Bundessozialgericht, Urteil vom 22.09.2022, Az. B 11 AL 32/21 R

11. Senat | REWIS RS 2022, 5679

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Gegenstand

Bemessung des Arbeitslosengeldes - Mindestbemessungsentgelt - Arbeitslosengeldvorbezug - Gleichwohlgewährung - rechtswidrig festgesetztes Bemessungsentgelt - Bestandsschutz


Leitsatz

Als Bemessungsentgelt ist auch dann mindestens das Entgelt zugrunde zu legen, nach dem in den letzten zwei Jahren bezogenes Arbeitslosengeld bemessen worden ist, wenn diese frühere Bemessung unzutreffend war, aber Bestand hat.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 31. Mai 2021 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld [X.]) für die [X.] vom 4.3. bis zum [X.] unter Berücksichtigung des [X.] aus einem früher erworbenen Anspruch.

2

Der damalige Arbeitgeber kündigte das Beschäftigungsverhältnis des [X.] fristlos zum 16.5.2014. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und meldete sich am 21.5.2014 arbeitslos. Die Beklagte bewilligte vorläufig [X.] ab dem 21.5.2014 (Bescheid vom 13.6.2014). Am 18.6.2014 nahm der Arbeitgeber die fristlose Kündigung zurück, woraufhin der Kläger seine Arbeit wieder aufnahm. Die Beklagte hob die Bewilligung des [X.] ab 18.6.2014 wieder auf (Bescheid vom 18.6.2014). Sodann bewilligte die Beklagte dem Kläger endgültig [X.] für die [X.] vom 21.5. bis zum 17.6.2014 auf der Grundlage eines täglichen [X.] iHv 143,70 [X.] (Bescheid vom 20.6.2014).

3

Der Kläger bezog vom 7.10.2014 - unterbrochen im Mai und Juni 2015 wegen Zahlung von Übergangsgeld - bis zur Anspruchserschöpfung am [X.] Krankengeld. Zum [X.] meldete er sich arbeitslos und beantragte [X.], das die Beklagte vom [X.] bis zum 30.11.2016 auf der Grundlage eines täglichen [X.] von 116,82 [X.] bewilligte (Bescheid vom 12.4.2016).

4

Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, dem Anspruch auf [X.] ab [X.] sei das [X.] aus dem Bescheid vom 20.6.2014 zugrunde zu legen.

5

Am [X.] nahm der Kläger wieder eine Beschäftigung auf. Die Beklagte bewilligte ihm [X.] aufgrund eines täglichen [X.] iHv 128,36 [X.] für die [X.] vom 4.3. bis [X.] (Änderungsbescheid vom [X.], [X.] vom [X.] und Änderungsbescheid vom 9.5.2016).

6

Den Widerspruch des [X.] wies die Beklagte als im Übrigen unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom [X.]). Das [X.] iHv 128,36 [X.] sei als Grundlage für die Höhe des [X.] zutreffend ermittelt worden. Zwar habe der Kläger innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Entstehung des Leistungsanspruchs [X.] nach einem [X.] iHv 143,70 [X.] erhalten. Grundsätzlich sei dieses Entgelt nach Maßgabe des § 151 Abs 4 [X.] zugrunde zu legen. Allerdings sei dieses [X.] nicht richtig berechnet worden. Das richtige [X.] hätte 128,36 [X.] täglich betragen müssen. Demzufolge sei der Bescheid vom 13.6.2014 materiell rechtswidrig gewesen. Die Bestandsschutzregelung des § 151 Abs 4 [X.] binde nicht an eine rechtswidrige Bemessung des Vorbezugs.

7

Das [X.] hat die angefochtenen Bescheide der [X.] geändert und diese verurteilt, dem Kläger höheres [X.] nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ab [X.] nach einem täglichen [X.] iHv 143,70 [X.] zu gewähren (Gerichtsbescheid vom 4.10.2017).

8

Gegen den ihr am 26.10.2017 zugestellten Gerichtsbescheid des [X.], in dem dieses über das Rechtsmittel der Berufung belehrt hat, hat die Beklagte am 24.11.2017 Berufung eingelegt, die sie nach einem Hinweis des L[X.] auf die Zulassungsbedürftigkeit der Berufung zurückgenommen hat. Auf die am 18.5.2018 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der [X.] hat das L[X.] die Berufung zugelassen (Beschluss vom [X.]). Im sich anschließenden Berufungsverfahren hat die Beklagte die angefochtenen Bescheide geändert und [X.] auf der Grundlage eines [X.] iHv 129,43 [X.] bewilligt (Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 31.5.2021).

