Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.04.2016, Az. XII ZB 44/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13100

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Rechtsbeschwerde im Versorgungsausgleichsverfahren: Beschwerdeberechtigung eines Versorgungsträgers


Leitsatz

Zur Beschwerdeberechtigung eines Versorgungsträgers im Rechtsbeschwerdeverfahren.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des [X.] vom 13. Januar 2014 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 3 verworfen.

[X.]: 4.840 €

Gründe

I.

1

Die am 12. Juli 1991 geschlossene Ehe der Antragstellerin mit Herrn [X.] wurde auf einen am 22. Dezember 2007 zugestellten Scheidungsantrag im Jahr 2008 geschieden und die [X.] Versorgungsausgleich abgetrennt. [X.] ist am 7. November 2011 verstorben und von der Antragsgegnerin beerbt worden.

2

[X.] hat das Amtsgericht das - nunmehr gegen die Antragsgegnerin geführte - Verfahren zum Versorgungsausgleich aufgenommen und [X.] eingeholt. In der Ehezeit haben beide Eheleute Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, und zwar [X.] ein Anrecht bei der [X.] mit einem Ausgleichswert von 8,5843 Entgeltpunkten (korrespondierender Kapitalwert: 50.373,63 €) und die Antragstellerin ein Anrecht bei der [X.] mit einem Ausgleichswert von 5,1793 Entgeltpunkten (korrespondierender Kapitalwert: 30.392,71 €). Ferner haben beide Eheleute Anrechte der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der [X.] erlangt, deren [X.] der Versorgungsträger für [X.] mit 31,18 Versorgungspunkten (korrespondierender Kapitalwert: 8.331,04 €) und für die Antragstellerin mit 4,66 Versorgungspunkten (korrespondierender Kapitalwert: 1.476,96 €) angegeben hat. Darüber hinaus hat die Antragstellerin noch ein ehezeitliches Anrecht aus einem privaten [X.] bei der G.-Versicherung mit einem Ausgleichswert von 4,73 € erworben.

3

Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich geregelt und angeordnet, dass die Anrechte von [X.] bei der [X.] und bei der [X.] auf der Grundlage der von den Versorgungsträgern vorgeschlagenen [X.] (8,5843 Entgeltpunkte bzw. 31,18 Versorgungspunkte) intern geteilt werden. Hinsichtlich der von der Antragstellerin in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte hat es ausgesprochen, dass ein Wertausgleich nicht stattfinde, weil "der Ehemann verstorben sei". Gegen diese Entscheidung hat allein die [X.] Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass eine Gesamtsaldierung aller ausgleichsreifen Anrechte der Eheleute unter Heranziehung der korrespondierenden Kapitalwerte erfolgen müsse. Auf die Beschwerde der [X.] hat das [X.] die angefochtene Entscheidung dahingehend abgeändert, dass zu Lasten des Anrechts von [X.] bei der [X.] zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht von 14,06 Versorgungspunkten (statt 31,18 Versorgungspunkten) übertragen wird. Wegen des Ausgleichs der Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung hat es das [X.] bei der erstinstanzlichen Entscheidung belassen und dies damit begründet, dass mit Ausnahme der [X.] kein anderer Versorgungsträger Beschwerde oder Anschlussbeschwerde eingelegt habe und deshalb eine Korrektur der Entscheidung des Amtsgerichts lediglich hinsichtlich der bei der [X.] erworbenen Anrechte erfolgen könne.

4

Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der [X.], die eine Neuregelung des Versorgungsausgleichs nach den gesetzlichen Bestimmungen erstrebt.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat.

6

Sie ist aber im Übrigen unzulässig, weil es der [X.] an der erforderlichen Beschwerdeberechtigung für die Rechtsbeschwerde fehlt. Nicht nur die Zulässigkeit einer (Erst-)Beschwerde, sondern auch die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde ist von der Beschwerdeberechtigung des [X.] abhängig, so dass das Rechtsbeschwerdegericht die Beschwer des [X.] in formeller und materieller Hinsicht zu prüfen hat (Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2015 - [X.] 695/14 - FamRZ 2016, 120 Rn. 9).

7

1. Auf das Vorliegen einer formellen Beschwer durch die Zurückweisung oder die Verwerfung eines eigenen Rechtsmittels im Beschwerdeverfahren (vgl. Senatsbeschlüsse [X.], 86 = [X.], 1479 Rn. 6 und vom 5. November 2014 - [X.] 117/14 - [X.], 429 Rn. 4 mwN) kann sich die [X.] nicht berufen, da sie selbst die Entscheidung des Amtsgerichts nicht angefochten hat.

8

2. Ist die erstinstanzliche Entscheidung - wie hier - nur von einem anderen Verfahrensbeteiligten angegriffen worden, setzt die Beschwerdeberechtigung für die Rechtsbeschwerde eine mit der Beschwerdeentscheidung verbundene materielle Beschwer des [X.] voraus. Diese liegt grundsätzlich dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts auf die Beschwerde eines anderen Beteiligten abgeändert oder aufgehoben worden und der [X.] dadurch in einem subjektiven Recht betroffen ist (vgl. [X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 74 Rn. 6).

