Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.04.2014, Az. IX ZB 88/12

9. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6541

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Gegenstand

Vollstreckungsgegenklage: Internationale Zuständigkeit bei Aufrechnungseinwand gegen die zu vollstreckende Forderung; Verfahrensaussetzung wegen eines Verfahrens über die aufgerechnete Forderung bei einem allein zuständigen ausländischen Gericht


Leitsatz

1. Eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO fällt nicht unter die Zuständigkeitsregelung in Art. 22 Nr. 5 LugÜ (2007), wenn das Erlöschen der zu vollstreckenden Forderung durch Aufrechnung mit einer Forderung geltend gemacht wird, für deren selbständige Geltendmachung das angerufene Gericht international unzuständig wäre.

2. Zur Aussetzung des Verfahrens über eine Vollstreckungsgegenklage, mit der das Erlöschen der zu vollstreckenden Forderung durch eine Aufrechnung geltend gemacht wird, im Hinblick auf ein Verfahren über die aufgerechnete Forderung bei dem international allein zuständigen ausländischen Gericht.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 15. August 2012 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf [X.] € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.](fortan: Schuldner). Er wendet sich mit der [X.] gegen die Zwangsvollstreckung der Beklagten, der geschiedenen Ehefrau des Schuldners mit Wohnsitz in der [X.], aus zwei Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

2

Der verstorbene Vorgänger des Klägers im Amt des Insolvenzverwalters schloss mit der Beklagten am 30. April 2001 zur Abgeltung von [X.] eine Vergleichs- und Auseinandersetzungsvereinbarung. Nach der Vereinbarung hatte die Beklagte dem Insolvenzverwalter ihr gesamtes Vermögen zu übertragen. Im Hinblick auf ein Anwesen in   M.  , welches im Miteigentum der Beklagten und des Vaters des Schuldners stand, wurde die Vereinbarung am 17. September 2001 dahin ergänzt, dass die Beklagte dem Insolvenzverwalter eine unwiderrufliche Verkaufsvollmacht erteilt und ihre künftigen Verkaufserlöse an ihn abtritt, was mit Erklärungen vom selben Tag umgesetzt wurde. Ferner sollte sie gewährleisten, dass auch der Vater des Schuldners eine entsprechende Verkaufsvollmacht und Abtretungserklärung unterzeichnet, was dieser anschließend tat.

3

In der Folgezeit kam es zu [X.]inungsverschiedenheiten über die weitere Abwicklung der Vereinbarung und deren Wirksamkeit. Ende des Jahres 2005 veräußerte die Beklagte ihren Miteigentumsanteil an dem Anwesen in   M.  für 2,4 Mio. [X.] an ihre Kinder gegen Eintragung eines lebenslangen Wohnrechts. Der Vater des Schuldners schenkte den Kindern seinen Miteigentumsanteil am Grundstück. Im Mai 2006 verkaufte die Beklagte im Namen der Kinder das Anwesen für 17,5 Mio. [X.] an einen [X.], ohne den Verkaufserlös an die Insolvenzmasse abzuführen.

4

In einem Vorprozess begehrte der Insolvenzverwalter vor [X.] Gerichten die Feststellung, dass die mit der Beklagten getroffene Vereinbarung wirksam sei. Die Klage wurde in zweiter Instanz mangels internationaler Zuständigkeit abgewiesen; die Revision des Insolvenzverwalters hatte keinen Erfolg ([X.], Urteil vom 27. April 2010 - [X.], [X.]Z 185, 241). Die vom Insolvenzverwalter zugunsten der Beklagten zu erstattenden Kosten wurden mit Beschluss vom 29. Juni 2009 auf 850.792,80 € und mit Beschluss vom 25. Juni 2010 auf weitere 347.684,80 € festgesetzt.

