Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.10.2017, Az. IX ZB 100/16

9. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 3619

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Gegenstand

Verbraucherinsolvenzverfahren: Erhöhung des Pfändungsfreibetrags bei Zusammenleben des Schuldners mit einer nicht unterhaltsberechtigten Person in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft


Leitsatz

Der Pfändungsfreibetrag ist nicht deshalb zu erhöhen, weil der Schuldner mit einer nicht unterhaltsberechtigten Person in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft zusammenlebt und diese wegen Zurechnung seines Einkommens nicht hilfebedürftig ist.

Tenor

Auf die Rechtsmittel des weiteren Beteiligten zu 1 werden die Beschlüsse der 6. Zivilkammer des [X.] vom 14. Dezember 2016 und des [X.] vom 20. Oktober 2016 aufgehoben.

Der Antrag des Schuldners vom 19. September 2016, seine Lebensgefährtin nach § 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO als unterhaltsberechtigte Person festzustellen und ihm insoweit Vollstreckungsschutz zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat der Schuldner zu tragen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Am 9. Juli 2014 wurde auf Antrag des S[X.]huldners das Verbrau[X.]herinsolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet und der weitere Beteiligte zu 1 zum Treuhänder bestellt. Der S[X.]huldner ist einem minderjährigen Kind aus erster Ehe (geboren am 12. Juni 2000) zum Unterhalt verpfli[X.]htet; eine Unterhaltspfli[X.]ht gegenüber seiner ersten Ehefrau besteht ni[X.]ht. Von seiner zweiten Ehefrau hat si[X.]h der S[X.]huldner getrennt und zahlt ihr keinen Unterhalt. Das Insolvenzgeri[X.]ht bes[X.]hloss am 12. Juli 2016 auf Antrag des Treuhänders, die zweite Ehefrau deswegen bei der Bere[X.]hnung des pfändungsfreien Betrages unberü[X.]ksi[X.]htigt zu lassen. Seit September 2016 bildet der S[X.]huldner mit seiner Lebensgefährtin und deren zwei Kindern eine Bedarfsgemeins[X.]haft na[X.]h § 7 Abs. 2 und 3 [X.] ([X.]). Mit Bes[X.]heid vom 15. September 2016 lehnte das Job[X.]enter den Antrag der Lebensgefährtin auf Leistungen zur Si[X.]herung des Lebensunterhalts na[X.]h dem [X.] ab. Zur Begründung führte es aus, sie sei ni[X.]ht hilfsbedürftig, weil die Einkünfte ihrer Kinder (Unterhalt und Kindergeld) und das Einkommen ihres Lebenspartners und S[X.]huldners (unter Berü[X.]ksi[X.]htigung beider Pfändungen) die maßgebli[X.]hen Beträge überstiegen.

2

Der S[X.]huldner hat am 19. September 2016 beantragt, seine Lebensgefährtin bei der Bestimmung des unpfändbaren Betrages zu berü[X.]ksi[X.]htigen. Das Insolvenzgeri[X.]ht hat antragsgemäß festgestellt, dass die Lebensgefährtin des S[X.]huldners als Unterhaltsbere[X.]htigte im Sinne von § 850[X.] ZPO ab dem 21. September 2017 zu berü[X.]ksi[X.]htigen sei, wobei der si[X.]h für die Lebensgefährtin gemäß der Tabelle zu § 850[X.] ZPO ergebende Betrag die Höhe von 364 € ni[X.]ht übersteigen dürfe. Das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht hat die sofortige Bes[X.]hwerde des Treuhänders zurü[X.]kgewiesen. Mit seiner vom Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht zugelassenen Re[X.]htsbes[X.]hwerde mö[X.]hte der Treuhänder die Aufhebung der Ents[X.]heidungen des Insolvenz- und des [X.] und die Ablehnung des s[X.]huldneris[X.]hen Antrags errei[X.]hen.

II.

