Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 31.05.2021, Az. 1 BvR 794/21

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2021, 5417

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Erfolgloser Eilantrag gegen Viertes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite ("Bundesnotbremse"; hier ua: ortsnähere Entscheidungen über pandemiebedingte Einschränkungen, Erhöhung der Zahl verfügbarer Intensivbetten) - strenge Darlegungsanforderungen für Anträge auf Außervollzugsetzung eines Gesetzes nicht erfüllt


Tenor

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.

Gründe

1

Die Voraussetzungen zum Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

I.

2

Die Beschwerdeführenden zielen darauf, dass die Maßnahmen der sogenannten [X.] zur Bekämpfung der Corona-[X.] erst dann gelten, wenn und soweit zuvor die nach Landesrecht zuständige Behörde für den jeweiligen Landkreis oder die kreisfreie Stadt unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten ihre Verhältnismäßigkeit festgestellt und ihre Geltung durch Allgemeinverfügung angeordnet hat. Außerdem soll die Bundesregierung verpflichtet werden, kurzfristig einen Plan zur Erhöhung der Zahl der verfügbaren Intensivbetten und des dafür benötigten Pflegepersonals vorzulegen.

II.

3

Die hier zu entscheidenden Eilanträge sind abzulehnen.

4

1. Nach § 32 Abs. 1 [X.] kann das [X.] im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Wegen der meist weittragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsrechtlichen Verfahren auslöst, gilt für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 [X.] ein strenger Maßstab, der sich noch erhöht, wenn - wie hier - der Vollzug eines Gesetzes ausgesetzt werden soll (vgl. [X.] 140, 99 <106 f. Rn. 12>; [X.], Beschluss des [X.] vom 5. Mai 2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, Rn. 20; Beschluss der [X.] des [X.] vom 20. Mai 2021 - 1 BvR 968/21 u.a. - Rn. 7 f.; Beschluss der [X.] des [X.] vom 20. Mai 2021 - 1 BvQ 64/21 -, Rn. 6).

5

2. Gemessen an diesen strengen Voraussetzungen haben die Eilanträge keinen Erfolg. Weder die Eilbedürftigkeit noch die in diesem Verfahren erforderlichen konkreten Nachteile sind dargelegt. Auf eine - ohnehin dem Hauptsacheverfahren vorbehaltene - verfassungsrechtliche Beurteilung von § 28b [X.] und eine Folgenabwägung kommt es daher nicht an.

6

a) Tatsächlich belasten die Maßnahmen des [X.] die Bürgerinnen und Bürger. Doch sind hier die nach § 32 Abs. 1 [X.] strengen Darlegungsanforderungen hinsichtlich der drohenden Nachteile (vgl. [X.], Beschluss des [X.] vom 22. Dezember 2020 - 1 BvR 2756/20 u.a. -, Rn. 4 ff.; Beschlüsse der [X.] des [X.] vom 29. Dezember 2020 - 1 [X.]/20 u.a. -, Rn. 13 ff. und - 1 BvQ 165/20 u.a. -, Rn. 21 f.) nicht erfüllt. Dazu müssten die Beschwerdeführenden individualisiert und konkret darlegen, was daraus folgt, wenn die beantragten Eilentscheidungen nicht getroffen werden (dazu [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 5. August 2015 - 2 BvR 2190/14 -, Rn. 27; Beschluss der [X.] des [X.] vom 28. Oktober 2020 - 1 BvR 972/20 -, Rn. 12). Nicht ausreichend ist es, wenn wie hier beschrieben wird, warum ortsnähere Entscheidungen für sinnvoller gehalten werden, dass private Unternehmungen beschwerlicher ausfallen als ohne die Maßnahmen zum Schutz vor Ansteckung in einer [X.], oder dass ein Hobby in einer Zeit hoher Ansteckungsgefahr nicht wie zuvor ausgeübt werden kann. Ersichtlich müssen diese Einschränkungen der persönlichen Freiheit als Eingriffe in Grundrechte gerechtfertigt sein. Damit ist aber nicht dargelegt, dass das [X.] ohne die vertiefte Prüfung in einem Hauptsacheverfahren ein Gesetz außer [X.] setzen müsste.

7

b) Hinsichtlich des [X.] zur Erhöhung der Intensivkapazitäten ist in keiner Weise dargelegt, worauf sich ein solcher Antrag verfassungsrechtlich überhaupt stützen würde. Die Beschwerdeführenden gehen auch selbst davon aus, dass es derzeit objektiv keiner solchen Maßnahme bedarf.

8

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 794/21

31.05.2021

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Ablehnung einstweilige Anordnung

Sachgebiet: BvR

Art 2 Abs 1 GG, Art 2 Abs 2 S 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 32 Abs 1 BVerfGG, EpiBevSchG 4, § 28b IfSG vom 22.04.2021

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 31.05.2021, Az. 1 BvR 794/21 (REWIS RS 2021, 5417)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5417

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