5

Gegen die Zwangsvollstreckung aus diesen Beschlüssen wendet sich der Kläger mit der [X.]. Er macht geltend, er habe gegen die zu vollstreckenden Forderungen mit seinem Anspruch auf Auskehrung des [X.] aus dem Verkauf der Immobilie in   M.    aufgerechnet. Nach erfolgreicher Vollstreckung der Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. Juni 2009 hat der Kläger seine Klage insoweit als verlängerte [X.] fortgeführt und begehrt nunmehr von der Beklagten die Rückzahlung des von ihr erlangten Betrages von 947.012,43 €. Betreffend den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. Juni 2010 beantragt er weiterhin, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären.

6

Wegen der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung hatte der Kläger zunächst in eigenem Namen in der [X.] einen Rechtsstreit gegen die Beklagte geführt. Die Klage war mit der Begründung abgewiesen worden, ein ausländischer Konkursverwalter sei in der [X.] nicht aktivlegitimiert. Daraufhin beantragte der Kläger die Anerkennung der Konkurseröffnung in der [X.]. Diesem Antrag gab das Bezirksgericht [X.].   mit Urteil vom 23. Februar 2012 statt. Es beauftragte das Konkursamt [X.]mit der Durchführung des Konkurses über das in der [X.] gelegene Vermögen des Schuldners. Seitdem vertritt das Konkursamt die Konkursmasse in einem nach [X.]m Recht vor einer Klage auf Herausgabe des [X.] durchzuführenden Schlichtungsverfahren.

7

Das [X.] hat, nachdem es die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. Juni 2010 gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt hat, die Verhandlung nach § 148 ZPO ausgesetzt, bis das [X.] Schlichtungsverfahren über die Aufrechnungsforderung rechtskräftig erledigt ist. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das [X.] den Aussetzungsbeschluss aufgehoben. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

8

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 252, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 Abs. 2 bis 4 ZPO). Sie ist in der Sache jedoch unbegründet.

9

1. Das Beschwerdegericht meint, es bestehe keine Veranlassung, das Verfahren auszusetzen, denn die [X.] sei unbegründet. Die Entscheidung über eine im Wege der Prozessaufrechnung geltend gemachte Gegenforderung setze die internationale Zuständigkeit des Gerichts voraus ([X.], Urteil vom 12. Mai 1993 - [X.], NJW 1993, 2753), es sei denn, die für die Aufrechnung verwendete Gegenforderung sei nicht streitig oder rechtskräftig festgestellt. Dies müsse erst recht gelten, wenn die Forderung nicht ein Verteidigungsmittel, sondern wie im Fall der [X.] im Sinne des § 767 ZPO die Grundlage einer neuen Klage gegen einen rechtskräftigen Vollstreckungstitel bilde.

Für die Entscheidung über die vom Kläger geltend gemachte Gegenforderung seien die [X.] Gerichte international nicht zuständig. Die Zuständigkeit folge weder aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. a noch aus Art. 5 Nr. 3 des [X.] Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden auch: [X.] und [X.]). Mangels Konnexität der Aufrechnungsforderung und der titulierten Forderung ergebe sich die Zuständigkeit auch nicht aus § 33 ZPO. Auf den exorbitanten Gerichtsstand des § 23 ZPO dürfe im Anwendungsbereich des [X.]s von 2007 nicht zurückgegriffen werden.

Die danach gebotene Abweisung der [X.] könne nicht dadurch vermieden werden, dass das Verfahren gemäß § 148 ZPO ausgesetzt werde. Die Aussetzung führe in Verbindung mit der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 ZPO dazu, dass die Beklagte auf unbestimmte Zeit an der Durchsetzung ihres titulierten Anspruchs gehindert sei, was nicht interessengerecht erscheine.

2. Diese Ausführungen des [X.] halten rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand. Von einer Aussetzung des Verfahrens über die [X.] konnte abgesehen werden, weil die Klage mangels internationaler Zuständigkeit des angerufenen Gerichts abweisungsreif ist.

a) Die Zuständigkeit des mit der [X.] angerufenen Gerichts beurteilt sich im Streitfall grundsätzlich nach dem [X.] in der revidierten Fassung vom 30. Oktober 2007 ([X.] S. 5 ff).