3

Die Re[X.]htsbes[X.]hwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 575 Abs. 1, §§ 765a, 850[X.], 850f, 793 ZPO) und hat in der Sa[X.]he Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefo[X.]htenen Bes[X.]hlüsse.

4

1. Auf das Verfahren sind die Vors[X.]hriften der [X.] in der bis zum 30. Juni 2014 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 103h EG[X.]). Der Insolvenzantrag ist vor dem 1. Juli 2014, nämli[X.]h am 26. Juni 2014, beim Insolvenzgeri[X.]ht eingegangen.

5

2. Das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht hat ausgeführt ([X.], 1034): In den Fällen, in wel[X.]hen dem Lebensgefährten des S[X.]huldners Sozialleistungen im Hinbli[X.]k auf eine bestehende Bedarfsgemeins[X.]haft abgelehnt worden seien, bestehe eine faktis[X.]he Unterhaltspfli[X.]ht, weswegen na[X.]h § 850[X.] Abs. 1 Satz 2, § 850f Abs. 1 Bu[X.]hst. a und [X.], § 765a ZPO die in der Bedarfsgemeins[X.]haft lebenden Personen bei der Ermittlung des pfändungsfreien Betrags zu berü[X.]ksi[X.]htigen seien und das Arbeitseinkommen des S[X.]huldners dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen sei, wenn der notwendige Bedarf des S[X.]huldners und der in der Bedarfsgemeins[X.]haft lebenden Personen ansonsten tatsä[X.]hli[X.]h ni[X.]ht gede[X.]kt sei.

6

3. Dies hält re[X.]htli[X.]her Überprüfung ni[X.]ht stand. Die Lebensgefährtin des S[X.]huldners ist weder gemäß § 850[X.] Abs. 1 Satz 2 ZPO no[X.]h na[X.]h § 850f Abs. 1 Bu[X.]hst. a oder [X.] ZPO no[X.]h na[X.]h § 765a ZPO, au[X.]h ni[X.]ht in analoger Anwendung dieser Regelungen, bei der Bere[X.]hnung des pfändbaren Einkommens des S[X.]huldners zu berü[X.]ksi[X.]htigen.

7

a) Na[X.]h § 36 Abs. 1 [X.], § 850f Abs. 1 Bu[X.]hst. a ZPO in der seit dem 26. November 2016 geltenden Fassung kann das Insolvenzgeri[X.]ht als Vollstre[X.]kungsgeri[X.]ht dem S[X.]huldner zwar auf Antrag von dem na[X.]h §§ 850[X.], 850d ZPO pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn dieser na[X.]hweist, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen der notwendige Lebensunterhalt im Sinne des dritten, vierten und elften Kapitels des Zwölften Bu[X.]hes Sozialgesetzbu[X.]h ([X.]; Sozialhilfe) oder na[X.]h Kapitel 3 Abs[X.]hnitt 2 des Zweiten Bu[X.]hes Sozialgesetzbu[X.]h ([X.]; Grundsi[X.]herung für Arbeitsu[X.]hende) für si[X.]h und für die Personen, denen er Unterhalt zu gewähren hat, ni[X.]ht gede[X.]kt ist. Die Vors[X.]hrift soll im Interesse des S[X.]huldners si[X.]herstellen, dass diesem na[X.]h Dur[X.]hführung der Pfändungsmaßnahme das Existenzminimum verbleibt, und im Interesse der Allgemeinheit, wel[X.]he die Mittel für ergänzende Sozialhilfeleistungen aufzubringen hat, verhindern, dass der Gläubiger zu ihren Lasten befriedigt wird. Rei[X.]ht der aus § 850[X.] ZPO in Verbindung mit der dazu gehörigen Tabelle zu ermittelnde pfändungsfreie Teil des Arbeitseinkommens ni[X.]ht aus, um den individuellen Lebensbedarf des S[X.]huldners zu de[X.]ken, und sind seine Bedürfnisse bei Bemessung des notwendigen Unterhalts na[X.]h § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO ni[X.]ht hinrei[X.]hend berü[X.]ksi[X.]htigt worden, kann dies über § 850f Abs. 1 ZPO ausgegli[X.]hen werden. Es ist dann der S[X.]huldner, der - etwa dur[X.]h eine Bes[X.]heinigung des für ihn zuständigen Sozialhilfeträgers - den Beweis zu erbringen hat, dass die ihm belassenen Mittel das Existenzminimum unters[X.]hreiten ([X.], Bes[X.]hluss vom 12. Dezember 2003 - [X.], [X.], 620 zur alten Fassung der Regelung, die auf das Bundessozialhilfegesetz verwies).

