Bundessozialgericht, Urteil vom 05.05.2010, Az. B 11 AL 11/09 R

11. Senat | REWIS RS 2010, 6940

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Gründungszuschuss - Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit - enger zeitlicher Zusammenhang zum Bezug von Entgeltersatzleistungen - Stammrecht nicht ausreichend - konkreter Zahlungsanspruch


Leitsatz

Der Anspruch auf Gründungszuschuss verlangt keine Nahtlosigkeit, sondern lediglich einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Existenzgründung und einem vorausgehenden Arbeitslosengeldanspruch.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des [X.] auf einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab 12.10.2006.

2

Der 1964 geborene Kläger war seit 1983 als Dachdecker versicherungspflichtig beschäftigt. Nach betriebsbedingter Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2006 meldete er sich am 27.6.2006 bei der [X.] persönlich arbeitsuchend. Dabei teilte er mit, dass er sich mit einem Kollegen schnellstmöglich selbständig machen wolle. Am 28.9.2006 meldete sich der Kläger sodann mit Wirkung für den 1.10.2006 arbeitslos und beantragte für diesen [X.] ([X.]) sowie für die [X.] einen Gründungszuschuss. In der Folgezeit legte der Kläger einen Lebenslauf sowie einen Businessplan nebst [X.] vom 2.10.2006, eine positive Stellungnahme seines Steuerberaters zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 9.10.2006 und eine [X.] zum 12.10.2006 vor. Weil sich der Beginn der selbständigen Tätigkeit nach seinen Angaben auf den 12.10.2006 verschoben hatte, stellte der Kläger am [X.] einen Kurzantrag auf Weiterzahlung von [X.] ab 2.10.2006.

3

Während die Beklagte dem Kläger für den 1.10.2006 [X.] bewilligte (Bescheid vom 10.10.2006), lehnte sie die Gewährung von [X.] ab 2.10.2006 mangels Verfügbarkeit ab (Bescheid vom 15.11.2006).

4

Den Antrag auf einen Gründungszuschuss lehnte die Beklagte ebenfalls ab, weil der Kläger bis zur Aufnahme der Selbständigkeit keinen Anspruch auf [X.] gehabt habe und deshalb die Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben seien. Den Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, durch Behördengänge habe sich der geplante Beginn der selbständigen Tätigkeit verschoben, wies die Beklagte zurück (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 11.12.2006).

5

Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts vom 28.11.2007; Urteil des Landessozialgerichts <[X.]> vom 28.11.2008).

6

Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen Gründungszuschuss, weil er nicht bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf das hier als Entgeltersatzleistung allein in Betracht kommende [X.] bei Arbeitslosigkeit gehabt habe. Nach § 57 Abs 2 Satz 1 [X.] ([X.]) in der seit 1.8.2006 geltenden Fassung müsse ein Entgeltersatzanspruch unmittelbar vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit bestehen, wofür das sog Stammrecht genüge, während ein konkreter Auszahlungsanspruch nicht erforderlich sei. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Entgeltersatzanspruch und Existenzgründung - wie nach der früheren Rechtslage - reiche nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut jedoch nicht mehr aus. Da der Kläger nach seinen Angaben die selbständige Tätigkeit erst am 12.10.2006 aufgenommen habe, komme unabhängig von den Gründen der Verzögerung ein Anspruch auf einen Gründungszuschuss nur in Betracht, falls am [X.] ein Anspruch auf [X.] bestanden hätte. Das sei aber nicht der Fall, weil der Kläger ab 2.10.2006 den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht mehr zur Verfügung gestanden und sich bis zum [X.] auch nicht erneut persönlich arbeitslos gemeldet habe. Durch den Bescheid vom 15.11.2006 sei der Antrag auf [X.] ab 2.10.2006 zudem bestandskräftig abgelehnt worden. An der fehlenden Verfügbarkeit und dem Beginn der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit lasse sich auch durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nichts ändern. Unabhängig davon fehle es schon an einem Beratungsfehler.