Dieses Abkommen ist zeitlich anwendbar, weil es in [X.] am 1. Januar 2010 in [X.] getreten ist und die Klage danach, am 18. Mai 2010, erhoben wurde (Art. 63 Abs. 1, Art. 69 Abs. 4 und 5 [X.]). Allerdings ist das Übereinkommen in der [X.] erst am 1. Januar 2011 in [X.] getreten. Soweit die für die Zuständigkeit maßgeblichen Vorschriften auf Anknüpfungspunkte in einem durch das Übereinkommen gebundenen Staat abstellen und als solcher die [X.] in Rede steht, sind deshalb die Bestimmungen des [X.]s vom 16. September 1988 ([X.] [X.]) anzuwenden. Eine abweichende Beurteilung ergibt sich aus den unterschiedlichen Fassungen jedoch nicht.

Der sachliche Anwendungsbereich des [X.]s ist eröffnet, weil der Rechtsstreit eine [X.] im Sinne von Art. 1 Abs. 1 [X.] zum Gegenstand hat. Der Ausschlussgrund des Art. 1 Abs. 2 Buchst. b [X.] für Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren greift nicht ein. Ohne das Insolvenzverfahren über das Vermögen des früheren Ehemannes der Beklagten wäre es zwar nicht zu der Vereinbarung gekommen, aus der der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Auskehr des Erlöses aus dem Verkauf des Anwesens herleitet. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung über die Klage auf Feststellung der Wirksamkeit der Vereinbarung ausgeführt hat ([X.], Urteil vom 27. April 2010 - [X.], [X.]Z 185, 241 Rn. 9), genügt dies aber nicht, um den erforderlichen engen, unmittelbaren Zusammenhang zwischen der vorliegenden Klage und dem Insolvenzverfahren zu begründen (vgl. [X.], Urteil vom 22. Februar 1979 - [X.]. 133/78, [X.]/[X.], [X.]. 1979, 733 Rn. 4; vom 12. Februar 2009 - [X.]. [X.]/07, [X.]/[X.] NV, NJW 2009, 2189 Rn. 19 ff; vom 2. Juli 2009 - [X.]. [X.]/08, [X.]/Alpenblume, ZIP 2009, 1441 Rn. 21, 25; vom 10. September 2009 - [X.]. [X.]/08, [X.], [X.] 2009, 798 Rn. 26; vom 19. April 2012 - [X.]. [X.]/10, [X.], [X.], 1049 Rn. 29). Vielmehr ist die Klage als [X.] anzusehen, weil sie ihre Grundlage nicht im Insolvenzrecht hat und weder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch die Bestellung eines Insolvenzverwalters voraussetzt (vgl. [X.], Urteil 10. September 2009, aaO Rn. 32).

b) Grundsätzlich sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch das Übereinkommen gebundenen Staates haben, vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen (Art. 2 Abs. 1 [X.]). Für Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung zum Gegenstand haben, sind hingegen gemäß Art. 22 Nr. 5 [X.] 2007 (Art. 16 Nr. 5 [X.] 1988) ohne Rücksicht auf den Wohnsitz die Gerichte des Staates ausschließlich zuständig, in dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist. Diese Zuständigkeitsregel gilt wegen des engen Zusammenhangs mit dem Vollstreckungsverfahren auch für die [X.] nach § 767 ZPO ([X.], Urteil vom 4. Juli 1985 - [X.]. 220/84, [X.]/Malhé, [X.]. 1985, 2273 Rn. 12, 19 zu Art. 16 Nr. 5 EuGVÜ). Allerdings kann die internationale Zuständigkeit eines Gerichts für eine [X.] dann nicht auf Art. 22 Nr. 5 [X.] 2007 (Art. 16 Nr. 5 [X.] 1988) gestützt werden, wenn mit der Klage geltend gemacht wird, der zu vollstreckende Anspruch sei durch die Aufrechnung mit einer Forderung erloschen, für deren selbständige Geltendmachung die Gerichte dieses Staates nicht zuständig wären ([X.], Urteil vom 4. Juli 1985, aaO Rn. 19). Dies folgt aus der Systematik des Übereinkommens. Die grundsätzliche Allzuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Beklagten nach Art. 2 Abs. 1 [X.] dient dessen Schutz (vgl. [X.], Urteil vom 4. Juli 1985, aaO Rn. 15; vom 13. Oktober 2005 - [X.]. [X.]/04, [X.]/Rhodos Management Ltd., [X.]. 2005, I-8681 Rn. 15). Die Ausnahmen in Art. 22 [X.] dürfen deshalb nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Ziel erfordert ([X.], Urteil vom 13. Oktober 2005, aaO). Die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am [X.] nach Art. 22 Nr. 5 [X.] 2007 (Art. 16 Nr. 5 [X.] 1988) trägt der besonderen Beziehung eines Verfahrens zum Ort der Zwangsvollstreckung Rechnung. An dieser Beziehung fehlt es, wenn geltend gemacht wird, die zu vollstreckende Forderung sei durch Aufrechnung erloschen. Die Gerichte des Vollstreckungsstaats sind deshalb in einem solchen Fall nur dann international zuständig, wenn sie auch im Fall einer selbständigen Geltendmachung der aufgerechneten Forderung zuständig wären.

