berücksichtigendes Kind eingetragen. Die Beklagte bewilligte ihr [X.] für die [X.] ab dem [X.] in Höhe von 30,73 [X.] täglich. Sie berücksichtigte für Juni 2012 nur ein Bruttoarbeitsentgelt von 2083,34 [X.], sodass sich ein Bemessungsentgelt von 25 000,08 [X.]/jährlich bzw 68,31 [X.]/täglich ergab (Bescheid vom [X.]). Der Bewilligungsbescheid wurde bestandskräftig. Die Klägerin meldete sich zum 30.7.2012 aus dem Leistungsbezug ab, weil sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnahm.

7

Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses änderte die Arbeitgeberin die Gehaltsabrechnung der Klägerin für Juni 2012 und erbrachte eine Nachzahlung von 75,21 [X.] brutto/38,33 [X.] netto für ein noch nicht berücksichtigtes Arbeitszeitguthaben. Sie übermittelte der [X.] eine neue Arbeitsbescheinigung, die für Juni 2012 ein Bruttoentgelt von 12 071,88 [X.] auswies.

8

Im Hinblick darauf beantragte die Klägerin am [X.] "eine Überprüfung der Berechnung meines Arbeitslosengeldes für den [X.]raum 01.07.2012 - 29.07.2012". Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag ab (Bescheid vom 8.10.2012); den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie zurück (Widerspruchsbescheid vom 5.12.2012). Die Lohnnachzahlung bleibe als Einmalzahlung außer Betracht, weil die Klägerin sie "einzig und allein" wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten habe.

9

Das [X.] hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Ablehnungsbescheide sowie Änderung des Bescheids vom [X.] verurteilt, der Klägerin [X.] unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 95,60 [X.] täglich für die [X.] vom 1. bis 29.7.2012 zu zahlen (Urteil vom 19.11.2013). Das der Klägerin gezahlte Arbeitsentgelt sei insgesamt zu berücksichtigen. Das [X.] hat die Berufung zugelassen.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Sie meint, bei der Leistungsbemessung scheide die Berücksichtigung des über 2083,34 [X.] hinausgehenden Betrags, den die Klägerin im Juni 2012 erhalten habe, aus. Die Zahlung sei wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erbracht worden, die Bezeichnung als "Nachzahlung" sei falsch. Das L[X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Der Berücksichtigung der Nachzahlung nach gescheiterter Arbeitsplatzsicherung sei keine Zahlung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern wegen der Erfolglosigkeit des verabredeten Lohnverzichts.

Die Beklagte hat die vom L[X.] zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung von § 151 Abs 2 Nr 1 [X.]B III. Die Regelung gehe typisierend davon aus, dass Nachzahlungen von Entgelt, die "bei" und damit "wegen" Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erbracht würden, nicht beim Bemessungsentgelt zu berücksichtigen seien.

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom [X.] und des [X.] vom 19.11.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 [X.]G).

1. Gegenstand der Revision ist das Urteil des [X.] vom [X.], mit dem es zu Recht die Berufung der [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 19.11.2013 zurückgewiesen hat. Das [X.] hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin unter Änderung des bestandskräftigen [X.] vom [X.] für die [X.] vom 1. bis [X.] nach einem [X.] von 95,60 Euro täglich zu zahlen.

Zwar hätte das [X.] nicht zur Zahlung von [X.] nach einem bestimmten [X.] verurteilen dürfen. Die Klägerin hat zutreffend eine Anfechtungs-, Verpflichtungs-, und Leistungsklage geführt. Sie begehrt die Zahlung von [X.] berechnet nach einem bestimmten Entgelt. Daher wäre die Beklagte zur Zahlung eines bestimmten Betrags an [X.] zu verurteilen gewesen (vgl B[X.] vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R - B[X.]E 115, 126 = [X.]-1300 § 44 [X.], Rd[X.] 11 mwN). Der [X.] kann hier aber abschließend entscheiden, weil sich die Höhe des [X.] der Leistung dennoch bestimmen lässt (dazu am Ende der Gründe).

2. Rechtsgrundlage für die Teilrücknahme des bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts vom [X.] ist § 44 Abs 1 Satz 1 [X.]B X.

Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt wurde und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Zwar trifft § 330 Abs 1 [X.]B III Sonderregelungen zur Anwendung des § 44 [X.]B X im Bereich des [X.]B III. Die dortigen Sonderregelungen sind aber nicht einschlägig, weil der Verwaltungsakt, dessen Rücknahme begehrt wird, weder auf einer für nichtig oder mit dem [X.] unvereinbar erklärten Rechtsnorm beruht noch in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Beklagte ausgelegt worden ist.

