Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.08.2017, Az. B 13 R 165/17 B

13. Senat | REWIS RS 2017, 6265

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - gerügte Verletzung des § 96 Abs 1 SGG)


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 4. April 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Der Kläger wendet sich mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des [X.] vom 4.4.2017, das seine Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des [X.] vom 22.5.2015 zurückgewiesen hat. Mit diesem Gerichtsbescheid hatte das [X.] die Beklagte entsprechend ihres Anerkenntnisses verurteilt, dem Kläger unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.12.2012 auf Dauer zu gewähren.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde zum B[X.] eingelegt. Er macht Verfahrensmängel und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, denn sie ist nicht formgerecht begründet (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G).

4

Wird die Zulassung der Revision wegen eines [X.] begehrt, muss in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnet sein. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan und darüber hinaus muss dargestellt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (Senatsbeschluss vom [X.] - Juris Rd[X.] 4). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 [X.]G gestützt werden kann (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Teils 2 [X.]G) und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 [X.]G nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Teils 3 [X.]G).

5

Für die vom Kläger geltend gemachte Rüge der Verletzung des § 159 Abs 1 [X.] 1 und [X.] 2 [X.]G durch das L[X.] mangelt es an hinreichenden Darlegungen, die einen solchen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts begründen könnten. Er trägt vor, das L[X.] hätte die Sache nach § 159 Abs 1 [X.] 1 und [X.] 2 [X.]G unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung an das [X.] zurückverweisen müssen. Denn es habe zu Unrecht durch Gerichtsbescheid entschieden. Insbesondere hätte das [X.] Hintergründe und Konsequenzen des Anerkenntnisses aufklären müssen. Der Verweis auf die Gutachten Dr. B. und M. greife zu kurz.

6

Es fehlt bereits an dem Vortrag, dass der anwaltlich vertretene Kläger in der Berufungsinstanz die Zurückverweisung der Sache an das [X.] beantragt habe (vgl zu diesem Erfordernis Senatsbeschluss vom 19.1.2011 - [X.] R 211/10 B - Juris Rd[X.] 18 mwN). Aber auch darüber hinaus genügt das Beschwerdevorbringen des [X.] nicht, um die Zulassung der Revision mit einem Verstoß des L[X.] gegen § 159 Abs 1 [X.]G zu begründen. Denn es steht im Ermessen des Gerichts, ob es von der Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch machen will, wenn die Voraussetzungen von § 159 Abs 1 [X.]G gegeben sind. Dabei ist es nicht ermessensfehlerhaft, eine Zurückverweisung als Ausnahme anzusehen und bei [X.] hiervon Abstand zu nehmen (Senatsbeschlüsse vom 19.1.2011 - [X.] R 211/10 B - Juris Rd[X.] 19 und vom 16.12.2003 - [X.] [X.] 194/03 B - Juris Rd[X.] 9). Der Kläger zeigt aber nicht in gebotenem Maße auf, dass und aus welchen Gründen das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund ermessensfehlerhaft von einer Zurückverweisung abgesehen habe. Soweit der Kläger mit der Auswertung und Würdigung der im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten und beigezogenen Unterlagen (auch) durch das Berufungsgericht nicht einverstanden ist, wendet er sich im [X.] gegen dessen Beweiswürdigung. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]G kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein nicht auf die Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 [X.]G gestützt werden. Ebenso unerheblich ist, dass der Kläger die Entscheidung des L[X.] in der rechtlichen Würdigung für inhaltlich falsch hält. Denn die - vermeintliche - inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils kann nicht mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gerügt werden.

