Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.05.2011, Az. 8 B 63/10

8. Senat | REWIS RS 2011, 6922

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Rehabilitierungsentscheidungen russischer Behörden


Gründe

1

Die [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu. Die Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des [X.] (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Es liegt auch kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des [X.] beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

2

1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den gegebenen Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.

3

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist die Frage, ob die Kläger einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des rechtskräftig abgeschlossenen Revisionsverfahrens hinsichtlich des ehemaligen Unternehmens [X.] in [X.]. haben. Das Verwaltungsgericht hat dies verneint, weil die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG nicht erfüllt seien. Das von den Klägern zur [X.]egründung ihres Wiederaufnahmebegehrens vorgelegte Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft der [X.] vom 12. Juni 1996 sei weder ein neues [X.]eweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, weil es die Enteignung von 1946 nicht betreffe, noch ergebe sich aus ihm eine den Klägern günstige Veränderung der Sach- oder Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG; namentlich komme auch bei seiner [X.]erücksichtigung keine Rückgabe der beanspruchten Vermögenswerte nach § 1 Abs. 7 [X.] in [X.]etracht.

4

Die von den Klägern als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichneten Fragen gehen hieran vorbei. Das gilt ohne Weiteres für die zweite von ihnen bezeichnete Frage,

ob in Abgrenzung zum sogenannten faktischen Enteignungsbegriff in [X.]ezug auf die von der Enteignung betroffene Person auch [X.] von Vermögenswerten unbelasteter Personen an gemeinsamen Vermögenswerten als besatzungshoheitlich gelten.

5

Diese Frage steht in keinem erkennbaren Zusammenhang mit § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG oder § 1 Abs. 7 [X.] und würde sich daher in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Nichts anderes aber gilt für die andere aufgeworfene Frage,

ob eine Enteignung eines in der Haftanstalt zu Tode Gekommenen ohne zugrundeliegendes Strafurteil eines Militärtribunals, in welchem zugleich der Vermögensentzug ausgesprochen wird, gleichwohl aber zu einer faktischen Enteignung führt, einer strafrechtlichen Verurteilung durch ein solches Militärtribunal zum Tode mit gleichzeitigem Vermögensentzug gleichsteht.

6

Diese Frage zielt zwar auf die Anwendung von § 1 Abs. 7 [X.]. Sie geht jedoch schon daran vorbei, dass nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.], an die das Revisionsgericht in Ermangelung von durchgreifenden Verfahrensrügen (dazu unten 3.) gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden wäre, keine bloß faktische, sondern eine förmliche Enteignung vorlag, die zudem weder auf die Inhaftierung des Rechtsvorgängers der Kläger noch auf dessen Versterben in der Haft zurückzuführen war. Vielmehr wurde danach das [X.]etriebsvermögen des Unternehmens durch [X.] Stellen unter [X.]ezugnahme auf den [X.] Nr. 124 beschlagnahmt und 1946 zugunsten des [X.]undeslandes [X.] enteignet. Soweit die [X.]eschwerde zugleich sinngemäß die Frage aufwirft, ob § 1 Abs. 7 [X.] auch - erweiternd oder analog - auf solche [X.] anzuwenden ist, wenn der in [X.] Haft verstorbene frühere [X.]erechtigte von [X.] Seite rehabilitiert wird, bedarf es zur Klärung keines Revisionsverfahrens. Aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt sich bereits, dass [X.] der dafür zuständigen [X.] [X.]ehörde nur zur Anwendung des § 1 Abs. 7 [X.] führen können, wenn die Vermögensentziehung durch staatliche Stellen der [X.] verfügt worden war (Urteile vom 17. April 1997 - [X.]VerwG 7 C 15.96 - [X.]VerwGE 104, 279 <289> = [X.] 428 § 6 [X.] Nr. 26 und vom 25. Februar 1999 - [X.]VerwG 7 C 9.98 - [X.]VerwGE 108, 315 <321 f.> = [X.] 428 § 1 Abs. 7 [X.] Nr. 1).

7

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht dargetan. Dieser Zulassungsgrund ist nur dann hinreichend bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. [X.]eschluss vom 1. September 1997 - [X.]VerwG 8 [X.] 144.97 - [X.] 406.11 § 128 [X.]auG[X.] Nr. 50 S. 7 <11>). Die [X.]eschwerde muss also die sich angeblich widersprechenden abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen. Daran fehlt es hier.

8

Die [X.]eschwerde benennt zwar teilweise Rechtssätze des [X.] aus den von ihr angeführten Entscheidungen. Einen davon abweichenden vom Verwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz benennt sie aber weder ausdrücklich noch sinngemäß. Vielmehr rügt sie lediglich die ihrer Meinung nach fehlerhafte Anwendung der Rechtsprechung des [X.] durch das Verwaltungsgericht. Damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.