9

Das L[X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 31.5.2021). Auch ein rechtswidrig zu hoch festgesetztes [X.] entfalte im Rahmen des § 151 Abs 4 [X.] Bindungswirkung, solange und soweit der frühere Bewilligungsbescheid hinsichtlich der Höhe des [X.] nicht mit Wirkung für die Vergangenheit oder die Zukunft aufgehoben worden sei.

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 151 Abs 4 [X.]. Diese Regelung stelle nicht auf ein rechtswidrig zu hoch festgesetztes, sondern auf das tatsächlich zutreffende Arbeitsentgelt ab.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 31. Mai 2021 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 4. Oktober 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision der [X.] zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die Berufungsentscheidung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen, nachdem das [X.] die Beklagte zur Gewährung von [X.] für die [X.] vom 4.3. bis [X.] unter Berücksichtigung des [X.], das dem Bewilligungsbescheid vom 20.6.2014 zugrunde gelegt worden war, verurteilt hatte.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom [X.] in der Fassung der Änderungs- bzw Aufhebungsbescheide vom [X.], [X.] und [X.] (§ 86 Halbsatz 1 [X.]G) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 [X.]G) und in der Fassung des mündlichen Verwaltungsakts vom 31.5.2021 (§ 153 Abs 1 iVm § 96 Abs 1 [X.]G). Die Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.], dass sie im Wege des [X.] die angefochtenen Bescheide dahingehend abändere, dass als [X.] ein Betrag von 129,43 [X.] zugrunde gelegt werde, stellt einen solchen mündlichen Verwaltungsakt dar (zu einer anderen Konstellation vgl B[X.] vom [X.] - B 14 [X.]/20 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]2).

2. Der Sachentscheidung des [X.] stand nicht entgegen, dass die Beklagte ihre zunächst eingelegte Berufung zurückgenommen hatte. Zwar bewirkt die Zurücknahme der Berufung den Verlust des Rechtsmittels (§ 156 Abs 3 Satz 1 [X.]G). Ein Beteiligter, der eine Berufung zurücknimmt, kann diese dann nicht erneut einlegen, auch wenn die Berufungsfrist noch nicht verstrichen ist (B[X.] vom 26.4.1963 - 2 [X.] 56/62 - B[X.]E 19, 120 [120 ff] = [X.] [X.] zu § 156 [X.]G = juris Rd[X.]3 ff; B[X.] vom 17.4.1970 - 10 RV 411/67 - juris Rd[X.]6). Nimmt - wie hier die Beklagte - ein Beteiligter allerdings eine zulassungsbedürftige, aber (noch) nicht zugelassene Berufung zurück und erreicht anschließend im Wege der - aufgrund der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung des [X.] noch fristgerechten - Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich die Zulassung der Berufung, verdrängt diese [X.] durch das [X.] die Wirkung des Rechtsmittelverlusts der (ersten) Berufungsrücknahme. Die Regelung des § 145 Abs 5 [X.]G, nach der das Beschwerdeverfahren nach der [X.] durch das [X.] als Berufungsverfahren fortgesetzt wird, geht § 156 Abs 3 Satz 1 [X.]G vor (B[X.] vom 15.2.2000 - [X.] [X.] 79/99 R - juris Rd[X.]5; B[X.] vom [X.] AY 9/07 R - juris Rd[X.]1; jeweils zum identischen § 156 Abs 2 Satz 1 [X.]G aF).

3. a) Zu Recht sind die Beklagte und die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf [X.] für die [X.] vom 4.3. bis [X.] hat. Die - auch in einem Höhenstreit stets zu prüfenden (stRspr; vgl nur B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 18/18 R - [X.] 4-4300 § 151 [X.] Rd[X.]0 mwN; zuletzt etwa B[X.] vom 25.5.2022 - [X.] [X.] 8/21 R - Rd[X.]2 - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) - Anspruchsvoraussetzungen für [X.] liegen dem Grunde nach vor. Der Anspruch auf [X.] bei Arbeitslosigkeit setzt gemäß § 137 [X.]B III (anwendbar ist hier das [X.]B III in der seit dem 1.4.2012 geltenden Fassung des [X.], [X.]) voraus, dass der Arbeitnehmer (1.) arbeitslos ist, (2.) sich bei der [X.] arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Der Kläger hat sich zum [X.] persönlich arbeitslos gemeldet (§ 141 [X.]B III). Er war auch beschäftigungslos (§ 138 Abs 1 [X.] [X.]B III). Dass der Kläger nach den Feststellungen des [X.] im streitigen [X.]raum arbeitsunfähig war und daher möglicherweise der Arbeitsvermittlung objektiv nicht zur Verfügung stand, sodass er allein deswegen nicht arbeitslos war (§ 138 Abs 1 Nr 3 [X.]B III), ist unschädlich, weil nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] die Voraussetzungen des § 145 Abs 1 Satz 1 [X.]B III für eine Nahtlosgewährung vorlagen. Soweit die Voraussetzungen des § 145 Abs 1 Satz 1 [X.]B III erfüllt sind, wird hierdurch auch bewirkt, dass die Voraussetzung des § 138 Abs 1 [X.] [X.]B III ([X.]) ebenfalls nicht erfüllt sein muss (vgl [X.] in [X.]Voelzke, jurisPK-[X.]B III, 2. Aufl 2019, § 145 RdNr 36; [X.] in Eicher/[X.], [X.]B III nF, § 145 RdNr 35, Stand Juli 2013; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B III, § 145 RdNr 39, Stand September 2019).