8

Bei der Ents[X.]heidung ist die Differenz zu bilden zwis[X.]hen dem fiktiv zu bestimmenden [X.] oder der fiktiven Sozialhilfe und dem [X.], wel[X.]her dem S[X.]huldner na[X.]h der Pfändung verbleibt. Der si[X.]h ergebende Betrag ist dem S[X.]huldner zusätzli[X.]h zu belassen, soweit keine überwiegenden Belange der Gläubiger entgegenstehen (vgl. Be[X.]kOK-ZPO/[X.], 2017, § 850f Rn. 13). Wie der notwendige Lebensunterhalt des Vollstre[X.]kungss[X.]huldners na[X.]h § 850f Abs. 1 Bu[X.]hst. a ZPO zu bere[X.]hnen ist und ob in die Bere[X.]hnung nur Personen einzustellen sind, denen der S[X.]huldner entspre[X.]hend § 850[X.] Abs. 1 Satz 2 ZPO aufgrund einer gesetzli[X.]hen Vors[X.]hrift Unterhalt gewährt ([X.], Bes[X.]hluss vom 28. November 2011 - 1 T 327/11 Hn nv; LG Mosba[X.]h, Z[X.] 2012, 799; [X.]/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 850f Rn. 2a [X.]; Be[X.]kOK-ZPO/[X.], 2017, § 850f Rn. 19.1; Mün[X.]hKomm-ZPO/[X.], 5. Aufl., § 850f Rn. 7; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 850f Rn. 3; [X.]/S[X.]hütze/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 850f Rn. 8; Musielak/[X.]/[X.], ZPO, 14. Aufl., § 850f Rn. 2a; [X.]/Mo[X.]k, Zwangsvollstre[X.]kung, 7. Aufl., § 850f Rn. 8; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 1176m; [X.], [X.] 2008, 513) oder ob jede Person bei der Verglei[X.]hsbere[X.]hnung zu berü[X.]ksi[X.]htigen ist, "denen er Unterhalt zu gewähren hat", also au[X.]h aufgrund einer vertragli[X.]hen (Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 9. Aufl., § 850f Rn. 21; vgl. au[X.]h [X.], NJW-RR 2003, 365) oder einer anderen als in § 850[X.] Abs. 1 Satz 2 ZPO genannten gesetzli[X.]hen Verpfli[X.]htung (vgl. Prütting/Gehrlein/[X.], aaO), ist streitig. Insbesondere ist streitig, ob in den Fällen, in denen Einkommen des Vollstre[X.]kungss[X.]huldners bei der Bere[X.]hnung der Leistungen zur Si[X.]herung des Lebensunterhalts na[X.]h [X.] einem Mitglied einer Bedarfsgemeins[X.]haft na[X.]h § 9 Abs. 2 Satz 1 [X.] zugere[X.]hnet wird, in der Verglei[X.]hsbere[X.]hnung diese Person zu berü[X.]ksi[X.]htigen ist (dafür [X.], [X.] 2008, 384; [X.], [X.] 2015, 155; Prütting/Gehrlein/[X.], aaO; [X.], [X.], 397; [X.]/[X.], [X.] 2008, 378; dagegen [X.], Bes[X.]hluss vom 28. November 2011 - 1 T 327/11 Hn nv; [X.], Bes[X.]hluss vom 31. Januar 2017 - 5 T 30/17 nv; [X.], Bes[X.]hluss vom 15. Juni 2009 - 2 B 1717/09 nv; Be[X.]kOK-ZPO/[X.], aaO; Musielak/[X.]/[X.], aaO; [X.], aaO; [X.], [X.] 2010, 291; offen gelassen [X.] Köln, [X.], 1697, 1698). Die hier zu § 850f Abs. 1 Bu[X.]hst. a ZPO aufgeworfenen Fragen müssen ni[X.]ht ents[X.]hieden werden. Denn au[X.]h wenn zugunsten des S[X.]huldners unterstellt wird, dass seine Lebensgefährtin als Mitglied der Bedarfsgemeins[X.]haft in die Verglei[X.]hsbere[X.]hnung einzustellen ist, kommt eine Erhöhung des unpfändbaren Betrages na[X.]h dieser Regelung ni[X.]ht in Betra[X.]ht, weil der S[X.]huldner s[X.]hon ni[X.]ht na[X.]hgewiesen hat, dass bei Berü[X.]ksi[X.]htigung der Pfändungsfreigrenzen na[X.]h § 850[X.] ZPO der notwendige Lebensunterhalt für si[X.]h und für die Lebenspartnerin ni[X.]ht gede[X.]kt ist (vgl. [X.] Köln, aaO).