9

3. Es liegt auch kein von der [X.]eschwerde geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Mit der [X.], das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft die Klage des [X.] zu 6 für unzulässig gehalten, wird zwar kein inhaltlicher Fehler, sondern ein Verstoß gegen Vorschriften über das gerichtliche Verfahren geltend gemacht (Urteil vom 14. Dezember 1961 - [X.]VerwG 3 [X.] 148.60 - [X.]VerwGE 13, 239 <240 f.> m.w.N.). Selbst wenn das Urteil insoweit rechtsfehlerhaft wäre, könnte die angegriffene Entscheidung aber nicht darauf beruhen. Denn der Kläger zu 6 macht den streitgegenständlichen Anspruch zusammen mit den Klägerinnen zu 4 und 5 in Erbengemeinschaft nach [X.] geltend. Da das Verwaltungsgericht die Klage hinsichtlich der Klägerinnen zu 1 bis 5 als unbegründet abgewiesen hat, hätte es, wenn die Klage des [X.] zu 6 zulässig gewesen wäre, auch hinsichtlich des [X.] zu 6 zu diesem Ergebnis kommen müssen, da der Anspruch der Erbengemeinschaft nur gemeinschaftlich zustehen könnte. Die [X.]eschwerde trägt auch nicht vor, welche weitergehenden Ansprüche der Kläger zu 6 geltend machen sollte. Dass über sein [X.]egehren durch Prozessurteil und nicht durch Sachurteil entschieden wurde, stellt, selbst wenn es fehlerhaft gewesen wäre, keine selbstständige [X.]eschwer dar.

Die auf Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 1 VwGO (gemeint wohl: Abs. 2) gestützte [X.] greift nicht durch. Entgegen der Auffassung der [X.]eschwerde hat das Verwaltungsgericht das Vorbringen der Klägerinnen zur Rechtswidrigkeit der Enteignungsmaßnahme nicht übergangen, sondern festgestellt, dass die Klägerinnen insoweit keine neuen [X.]eweismittel vorgelegt, sondern sich auf Unterlagen bezogen haben, die bereits Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Restitutionsverfahrens waren. Aus ihnen ergebe sich auch nicht die für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG erforderliche nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage. Auch der Vorwurf der [X.]eschwerde, dass die die Enteignung belegenden Unterlagen Fälschungen seien, wurde vom Verwaltungsgericht geprüft und verworfen.

Die [X.]eschwerde verkennt auch, dass im Verfahren um das Wiederaufgreifen eines rechtskräftig abgeschlossenen Restitutionsverfahrens nicht geprüft wird, ob ein bestimmter Gesichtspunkt im vorangegangenen Verfahren bereits erörtert wurde. Nach der gesetzlichen Regelung ist ein Wiederaufgreifen nur aus den in § 51 Abs. 1 VwVfG aufgezählten Gründen möglich, u.a. wenn sich die Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des [X.]etroffenen geändert hat. Dass das Verwaltungsgericht insoweit Sachvortrag der Klägerinnen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hätte, behauptet die [X.]eschwerde nicht.

Der gerügte Verstoß gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 14. April 2010 haben die auch erstinstanzlich anwaltlich vertretenen Klägerinnen keine [X.]eweisanträge gestellt. Die [X.]eschwerde legt nicht dar, warum sich dem Verwaltungsgericht dennoch die vermisste [X.]eweisaufnahme hätte aufdrängen müssen. Da es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um ein Verfahren um die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Restitutionsverfahrens handelt, hätte es den Klägerinnen oblegen, die geänderte Sach- oder Rechtslage dar- oder neue [X.]eweismittel vorzulegen. Die Verpflichtung des Gerichtes gemäß § 86 Abs. 1 VwGO, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, umfasst nicht die Verpflichtung, Gründe oder [X.]eweismittel für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu ermitteln.

Schließlich liegt der gerügte Verstoß gegen die Denkgesetze nicht vor. Ein Tatsachengericht hat nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung der [X.]eschwerdeführer unrichtige oder fernliegende Schlüsse gezogen hat. Ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr, vgl. z.[X.]. Urteil vom 20. Oktober 1987 - [X.]VerwG 9 C 147.86 - [X.] 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 <4>). Davon kann hier keine Rede sein. Das Verwaltungsgericht geht auch nicht von einem aktenwidrigen Sachverhalt aus und lässt - entgegen dem Vortrag der [X.]eschwerde - nicht wesentlichen Akteninhalt bei seiner Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung unberücksichtigt. Es hat vielmehr geprüft und festgestellt, dass die Klägerinnen hinsichtlich der geltend gemachten Rechtswidrigkeit der [X.] keine neuen [X.]eweismittel vorgelegt, sondern sich auf Unterlagen bezogen haben, die bereits Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Restitutionsverfahrens waren. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass das zur [X.]egründung des [X.] vorgelegte Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft der [X.] vom 12. Juni 1996 nicht geeignet sei, eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten der Kläger zu bewirken. Die [X.]eschwerde setzt dieser tatrichterlichen Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung lediglich ihre eigene Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung entgegen.

Von einer weiteren Darstellung der Gründe wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

Meta

8 B 63/10

09.05.2011

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Dresden, 14. April 2010, Az: 6 K 319/08, Urteil

§ 1 Abs 7 VermG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.05.2011, Az. 8 B 63/10 (REWIS RS 2011, 6922)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6922

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