Der Kläger erfüllt auch die Anwartschaftszeit. Diese hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 142 Abs 1 [X.]B III). Die Rahmenfrist beträgt im Grundsatz zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf [X.] (§ 143 Abs 1 [X.]B III in der vom 1.4.2012 bis 31.12.2019 geltenden Fassung des [X.], [X.]). Danach verläuft die Rahmenfrist hier vom 4.3.2014 bis [X.]. Der Kläger stand in dieser [X.] schon aufgrund des sich unmittelbar an seine versicherungspflichtige Beschäftigung anschließenden Bezugs von Krankengeld (vom 7.10.2014 - unterbrochen im Mai und Juni 2015 - bis [X.]) mehr als zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis (§ 26 Abs 2 [X.] [X.]B III).

b) Zu Unrecht hat die Beklagte das [X.] nur auf der Grundlage eines [X.] iHv 129,43 [X.] gewährt. Vielmehr war nach § 151 Abs 4 [X.]B III ein [X.] iHv 143,70 [X.] täglich zu berücksichtigen.

Die Höhe des [X.] bestimmt sich nach § 149 [X.]B III, wonach das [X.] für Arbeitslose, abhängig davon, ob sie ein Kind iS des § 32 Abs 1, 3 bis 5 EStG haben, 60 % (allgemeiner Leistungssatz) oder 67 % (erhöhter Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt) beträgt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat ([X.]). Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltzeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen (§ 150 Abs 1 [X.]B III). Das [X.] ist das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (§ 151 Abs 1 Satz 1 [X.]B III). Haben Arbeitslose aber innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs [X.] bezogen, ist [X.] mindestens das Entgelt, nach dem das [X.] zuletzt bemessen worden ist (§ 151 Abs 4 [X.]B III).

Im vorliegenden Fall ist das [X.] nach § 151 Abs 4 [X.]B III zu bestimmen, da dessen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind (dazu (1)). Zu Recht ist das [X.] von der Rechtsfolge ausgegangen, dass das [X.] zu berücksichtigen ist, welches bei der Bewilligung des [X.] für die [X.] ab dem 21.5.2014 zugrunde gelegt worden ist, unabhängig davon, ob diese Bewilligung der Höhe und dem Grunde nach rechtmäßig war (dazu (2)).

(1) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 151 Abs 4 [X.]B III sind jedenfalls dann erfüllt, wenn innerhalb des [X.] vor der Entstehung des [X.]-Anspruchs [X.] aufgrund entsprechender Bewilligung tatsächlich an den Betroffenen ausgezahlt worden ist (vgl zum Begriff "beziehen" in § 26 Abs 2 [X.]B III Schneil in BeckOGK Sozialrecht, § 26 [X.]B III Rd[X.]4, Stand Dezember 2021; [X.] in Eicher/[X.], [X.]B III nF, § 26 Rd[X.]00, Stand März 2019; [X.] in [X.]Voelzke, jurisPK-[X.]B III, 2. Aufl 2019, § 26 Rd[X.]8; vgl zum Anwendungsbereich im Übrigen B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 18/18 R - [X.] 4-4300 § 151 [X.] Rd[X.]7 ff; B[X.] vom 25.5.2022 - [X.] [X.] 8/21 R - Rd[X.]6 ff - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat im maßgeblichen [X.] (4.3.2014 bis [X.]) [X.] bezogen, denn ihm wurde aufgrund des Bescheids vom 20.6.2014 für die [X.] vom 21.5. bis 17.6.2014 [X.] ausgezahlt. [X.] ist, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Fall der Gleichwohlgewährung nach § 157 Abs 3 [X.]B III gehandelt hat (vgl [X.] in Eicher/[X.], [X.]B III nF, § 151 Rd[X.]10, Stand März 2019; [X.]/[X.]-De Caluwe/[X.], [X.]B III, 7. Aufl 2021, § 151 Rd[X.]7), dass also der [X.]-Anspruch wegen eines Arbeitsentgeltanspruchs gegen den Arbeitgeber ruhte, aber dennoch zur Auszahlung gelangte; auch in einer solchen Konstellation wird [X.] "bezogen". Bei der Gleichwohlgewährung handelt es sich nicht um eine "besondere Art" von [X.], sondern lediglich um eine Ausnahme von dem Ruhenstatbestand des § 157 Abs 1 [X.]B III ([X.], [X.], 1380 [1382]). Seine Bewilligung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats endgültig und bleibt selbst dann rechtmäßig, wenn der Arbeitgeber der [X.] die geleisteten Zahlungen später vollständig erstattet (vgl nur B[X.] vom 11.12.2014 - [X.] [X.] 2/14 R - [X.] 4-4300 § 124 [X.] RdNr 30 ff mwN). Wie der Gesetzgeber inzwischen klargestellt hat, entfällt in einem solchen Fall lediglich die Minderung der Anspruchsdauer (§ 148 Abs 3 [X.]B III idF des [X.] vom [X.], [X.] 1710; dazu BT-Drucks 18/8042 S 28).