An dieser Beurteilung hat sich durch das Urteil des [X.] vom 13. Juli 1995 ([X.]. [X.]/93, [X.]/Schuhfabriken Otterbeck, [X.]. 1995, [X.]) nichts geändert. Nach dieser Entscheidung bestimmen sich die Voraussetzungen, unter denen eine Prozessaufrechnung geltend gemacht werden kann, nicht nach den Bestimmungen des Übereinkommens (dort: Art. 6 Nr. 3 EuGVÜ), sondern nach nationalem Recht, weil es sich bei der Prozessaufrechnung um ein bloßes Verteidigungsmittel handelt. Für die Geltendmachung einer Aufrechnung im Wege der [X.] gilt dies nicht; insoweit bleibt es bei den Grundsätzen des Urteils des [X.] vom 4. Juli 1985 (aaO; [X.], [X.] 1998, 889, 891; [X.]/[X.], 4. Aufl., Art. 22 [X.] Rn. 47; Kropholler/von [X.], Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 22 [X.] Rn. 61; [X.], 5. Aufl., Art. 22 EuGVVO Rn. 29; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 70. Aufl., Art. 22 EuGVVO Rn. 6; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 34. Aufl., Art. 22 EuGVVO Rn. 16; aA wohl Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., vor Art. 2 EuGVVO Rn. 15).

c) Im Streitfall ist die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte für die zur Aufrechnung gestellte Forderung zu verneinen. Sie folgt weder aus dem [X.] noch aus dem autonomen [X.] Verfahrensrecht.

aa) Der allgemeine Gerichtsstand des [X.] nach Art. 2 Abs. 1 [X.] begründet im Streitfall keine internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte, weil die Beklagte in der [X.] ansässig ist. Gemäß Art. 3 Abs. 1 [X.] kann sich die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte daher nur aus den besonderen und ausschließlichen Zuständigkeiten nach Art. 5 bis Art. 24 [X.] 2007 (Art. 5 bis Art. 18 [X.] 1988) ergeben. Diese führen indes nicht zu einem Gerichtsstand in [X.], wie das Beschwerdegericht zutreffend festgestellt hat.

(1) Der Gerichtsstand des [X.] im Sinne von Art. 5 Nr. 1 [X.] liegt nicht in [X.], sondern in der [X.]. Die zur Aufrechnung gestellte Forderung wird aus den getroffenen Vereinbarungen abgeleitet und konkurrierend auf die Behauptung gestützt, die Beklagte habe ihre vertraglichen Pflichten aus der Auseinandersetzungsvereinbarung verletzt. Damit werden Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne der Zuständigkeitsregelung geltend gemacht; hiervon sind auch vertragliche Sekundäransprüche umfasst (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1976, [X.]. 14/76, de Bloos/[X.], [X.]. 1976, 1497 Rn. 15/17 zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Art. 5 Rn. 18; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], Art. 5 Rn. 114; Kropholler/von [X.], aaO Art. 5 [X.] Rn. 14).