7

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Nach Sinn und Zweck des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 [X.] reiche ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Bezug einer Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit aus. Nur diese Auslegung, der weder der Wortlaut der Vorschrift noch die [X.], werde dem Ziel der Förderung und der Realität gerecht, weil es sich bei einer Existenzgründung mit den notwendigen Vorbereitungshandlungen um einen komplexen Sachverhalt handele. Einen nahtlosen Übergang von der Arbeitslosigkeit in die Selbständigkeit zu verlangen, entspreche nicht den praktischen Erfordernissen einer Existenzgründung.

8

Der Kläger beantragt,

die Urteile des [X.] und des [X.] sowie den Bescheid der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 12.10.2006 einen Gründungszuschuss zu gewähren.

9

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ).

Ob der Kläger einen Anspruch auf einen [X.] hat, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen des [X.] nicht abschließend beantworten (hierzu unter 2). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Versagung eines [X.]es aber jedenfalls nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger für die [X.] vom 2. bis 11.10.2006 keinen Anspruch auf Zahlung von [X.] hatte (hierzu unter 1).

1. Nach § 57 [X.] in der vom 1.8.2006 bis 31.12.2007 geltenden Fassung des [X.] vom [X.] ([X.] 1706) haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur [X.] Sicherung in der [X.] nach der Existenzgründung Anspruch auf einen [X.] (Abs 1). Der [X.] wird geleistet, wenn der Arbeitnehmer [X.] bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat (Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a) und bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf [X.] von mindestens 90 Tagen verfügt (Abs 2 Satz 1 [X.]).

a) Bestehen muss zunächst ein "Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch“. Zu diesen Leistungen gehört nach § 116 [X.] (in der seit dem 1.4.2006 geltenden Fassung des [X.], [X.] 926) neben anderen Leistungen (zB Insolvenzgeld) das vom Kläger vor der Existenzgründung bezogene [X.] bei Arbeitslosigkeit. Der Begriff "Anspruch" kann bei dieser zuletzt genannten Leistung unterschiedliche Bedeutungen haben und sowohl den [X.] aus einer bestimmten Anwartschaft (sog Stammrecht) als auch die daraus resultierenden Einzelansprüche auf Zahlung von Leistungen umfassen (vgl Spellbrink in [X.], [X.], § 118 Rd[X.]3 ff, Stand September 2005).

Nach § 118 Abs 1 [X.] (in der seit 1.1.2005 geltenden Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, [X.] 2848) haben Anspruch auf [X.] bei Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der [X.] arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Der Anspruch auf [X.] bei Arbeitslosigkeit entsteht dem Grunde nach als Stammrecht im Sinne eines zu einem subjektiven Recht des Arbeitslosen verfestigten Besitzstandes regelmäßig mit dem Vorliegen der drei in § 118 Abs 1 [X.] genannten Voraussetzungen (vgl § 40 Sozialgesetzbuch Erstes Buch; [X.]/[X.], [X.] Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 10 RdNr 1). Der aus dem Stammrecht zu realisierende Einzelanspruch auf Zahlung von [X.] ist hingegen durch Leistungsantrag (vgl § 323 Abs 1 [X.] in der seit 1.1.2005 geltenden Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.] 2954) geltend zu machen und davon abhängig, dass für die konkret beanspruchte [X.] die materiellen Voraussetzungen des § 118 Abs 1 [X.] erfüllt sind.