9

Der S[X.]huldner hat s[X.]hon ni[X.]ht hinrei[X.]hend vorgetragen, dass bei Anwendung der Pfändungsfreigrenzen na[X.]h § 850[X.] ZPO der notwendige Lebensunterhalt gemäß §§ 19 ff [X.] - au[X.]h unter Berü[X.]ksi[X.]htigung seiner Lebensgefährtin und deren beiden minderjährigen Kinder - ni[X.]ht gede[X.]kt ist. Sein pfändungsfreier Betrag betrug für die maßgebli[X.]he Zeit bis zum 30. Juni 2017 bei einer unterhaltsbere[X.]htigten Person und einem angenommenen Nettoeinkommen von 2.252,03 € - so die vom S[X.]huldner vorgelegten Auskünfte des Job[X.]enters - 1.866,05 €, na[X.]h Abzug des Kindesunterhalts verblieben ihm mithin 1.488 €. Die vier Personen der Bedarfsgemeins[X.]haft hatten ausweisli[X.]h der Bere[X.]hnungen des Job[X.]enters einen Gesamtbedarf von maximal 1.901,32 €. Einen höheren Bedarf hat der S[X.]huldner ni[X.]ht dargetan. Dieser Bedarf aber war und ist - ebenfalls ausweisli[X.]h der Bere[X.]hnungen des Job[X.]enters - gede[X.]kt, weil die aus vier Personen bestehende Bedarfsgemeins[X.]haft Einnahmen (Kindergeld, Kindesunterhalt, Nettoeinkommen des S[X.]huldners na[X.]h Abzug der Unterhaltszahlungen an seine To[X.]hter und die an den Treuhänder abgeführten Beträge; vgl. zu Letzterem [X.], 76 Rn. 44 iVm [X.], Bes[X.]hluss vom 24. April 2008 - L 28 B 1452/07 [X.]) in Höhe von abgerundet mindestens 2.100 € hatte und hat. Au[X.]h wenn der Bedarf des S[X.]huldners na[X.]h den Bere[X.]hnungen des Job[X.]enters ohne Einbeziehung der Lebensgefährtin und deren Kinder berü[X.]ksi[X.]htigt wird und ihm die Wohnungskosten vollständig zugere[X.]hnet werden, lag sein Bedarf weit unter dem ihm na[X.]h § 850[X.] ZPO verbliebenen Betrag.

b) Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen der § 36 Abs. 1 [X.], § 850f Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] ZPO vor. Na[X.]h dieser Regelung kann dem S[X.]huldner aus dem gepfändeten Arbeitseinkommen oder den Lohnersatzleistungen ein über die [X.] des § 850[X.] ZPO hinausgehender Betrag pfandfrei belassen werden, wenn der besondere Umfang der gesetzli[X.]hen Unterhaltspfli[X.]hten dies erfordert. Hierzu zählen insbesondere die Fälle, in denen der S[X.]huldner mehr als fünf Personen zum Unterhalt verpfli[X.]htet ist, weil sol[X.]he Unterhaltspfli[X.]hten na[X.]h § 850[X.] ZPO ni[X.]ht mehr berü[X.]ksi[X.]htigt werden. Besondere Bedürfnisse des Unterhaltsbere[X.]htigten können ebenso Berü[X.]ksi[X.]htigung finden (Be[X.]kOK-ZPO/[X.], 2017, § 850f Rn. 24 f). Freiwillig übernommene Unterhaltsverpfli[X.]htungen, aber au[X.]h die sogenannten faktis[X.]hen Unterhaltszahlungen im Rahmen einer Bedarfsgemeins[X.]haft fallen ni[X.]ht unter diese Regelung; denn es muss si[X.]h na[X.]h ihrem eindeutigen Wortlaut um gesetzli[X.]he Unterhaltspfli[X.]hten handeln (vgl. LG S[X.]hweinfurt, Rpfleger 1984, 69; Be[X.]kOK-ZPO/[X.], aaO Rn. 25; Mün[X.]hKomm-ZPO/[X.], 5. Aufl., § 850f Rn. 7; Meller-Hanni[X.]h in [X.]/Meller-Hanni[X.]h/Wolf, Gesamtes Re[X.]ht der Zwangsvollstre[X.]kung, 3. Aufl., § 850f Rn. 8; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 9. Aufl., § 850f Rn. 25).

[X.]) Eine Erhöhung des [X.] kann au[X.]h ni[X.]ht unter Verweis auf § 765a ZPO begründet werden. Diese Vors[X.]hrift kann im Insolvenzverfahren über § 4 [X.] gegebenenfalls entspre[X.]hend anwendbar sein ([X.], Bes[X.]hluss vom 13. Februar 2014 - [X.], [X.], 414 Rn. 11 mwN). § 765a ZPO ermögli[X.]ht den S[X.]hutz gegen Vollstre[X.]kungsmaßnahmen, die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den S[X.]huldner bedeuten, die mit den guten Sitten ni[X.]ht zu vereinbaren ist. Diese Vors[X.]hrift ist als Ausnahmevors[X.]hrift eng auszulegen. Anzuwenden ist § 765a ZPO nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers na[X.]h Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führen würde. Der Gesetzgeber hat mit der restriktiven Fassung der Vors[X.]hrift klarstellen wollen, dass ni[X.]ht jede Vollstre[X.]kungsmaßnahme, die für den S[X.]huldner eine unbillige Härte bedeutet, die Anwendung der Härteklausel re[X.]htfertigt. Die Vollstre[X.]kung soll erst an der Grenze der Sittenwidrigkeit haltma[X.]hen. Die Notwendigkeit, zur Si[X.]herung des Lebensunterhalts Sozialhilfe in Anspru[X.]h nehmen zu müssen, begründet als sol[X.]he keine sittenwidrige Härte ([X.], Bes[X.]hluss vom 21. Dezember 2004 - [X.], [X.]Z 161, 371, 374 f mwN; vom 2. Dezember 2010 - [X.], [X.] 2011, 96 Rn. 9). Die Anwendung des § 765a ZPO ermögli[X.]ht es ni[X.]ht, der Masse kraft Gesetzes (§§ 35, 36 [X.]) ausdrü[X.]kli[X.]h zugewiesene Vermögenswerte wieder zu entziehen ([X.], Bes[X.]hluss vom 15. November 2007 - [X.], [X.], 93 Rn. 21; vom 2. Dezember 2010, aaO Rn. 5, 7). Die Pfändung von Einkünften, die ni[X.]ht na[X.]h den Bestimmungen der §§ 850ff ZPO unpfändbar sind, begründet deshalb grundsätzli[X.]h keine sittenwidrige Härte im Sinne von § 765a ZPO ([X.], Bes[X.]hluss vom 15. November 2007, aaO). Im Streitfall hat der S[X.]huldner ni[X.]ht dargelegt, dass der ihm na[X.]h [X.] zustehende notwendige Lebensunterhalt - sei es mit, sei es ohne Berü[X.]ksi[X.]htigung der Lebensgefährtin - gefährdet sei.

