Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 29.08.2023, Az. 1 BvL 4/22

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2023, 6630

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Unzulässige Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 850c, 850f ZPO - unzureichende Vorlagebegründung


Tenor

Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Vorschriften der Pfändungsfreigrenzen in §§ 850c und f der Zivilprozessordnung (ZPO) verfassungsgemäß sind.

I.

2

Die Vorschriften lauten in ihrer derzeit gültigen Fassung:

§ 850c ZPO - [X.] für Arbeitseinkommen

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1. 1 178,59 Euro monatlich,

2. 271,24 Euro wöchentlich oder

3. 54,25 Euro täglich

beträgt.

(2)

1. 443,57 Euro monatlich,

2. 102,08 Euro wöchentlich oder

3. 20,42 Euro täglich.

1. 247,12 Euro monatlich,

2. 56,87 Euro wöchentlich oder

3. 11,37 Euro täglich.

(3)

1. 3 613,08 Euro monatlich,

2. 831,50 Euro wöchentlich oder

3. 166,30 Euro täglich

übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

[…]

§ 850f ZPO - Änderung des unpfändbaren Betrages

(1) Das Vollstreckungsgericht kann dem Schuldner auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d und 850i pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn

1. der Schuldner nachweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen entsprechend § 850c der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des Dritten und [X.] oder nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des [X.] Sozialgesetzbuch für sich und für die Personen, denen er gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist, nicht gedeckt ist,

2. besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen oder

3. der besondere Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners, insbesondere die Zahl der Unterhaltsberechtigten, dies erfordern und überwiegende Belange des Gläubigers nicht entgegenstehen.

[…]

II.

3

1. Der Vorlage liegt ein Zwangsvollstreckungsverfahren zugrunde.

4

Im Ausgangsverfahren besteht Streit über die Erhöhung des unpfändbaren Betrags des Arbeitseinkommens dahingehend, ob bei der Festlegung des unpfändbaren Betrags im Haushalt lebende Kinder zu berücksichtigten sind, für die keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht.

5

2. Mit Beschluss vom 29. November 2022 hat das Amtsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem [X.] die Frage vorgelegt, ob die Vorschriften der Pfändungsfreigrenzen nach §§ 850c und f ZPO "im Hinblick auf Art. 3, 6, 20 GG" verfassungsgemäß seien.

B.

6

Die Vorlage ist unzulässig.

I.

7

Was die verfassungsrechtliche Beurteilung der zur Prüfung gestellten Norm angeht, muss das vorlegende Gericht von ihrer Verfassungswidrigkeit überzeugt sein und die für seine Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar darlegen (vgl. [X.] 78, 165 <171 f.>; 86, 71 <77 f.>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>; 136, 127 <142 Rn. 45>; 138, 1 <13 f. Rn. 37>; 159, 149 <171 Rn. 59>). Der Vorlagebeschluss muss den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeben, die naheliegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erörtern, sich eingehend sowohl mit der [X.] als auch mit der verfassungsrechtlichen Rechtslage auseinandersetzen und dabei die in der Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen berücksichtigen (vgl. [X.] 79, 240 <243 f.>; 136, 127 <141 Rn. 45>). Insbesondere ist eine Auseinandersetzung mit der maßgeblichen Rechtsprechung des [X.]s notwendig (vgl. [X.] 131, 88 <118>).

II.

8

Ausgehend von diesen Maßstäben genügt der Vorlagebeschluss den Anforderungen nicht.

9

Das Amtsgericht stellt nicht hinreichend dar, weshalb es von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Normen überzeugt ist. Es hat weder den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angegeben noch sich hinreichend mit der Rechtslage und den dazu vertretenen unterschiedlichen Rechtsauffassungen auseinandergesetzt.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvL 4/22

29.08.2023

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvL

vorgehend AG Aue-Bad Schlema, 29. November 2022, Az: 2 M 2596/20, Vorlagebeschluss

Art 100 Abs 1 GG, § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 81a BVerfGG, § 850c ZPO, § 850f ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 29.08.2023, Az. 1 BvL 4/22 (REWIS RS 2023, 6630)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6630

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