Für den [X.]-Anspruch als Anspruch auf Entgeltersatzleistung iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a [X.] ist davon auszugehen, dass mit "Anspruch" nicht lediglich ein nach § 118 Abs 1 [X.] entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist (so wohl [X.] in NK-[X.], 3. Aufl, § 57 RdNr 36 ff; vgl auch [X.] in [X.], [X.], § 57 RdNr 54, 56, Stand März 2010). Der erkennende [X.] hat bereits zum Überbrückungsgeld nach Maßgabe des § 55a Arbeitsförderungsgesetz ([X.]) darauf hingewiesen, dass allein das Bestehen des Stammrechts auf [X.] zur Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen dieser dem [X.] vorausgehenden Förderleistung (hierzu unter b) nicht als ausreichend erachtet werden kann (vgl [X.]-4100 § 55a [X.]). Hieran ist für die neue Leistung des [X.]es festzuhalten, auch wenn es entgegen der früheren Regelung zum Überbrückungsgeld nicht mehr, auch nicht wahlweise (wie noch in § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a [X.] idF des [X.] vom [X.], [X.] 3443) auf den Leistungsbezug ankommt (vgl [X.] in NK-[X.], 3. Aufl 2008, § 57 RdNr 36). Abgesehen davon, dass die besondere vierjährige Erlöschensfrist des § 147 Abs 2 [X.] für das Stammrecht auf [X.] zu einer unterschiedlichen Behandlung der sonstigen Entgeltersatzleistungsberechtigten beim Zugang zum [X.] führen würde, hat diese Leistung den Zweck, den Lebensunterhalt zu sichern und insoweit das infolge der Existenzgründung wegfallende [X.] zu kompensieren (vgl BT-Drucks 16/1696 [X.], zu § 57 Abs 1). Ein "Anspruch" auf [X.] iS des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a [X.] in der hier anzuwendenden Fassung liegt also vor, wenn die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Zahlungsanspruchs auf die jeweilige Entgeltersatzleistung gegeben sind ([X.] in [X.], [X.], § 57 RdNr 56, Stand März 2010).

Von den materiellen Voraussetzungen ist nach den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) für das zum 1.10.2006 bewilligte [X.] auszugehen. Das ist schon wegen des für beide Beteiligte bindend gewordenen [X.] vom 10.10.2006 anzunehmen, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beklagte diese Entscheidung später revidiert hat (vgl [X.], 286 = [X.] 4100 § 134 [X.]). Zweifeln daran, ob die Bewilligung rechtmäßig war oder ob der Kläger am 1.10.2006 das für die Arbeitslosigkeit im Sinne des Leistungsrechts [X.] erforderliche Merkmal der Verfügbarkeit nicht erfüllte, weil er nach seiner damaligen Planung bereits am folgenden Tag eine selbständige Tätigkeit aufnehmen wollte, muss daher an dieser Stelle nicht nachgegangen werden (vgl BSG aaO).

b) Die des Weiteren in § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a [X.] normierte Voraussetzung eines Anspruchs auf Entgeltersatzleistungen nach dem [X.] "bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit“ scheitert entgegen der Annahme der Beklagten nicht daran, dass der Kläger lediglich für den 1.10.2006, nicht aber für die anschließende [X.] vom 2.10. bis 11.10.2006 einen konkreten Zahlungsanspruch auf [X.] hatte. Selbst wenn sich die Aufnahme der Tätigkeit (hierzu Urteil des erkennenden [X.]s vom [X.] [X.] 28/09 R, zur [X.] vorgesehen) des [X.] als selbständiger Baudienstleister damit vom 2.10. auf den 12.10.2006 verschoben haben sollte, stand die Existenzgründung in dem erforderlichen zeitlichen Zusammenhang zum [X.]-Anspruch. Denn die gesetzliche Regelung verlangt keine Nahtlosigkeit zwischen Existenzgründung und vorausgehendem [X.]-Anspruch, sondern lediglich einen engen zeitlichen Zusammenhang. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Rechtsentwicklung der Förderleistung, welche das bis zum 3[X.] geregelte Überbrückungsgeld und den zum [X.] vorübergehend eingeführten [X.] (sog Ich-AG, hierzu näher [X.], 224 = [X.] 4-4300 § 421l [X.]) zum 1.8.2006 abgelöst hat.