Bei gegenseitigen Verträgen ist für die Ermittlung des [X.] auf die konkret streitige Verpflichtung abzustellen (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1976, [X.]. 14/76, aaO; [X.] in [X.]/[X.], aaO Art. 5 Rn. 24). Im Rahmen eines Rechtsstreits über die Folgen einer Vertragsverletzung kommt es auf die Verpflichtung an, deren Nichterfüllung zur Anspruchsbegründung geltend gemacht wird, also auf den Erfüllungsort für die primäre Hauptverpflichtung ([X.] in [X.]/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., [X.] Art. 5 Rn. 107 f). Der Kläger meint, die Beklagte habe gegen ihre Verpflichtungen aus der Auseinandersetzungsvereinbarung vom 30. April 2001 und der Ergänzungsvereinbarung vom 17. September 2001 verstoßen, indem sie ihren Miteigentumsanteil am Anwesen in der [X.] zunächst ohne Genehmigung des Insolvenzverwalters an ihre Kinder übereignet und das Anwesen schließlich in deren Namen unter Vereinnahmung des Kaufpreises veräußert habe.

Die Beklagte war nach der Vereinbarung in erster Linie dazu verpflichtet, dem Insolvenzverwalter die Veräußerung des Grundstücks zu überlassen und ihm die Vereinnahmung des Erlöses für die Insolvenzmasse zu gestatten. Diese Verpflichtungen hat die Beklagte bereits mit der Unterzeichnung der Ergänzungsvereinbarung vom 17. September 2001 nebst Verkaufsvollmacht und Abtretungserklärung zugunsten des Insolvenzverwalters erfüllt. Durch die Verkaufsvollmacht wurde der Insolvenzverwalter unwiderruflich bevollmächtigt, alle mit dem Verkauf des [X.] Grundstücks notwendigen Rechtshandlungen, einschließlich etwa der Ablösung von Hypotheken sowie die Eintragung und Aufhebung von Dienstbarkeiten, Abgabe der Grundbuchanmeldung und das Inkasso des Kaufpreises, vorzunehmen. Ferner trat die Beklagte sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen am Grundstück an den Insolvenzverwalter ab. Dies begründet die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte, denn Art. 5 Nr. 1 [X.] stellt neben dem vertraglichen Erfüllungsort auch auf den Ort ab, an dem die Verpflichtung tatsächlich erfüllt worden ist. Die einvernehmliche Erfüllung einer Verpflichtung an einem anderen als dem ursprünglich vereinbarten Ort ist regelmäßig auch als Vereinbarung eines neuen [X.] anzusehen ([X.], Urteil vom 27. April 2010, aaO Rn. 20 f; BayObLG, [X.] 2001, 862, 863; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], aaO Art. 5 Rn. 342; vgl. auch [X.]/Leible, [X.]/[X.], Art. 5 [X.] I-VO Rn. 42; Kropholler/von [X.], aaO Art. 5 [X.] Rn. 34; [X.]/[X.], aaO Art. 5 [X.] Rn. 38; [X.] in [X.]/[X.], aaO Art. 5 Rn. 32). Durch die Abgabe der notwendigen notariellen Erklärungen am Beurkundungsort in [X.]erfüllte die Beklagte ihre vertraglichen Verpflichtungen in der [X.].

(2) Der Kläger stützt seine Ansprüche auch auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 StGB. Dies begründet jedoch nicht die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 [X.]. Der Anwendungsbereich dieser Norm erfasst Verfahren, die eine unerlaubte Handlung oder eine ihr gleich gestellte Handlung betreffen. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] bezieht sich dies auf alle nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens anknüpfende Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird (Urteil vom 27. September 1988 - [X.]. 189/87, [X.]/[X.] u.a., [X.]. 1988, 5565 Rn. 17; vom 26. März 1992 - [X.]. [X.]/90, [X.] u.a./Dresdner Bank, [X.]. 1992, [X.] Rn. 16; vom 27. Oktober 1998 - [X.]. [X.]/97, [X.] européenne u.a./Spliethoff’s Bevrachtingskantoor, [X.]. 1998, [X.] Rn. 22; vom 11. Juli 2002 - [X.]. [X.]/00, [X.], [X.]. 2002, [X.] Rn. 33). [X.], welche - wie im Streitfall - auf der Verletzung von vertraglichen Pflichten beruhen, fallen somit nicht unter Art. 5 Nr. 3 [X.] ([X.] in [X.]/[X.], aaO Art. 5 Rn. 127; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], aaO Art. 5 Rn. 485). Im Hinblick auf die gebotene autonome Auslegung ([X.], Urteil vom 27. September 1988, aaO Rn. 16) ist deshalb ohne Bedeutung, dass die Haftung nach dem nationalen Recht auch aus einer deliktischen Anspruchsgrundlage folgen kann.

