Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.11.2013, Az. 8 B 6/13

8. Senat | REWIS RS 2013, 1314

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Gegenstand

Regelungscharakter der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie


Gründe

1

Der [X.]eklagte begehrt mit seiner [X.]eschwerde die Zulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 16. November 2012, mit dem seine [X.]erufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2011 ergangene Urteil des [X.] [X.] zurückgewiesen worden ist. Das Verwaltungsgericht hatte den [X.]eklagten verpflichtet, dem Antrag der Kläger auf [X.]efreiung vom [X.]enutzungszwang zur Deckung des gesamten [X.]edarfs an Wasser für das Anwesen M. ..., [X.]. Nr. ... der Gemarkung M., [X.]., befristet bis zum 31. Mai 2017 stattzugeben.

2

Die [X.]eschwerde hat keinen Erfolg. Ihre [X.]egründung genügt schon nicht den sich aus § 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO ergebenden Darlegungsanforderungen; jedenfalls ist sie unbegründet.

3

1. Die Grundsatzrügen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Dabei kommt die Zulassung der Revision nur bezüglich solcher Rechtsfragen in [X.]etracht, auf die gemäß § 137 Abs. 1 VwGO eine Revision gestützt werden kann. Die [X.]eschwerde muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung der aufgeworfenen, bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten [X.](n) des [X.]esrechts oder einer der in § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO genannten Vorschriften führen kann ([X.]eschluss vom 8. Oktober 2012 - [X.]VerwG 1 [X.] 18.12 - juris Rn. 2 m.w.[X.]). Dies lässt die [X.]eschwerdebegründung nicht erkennen.

4

Mit der [X.]eschwerde wird geltend gemacht, der Verwaltungsgerichtshof habe bei der Anwendung und Auslegung der satzungsrechtlichen Vorschriften des [X.]eklagten, die zum nichtrevisiblen Landesrecht gehören, "das aus dem Recht der kommunalen Selbstverwaltung, Art. 28 Abs. 2 GG, resultierende Recht der Anordnung des [X.]enutzungszwangs einer öffentlichen Einrichtung zur Wasserversorgung nicht beachtet". Der [X.]eklagte möchte im Hinblick auf die revisible Rechtsnorm des Art. 28 Abs. 2 GG im Revisionsverfahren geklärt wissen,

- wann die Opfer- und Zumutbarkeitsgrenze des Anschlussnehmers bei Anordnung des [X.]enutzungszwangs einer öffentlichen Einrichtung zur Wasserversorgung derart überschritten ist, dass eine [X.]efreiung hiervon zu erteilen ist,

- inwieweit getroffene Aufwendungen des Anschlussnehmers zur Herstellung der Eigenwasserversorgungsanlage bei Prüfung eines ggf. bestehenden [X.] zu berücksichtigen sind und wenn ja, wie diese zu berechnen sind,

- ob nicht nur auf die [X.] abzustellen ist, wenn ausschließlich der [X.]enutzungszwang betroffen ist und wenn ja, ob bei der [X.]erechnung der [X.] auch eine mögliche [X.]eschränkung des [X.]enutzungszwangs zu berücksichtigen ist,

- wann ein Anspruch auf [X.]efreiung vom [X.]enutzungszwang gegeben ist, insbesondere ob ein Anspruch nur dann besteht, wenn von einem erheblichen Eingriff in die Eigentumsrechte gemäß Art. 14 GG ausgegangen werden kann oder ob ein Anspruch auf [X.]efreiung vom [X.]enutzungszwang unabhängig von der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zur Herstellung des Hausbrunnens besteht,

- ob die Amortisation der für die Eigenwasserversorgungsanlage getätigten Aufwendungen der geeignete Maßstab für die [X.]emessung der Zumutbarkeitsschwelle darstellt oder ob nicht eher auf die jährliche [X.] abzustellen ist,

- wie weit die Amortisation fortschreiten muss, um den Anspruch auf [X.]efreiung vom [X.]enutzungszwang auszuschließen,

- wie die Amortisation zu bemessen ist und ob bei Prüfung des [X.] vom [X.]enutzungszwang jedenfalls zusätzlich zu einer Amortisation der eigenen Aufwendungen auch die [X.] zu berücksichtigen ist,

- inwieweit eine spätere, bereits in Aussicht gestellte [X.]eschränkung des [X.] bei der [X.]erechnung der Amortisation zu berücksichtigen ist.

5

Insoweit besteht jedoch schon deshalb kein revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf, weil bereits im verneinenden Sinne geklärt ist, dass sich ein Zweckverband wie der [X.]eklagte, der eine öffentliche Wasserversorgungseinrichtung betreibt, weder unmittelbar noch mittelbar auf das Recht der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) berufen kann (vgl. Urteil vom 23. August 2011 - [X.]VerwG 9 [X.] 2.11 - [X.]VerwGE 140, 245 = [X.] 316 § 35 VwVfG Nr. 66 Rn. 13 m.w.[X.]; [X.]eschluss vom 2. April 2013 - [X.]VerwG 9 [X.] 4.12 - juris Rn. 2). Mit der [X.]eschwerde werden keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die Veranlassung gäben, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Schon deshalb sind die aufgeworfenen Rechtsfragen nicht entscheidungserheblich.