aa) Bis zum 3[X.] bestimmte § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a [X.], dass Überbrückungsgeld geleistet wird, wenn der Arbeitnehmer [X.] in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch bezogen hat oder einen Anspruch darauf hätte. Eine ähnliche Regelung enthielt für den [X.] § 421l [X.], der vom [X.] an allerdings nur noch auf Altfälle anwendbar war (§ 421l Abs 5 [X.] idF des [X.] [X.] und anderer Gesetze vom 22.12.2005, [X.] 3676). Nach § 421l Abs 1 Satz 2 Nr 1 [X.] wird dieser Zuschuss geleistet, wenn der Existenzgründer [X.] in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem [X.] bezogen hat.

Der Übergang von der Formulierung "in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme" zu der Wendung "bis zur Aufnahme" wird in der Literatur allerdings überwiegend so verstanden, dass die seit 1.8.2006 geltende Rechtslage jede zeitliche Lücke zwischen dem Bestehen eines Anspruchs auf Entgeltersatzleistungen und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ausschließt ([X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand Dezember 2009, § 57 RdNr 14; [X.] in Niesel, [X.], 4. Aufl, § 57 RdNr 5; [X.] in [X.], [X.], § 57 RdNr 54, Stand März 2010; [X.] in Gagel, [X.], § 57 RdNr 15, Stand Dezember 2006; wohl ebenfalls für Nahtlosigkeit [X.] in GK-[X.], § 57 RdNr 38, Stand Dezember 2006). Ausgehend von der primär arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung der Förderung von Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit (BT-Drucks 16/1696 [X.], zu § 57 Abs 1) gebietet der Wortlaut im historischen Gesamtzusammenhang der Regelung indessen keine Auslegung des § 57 Abs 2 Satz 1 Nr 1 Buchst a [X.] dahingehend, dass ein [X.] nur zu gewähren ist, falls der Existenzgründer bis zum letzten Tag vor der Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit einen Leistungsanspruch auf Zahlung von [X.] hatte (vgl Voelzke in [X.], Personalbuch 2009, [X.] <210> RdNr 17).

bb) Die vom Gesetzgeber bei der Einführung des [X.]es gewählte Formulierung ist nicht neu. Denn bis zum 31.12.1997 bestimmte schon § 55a Abs 1 Satz 1 [X.], dass Arbeitslosen bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 18 Stunden Überbrückungsgeld gewährt werden kann, wenn der Arbeitslose [X.] "bis zur Aufnahme" dieser Tätigkeit mindestens vier Wochen [X.] oder [X.] bezogen hat. Bei der Einführung des [X.] wurde diese Regelung ohne wesentliche Änderung übernommen, denn nach § 57 Abs 2 Nr 1 Buchst a [X.] in der ab 1.1.1998 geltenden Fassung des [X.] ([X.]) vom [X.] ([X.] 544) konnte Überbrückungsgeld geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer [X.] "bis zur Aufnahme" der selbständigen Tätigkeit mindestens vier Wochen [X.], [X.] oder Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit bezogen hat.

Nach der Rechtsprechung des [X.]s zu § 55a [X.] ([X.]-4100 § 55a [X.] und 4) war aus der Formulierung "bis zur Aufnahme" entgegen dem Standpunkt der damaligen [X.] bereits im Geltungsbereich des [X.] nicht ohne Ausnahme zu schließen, dass sich der Übergang vom Leistungsbezug zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit nahtlos vollziehen muss. Eine enge wörtliche Auslegung hat der [X.] abgelehnt, weil sie unter Umständen Ergebnisse zur Folge gehabt hätte, die nicht dem Gesetzeszweck entsprechen, durch die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Fortdauer von Arbeitslosigkeit zu verhüten und im Interesse der Versichertengemeinschaft künftige Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Kurzfristige Unterbrechungen des Leistungsbezugs unmittelbar vor der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit wurden daher jedenfalls unter der Voraussetzung als unschädlich angesehen, dass aus dem erhalten gebliebenen Stammrecht in der Zukunft noch weiterhin Leistungsansprüche realisiert werden könnten, falls die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nicht stattfände ([X.]-4100 § 55a [X.] S 12). Einen noch ausreichenden zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Leistungsbezug und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit hat der [X.] bejaht, wenn die Unterbrechung des Leistungsbezugs die Dauer einer Sperrzeit wegen Ablehnung eines Arbeitsangebots nicht überstieg ([X.]-4100 § 55a [X.]).