7

Auch die Rüge der Verletzung des § 96 Abs 1 [X.]G hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Er trägt vor, dass das L[X.] über den [X.] vom 19.6.2015 hätte mitentscheiden müssen. Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht, das Berufungsgericht habe in seinem Urteil über einen nach § 96 [X.]G Gegenstand des Verfahrens gewordenen Verwaltungsakts nicht entschieden, muss in der Beschwerdebegründung eine aus sich heraus nachvollziehbare Darstellung des [X.] unter Wiedergabe des ursprünglich angefochtenen und des angeblich einzubeziehenden Verwaltungsakts erfolgen und dargelegt werden, dass der angeblich in das Verfahren einbezogene Verwaltungsakt einen mit dem bislang streitbefangenen prozessualen Anspruch gleichen Streitgegenstand bildet und das Urteil dann für den Beschwerdeführer günstiger hätte ausfallen müssen, wenn über den einbezogenen Verwaltungsakt mitentschieden worden wäre (vgl Senatsbeschluss vom 4.2.2014 - [X.] R 161/13 B - Juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 21/09 B - Juris Rd[X.] 4; B[X.] Beschluss vom 18.8.1999 - B 4 RA 25/99 B - [X.] 3-1500 § 96 [X.] 9 S 17). Diesen Anforderungen an die Darlegungslast erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Es mangelt schon an einer nachvollziehbaren, geordneten Darstellung des [X.]. Der Kläger hat zwar den Bescheid der Beklagten vom 19.6.2015 durch Bezugnahme zum Bestandteil seines Vortrags gemacht und der Beschwerdebegründung beigefügt. Er teilt jedoch weder die Daten noch den Inhalt der ursprünglich angefochtenen Bescheide mit. Ohne genaue Kenntnis dieser Bescheide und der gesamten Umstände des Verfahrens ist es jedoch dem Senat nicht möglich zu beurteilen, ob der Bescheid vom 19.6.2015 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist. Zudem zeigt der Kläger nicht auf, dass das angefochtene L[X.]-Urteil für ihn günstiger hätte ausfallen müssen, wenn über den - vermeintlich - einbezogenen Bescheid mitentschieden worden wäre.

8

Soweit der Kläger schließlich noch eine Grundsatzrüge iS des § 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G erhebt, indem er meint, die Frage, "ob bzw. unter welchen Umständen auf ein ausdrücklich nicht angenommenes Anerkenntnis hin auf die Klage einer psychisch erkrankten [X.] ein Gerichtsbescheid oder auch überhaupt ein Anerkenntnisurteil ergehen darf; insbesondere dann, wenn die Folgen des Anerkenntnisses von ihm nicht überblickt werden (können) und das Rechtsschutzziel im Rahmen einer Anfechtungsklage naturgemäß nicht positiv definiert ist", sei von grundsätzlicher Bedeutung, erfüllt sein Beschwerdevortrag nicht ansatzweise deren Darlegungsvoraussetzungen (s hierzu allgemein zB Senatsbeschluss vom 21.4.2017 - [X.] R 195/16 B - Juris Rd[X.] 4 f). Denn er hat - anders als notwendig - schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer konkreten revisiblen Norm (vgl § 162 [X.]G) hinreichend klar bezeichnet. Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann. Es gehört nicht zu den Aufgaben des B[X.], den Vortrag des [X.] darauf zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 16.3.2017 - [X.] R 390/16 B - Juris Rd[X.] 7). Überdies hat er auch die notwendige Klärungsbedürftigkeit nicht darlegt. Er behauptet noch nicht einmal, dass es zu dem von ihm mit der Frage angedeuteten Problemkreis noch keine Rechtsprechung des B[X.] gebe.

9

Der Senat war nicht verpflichtet, dem Kläger entsprechend der Bitte seines Prozessbevollmächtigten um einen richterlichen Hinweis, falls weiterer Vortrag erforderlich sei, vorab auf die Unzulänglichkeit des Beschwerdevortrags aufmerksam zu machen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, die Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund für den [X.] vor dem B[X.] gemäß § 73 Abs 4 [X.]G. § 106 Abs 1 [X.]G gilt insoweit nicht. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß zu begründen (stRspr, zB B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] [X.] 60/10 B - Juris Rd[X.] 7; s auch Senatsbeschlüsse vom 28.1.2014 - [X.] R 31/13 R - BeckRS 2014, 67335 Rd[X.] 10 = Juris Rd[X.] 10 und vom 20.1.2015 - [X.] R 439/14 B - BeckRS 2015, 65952 Rd[X.] 10 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen einer Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 [X.]G durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.]G.

Meta

B 13 R 165/17 B

23.08.2017

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Kiel, 22. Mai 2015, Az: S 17 R 278/13, Gerichtsbescheid

§ 96 Abs 1 SGG, § 159 Abs 1 Nr 1 SGG, § 159 Abs 1 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.08.2017, Az. B 13 R 165/17 B (REWIS RS 2017, 6265)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6265

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 13 R 152/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Anordnung des persönlichen Erscheinens - Richterablehnung


B 13 R 323/16 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Auslegung der Urteilsformel - unterbliebene Zurückverweisung an das …


B 2 U 1/22 BH (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren - Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gem § 202 S 1 …


B 2 U 70/21 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Unzulässigkeit - Nichtzulassungsbeschwerde - Fristversäumnis - Fristbeginn - Zustellung beim Beteiligten - …


B 9 V 32/22 B (Bundessozialgericht)

(Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - rechtliches Gehör - Obliegenheit der Gehörsverschaffung - Inanspruchnahme …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.