9

a) In [X.] ergibt sich insoweit auch für einen Versorgungsträger keine grundlegend andere Beurteilung. Mangels einer besonderen gesetzlichen Regelung (§ 59 Abs. 3 FamFG) ist die Beschwerdeberechtigung bei einem Versorgungsträger nicht in dem Sinne ausgestaltet, dass er unabhängig von den allgemeinen Regeln in jeder Lage des Verfahrens zur Korrektur fehlerhafter Entscheidungen Rechtsmittel einlegen könnte. Daher kann ein Versorgungsträger seine Beschwerdeberechtigung für die Rechtsbeschwerde nicht allein darauf stützen, dass eine mit einem als unrichtig gerügten Eingriff in seine Rechtsstellung verbundene, aber nicht mit einer eigenen Erstbeschwerde angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts bereits auf die von einem anderen Verfahrensbeteiligten eingelegte Beschwerde hätte korrigiert werden müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Mai 1980 - [X.] - FamRZ 1980, 773).

b) Mit der Beschwerdeentscheidung ist keine eigenständige materielle Beschwer für die [X.] verbunden.

aa) Das Beschwerdegericht hat die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts auf die Beschwerde der [X.] nur hinsichtlich des Ausspruchs zum Ausgleich der bei der [X.] bestehenden Anrechte geändert. Die weitergehende Entscheidung des Amtsgerichts zum Ausgleich der gesetzlichen Rentenanrechte hat das Beschwerdegericht - ausdrücklich - unberührt gelassen.

Im rechtlichen Ausgangspunkt ist die Entscheidung des Amtsgerichts, die bei der [X.] erworbenen ehezeitlichen Rentenanrechte der Antragstellerin nicht auszugleichen, dabei materiell-rechtlich durchaus zutreffend, weil zu Lasten dieser Anrechte ein Wertausgleich zugunsten des verstorbenen [X.] nicht mehr stattfinden kann (arg. § 31 Abs. 1 Satz 2 [X.]). In der Sache beanstandet die [X.] vielmehr, dass die gleichzeitig von dem Amtsgericht vorgenommene (uneingeschränkte) Halbteilung der von [X.] in der Ehezeit bei der [X.] erworbenen gesetzlichen Rentenanrechte zu einem gesetzwidrig überhöhten Zuschlag an Entgeltpunkten auf dem [X.] der Antragstellerin führen und die [X.] daher im Versorgungsfall zur Zahlung einer überhöhten Rente an die Antragstellerin verpflichtet werden würde. Damit macht die [X.] allerdings - wie die Antragstellerin in ihrer Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend ausführt - eine materielle Beschwer geltend, die bereits aus der von ihr hingenommenen Entscheidung des Amtsgerichts und nicht erst aus der Entscheidung des [X.] resultiert.

bb) Im Übrigen kann sich eine Beschwerdeberechtigung des [X.] grundsätzlich auch aus einem Verfahrensverstoß des [X.] - insbesondere aus einer Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) - ergeben, wenn es bei einer korrekten Verfahrensgestaltung des [X.] auch in materiell-rechtlicher Hinsicht zu einer günstigeren Entscheidung für den [X.] hätte kommen können (vgl. auch [X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 59 Rn. 5; [X.]/[X.] FamFG 18. Aufl. § 59 Rn. 7 f.). Derartige Verfahrensverstöße des [X.] werden indessen von der Rechtsbeschwerde nicht gerügt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

(1) Mit Recht weist die Rechtsbeschwerde allerdings darauf hin, dass die Entscheidung des [X.] rechtsfehlerhaft ist.

Im rechtlichen Ausgangspunkt ist es für einen Beteiligten grundsätzlich möglich, seine Beschwerde gegen eine erstinstanzliche Entscheidung zum Versorgungsausgleich auf die Teilung eines oder mehrerer Versorgungsanrechte zu beschränken. Ob eine derartige Beschränkung des Rechtsmittels vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Bei dem Rechtsmittel eines Versorgungsträgers wird zwar im Zweifel davon ausgegangen werden können, dass sich dieses nur auf das Anrecht bezieht, welches der ausgleichspflichtige Ehegatte bei dem Beschwerdeführer erworben hat. Für eine auf einzelne Anrechte beschränkte Teilanfechtung der Versorgungsausgleichsentscheidung ist aber kein Raum, wenn und soweit besondere Gründe die Einbeziehung sonstiger Anrechte zwingend gebieten (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - [X.] 629/13 - juris Rn. 7; [X.] Der Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 619).