(3) Aus Art. 6 Nr. 3 [X.] ergibt sich die Zuständigkeit der [X.] Gerichte ebenfalls nicht, weil diese Norm schon dem Wortlaut nach voraussetzt, dass eine Hauptklage in einem Vertragsstaat bereits rechtshängig ist (Müller in [X.]/[X.], aaO Art. 6 Rn. 102; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], aaO, Art. 6 Rn. 76; vgl. [X.]/Leible, aaO Art. 6 [X.] I-VO Rn. 25). Das [X.] muss eine Reaktion auf die Hauptklage sein. Die Regelung sieht keine internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Vertragsstaates vor, in dem erstmals eine auf eine Gegenforderung gestützte Klage erhoben wird.

bb) Auch das autonome [X.] Recht begründet keine internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte für eine Klage, mit welcher die zur Aufrechnung gestellte Forderung gegen die in der [X.] wohnhafte Beklagte verfolgt werden kann. Für den Gerichtsstand des Vermögens nach § 23 ZPO stellt Art. 3 Abs. 2 [X.] ausdrücklich klar, dass er nicht gegen Beklagte mit Wohnsitz in einem anderen Vertragsstaat des Übereinkommens geltend gemacht werden kann.

Im Übrigen folgt bereits aus Art. 3 Abs. 1 [X.], dass ein Beklagter nur dann vor den Gerichten eines wohnsitzfremden Vertragsstaates verklagt werden darf, wenn sich die internationale Zuständigkeit aus den besonderen oder ausschließlichen Zuständigkeiten der Art. 5 bis Art. 24 [X.] 2007 (Art. 5 bis Art. 18 [X.] 1988) ergibt. Begründen diese Normen keine internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, darf der Gerichtsstand des [X.] nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass auf die autonomen nationalen [X.] zurückgegriffen wird (vgl. [X.] in [X.]/[X.], aaO Art. 3 Rn. 3 f; Kropholler/von [X.], aaO vor Art. 2 [X.] Rn. 18, Art. 3 [X.] Rn. 1). Es verbietet sich somit auch ein Rückgriff auf den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO und den Gerichtsstand der Widerklage nach § 33 ZPO (anders im Falle der Prozessaufrechnung als Verteidigungsmittel, vgl. [X.], Urteil vom 7. November 2001 - [X.]/00, [X.]Z 149, 120, 127).

d) Die Entscheidung des [X.], das Verfahren über die [X.] nicht bis zur rechtskräftigen Erledigung des in der [X.] anhängigen Schlichtungsverfahrens über die Aufrechnungsforderung auszusetzen, ist unter diesen Umständen jedenfalls im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Eine Aussetzung nach den Bestimmungen des [X.]s scheidet aus. Die Art. 27, 28 [X.] 2007 (Art. 21, 22 [X.] 1988) sehen die Möglichkeit einer Aussetzung des Verfahrens vor, wenn in einem anderen Vertragsstaat entweder derselbe oder ein zusammenhängender Anspruch anhängig ist. Dadurch sollen insbesondere sich widersprechende Entscheidungen vermieden werden. Zur Aussetzung berechtigt ist jedoch nur das später angerufene Gericht. Eine Aussetzung des Verfahrens bei dem hier zuerst angerufenen [X.] Gericht kommt nicht in Betracht.