d) Ebenso wenig durfte das Insolvenzgeri[X.]ht im Wege einer Gesamtanalogie zu § 765a Abs. 1 Satz 1, § 850[X.] Abs. 1 Satz 2, § 850f Abs. 1 Bu[X.]hst. b [X.] den [X.] des S[X.]huldners erhöhen, weil der S[X.]huldner seiner Lebensgefährtin im Rahmen der Bedarfsgemeins[X.]haft faktis[X.]h Unterhalt leiste.

aa) Gemäß § 850[X.] Abs. 1 Satz 2 ZPO erhöht si[X.]h der [X.] na[X.]h dem eindeutigen Wortlaut der Regelung nur, wenn der S[X.]huldner aufgrund einer gesetzli[X.]hen Verpfli[X.]htung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder einem Verwandten oder einem Elternteil Unterhalt gewährt. Nur gesetzli[X.]he, ni[X.]ht au[X.]h vertragli[X.]he Unterhaltspfli[X.]hten oder freiwillige Unterhaltsleistungen sind zu berü[X.]ksi[X.]htigen. Ebenso wenig fallen Unterhaltsrenten, wel[X.]he der S[X.]huldner als S[X.]hadensersatz bezahlen muss, unter diese Regelung. Au[X.]h freiwillige Zahlungen an Stiefkinder oder Pflegekinder oder den Partner einer ni[X.]hteheli[X.]hen Lebensgemeins[X.]haft führen zu keiner Erhöhung des [X.], au[X.]h wenn diese Personen im Haushalt des S[X.]huldners wohnen ([X.]/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 850[X.] Rn. 5; Musielak/[X.]/[X.], ZPO, 14. Aufl., § 850[X.] Rn. 4 f; Mün[X.]hKomm-ZPO/[X.], 5. Aufl., § 850[X.] Rn. 10; Be[X.]kOK-ZPO/[X.], 2017, § 850[X.] Rn. 6).

bb) Eine analoge Anwendung des § 850[X.] Abs. 1 Satz 2 ZPO kommt ni[X.]ht in Betra[X.]ht, wenn der S[X.]huldner freiwillig im Rahmen einer Bedarfsgemeins[X.]haft (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 [X.]) seiner Lebensgefährtin Unterhalt gewährt.