So ist der Fall auch hier zu beurteilen. Verstirbt ein Ehegatte nach Rechtskraft der Scheidung, aber vor Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich, darf der überlebende Ehegatte nach § 32 Abs. 2 Satz 1 [X.] - auch mit Blick auf den [X.] - durch den Wertausgleich nicht besser gestellt werden, als wenn der Versorgungsausgleich noch zu Lebzeiten des verstorbenen Ehegatten durchgeführt worden wäre. Es ist in diesem Fall eine Gesamtsaldierung der [X.] aller dem Wertausgleich unterliegenden Anrechte beider Ehegatten ähnlich der nach früherem Recht aufzustellenden [X.] vorzunehmen (vgl. [X.] Der Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 545). Ergibt sich aus der Gesamtbilanz, dass der verstorbene Ehegatte ehezeitliche Anrechte von höherem Gesamtausgleichswert erworben hat, ist zugunsten des überlebenden Ehegatten in Höhe der Differenz zwischen den jeweiligen Summen der [X.] ein Wertausgleich durchzuführen, wobei das Gericht gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 [X.] nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden hat, welches Anrecht oder welche Anrechte des verstorbenen Ehegatten es zum Ausgleich heranzieht.

Hat hiernach das Beschwerdegericht in einem Rechtsmittelverfahren im Rahmen der Aufstellung einer Gesamtbilanz tatrichterliche Feststellungen zum Wert aller ausgleichsreifen Anrechte zu treffen und anschließend nach seinem billigen Ermessen darüber zu entscheiden, welche Anrechte des verstorbenen Ehegatten in welchem Umfang zum Ausgleich heranzuziehen sind, gebietet dies notwendigerweise die Einbeziehung sämtlicher dem Wertausgleich unterliegenden Anrechte der früheren Ehegatten in das Rechtsmittelverfahren. Die Beschränkung der Prüfungskompetenz des [X.] auf ein einzelnes Anrecht ist deshalb auch dann nicht möglich, wenn - wie hier - nur einer der beteiligten Versorgungsträger das Beschwerdegericht angerufen und gerügt hat, dass die erstinstanzliche Entscheidung zum Wertausgleich gegen das Besserstellungsverbot nach § 31 Abs. 2 Satz 1 [X.] verstoße.

(2) Insoweit beruhen die Erwägungen des [X.] zum Umfang der Anfallwirkung der von der [X.] erhobenen Beschwerde zwar auf einem Rechtsirrtum. Ein Verstoß gegen die Verfahrensrechte der - vom Beschwerdegericht am Beschwerdeverfahren beteiligten - [X.] wird indessen nicht gerügt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere hat das Beschwerdegericht verfahrensrechtliche Hinweispflichten (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 2 FamFG) gegenüber der [X.] nicht verletzt. Das Beschwerdegericht hat allen Beteiligten durch Verfügung vom 13. Dezember 2013 einen vollständigen Entscheidungsentwurf mit der Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt. Aus diesem Entscheidungsentwurf geht insoweit eindeutig hervor, dass sich das Beschwerdegericht an einer Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung zum Ausgleich der gesetzlichen Rentenanrechte gehindert gesehen hat, weil "die weiteren Versorgungsträger, insbesondere die [X.], ... keine weiteren Rechtsmittel gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich" in dem Beschluss des Amtsgerichts eingelegt hätten. Nach Kenntnisnahme von diesem Rechtsstandpunkt des [X.] hätte die [X.] folgerichtig Veranlassung haben müssen, die Entscheidung des Amtsgerichts, auch soweit sie sich auf den Ausgleich der gesetzlichen Rentenanrechte bezieht, zumindest vorsorglich durch ein nicht fristgebundenes Anschlussrechtsmittel nach § 66 FamFG zur Überprüfung im Rechtsmittelverfahren zu stellen (zu den Voraussetzungen für die Anschlussbeschwerde eines Versorgungsträgers vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - [X.] 629/13 - juris Rn. 16 ff.).

3. Da die [X.] durch die angefochtene Beschwerdeentscheidung weder formell noch materiell beschwert worden ist, ist ihre Rechtsbeschwerde nach § 74 Abs. 1 Satz 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen.

Dose                            Schilling                            Günter

           Nedden-Boeger                           Botur

Meta

XII ZB 44/14

13.04.2016

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Braunschweig, 13. Januar 2014, Az: 2 UF 193/13

§ 59 Abs 1 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.04.2016, Az. XII ZB 44/14 (REWIS RS 2016, 13100)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13100

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 44/14 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 140/16 (Bundesgerichtshof)

Versorgungsausgleichssache: Beschwerdeberechtigung eines materiell beteiligten Versorgungsträgers im Hinblick auf die einen anderen Versorgungsträger betreffende unrichtige …


XII ZB 33/13 (Bundesgerichtshof)

Versorgungsausgleich: Ausübungskriterien für das richterliche Ermessen hinsichtlich der Ausgleichung mehrerer teils geringwertiger Anrechte bei dem …


XII ZB 33/13 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 310/13 (Bundesgerichtshof)

Versorgungsausgleich: Behandlung geringfügiger Anrechte beim Tod eines Ehegatten


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.