(2) Als Rechtsfolge des § 151 Abs 4 [X.]B III ist mindestens auf das Entgelt abzustellen, nach dem das [X.] zuletzt bemessen worden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Bewilligung dem Grunde oder der Höhe nach rechtmäßig war (ebenso [X.] Berlin-Brandenburg vom 19.12.2018 - L 18 [X.] 56/17 - juris RdNr 30; [X.] in Eicher/[X.], [X.]B III nF, § 151 Rd[X.]12, Stand März 2019; [X.] in [X.]Voelzke, jurisPK-[X.]B III, 2. Aufl 2019, § 151 RdNr 32; [X.], [X.]B III, 9. Aufl 2021, § 151 Rd[X.]2; [X.]/[X.] in Böttiger/[X.]/[X.], [X.]B III, 3. Aufl 2019, § 151 Rd[X.]0; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B III, § 151 RdNr 84, Stand Juni 2021; aA [X.] Schleswig-Holstein vom 26.9.2008 - L 3 [X.] 81/07 - juris Rd[X.]1; [X.]/[X.]-De Caluwe/[X.], [X.]B III, 7. Aufl 2021, § 151 Rd[X.]5; [X.] in BeckOGK Sozialrecht, § 151 [X.]B III Rd[X.]3, Stand März 2022; ambivalent [X.] in Knickrehm/[X.]/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 7. Aufl 2021, § 151 Rd[X.]2).

Nach Auffassung des Senats ist bereits der Wortlaut des § 151 Abs 4 [X.]B III eindeutig. Er stellt nicht auf das Entgelt ab, nach dem das [X.] zuletzt zu bemessen "war", sondern auf das Entgelt, nach dem das [X.] zuletzt bemessen worden "ist" (vgl B[X.] vom 18.10.1991 - 9b [X.] - [X.] 3-4100 § 44 [X.] f = juris Rd[X.]3 zu § 44 Abs 3 [X.] in der vom [X.] bis 31.12.1997 geltenden Fassung [Bemessung des Unterhaltsgelds nach Bezug von [X.] oder Arbeitslosenhilfe]; B[X.] vom 19.3.1998 - [X.] [X.] 86/96 R - [X.] 3-4100 § 112 [X.]9 S 135 ff = juris Rd[X.]8 ff zu § 112 Abs 5 [X.] in der vom [X.] bis 31.12.1997 geltenden Fassung [Bemessung des [X.] nach Bezug von Unterhaltsgeld]; anders aufgrund bereichsspezifischer entstehungsgeschichtlicher und systematischer Erwägungen B[X.] vom 29.6.2000 - [X.] [X.] 89/99 R - [X.] 3-4100 § 136 [X.] ff = juris Rd[X.]6 ff und B[X.] vom 21.10.2003 - [X.] [X.] 4/03 R - [X.] 4-4300 § 200 [X.] Rd[X.]5 = juris Rd[X.]5 zu § 136 Abs 2 Satz 1 [X.] in der vom [X.] bis 31.12.1997 geltenden Fassung bzw § 200 Abs 1 Satz 1 [X.]B III in der vom [X.] bis 31.12.2000 geltenden Fassung [Bemessung der Arbeitslosenhilfe nach vorherigem Bezug von [X.]]). Es wäre dem Gesetzgeber ohne Weiteres möglich, durch eine andere Formulierung des Normtexts den Bestandsschutz auf die Höhe des rechtmäßigen [X.] zu begrenzen.