Hieran anschließend wurden durch das [X.] zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze (2. [X.]-ÄndG) vom 21.7.1999 ([X.] 1648) in § 57 Abs 2 Nr 1 [X.] mit Wirkung ab 1.8.1999 die Worte "bis zur Aufnahme" durch die Umschreibung "in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme" ersetzt, was bis zum 3[X.] beibehalten wurde. Der Gesetzgeber des 2. [X.]-ÄndG verstand diese Änderung des [X.] nicht als Ausdruck einer sachlichen Neuregelung, sondern nur als "Klarstellung", dass ([X.]) zwischen dem vorherigen Leistungsbezug und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit "ein Übergangszeitraum (etwa ein Monat)" liegen dürfe. Zur Begründung dafür hieß es, eine als absolut verstandene Unmittelbarkeit des Übergangs werde den praktischen Erfordernissen bei der Existenzgründung, die keinen punktuellen Vorgang darstelle, nicht gerecht (BT-Drucks 14/873 S 12; vgl aber weitergehend BT-Drucks 15/1515 [X.] zur Unmittelbarkeit iS eines [X.]raums von nicht mehr als einem Monat etwa bei § 28a [X.]; auch BSG [X.] 4-4300 § 26 [X.] zu § 26 Abs 1 [X.] Buchst b [X.] aF). Eine vergleichbare Regelung wurde deshalb auch in die ne[X.]rtige Leistung des [X.]es nach § 421l Abs 1 Satz 2 Nr 1 [X.] übernommen, die durch das [X.] für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom [X.] ([X.] 4621) vorübergehend (vgl § 421l Abs 5 [X.]) zum [X.] eingeführt wurde. Auch dieser Zuschuss wird bereits geleistet, wenn der Existenzgründer [X.] "in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme" der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem [X.] bezogen hat. Eines unmittelbar vorausgehenden Bezugs von Entgeltersatzleistungen bedarf es demgegenüber hier ebenfalls nicht, weil ausweislich der Gesetzesbegründung kurze Phasen der Vorbereitung auf die Selbständigkeit, zB eine Teilnahme an Existenzgründerseminaren, für einen erfolgreichen Übergang sinnvoll sein können (BT-Drucks 15/26 S 22 f). Trotz der partiell abweichenden Formulierung gilt dies in gleicher Weise für den [X.]. Denn es handelt es sich um eine aus Elementen des Überbrückungsgeldes und des Eingliederungszuschusses zusammengefügte Leistung, welche inhaltlich an § 57 [X.] und § 421l [X.] in der zum [X.]punkt ihrer Normierung maßgeblichen Fassung anknüpft (vgl auch [X.], NJW 2009, 8, 9). Dementsprechend weisen die Materialien ausdrücklich darauf hin, dass [X.] mit § 57 Abs 2 Nr 1 [X.] "notwendige und bewährte Voraussetzungen der bisherigen Regelungen übernommen" werden (BT-Drucks 16/1696 [X.], zu § 57 Abs 2).