Die Entscheidung der [X.], den Antrag auf Überprüfung der bestandskräftigen Bewilligung vom [X.] abzulehnen (Bescheid vom 8.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.12.2012), war rechtswidrig. Der Überprüfungsantrag ist in der Sache begründet, denn die Klägerin hat Anspruch auf Rücknahme der Höchstbetragsgrenze im bestandskräftig gewordenen Bewilligungsbescheid vom [X.]. Die Beklagte hat bei Erlass dieses Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt mit der Folge, dass [X.] nicht in der von der Klägerin zu beanspruchenden Höhe gezahlt worden ist. Die Regelung des § 44 Abs 4 Satz 1 [X.]B X steht der Zahlung von weiterem [X.] nicht entgegen, weil der [X.] bereits im September 2012 gestellt worden ist (§ 44 Abs 4 Satz 3 [X.]B X).

Die Klägerin hat nach diesen Maßstäben ab 1.7.2012 allein unter Berücksichtigung der tarifvertraglich bzw arbeitsvertraglich zu beanspruchenden Zahlung Anspruch auf [X.] bemessen nach einem Entgelt von 34 913,41 Euro.

Maßgeblich für den Anspruch auf [X.] dem Grunde nach sind die §§ 136 ff [X.]B III (in der Fassung des [X.] der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, [X.]). Danach hat die Klägerin Anspruch auf [X.], wenn sie iS des § 138 [X.]B III arbeitslos ist, sich bei der [X.] arbeitslos gemeldet hat und durch ihre vorangegangene versicherungspflichtige Beschäftigung bei der Arbeitgeberin die Anwartschaftszeit erfüllt hat (§ 137 [X.]B III). Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] hat die Klägerin die Regelvoraussetzungen des [X.]-Anspruchs zum 1.7.2012 erfüllt.

Nach § 149 [X.] 1 [X.]B III beträgt das [X.] für Arbeitslose, die mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 3, 5 Einkommensteuergesetz haben, [X.] des pauschalierten Nettoentgelts (erhöhter Leistungssatz), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Nach § 150 Abs 1 [X.]B III umfasst der Bemessungszeitraum die bei Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr und endet mit dem letzten Tag des letzten [X.] vor der Entstehung des Anspruchs auf [X.]. Für die Leistungsbemessung gilt nach § 151 Abs 1 [X.]B III, dass [X.] das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt ist, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Arbeitsentgelt, auf das der Arbeitslose beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis Anspruch hatte, gilt nach § 151 Abs 1 Satz 2 [X.]B III als erzielt, wenn es zugeflossen oder nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht zugeflossen ist.

Der Bemessungszeitraum erstreckt sich hier vom 1.7.2011 bis 30.6.2012, weil beim Ausscheiden der Klägerin aus dem Beschäftigungsverhältnis von der Arbeitgeberin die Entgeltabrechnungszeiträume bis einschließlich Juni 2012 abgerechnet waren. Im Bemessungszeitraum hat die Klägerin ein [X.] von 34 913,41 Euro erzielt. Bei dem gesamten der Klägerin zugeflossenen Betrag handelt es sich um Arbeitsentgelt iS des § 151 Abs 1 [X.]B III. Die Klägerin hatte gemäß § 2 ihres Arbeitsvertrags Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt gegen die Arbeitgeberin, das ihr auch zugeflossen ist. Insoweit hatte sie zwar zunächst auf Teile des Arbeitsentgelts verzichtet, um einen Beitrag zur Stabilisierung des Arbeitsverhältnisses zu leisten. Für den Fall eines solchen Lohnverzichts kann aber arbeitsrechtlich wirksam vereinbart werden, dass [X.] wieder aufleben, wenn der Zweck des Verzichts verfehlt wird (B[X.] vom 11.6.2015 - [X.] [X.] 13/14 R - B[X.]E 119, 119 = [X.]-4300 § 131 [X.], Rd[X.] 25; vgl auch [X.] vom [X.] - 6 [X.] - [X.]E 117, 1 Rd[X.] 36). Dementsprechend war hier vereinbart worden, dass ein Teil des Anspruchs auf Arbeitsentgelt, auf den die Klägerin verzichtet hatte, für den Fall nachzuzahlen ist, dass das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen vor dem 31.12.2013 endet. Das war hier der Fall.

Der Berücksichtigung dieses Betrags als [X.] steht § 151 Abs 2 [X.] 1 [X.]B III nicht entgegen. Danach bleiben bei der Bemessung des [X.] solche Arbeitsentgelte außer Betracht, die Arbeitslose "wegen" der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten oder die im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit vereinbart worden sind. Zwischen der Zahlung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss danach ein Ursachenzusammenhang bestehen. Die Prüfung des Ursachenzusammenhangs erfolgt nach der Theorie der wesentlichen Bedingung (stRspr; B[X.] vom 2.3.2000 - B 7 [X.] 46/99 R - B[X.]E 86, 10 = [X.]-3870 § 2 [X.] 1; B[X.] vom 6.8.2014 - [X.] [X.] 16/13 R - B[X.]E 116, 272 = [X.]-3250 § 2 [X.] 6 juris, Rd[X.] 22).

Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass ohne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der zusätzliche Entgeltanspruch der Klägerin aus dem Arbeitsvertrag nicht entstanden wäre. Insofern ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine für die Entstehung des Anspruchs auf Arbeitsentgelt notwendige Bedingung. Dennoch wurde das Arbeitsentgelt nicht "wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist lediglich eine von mehreren Ursachen. Eine weitere ursächliche Bedingung liegt darin, dass [X.] "zur Kompensation des zum Zwecke der Standortsicherung erklärten Lohnverzichts" arbeitsrechtlich wieder aufgelebt sind; das Entgelt ist nach Maßgabe der arbeitsrechtlichen Vereinbarungen auch "wegen" der Erfolglosigkeit des verabredeten Lohnverzichts gezahlt worden.

Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht die im Rechtssinne "wesentliche" Ursache der Zahlung. Die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat sich am Sinn und Zweck der maßgeblichen Norm, hier des § 151 Abs 2 [X.] 1 [X.]B III, zu orientieren. Dessen Vorgängerregelung (§ 134 Abs 1 [X.]B III aF) ist geschaffen worden, um "kurzfristige Manipulationen des Arbeitsentgelts mit dem Ziel, ein höheres Arbeitslosengeld zu erzielen" zu verhindern (BT-Drucks 13/4941, 179). § 151 Abs 2 [X.] 1 [X.]B III verfolgt dieselben Zwecke, weil er im Wesentlichen der Vorgängerregelung entspricht (B[X.] vom 5.12.2006 - [X.]a [X.] 43/05 R - [X.]-4300 § 134 [X.] 1; [X.] in [X.], [X.]B III nF § 151 Rd[X.] 69, Stand 04/2014; [X.] in [X.], [X.], Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, [X.]B III § 151 Rd[X.] 8a). Mit der Regelung soll verhindert werden, dass Zahlungen wie Abfindungen, Entschädigungen, Urlaubsabgeltungen und ähnliche Leistungen als [X.] berücksichtigt werden ([X.] in [X.], [X.]B III nF § 151 Rd[X.] 87, Stand 04/2014). Deshalb wird für die Anwendbarkeit des § 151 Abs 2 [X.] 1 [X.]B III auch gefordert, die vereinbarte Zahlung müsse geeignet sein, die Bereitschaft zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu fördern ([X.], [X.]B III, 7. Aufl 2015, § 151 Rd[X.] 16).

Bei den in der Betriebsvereinbarung und im Arbeitsvertrag getroffenen arbeitsrechtlichen Regelungen ging es nicht um eine kurzfristige Manipulation von Arbeitsentgelt. Vielmehr handelt es sich um eine langfristig angelegte Vereinbarung, die gerade von der Hoffnung getragen war, den Arbeitsplatz durch Lohnverzicht erhalten zu können. Ziel der getroffenen Vereinbarungen war es, die Beendigung der Beschäftigung und den Eintritt von Arbeitslosigkeit zu verhindern. Es handelt sich also um das Gegenteil einer Förderung der Bereitschaft zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses.

Gegen die Anwendbarkeit von § 151 Abs 2 [X.] 1 [X.]B III auf die geleistete Nachzahlung spricht aus systematischer Sicht auch, dass § 151 [X.]B III in seinen Abs 1 und 2 zwischen nachträglich gezahltem Arbeitsentgelt (§ 151 Abs 1 Satz 2 Alt 1 [X.]B III) und Arbeitsentgelt, das "wegen der Beendigung der Beschäftigung" oder "im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit" vereinbart worden ist (§ 151 Abs 2 [X.] 1 [X.]B III), unterscheidet. Folglich kennt die Regelung sowohl Arbeitsentgelt, das (erst) nach der Fälligkeit des Anspruchs "bei" oder gar "nach" dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zufließt und das als [X.] berücksichtigt werden soll, als auch solches Entgelt, das Arbeitslose "wegen" der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten. Letzteres soll beim [X.] außer Betracht bleiben. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor.