Im Übrigen gehen die Regelungen der Art. 27, 28 [X.] 2007 (Art. 21, 22 [X.] 1988) davon aus, dass eine internationale Zuständigkeit des aussetzenden Gerichts gegeben ist. Fehlt sie wie im Streitfall, muss die Klage in jedem Falle als unzulässig abgewiesen werden (vgl. Kropholler/von [X.], aaO vor Art. 27 [X.] Rn. 2). Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht in diesem Fall von vorneherein nicht (vgl. [X.]/[X.]/[X.], aaO Art. 27 Rn. 2). Außerdem würde eine Aussetzung dem Grundsatz einer effizienten Rechtspflege in den Vertragsstaaten zuwiderlaufen, welcher ebenfalls durch das Koordinierungssystem der Art. 27, 28 [X.] 2007 (Art. 21, 22 [X.] 1988) gewahrt werden soll ([X.]/[X.]/[X.], aaO Art. 27 Rn. 3).

bb) Ob die Art. 27, 28 [X.] 2007 (Art. 21, 22 [X.] 1988) die Möglichkeit einer Aussetzung des Verfahrens im Blick auf ein in einem anderen Vertragsstaat anhängiges Verfahren abschließend regeln (so [X.], [X.] 1998, 889, 891; für "Vorrang" Stein/Jonas/[X.], ZPO, 22. Aufl., § 148 Rn. 56, 60) oder ob daneben auf die nationale Norm des § 148 ZPO zurückgegriffen werden kann, braucht nicht entschieden zu werden. Denn auch nach dem Maßstab von § 148 ZPO ist die Ablehnung einer Aussetzung durch das Beschwerdegericht nicht zu beanstanden. Dieses hat die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens (zur eingeschränkten Überprüfbarkeit der Ermessensentscheidung vgl. [X.], Beschluss vom 3. März 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 925, 926; vom 22. Juni 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 1343 Rn. 11) nicht überschritten. Dient die Aussetzung des Verfahrens über eine [X.] allein dem Zweck, die Abweisung der Klage mangels internationaler Zuständigkeit zu vermeiden, weil nach rechtskräftiger Zuerkennung der aufgerechneten Gegenforderung durch das ausländische Gericht die Aufrechnung mit dieser Forderung vom [X.] Gericht berücksichtigt werden muss, kann die Aussetzung zumindest dann abgelehnt werden, wenn in absehbarer Zeit nicht mit der Beibringung einer rechtskräftigen ausländischen Entscheidung über die aufgerechnete Forderung zu rechnen ist. Die vom [X.] herangezogene Rechtsprechung, nach der das Verfahren bei einer Prozessaufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung in aller Regel auszusetzen ist ([X.], Urteil vom 11. Januar 1955 - [X.], [X.]Z 16, 124, 138), verlangt im Streitfall keine Aussetzung. Ob sie auf den Fall einer Prozessaufrechnung mit einer Forderung, für deren selbständige Geltendmachung das angerufene Gericht international unzuständig wäre, anzuwenden ist (vgl. Wagner, [X.] 1999, 65, 73; [X.], [X.], 6. Aufl., § 388 Rn. 37), kann offen bleiben. Für eine [X.] gilt sie jedenfalls nicht. Der bei der Prozessaufrechnung maßgebliche Gesichtspunkt, dass eine materiell unzutreffende (weil die sachlich-rechtlich wirksame Aufrechnung nicht berücksichtigende) Entscheidung über die geltend gemachte Hauptforderung vermieden werden soll ([X.], Urteil vom 11. Januar 1955, aaO [X.]), hat bei einer [X.] keine Bedeutung.

[X.]                        Fischer

            Grupp                       [X.]

Meta

IX ZB 88/12

03.04.2014

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Karlsruhe, 15. August 2012, Az: 8 W 48/12, Beschluss

Art 22 Nr 5 VollstrZustÜbk 1998 vom 30.10.2007, Art 27 VollstrZustÜbk 1998 vom 30.10.2007, Art 28 VollstrZustÜbk 1998 vom 30.10.2007, § 148 ZPO, § 767 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.04.2014, Az. IX ZB 88/12 (REWIS RS 2014, 6541)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6541

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