cc) Die zum "engen zeitlichen Zusammenhang" beim Überbrückungsgeld ergangene Entscheidung des 11a. [X.]s vom 21.3.2007 - B 11a [X.] 11/06 R (= [X.] 4-4300 § 57 [X.]) ist damit für den Gründungzuschuss insoweit von Bedeutung, als der zeitliche Zusammenhang zwischen der Entgeltersatzleistung und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit weiterhin unverändert zu bestimmen ist. Der 11a. [X.] hat in der genannten Entscheidung zwar offen gelassen, ob für den erforderlichen Zusammenhang ein fester zeitlicher Rahmen vorgegeben werden muss, jedoch angenommen, dass die Wendung "in engem zeitlichen Zusammenhang" das Bestehen einer zeitlichen Lücke zwischen Leistungsbezug und Aufnahme der selbständigen Tätigkeit sogar nahe legt und sich an dem in der Gesetzesbegründung zum 2. [X.]-ÄndG angeführten [X.]raum von etwa einem Monat orientiert (BSG [X.] 4-4300 § 57 [X.] RdNr 11, 15). Dieser [X.]raum ist ausgehend von den für den erkennenden [X.] bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des [X.] bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 12.10.2006 in jedem Fall gewahrt.

c) Da dem Kläger für den 1.10.2006 [X.] mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen zuerkannt, aber antragsgemäß lediglich für einen Tag [X.] ausgezahlt worden ist, bestand zugleich ein "Restanspruch" mit einer Dauer von mindestens 90 Tagen bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 12.10.2006 (§ 57 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]), welcher sich ggf um die Anzahl von Tagen mit Anspruch auf [X.] mindert (vgl § 128 Abs 1 Nr 9 [X.] idF des [X.], aaO). Auf die Übergangsvorschrift zu der genannten Voraussetzung eines Restanspruchs von mindestens 90 Tagen (§ 434o [X.]) kommt es nach den Umständen des Falles somit nicht an.

2. Unabhängig davon lässt sich aber derzeit noch nicht abschließend beurteilen, ob dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf den [X.] zusteht. Denn das [X.] hat - von seinem Standpunkt konsequent - noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger durch die Aufnahme einer selbständigen und hauptberuflichen Tätigkeit seine Arbeitslosigkeit beendet hat (§ 57 Abs 1 [X.]). Dabei wird - ausgehend vom aufgezeigten Sinn und Zweck des Förderinstruments (hierzu unter 1) - zu beachten sein, dass für das Merkmal der Beendigung von "Arbeitslosigkeit" iS des § 57 Abs 1 [X.] grundsätzlich [X.] beendet worden sein muss (vgl [X.] in [X.], [X.], § 57 Rd[X.]9, Stand März 2007; weitergehend Voelzke in [X.], Personalbuch 2009, [X.] <210> RdNr 15, und [X.] in Niesel, [X.], 4. Aufl, § 57 RdNr 7). Insbesondere fehlt es bislang aber an ausreichenden tatrichterlichen Feststellungen zur Tragfähigkeit (§ 57 Abs 2 Satz 1 Nr 3 [X.]) sowie ferner dazu, ob und wann der Kläger seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit dargelegt hat (§ 57 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]). Im Gegensatz zur früheren Rechtslage statuiert das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (aaO) dabei zum einen ein Nachweiserfordernis der objektiven Tragfähigkeit und zum anderen eine Darlegungslast des Existenzgründers hinsichtlich seiner subjektiven Eignung (vgl [X.]/Kranz, Der [X.] für Existenzgründer, 2007, RdNr 106 ff, 111 ff).

3. Bei der erneuten Entscheidung wird das [X.] auch darüber zu befinden haben, inwieweit außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten sind.

Meta

B 11 AL 11/09 R

05.05.2010

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Mannheim, 28. November 2007, Az: S 7 AL 80/07, Urteil

§ 57 Abs 2 S 1 Nr 1 Buchst a SGB 3 vom 20.07.2006, § 421l SGB 3, § 55a AFG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 05.05.2010, Az. B 11 AL 11/09 R (REWIS RS 2010, 6940)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6940

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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