Bundesfinanzhof, Beschluss vom 01.03.2013, Az. IX B 48/12

9. Senat | REWIS RS 2013, 7739

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Gegenstand

NZB: Anteilsübertragung, Wertermittlung; Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme; Sachaufklärungspflicht, Rügeverlust


Leitsatz

1. NV: Die Frage, ob die Schätzung des Verkehrswertes eines Unternehmens zu zutreffenden, akzeptablen oder unzutreffenden Ergebnissen führt, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur für den konkreten Einzelfall beantworten.

2. NV: Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme ist nicht verletzt, wenn das FG den ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger zu dessen eigenen Darlegungen und Äußerungen, die als Beteiligtenvorbringen zu werten sind, nicht selbst hört.

3. NV: Wird ein Beweisantrag auf Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens zwar schriftsätzlich gestellt, aber in der mündlichen Verhandlung weder unter Bezug auf den Schriftsatz wiederholt noch erneut gestellt noch sonst auf eine solche Beweiserhebung hingewirkt, geht das Rügerecht einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht wegen rügeloser Verhandlung zur Sache verloren.

4. NV: Will das FG bei der Erforschung des Sachverhalts den erforderlichen Beweis durch Sachverständigen-Gutachten erheben, so bestimmt es ggf. auch, welche (sog. Anknüpfungs-) Tatsachen der Sachverständige der Begutachtung zugrunde zu legen hat.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben.

2

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der [X.]sordnung ([X.]O). Denn die aufgeworfene Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen die an der [X.] beteiligten Personen (der Kläger und seine an ihn übertragende Mutter) von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen ausgehen durften und daher der von diesen Beteiligten --bei aus ihrer Sicht plausiblen Annahmen-- ermittelte Unternehmenswert zu akzeptieren ist, ist nicht klärungsbedürftig. Das gilt gleichermaßen für die Rechtsfrage, wann und inwieweit die Grenzen eines ihnen zuzubilligenden Ermessensspielraums überschritten sein können und welche Abweichung der Gegenleistung vom in der konkreten Bewertungssituation richtigen Unternehmenswert noch hinnehmbar ist. Dabei wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) der gemeine Wert der erhaltenen Gegenleistung (hier: nicht notierte GmbH-Anteile) nach dem Verkehrswert (§ 9, § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes) zu schätzen ist (vgl. etwa [X.]-Urteile vom 1. August 2001 II R 47/00, [X.]/NV 2002, 788; vom 19. Dezember 2007 II R 22/06, [X.]/NV 2008, 962; vom 14. Juli 2009 IX R 6/09, [X.]/NV 2010, 397). Die vorstehenden Fragen wie auch die Frage, ob eine solche oder anderweitige Schätzung zu zutreffenden (oder zumindest), akzeptablen oder unzutreffenden Ergebnissen führt, lässt sich nicht abstrakt, d.h. grundsätzlich, sondern nur für den --regelmäßig nicht [X.] konkreten Einzelfall beantworten (vgl. zum sog. [X.] Verfahren: [X.]-Beschlüsse vom 16. Mai 2003 II B 50/02, [X.]/NV 2003, 1150; vom 11. Mai 2005 VIII B 89/01, [X.]/NV 2005, 1777; vom 25. Oktober 2007 VIII B 109/06, [X.]/NV 2008, 528).

3

Soweit sich die Kläger insoweit --unter Hinweis auf ihre abweichende Ermittlung des Werts der übertragenen [X.] auch inhaltlich gegen die vom [X.] ([X.]) vorgenommene Schätzung wenden, rügen sie lediglich materielle Fehler in der Rechtsanwendung (Tatsachen- und Beweiswürdigung), die indes eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 1. Februar 2012 VI B 71/11, [X.]/NV 2012, 767; vom 2. Oktober 2012 IX B 11/12, [X.]/NV 2013, 218, m.w.N.).

4

2. Die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) liegen nicht vor.

5

a) Das [X.] hat bei der Erforschung des Sachverhalts die erforderlichen Beweise (§ 81 Abs. 1 [X.]O) zu erheben. Nach dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme hat das Gericht den Beweis in der mündlichen Verhandlung zu erheben und insbesondere Zeugen grundsätzlich selbst zu hören (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 27. Juli 2009 I B 219/08, [X.]/NV 2010, 45; vom 26. Juli 2010 VIII B 198/09, [X.]/NV 2010, 2096). Dieser Grundsatz wurde nicht verletzt, indem das [X.] den ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger zur Frage der Berechnung des [X.] nicht selbst gehört hat. Vielmehr durfte das [X.] die diesbezüglichen Darlegungen und Äußerungen des Prozessbevollmächtigten als Klägervorbringen werten und ohne vorherige Anhörung der Kläger in seiner Beweiswürdigung berücksichtigen (vgl. [X.]-Beschluss vom 12. Oktober 2006 IX B 60/06, [X.]/NV 2007, 214), zumal der ehemalige Prozessbevollmächtigte in beiden Erörterungsterminen (am 9. April 2010 und am 27. September 2011) als [X.] für die (neue) Prozessbevollmächtigte der Kläger aufgetreten ist. Zudem wurde in der (2.) mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2012 die Frage der Berechnung des [X.] und die Beteiligung des ehemaligen Prozessbevollmächtigten daran (erneut) angesprochen und sowohl die Streitsache als auch das Ergebnis der Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung) mit den Beteiligten erörtert. Gleichwohl hat die (neue) Prozessbevollmächtigte --laut [X.] keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Damit haben die fachkundig vertretenen Kläger [X.] zur Sache verhandelt und ihr [X.] verloren (§ 155 [X.]O i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung --ZPO--; vgl. [X.]-Beschlüsse vom 11. Januar 2011 I B 87/10, [X.]/NV 2011, 836; vom 20. August 2010 IX B 41/10, [X.]/NV 2010, 2239).