Diesem Ergebnis steht das Urteil des [X.]s vom 11.6.2015 ([X.] [X.] 13/14 R - B[X.]E 119, 119) nicht entgegen. In jenem Fall war zur Arbeitsplatzsicherung ein Verzicht auf Arbeitsentgelt mit der Maßgabe vereinbart worden, dass im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers [X.] wieder aufleben. Der [X.] hatte zu klären, ob wiederaufgelebte [X.] als Teil des [X.]s zu berücksichtigen sind, obwohl sie dem Versicherten nicht zugeflossen sind (B[X.] aaO Rd[X.] 19). [X.] war insoweit § 151 Abs 1 Satz 2 Alt 2 [X.]B III, dessen zweite Voraussetzung (…"nur wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitsgebers nicht zugeflossen"…) der [X.] verneint hat (B[X.] aaO Rd[X.] 20). Der vorliegende Fall ist anders gelagert; hier geht es um die Berücksichtigung von rechtzeitig abgerechnetem und zugeflossenem Arbeitsentgelt nach Maßgabe des § 151 Abs 1 Satz 1 [X.]B III.

Die Klägerin hat darüber hinaus unter Berücksichtigung des für das Arbeitszeitguthaben nachgezahlten Entgelts auch Anspruch auf Bewilligung von [X.] nach einem [X.] von 34 988,62 Euro.

Rechtsgrundlage des Anspruchs ist insoweit § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] 1 [X.]B X iVm § 330 Abs 3 Satz 1 [X.]B III. Gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 [X.]B X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Nach § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] 1 [X.]B X "soll" der Verwaltungsakt mit Wirkung vom [X.]punkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. § 330 Abs 3 Satz 1 [X.]B III ordnet abweichend hiervon an, dass, wenn die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 [X.]B X vorliegen, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom [X.]punkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben "ist".

In den bei Erlass des [X.] vom [X.] vorliegenden tatsächlichen Verhältnissen ist im September 2012 eine wesentliche Änderung eingetreten. Die Arbeitgeberin hat der Klägerin Entgelt für Arbeitszeitguthaben ausgezahlt und bescheinigt. Die Änderung ist wesentlich, weil die maßgebliche Regelung des § 151 Abs 1 Satz 2 Alt 1 [X.]B III bestimmt, dass das Arbeitsentgelt auch als [X.] zu berücksichtigen ist, wenn der Versicherte auf dieses einen Anspruch hat und es ihm (später) zugeflossen ist (zum Anspruch auf rückwirkende Änderung nach § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] 1 [X.]B X in diesen Fällen: [X.] in [X.] [X.]B III nF § 151 Rd[X.]9, Stand 04/2014 unter Hinweis auf B[X.] vom 21.3.1996 - 11 [X.]/94 - [X.]-1300 § 48 [X.] 48, [X.]; so auch [X.] in Gagel [X.]B II/[X.]B III § 151 [X.]B III Rd[X.] 19, Stand 06/2017; kritisch zur Anwendung des § 48 [X.]B X und für § 44 [X.]B X plädierend Valgolio in [X.]/[X.], [X.]B III, § 151 Rd[X.] 53, Stand V/2017).

Der (nachträglich) gezahlte Betrag ist als [X.] zu berücksichtigen. Es handelt sich um Arbeitsentgelt, weil die Klägerin gegen die Arbeitgeberin Anspruch darauf hatte, dass ihr das Arbeitszeitguthaben im Falle der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in Entgelt ausbezahlt wird. Der Sache nach handelt es sich um einen Vergütungsanspruch für vorgeleistete Arbeit ([X.] vom 24.9.2003 - 10 [X.] [X.], [X.]E 108, 1; [X.] vom 28.7.2010 - 5 AZR 521/09 - [X.]E 135, 197). § 151 Abs 1 Satz 2 [X.]B III fordert von den Gerichten aber nicht die volle arbeitsrechtliche Prüfung, ob der Entgeltanspruch bestanden hat, vielmehr knüpft die Regelung (nur) an den Zufluss von Entgelt an (B[X.] vom [X.] [X.] 28/06 R - [X.]b 2007, 351; [X.] in [X.], [X.], Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 5. Aufl 2017, § 151 [X.]B III Rd[X.] 9), der hier vorliegt.

Damit ergibt sich folgende Berechnung des Leistungsanspruchs: Von dem [X.] in Höhe von 34 988,62 Euro sind die Sozialversicherungspauschale von [X.], Lohnsteuer nach [X.] für das [X.] und [X.] hierauf abzuziehen. Der verbleibende Betrag geteilt durch 366 Tage des Jahres 2012 ergibt das Leistungsentgelt, von dem [X.] als [X.] zu zahlen sind. Von dem sich ergebenden Anspruch auf [X.] ist der schon gezahlte Betrag von 30,73 Euro täglich abzuziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 11 AL 16/16 R

24.08.2017

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Halle (Saale), 19. November 2013, Az: S 3 AL 358/12, Urteil

§ 151 Abs 1 SGB 3, § 151 Abs 2 Nr 1 SGB 3

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 24.08.2017, Az. B 11 AL 16/16 R (REWIS RS 2017, 6168)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6168

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5 AZR 521/09

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