(1) Eine Analogie setzt eine Gesetzeslü[X.]ke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Ob eine derartige Lü[X.]ke vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsi[X.]ht zu beurteilen. Die vom Gesetzgeber ni[X.]ht beabsi[X.]htigte Lü[X.]ke muss dabei aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden können, weil sonst jedes S[X.]hweigen des Gesetzgebers als planwidrige Lü[X.]ke im Wege der Analogie von den Geri[X.]hten ausgefüllt werden könnte ([X.], Bes[X.]hluss vom 8. September 2016 - [X.], NJW 2016, 3726 Rn. 12; vom 4. Mai 2017 - [X.], [X.], 1218 Rn. 14). Diese Voraussetzungen sind ni[X.]ht gegeben. Der Gesetzgeber hat si[X.]h erst Ende des Jahres 2007 mit dem Verhältnis von Unterhaltsansprü[X.]hen in der Zwangsvollstre[X.]kung bes[X.]häftigt und § 850d ZPO mit Gesetz vom 21. Dezember 2007 mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert. Obwohl zu diesem Zeitpunkt die sozialhilfere[X.]htli[X.]hen Vors[X.]hriften im [X.] und [X.] s[X.]hon rund drei Jahre in [X.] waren, hat er keinen Anlass gesehen, Leistungen im Rahmen einer Bedarfsgemeins[X.]haft in den §§ 850d, 850f ZPO zu berü[X.]ksi[X.]htigen ([X.], [X.] 2008, 513, 515). Mit Gesetz vom 21. November 2016 hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 26. November 2016 § 850f Abs. 1 Bu[X.]hst. a ZPO geändert und die Regelung an die geänderte Gliederung des in Bezug genommenen [X.] angepasst (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 17. Februar 2016, BT-Dru[X.]ks. 18/7560 [X.]), die sozialre[X.]htli[X.]he Bedarfsgemeins[X.]haft wird ni[X.]ht erwähnt. Na[X.]hdem der Gesetzgeber ausdrü[X.]kli[X.]h in § 850[X.] Abs. 1 Satz 2, § 850d, § 850f Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] ZPO von gesetzli[X.]hen Unterhaltsansprü[X.]hen spri[X.]ht und diese damit von sonstigen Unterhaltsleistungen abgrenzt, kann ni[X.]ht angenommen werden, dass er die Unters[X.]heidung ni[X.]ht erkannt hat (vgl. [X.], [X.] 2008, 513, 515; Musielak/[X.]/[X.], ZPO, 14. Aufl., § 850f Rn. 2a).

(2) Es besteht au[X.]h kein Bedürfnis für die Geri[X.]hte, den Pfändungss[X.]hutz zugunsten von in Bedarfsgemeins[X.]haft mit dem S[X.]huldner zusammenlebenden Personen zu erweitern, au[X.]h wenn diese infolge der Zure[X.]hnung des Einkommens des S[X.]huldners ni[X.]ht mehr hilfsbedürftig im Sinne des [X.] sind. Dur[X.]h die Erweiterung des Pfändungss[X.]hutzes würden die Gläubiger ohne Re[X.]htfertigung unter Eingriff in ihre grundre[X.]htli[X.]h ges[X.]hützten Positionen bena[X.]hteiligt, weil ihre Vollstre[X.]kungsaussi[X.]hten ges[X.]hmälert würden. Zu den Eigentumsre[X.]hten im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG gehören au[X.]h s[X.]huldre[X.]htli[X.]he Forderungen. Der verfassungsre[X.]htli[X.]h gewährleistete S[X.]hutz erstre[X.]kt si[X.]h insbesondere auf das Befriedigungsre[X.]ht des Gläubigers. [X.] sind nur aus Gründen des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) gere[X.]htfertigt. [X.] sind in Abwägung mit dem dur[X.]h Art. 14 Abs. 1 GG ges[X.]hützten Befriedigungsre[X.]ht der Gläubiger allenfalls wirksam, soweit sonstige, überwiegende Gründe das zwingend erfordern ([X.], Bes[X.]hluss vom 25. August 2004 - [X.] 271/03, [X.]Z 160, 197, 200 f; vom 18. September 2014 - [X.], [X.], 957 Rn. 22; vom 20. Oktober 2016 - [X.], [X.], 959 Rn. 20).