6

b) Die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 [X.]O) als (verzichtbaren) Verfahrensmangel in Gestalt des Übergehens eines Beweisantrags greift nicht durch. Zwar haben die Kläger drei Tage vor der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich einen Beweisantrag auf "Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens über den Unternehmenswert" gestellt. Dieser Antrag wurde aber in der mündlichen Verhandlung weder unter Bezug auf den Schriftsatz wiederholt noch erneut gestellt noch sonst auf eine solche Beweiserhebung hingewirkt. Vielmehr haben die --in der über zweieinhalbstündigen mündlichen Verhandlung vor dem [X.] fachkundig vertretenen-- Kläger [X.] zur Sache verhandelt und damit --auch insoweit-- ihr [X.] verloren (§ 155 [X.]O i.V.m. § 295 ZPO; [X.]-Beschlüsse vom 3. November 2010 I B 102/10, [X.]/NV 2011, 808; vom 3. September 2010 IV B 93/09, [X.]/NV 2011, 52). Eine solche Einholung war nach der maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des [X.] (z.B. [X.]-Beschlüsse vom 2. März 2011 IX B 88/10, [X.]/NV 2011, 1295, unter 2.) auch nicht erforderlich, nachdem es die gegen das --seiner Entscheidung zugrunde [X.] vorgebrachten Einwendungen nicht für erheblich erachtet hat ([X.]-Urteil S. 7 bis 14).

7

c) Auch eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 [X.]O) als (verzichtbarer) Verfahrensmangel in Gestalt der unterlassenen Amtsermittlung ist nicht gegeben.

8

Zwar bestimmt das Gericht gemäß § 82 [X.]O i.V.m. § 404a Abs. 3 ZPO, welche (sog. Anknüpfungs-)Tatsachen der Sachverständige der Begutachtung zugrunde zu legen hat. Dies ist für das [X.] aber spätestens im Erörterungstermin am 27. September 2011 geschehen (s. Protokoll S. 5, 6), ohne dass die Beteiligten insoweit Einwendungen erhoben hätten. Entgegen der Ansicht der Kläger hat das [X.] auch die ihm vom Gesetz (§ 82 [X.]O i.V.m. § 404a ZPO) im Verhältnis zum beauftragten Sachverständigen zukommende Aufgabenstellung beachtet und seine selbständige und eigenverantwortliche Prüfungskompetenz nicht überschritten. Vielmehr hat das [X.] in Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2012) keine relevanten Abweichungen hinsichtlich der bislang zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen gesehen, die eine neue oder weitere ergänzende Begutachtung oder weitere Anhörung des Sachverständigen erforderlich gemacht hätten. Eigenständige Schlussfolgerungen hinsichtlich der konkreten Unternehmenswertermittlung hat das [X.] danach nicht gezogen, eine eigenständige Wertermittlung wurde nicht vorgenommen. Vielmehr hat es auf der Basis des --nach dessen Ansicht plausiblen-- [X.]s (einschließlich der vorgegebenen Anknüpfungstatsachen) und einer anderweitigen Würdigung der Zeugenaussagen die Einwendungen der Kläger auf ihre Stichhaltigkeit im Verhältnis zu den gutachterlichen Aussagen geprüft und als nicht durchgreifend beurteilt sowie dies im Einzelnen auch ausführlich begründet (s. [X.]-Urteil S. 7 bis 14).

9

Die diesbezügliche Rüge der Kläger betrifft daher im [X.] die Beweiswürdigung der Zeugenaussagen und die Würdigung der klägerischen Einwendungen durch das [X.], also materielle Fehler; damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 14. Oktober 2009 IX B 105/09, [X.]/NV 2010, 443; vom 16. Juli 2012 IX B 67/12, [X.]/NV 2012, 1637).

Meta

IX B 48/12

01.03.2013

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 26. Januar 2012, Az: 6 K 500/05, Urteil

§ 9 BewG 1991, § 11 Abs 2 BewG 1991, § 76 Abs 1 FGO, § 81 Abs 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 295 ZPO, § 404a ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 01.03.2013, Az. IX B 48/12 (REWIS RS 2013, 7739)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7739

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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