Diese Auslegung wird nach Auffassung des Senats auch durch den in den entstehungsgeschichtlichen Materialien verlautbarten Sinn und Zweck des § 151 Abs 4 [X.]B III gestützt. § 151 Abs 4 [X.]B III entspricht dem bis zum [X.] geltenden § 131 Abs 4 [X.]B III. Jene Vorschrift ist zum 1.1.2004 durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 ([X.] 2848) eingefügt worden und geht auf § 133 Abs 1 [X.]B III idF des [X.] vom [X.] ([X.] 594) zurück. Die damals vorgenommene Ergänzung der Bemessungsvorschriften um eine Bestandsschutzregelung ist damit begründet worden, dass Arbeitslose, die ihre Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer Beschäftigung beenden, in der sie ein geringeres Entgelt erzielen, als es der Bemessung des [X.] zugrunde lag, vor Nachteilen bei erneutem Beschäftigungsverlust geschützt werden sollten; zudem sollten Hemmnisse, die einer Rückkehr in das Erwerbsleben entgegenstehen könnten, beseitigt werden (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 18.6.1996, BT-Drucks 13/4941 [X.]). Die Regelung will Arbeitslose also motivieren, auch geringer entlohnte Beschäftigungen aufzunehmen (B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 18/18 R - [X.] 4-4300 § 151 [X.] Rd[X.]1; B[X.] vom 25.5.2022 - [X.] [X.] 8/21 R - Rd[X.]0 - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Dieser Zweck wird gerade dann erreicht, wenn die Bezieher von [X.] sich ohne Einschränkungen bei ihrer Lebensplanung darauf einstellen und davon ausgehen können, dass sich das ihnen bei erneuter Arbeitslosigkeit als Entgeltersatzleistung zustehende [X.] weiterhin nach dem Arbeitsentgelt richtet, das der bisherigen Leistung zugrunde gelegen hat. Die hier gefundene Auslegung führt schließlich auch zur Verwaltungsvereinfachung, die das generelle Ziel der Neuregelung der Bemessungsvorschriften ab dem 1.1.2005 war (vgl Begründung des Entwurfs eines [X.] am Arbeitsmarkt vom 5.9.2003, BT-Drucks 15/1515 S 1 f, 71 ff). Denn es bedarf danach im Rahmen des § 151 Abs 4 [X.]B III keiner Überprüfung, ob eine bindende Leistungsbewilligung dem Grunde und der Höhe nach zutreffend gewesen ist.

Ob diese Zwecke in jedem Einzelfall erreicht werden, ist für die notwendigerweise abstrakte Auslegung der Norm ohne Bedeutung. Dass der Zweck des § 151 Abs 4 [X.]G, Arbeitslose zu motivieren, auch geringer entlohnte Beschäftigungen aufzunehmen (B[X.] vom [X.] - [X.] [X.] 18/18 R - [X.] 4-4300 § 151 [X.] Rd[X.]1; B[X.] vom 25.5.2022 - [X.] [X.] 8/21 R - Rd[X.]0 - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen), im vorliegenden Fall möglicherweise nicht erreicht werden konnte, falls der Kläger noch gar nicht vor der Entscheidung stand, ob er eine andere, ggf geringer entlohnte Beschäftigung aufnehmen soll (vgl zu den Obliegenheiten während eines Kündigungsschutzprozesses aber Meßling in Ascheid/Preis/[X.], Kündigungsrecht, 6. Aufl 2021, 3. Teil A, Vorbemerkung, Rd[X.]7), ist daher unbeachtlich.

(3) Da der Bewilligungsbescheid vom 20.6.2014 nicht aufgehoben oder abgeändert worden ist, haben [X.] und [X.] zu Recht auf das [X.] abgestellt, das der [X.]-Bewilligung im Bescheid vom 20.6.2014 zugrunde lag, also ein [X.] iHv 143,70 [X.]. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] liegt dieser Betrag über dem [X.], das ohne Anwendung des § 151 Abs 4 [X.]G zugrunde zu legen wäre, und ist daher maßgeblich.

4. [X.] beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1 [X.]G.

Söhngen                [X.]                Burkiczak

Meta

B 11 AL 32/21 R

22.09.2022

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Detmold, 4. Oktober 2017, Az: S 4 AL 206/16, Gerichtsbescheid

§ 151 Abs 4 SGB 3, § 157 Abs 3 SGB 3

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 22.09.2022, Az. B 11 AL 32/21 R (REWIS RS 2022, 5679)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5679

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