6

Hinzu kommt, dass auch unabhängig hiervon ein bundesrechtlicher Klärungsbedarf nicht erkennbar ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat einen Anspruch eines Grundeigentümers auf befristete [X.]efreiung von dem Zwang, eine öffentliche Wasserversorgungseinrichtung zu benutzen, (jedenfalls) für den Fall angenommen, dass in die private Wasserversorgungsanlage investiert wurde, bevor "konkret absehbar" war, dass sein Grundstück an das öffentliche Leitungsnetz angeschlossen würde, und hat die Dauer der [X.]efreiung nach [X.] bemessen. Dass diese Entscheidung den Vertrauens- und [X.]estandsschutz des Grundeigentümers in einer Weise bestimmt hätte, die bislang ungeklärte Fragen zu Art. 14 Abs. 1 und 2 GG aufwirft, behauptet der [X.]eklagte nicht. Er sieht vielmehr sein Selbstverwaltungsrecht dadurch verletzt, dass die dem Grundeigentümer eingeräumte Vertrauens- und [X.] zu weit gehe. Abgesehen davon, dass sich ein Zweckverband - wie erwähnt - jedenfalls nicht auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG berufen kann und dass der [X.]eklagte zudem auch zu Art. 28 Abs. 2 GG keine ungeklärte Rechtsfrage herausarbeitet, verkennt er auch, dass Art. 28 Abs. 2 GG der Selbstverwaltungskörperschaft keine materiell-rechtliche Position einräumt, die dem Grundrecht eines betroffenen [X.]ürgers entgegengehalten werden könnte. Art. 28 Abs. 2 GG ist eine Kompetenzverteilungsgarantie im gewissermaßen innerstaatlichen Verhältnis der [X.] zu ihrem Land oder zum [X.]; er betrifft aber nicht das Außenverhältnis der [X.] zu den [X.]ürgern. Namentlich ist die Vorschrift nicht geeignet, den öffentlichen Gemeinwohlbelangen, die den Grundrechten der [X.]ürger entgegengesetzt werden können, ein höheres Gewicht einzuräumen, wenn sie von einer [X.] wahrgenommen werden, als wenn sie von einem Land oder vom [X.] wahrgenommen würden.

7

2. Die vom Kläger erhobenen [X.]n genügen bereits nicht den formellen Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

8

Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.]esverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des jeweiligen [X.]eschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. u.a. [X.]eschlüsse vom 20. Dezember 1995 - [X.]VerwG 6 [X.] - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712 und vom 17. Dezember 2010 - [X.]VerwG 8 [X.] - [X.] 2011, 45 = juris Rn. 15) und die entscheidungstragende Abweichung muss darauf bezogen konkret herausgearbeitet werden. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das [X.]esverwaltungsgericht oder der Gemeinsame Senat der obersten [X.]esgerichte oder das [X.]esverfassungsgericht in ihrer Rechtsprechung aufgestellt haben, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer [X.] nicht ([X.]eschlüsse vom 17. Januar 1995 - [X.]VerwG 6 [X.] - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 und vom 9. September 2011 - 8 [X.] 15.11 - [X.] 2011, 226 = Juris Rn. 10).

9

So aber liegt der Fall hier. In der [X.]eschwerdebegründung werden keine vom [X.]eklagten als divergierend angesehenen entscheidungstragenden abstrakten Rechtssätze im angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs einerseits und in den herangezogenen Entscheidungen des [X.]esverwaltungsgerichts vom 25. Februar 1960 - [X.]VerwG 7 [X.][X.] 104.59 - ([X.] 11 Art. 14 GG Nr. 43), 22. August 1972 - [X.]VerwG 7 [X.] - ([X.] 11 Art. 14 GG Nr. 134), 10. September 1975 - [X.]VerwG 7 [X.] 35.75 - ([X.] 11 Art. 2 GG Nr. 27), 15. Oktober 1984 - [X.]VerwG 7 [X.] 27.84 - ([X.] 11 Art. 14 GG Nr. 226) und vom 12. Januar 1988 - [X.]VerwG 7 [X.] 55.87 - ([X.] 11 Art. 14 GG Nr. 239) andererseits präzise herausgearbeitet und einander gegenübergestellt. Außerdem wird nicht nachvollziehbar dargelegt, worin diese konkret voneinander abweichen sollen. Der [X.]eklagte macht im Wesentlichen lediglich allgemein geltend, das [X.]esverwaltungsgericht habe in den benannten Entscheidungen ausgeführt, der Anschluss- und [X.]enutzungszwang an die öffentliche Trinkwasserversorgung bedeute für den betroffenen Grundstückseigentümer grundsätzlich keine unzulässige Enteignung, sondern eine zulässige [X.]estimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums, die durch die Sozialbindung des Eigentums gerechtfertigt sei. Diese Entscheidungen hätten wesentlich das Institut des Anschluss- und [X.]enutzungszwangs als [X.]estandteil der durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Selbstverwaltungsgarantie begründet. Durch die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs werde diese Rechtsprechung "in ihr Gegenteil verkehrt". Das lässt nicht erkennen, an welcher Stelle und mit welchem abstrakten Rechtssatz der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil von einem Rechtssatz des [X.]esverwaltungsgerichts abgewichen sein soll. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Verwaltungsgerichtshof in Zweifel gezogen hätte, ein Anschluss- und [X.]enutzungszwang an die öffentliche Trinkwasserversorgung bedeute für den betroffenen Grundstückseigentümer grundsätzlich keine unzulässige Enteignung, sondern eine zulässige [X.]estimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums, die durch die Sozialbindung des Eigentums gerechtfertigt sei.

Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, inwiefern die geltend gemachte Divergenz, sollte sie vorliegen, im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich wäre. Denn der [X.]eklagte kann sich aus den dargelegten Gründen ohnehin nicht auf Art. 28 Abs. 2 GG berufen.

Meta

8 B 6/13

08.11.2013

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 16. November 2012, Az: 4 B 12.1660, Urteil

Art 28 Abs 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 08.11.2013, Az. 8 B 6/13 (REWIS RS 2013, 1314)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1314

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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