Aus der Garantie der Mens[X.]henwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgrundsatz des Art. 20 Abs. 1 GG ergibt si[X.]h ni[X.]ht nur die Verpfli[X.]htung des Staates, dem Einzelnen notfalls au[X.]h die zur S[X.]haffung der Mindestvoraussetzungen für ein mens[X.]henwürdiges Dasein benötigten Mittel zur Verfügung zu stellen, sondern au[X.]h das Gebot, dem Einzelnen das selbst erzielte Einkommen bis zu einem bestimmten Betrag ni[X.]ht zu entziehen. Dieser für die Dur[X.]hsetzung fiskalis[X.]her Interessen des Staates ausgespro[X.]hene Grundsatz gilt au[X.]h im Rahmen der Zwangsvollstre[X.]kung na[X.]h der Zivilprozessordnung, wobei allerdings au[X.]h die Belange des Gläubigers zu berü[X.]ksi[X.]htigen sind. Denn au[X.]h für das Gläubiger-S[X.]huldner-Verhältnis muss gelten, dass der Staat grundsätzli[X.]h ni[X.]ht Zwangsmaßnahmen zur Verfügung stellen darf, um einem Einzelnen den Teil des Einkommens zu entziehen, der zur Si[X.]herung des Existenzminimums erforderli[X.]h ist. Über das Existenzminimum hinaus ist für den erwerbstätigen S[X.]huldner zudem anerkannt, dass ihm in der Vollstre[X.]kung mehr als das Existenzminimum verbleiben muss, damit er si[X.]h weiter um Arbeit bemüht (Lohnabstandsgebot; [X.], Bes[X.]hluss vom 26. Juni 2014 - [X.], [X.], 772 Rn. 13 mwN). Neben dem Existenzminimum des S[X.]huldners s[X.]hützt § 850[X.] ZPO das erweiterte Existenzminimum derjenigen, wel[X.]hen der S[X.]huldner gesetzli[X.]h zum Unterhalt verpfli[X.]htet ist, vor dem Vollstre[X.]kungszugriff der Gläubiger. Dies beruht auf dem verfassungsre[X.]htli[X.]hen S[X.]hutz von Ehe und Familie. Von diesem S[X.]hutz wird jedo[X.]h die Bedarfsgemeins[X.]haft ni[X.]ht erfasst (vgl. [X.], [X.] 2008, 513, 514).

Es ist ni[X.]ht Aufgabe der Gläubigergemeins[X.]haft, sondern des Staates, das Existenzminimum der mit dem S[X.]huldner zusammenlebenden Personen, wel[X.]hen er ni[X.]ht unterhaltspfli[X.]htig ist, zu si[X.]hern (vgl. [X.], aaO). Jedenfalls enthält das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes infolge seiner Weite und Unbestimmtheit keine unmittelbaren Handlungsanweisungen, die dur[X.]h die Geri[X.]hte ohne gesetzli[X.]he Grundlage in einfa[X.]hes Re[X.]ht umgesetzt werden könnten ([X.], Urteil vom 10. Juli 2014 - [X.], [X.]Z 202, 59 Rn. 29). Mithin durfte der [X.] für den S[X.]huldner ni[X.]ht allein deswegen erhöht werden, weil er mit einer Lebensgefährtin in einer sozialre[X.]htli[X.]hen Bedarfsgemeins[X.]haft zusammenlebt, die wegen der Zure[X.]hnung seines Einkommens ni[X.]ht hilfsbedürftig ist.

III.

Der Antrag des S[X.]huldners, die Lebensgefährtin zu berü[X.]ksi[X.]htigen und den [X.] zu erhöhen, war deswegen abzulehnen. Der Senat konnte na[X.]h § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sa[X.]he selbst ents[X.]heiden, weil die Aufhebung der Ents[X.]heidung nur wegen Re[X.]htsverletzung bei Anwendung des Re[X.]hts auf den festgestellten Sa[X.]hverhalt erfolgt und na[X.]h letzterem die Sa[X.]he zur Endents[X.]heidung reif ist.

Kayser     

      

Lohmann     

      

Pape   

      

Möhring     

      

Meyberg     

      

Meta

IX ZB 100/16

19.10.2017

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Braunschweig, 13. Dezember 2016, Az: 6 T 691/16, Beschluss

§ 765a ZPO, § 850c Abs 1 S 2 ZPO, § 850f Abs 1 Buchst a ZPO, § 850f Abs 1 Buchst c ZPO, § 9 Abs 2 S 1 SGB 2, § 36 Abs 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.10.2017, Az. IX ZB 100/16 (REWIS RS 2017, 3619)

Papier­fundstellen: MDR 2017, 1444-1446 WM2017,2205 REWIS RS 2017, 3619

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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